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Und wir tanzen über den Flüssen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.12.2021
June ist voller Lebenslust und steht am Anfang ihrer Arbeit am Theater. Nichts macht ihr Angst, mit Ausnahme des fragenden Ausdrucks in Kians Augen, den sie für ihren großen Traum, Musicaldarstellerin zu werden, nach nur wenigen gemeinsamen Monaten verlassen hat. Doch mindestens genau so sehr fürchtet sie Ashs hasserfüllte Blicke. Ash, Kians bester Freund, der sie schon immer auf unerklärliche Art und Weise faszinierte. Die drei begegnen sich immer wieder in Londons Straßen, und mit jedem Treffen wird ihnen klar, dass die Gefühle zwischen ihnen noch komplizierter sind, als sie bisher geahnt haben.

Sophie Bichon, 1995 in Augsburg geboren, ist Aktivistin, manchmal Podcasterin, am allerliebsten aber Schriftstellerin. Sie spricht über Queerfeminismus, wann immer sich ihr die Gelegenheit bietet, und schreibt die Romane, die sie sich früher selbst gewünscht hätte. Nach ihrem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte verschlug es sie nach Hamburg, wo sie endlich den Mut fand, sich als non-binär zu outen. Seitdem lebt und arbeitet sie als Phibie. Wenn sie nicht gerade in die Tasten haut, dann tanzt sie sich irgendwo die Füße wund, trinkt Aperol mit Blick auf die Elbe oder ist auf der Suche nach einem neuen Tattoomotiv.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextJune ist voller Lebenslust und steht am Anfang ihrer Arbeit am Theater. Nichts macht ihr Angst, mit Ausnahme des fragenden Ausdrucks in Kians Augen, den sie für ihren großen Traum, Musicaldarstellerin zu werden, nach nur wenigen gemeinsamen Monaten verlassen hat. Doch mindestens genau so sehr fürchtet sie Ashs hasserfüllte Blicke. Ash, Kians bester Freund, der sie schon immer auf unerklärliche Art und Weise faszinierte. Die drei begegnen sich immer wieder in Londons Straßen, und mit jedem Treffen wird ihnen klar, dass die Gefühle zwischen ihnen noch komplizierter sind, als sie bisher geahnt haben.

Sophie Bichon, 1995 in Augsburg geboren, ist Aktivistin, manchmal Podcasterin, am allerliebsten aber Schriftstellerin. Sie spricht über Queerfeminismus, wann immer sich ihr die Gelegenheit bietet, und schreibt die Romane, die sie sich früher selbst gewünscht hätte. Nach ihrem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte verschlug es sie nach Hamburg, wo sie endlich den Mut fand, sich als non-binär zu outen. Seitdem lebt und arbeitet sie als Phibie. Wenn sie nicht gerade in die Tasten haut, dann tanzt sie sich irgendwo die Füße wund, trinkt Aperol mit Blick auf die Elbe oder ist auf der Suche nach einem neuen Tattoomotiv.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641270629
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum13.12.2021
Reihen-Nr.3
SpracheDeutsch
Dateigrösse1910 Kbytes
Artikel-Nr.5425081
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



2.  Kapitel

June

»Kian«, stieß ich hervor und hasste es, dass meine Stimme so atemlos klang. Ganz so, als wäre ich gerannt und gerade eben erst vor ihm zum Stehen gekommen. Neun Millionen Menschen und doch befand er sich direkt vor mir mit nichts als dem Tresen zwischen uns. Ich versuchte das Zittern zu verbergen, das meinen Körper unwillkürlich zu durchlaufen begann, und krallte mich möglichst unauffällig an einem gerade frei gewordenen Barhocker fest.

Da stand Kian vor mir.

Der Mann, an den ich noch mehr dachte, seit ich hier in London wieder aus dem Flieger gestiegen war.

Und als wäre die ganze Situation nicht schon überfordernd genug, sah er mich offen an. So als hätte ich ihm nicht vor drei Jahren das Herz gebrochen und ihm dabei einen Teil der Wahrheit verschwiegen. So als wäre keine Zeit vergangen. Von einer Sekunde auf die andere schien ich nicht nur in eine andere Version Londons zurückkatapultiert zu werden, sondern auch in eine andere Version meiner selbst.

»June«, erwiderte Kian eine Ewigkeit später, und in der Betonung meines Namens allein lag schon diese kraftvolle Ruhe, die ihn heute noch mehr umgab als damals. »Juniper«, schob er meinen vollständigen Namen mit gesenkter Stimme hinterher. Er war einer der wenigen Menschen gewesen, die mich tatsächlich so nannten.

Bei ihm hatte es mich nie gestört.

Bei ihm hatte es sanft und irgendwie beschützend geklungen.

»Hey«, sagte ich unbeholfen, sah weg und sah ihn wieder an.

Kians Lächeln verrutschte kein Stück. Er trug die kupferfarbenen Haare immer noch kurz, sodass sie seine markanten Gesichtszüge betonten, dazu der Bart, der etwas voller schien. Immer noch eine Nerd-Brille, doch das stylische Modell mit dem feinen, goldenen Rahmen war neu. Es ließ das tiefe Braun seiner Augen noch intensiver und dunkler schimmern.

Kaffeefarbene Gänsehautaugen.

Himmel, wenn es Magie auf dieser Welt gab, dann hatte ich sie vor drei Jahren in ihm gefunden und trotzdem weggeworfen. Nein, nicht weggeworfen, ich hatte sie zerstört. Und das auf noch schlimmere Art und Weise, als er ahnte.

»Was möchtest du trinken?«, fragte er jetzt und wischte sich die Hände an dem Geschirrtuch ab, das er lässig über der rechten Schulter trug.

»Ich ... also ... ich nehme ...«, stammelte ich erneut. Ich war in einem Pub, er stand hinter der Bar. Was sollte er mich auch sonst fragen.

Lebst du? Liebst du? Bist du glücklich?

All diese Fragen hätte ich ihm am liebsten entgegengerufen, doch ich stolperte über meine eigenen Gedanken.

»Geht aufs Haus«, schob Kian freundlich hinterher, als würde er mein Unwohlsein und die Überforderung spüren. Natürlich tat er es. Egal, wie sein Leben sich auch entwickelt haben mochte, es war immer noch Kian. Kian mit dem Herzen aus Gold.

»Einen Cider, bitte«, sagte ich schließlich und sah den routinierten Bewegungen seiner Hände zu. Breite Schultern, muskulöse Arme und kräftige Finger, die mich einmal berührt hatten. Schnell schüttelte ich den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben.

Ich war Musicaldarstellerin, ich konnte in jede Rolle schlüpfen, wenn ich es wollte. Ich konnte alles und jeder sein, doch das echte Leben war nun einmal keine Bühne. Jetzt und hier war ich einfach nur June und der Mann mir gegenüber meine erste große Liebe.

Wie auch allen anderen schob Kian mir mein Getränk hin, wandte sich dann aber direkt wieder ab und nahm die nächste Bestellung auf. Mein Mund war staubtrocken, meine Handflächen fühlten sich feucht an. Wir hatten einmal so viel miteinander geteilt. Diese wenigen, belanglosen Worte, die gerade gefallen waren, wurden dem nicht gerecht. Ich war enttäuscht, obwohl ich nichts erwarten durfte. Aber auch erleichtert, weil ich so keinen Fehler machen konnte.

Spätestens das war der Moment, in dem sich die Bilder einer unwiederbringlichen Vergangenheit an den Rand meines Bewusstseins gedrängt hatten, um nun unaufhaltsam auf mich einzustürzen. Ich sah Kian und mich, wie wir lachend durch die Endlosgänge des White Roses liefen. Kian, der genau genommen mein Boss gewesen war. Der Generalschlüssel, der uns alle nur erdenklichen Möglichkeiten bot und das Hotel zu unserem Palast und Abenteuerspielplatz machte. Ein erster Kuss auf dem Dach, wo wir über London und die Themse im Laternenlicht hatten blicken können, ein zweiter im Pool.

»Bleibst du noch ein bisschen?«, durchbrach Kian meine Gedanken, dieses Mal konnte ich absolut nichts in seinem Gesicht lesen. Wollte er, dass ich blieb? War das eine Höflichkeitsfrage, um unser Unbehagen zu überspielen? Eine Frage, die verstecken sollte, dass es ihm eigentlich lieber wäre, wenn ich so bald wie möglich wieder verschwand?

Bevor ich noch länger darüber nachdenken konnte, nickte ich. Kian wandte sich erneut ab und stellte sich zusammen mit seiner Kollegin, in der ich erst jetzt Quinn erkannte, der nicht enden wollenden Flut an Bestellungen.

Das Pub war brechend voll: Leute an den dunklen Tischen, provisorisch dazugeschobene Stühle. Menschen in großen Gruppen aber auch einige, die allein hier waren. Leute, die sich für ein kurzes Gespräch an Tischkanten irgendwelcher Bekannter lehnten, zwei junge Frauen, die in der Nähe der Bühne zu tanzen begonnen hatten, während ein junger Kerl eine schiefe Version von Eye of the Tiger in das Mikro schmetterte.

Das war eines der Dinge, die ich an dieser Stadt liebte und in New York schmerzlichst vermisst hatte: die Pub-Kultur, das Konzept einer Kneipe, die das Wohnzimmer für alle war. Ein familiärer Ort für all jene, die noch nicht nach Hause gehen wollten. Ein Local, zu dem es einen immer wieder zog, in dem wie hier Jung und Alt aufeinandertrafen. Menschen aller Schichten und jeder Herkunft.

Noch immer stand ich mit dem Glas Cider an der Theke und wusste nicht so recht, was ich jetzt tun sollte. Ziellos schob ich mich an den dicht an dicht stehenden Leuten vorbei, bis mein Blick auf ein Paar eleganter, brauner Schuhe fiel, eine schmal geschnittene Hose und eine weinrote Fliege - alles viel zu schick für einen Besuch im Pub und trotzdem ... Ich sah den Mann nur von der Seite, die selbstbewusste Haltung und wie er den Kopf in den Nacken warf und lachte. Bartschatten auf den Wangen und Schnauzer. Schwarze Haarsträhnen streiften über hellen Hemdstoff, und als er sich umdrehte, traf sein Blick meinen, als hätte er gewusst, dass ich hier stand und ihn beobachtete.

Mein Herz sank mir in die Hose, als ich begriff.

Nicht auch noch das.

Nicht auch noch er.

Bitte nicht, bitte nicht, bitte nicht, flehte ich innerlich. Nach der kurzen Begegnung mit Kian verkraftete ich nicht auch noch das.

Hilfesuchend sah ich mich nach Benoît um, doch er war nirgends zu sehen. Gerade überlegte ich noch, was ich tun sollte, da bahnte Ash sich schon seinen Weg zu mir durch. Geschmeidig, elegant, fast ein bisschen raubtierartig. Er bewegte sich, als gehöre die Welt ihm. Und tatsächlich hatte es eine Zeit gegeben, da hatte er mich glauben lassen, dass dem so war.

»Ich habe dich bei Kian an der Bar gesehen.«

Ich blinzelte.

In diesem einzigen Satz schwang zu viel mit, das ich zu gern überhört hätte.

»Hallo, Ash«, erwiderte ich möglichst ruhig und gab mir Mühe, die Feindseligkeit in seiner Stimme zu ignorieren. Sie hielt mich davon ab, die wichtigen Fragen zu stellen: Wie geht es dir, und wie ist es dir ergangen? Wie lang hast du damals noch im Regen gestanden? Hast du jemals darüber gesprochen? Woher kommt diese Narbe an deiner Schläfe? Was bist du heute für ein Mensch?

»Was machst du hier?«, wollte er mit dieser Stimme wissen, die sich permanent zwischen kräftig und brüchig bewegte. Und bei diesem Klang aus der Vergangenheit kamen auch die letzten Worte, die Ash an meinem letzten Tag in Großbritannien an mich gerichtet hatte, zurück. Wieder meinte ich die Tränen auf meinen Wangen zu spüren, genau wie den klebrigen Sitz des Black Cabs unter meinen Schenkeln, und sah Ash im Rückspiegel des Autos, wie er mit den Händen in den Hosentaschen am Straßenrand stand und mir hinterhersah.

Kian war zu gut für dich, das ist er immer schon gewesen.

»Ich bin hier, um zusammen mit einem Freund etwas zu trinken.«

Ash kam einen Schritt auf mich zu, und sofort schrie alles in mir, dass er mir zu nah war und ich möglichst Abstand zwischen uns bringen sollte. In Anbetracht der Leute, die immer weiter in das Innere des Pubs drängten, leider ein Ding der Unmöglichkeit.

Mein Herz sank erst langsam und fiel dann ins Bodenlose.

»Und das tut ihr ganz zufällig ausgerechnet hier?«

Ich blinzelte und fragte mich, weshalb Ash das letzte Wort so seltsam betonte. »Ja, das tun wir hier.«

»Okay, June.« Ash verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte mich...

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Sophie Bichon, 1995 in Augsburg geboren, ist Aktivistin, manchmal Podcasterin, am allerliebsten aber Schriftstellerin. Sie spricht über Queerfeminismus, wann immer sich ihr die Gelegenheit bietet, und schreibt die Romane, die sie sich früher selbst gewünscht hätte. Nach ihrem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte verschlug es sie nach Hamburg, wo sie endlich den Mut fand, sich als non-binär zu outen. Seitdem lebt und arbeitet sie als Phibie. Wenn sie nicht gerade in die Tasten haut, dann tanzt sie sich irgendwo die Füße wund, trinkt Aperol mit Blick auf die Elbe oder ist auf der Suche nach einem neuen Tattoomotiv.