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Sommer in Ephesos

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
350 Seiten
Deutsch
Residenz Verlagerschienen am06.06.2012
Erste Liebe und begrabene Hoffnungen: Nach diesem Sommer ist alles anders. Einen Sommer lang verbringt Anastasia in Ephesos, da ist sie siebzehn. Statt ihre Mutter, die Tänzerin, mit deren wechselnden Liebhabern durch Amerika zu begleiten, lernt sie bei den Grabungen die lebenslange Obsession ihres Vaters kennen, an der nicht nur seine Ehe zerbrochen ist - Ephesos, die Stadt, die immer nur in ihren Träumen existierte und in den Büchern des Vaters, eines berühmten Archäologen. Dort trifft sie auch Hubert wieder, ihre erste Liebe, seinen Lieblingsschüler, der einmal im Haus der Eltern ein und aus ging, doch das ist lange her. In diesem Sommer glaubt Anastasia noch, ihre Zukunft würde beginnen, doch der Sommer endet in einer Katastrophe... Als sie viele Jahre später die Nachricht erhält, dass ihr Vater tot ist, erfährt sie, was damals und davor wirklich geschehen ist. Und warum er und auch Hubert nichts mehr mit ihr zu tun haben wollten - das war am Ende dieses Sommers.

Elisabeth Schmidauer geboren 1961 in Linz, Studium der Germanistik und Geschichte, lebt als Lehrerin in Wien. Mitglied des ur.theaters, Improvisationsschauspielerin im Theater Drachengasse in Wien. 'Sommer in Ephesos' ist ihre erste Buchveröffentlichung.
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Produkt

KlappentextErste Liebe und begrabene Hoffnungen: Nach diesem Sommer ist alles anders. Einen Sommer lang verbringt Anastasia in Ephesos, da ist sie siebzehn. Statt ihre Mutter, die Tänzerin, mit deren wechselnden Liebhabern durch Amerika zu begleiten, lernt sie bei den Grabungen die lebenslange Obsession ihres Vaters kennen, an der nicht nur seine Ehe zerbrochen ist - Ephesos, die Stadt, die immer nur in ihren Träumen existierte und in den Büchern des Vaters, eines berühmten Archäologen. Dort trifft sie auch Hubert wieder, ihre erste Liebe, seinen Lieblingsschüler, der einmal im Haus der Eltern ein und aus ging, doch das ist lange her. In diesem Sommer glaubt Anastasia noch, ihre Zukunft würde beginnen, doch der Sommer endet in einer Katastrophe... Als sie viele Jahre später die Nachricht erhält, dass ihr Vater tot ist, erfährt sie, was damals und davor wirklich geschehen ist. Und warum er und auch Hubert nichts mehr mit ihr zu tun haben wollten - das war am Ende dieses Sommers.

Elisabeth Schmidauer geboren 1961 in Linz, Studium der Germanistik und Geschichte, lebt als Lehrerin in Wien. Mitglied des ur.theaters, Improvisationsschauspielerin im Theater Drachengasse in Wien. 'Sommer in Ephesos' ist ihre erste Buchveröffentlichung.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783701742875
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum06.06.2012
Seiten350 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1250 Kbytes
Artikel-Nr.2750863
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
I

Manchmal, zwischen Schlafen und Wachen, sehe ich die weiße Stadt. Manchmal gehe ich, im Traum, die Marmorstraße entlang, die Kuretenstraße, die Arkadiane. Die Malven schaukeln im Wind, die Zikaden schrillen in den Hanghäusern, und die aufgehende Sonne taucht die Kapitelle und Säulen der Bibliothek in rosiges Gold. Ich gehe durch die leere Stadt, als gehörte ich hierher, ich weiß es wieder, dass ich hierher gehöre, immer habe ich es gewusst, und einmal, da war ich siebzehn, einen Sommer lang, gehörte die Stadt mir.

Dass mein Vater gestorben war, erfuhr ich während einer Besprechung. Ich hatte mein Handy auf Empfang gestellt, ich erwartete einen Anruf, es hatte Probleme mit Materiallieferungen gegeben, am Display sah ich, dass Eva anrief, meine Mutter, es war 15 Uhr 47. Ich kann jetzt nicht, sagte ich, dein Vater ist tot, etwas rauschte in meinen Ohren, ich ruf dich zurück, sagte ich und unterbrach die Verbindung. Ich klärte die Sache mit den verschollenen Lieferungen, ich vereinbarte Termine für Objektbegehungen in den nächsten Tagen, ich diskutierte das neue Projekt, Bürotürme aus Stahl und Glas, in meinen Ohren rauschte es wie von Flügeln.

Erst am Abend fand ich den Mut, Eva anzurufen. Ich bin in L. A., sagte sie, ich weiß nicht, ob ich kommen kann, du kümmerst dich doch darum.

Worum, fragte ich, das Begräbnis, sagte sie ungeduldig, wer soll es sonst machen, da ist sonst keiner, das weißt du.

Ich wusste es nicht, woher hätte ich es wissen sollen, was wusste ich von meinem Vater, ich hatte ihn seit dreizehn Jahren nicht mehr gesehen, seit dreizehn Jahren nichts von ihm gehört. Hin und wieder hatte meine Mutter, aber was wusste sie von seinem Leben oder von meinem, hatte Eva etwas erzählt, am Telefon, oder wenn wir einander kurz sahen, wenn sie in Wien war. Jahre nach der Scheidung, die Mutter war da schon lange in Amerika, hatte der Vater sie manchmal angerufen, das erzählte sie mir dann, dass er daran dachte, das Haus zu verkaufen, ist dir das gleichgültig, fragte sie mich, es ist sein Haus, sagte ich. Dass er auf Kur gewesen war, dein Vater auf Kur, sagte sie und sie schüttelte den Kopf, er wird alt, sagte sie, und es klang, als hätte sie das nicht von ihm erwartet, nicht von meinem Vater, der doch fünfundzwanzig Jahre älter war als sie. Dass er sie, aus heiterem Himmel mitten in der Nacht, wie soll das gehen, Eva, hätte mein Vater gesagt, aus heiterem Himmel mitten in der Nacht, er hatte sie angerufen, die Mutter hatte geflucht, ruf morgen an, und aufgelegt. Was wollte er wissen, fragte ich, er hat sich nicht mehr gemeldet, sagte die Mutter.

Dass er ein Buch publiziert hatte, erzählte mir die Mutter, es war sein letztes gewesen, ich hatte die Rezensionen gelesen. Es war zurückhaltend besprochen worden, man hatte etwas anderes erwartet, etwas Größeres, ein Alterswerk, das alles Bisherige zusammenfassen und übertreffen sollte. Die Fachwelt, so hieß es in den Besprechungen, die ich mit Beklemmung las, die Fachwelt wartete seit Jahren auf dieses Werk, es war aber nur ein schmales Bändchen geworden, meine Schuld, dass es kein Alterswerk gab, nur ein schmales Bändchen, Inschriften in Carnuntum.

Was geht es mich an, sage ich zu Friedrich. Wieso soll ich das machen, sein Begräbnis planen, sage ich, eine Feier für ihn ausrichten, was geht es mich an, für mich ist er vor langer Zeit gestorben, und ich für ihn.

Friedrich zieht die Augenbrauen hoch. Wir sitzen in einer Pizzeria in der Nähe meines Büros, mein Vater ist tot, sagte ich, als ich ihn in der Früh angerufen habe, warum, mein Vater ist tot, der Satz fiel in einen hohlen Raum, sodass ich nicht hörte, was Friedrich sagte. Ich legte auf, aber zu Mittag stand Friedrich im Büro, mir ist übel von den Gerüchen nach warmem Teig und Knoblauch, und Friedrich zieht die Augenbrauen hoch. Gleich wird er sagen, er ist dein Vater, wenn er das sagt, denke ich, er ist dein Vater, er sagt aber, wenn es dich nichts angeht.

Eben, sage ich und verstumme, und ich weiß, ich werde es tun müssen. Friedrich mustert mich, seine klaren hellen Augen, ich zwinge mich, nicht zu weinen, warum sollte ich weinen.

Anastasia, sagt Friedrich, und ich verschließe mich vor seinen Augen, er sieht mich an, ich schüttle den Kopf.

Anastasia. Was für ein schrecklicher Name. A-na-stasi-a. Fünf Vokale, und mein Vater musste auch noch das I betonen, Anastasía. Warum, habe ich ihn einmal gefragt, warum habt ihr mir diesen Namen gegeben, warum gerade diesen?

Weil, hat mein Vater gesagt und die Brille hochgeschoben, weil es ein schöner Name ist.

Was ist daran schön?, habe ich ihn gefragt, A-nasta-siii-a, das nimmt ja kein Ende, habe ich gesagt. Bis ich den Namen ausgesprochen habe, sind alle schon weg, die vielleicht danach gefragt haben, langweilig und altmodisch, habe ich gesagt.

Mein Vater hat mich streng über den Rand der Brille hinweg angeschaut. Es ist ein schöner Name, hat er wiederholt. Die auferstehen wird, ist das nicht schön?

Weil ich vor seinem Schreibtisch stehen geblieben bin, ich sah ihm gerne zu, wenn er las und schrieb und zeichnete, grün fiel das Licht über seine Schulter auf die Bücher, in denen er las, rotes Leder, braunes Leder und grauer Karton, blaue Buchrücken oder schwarze und aschweiße, braungelbe Blätter, ist noch was, fragte er, weil ich, von einem Fuß auf den andern tretend, noch immer vor seinem Schreibtisch stand, nein, sagte ich und ging und suchte meine Mutter, die sich dehnte in ihrem Studio, Kopf zum Knie, die Fingerspitzen bei den Zehen, die Beine gestreckt und in einer Linie am Boden, der schmale Rücken meiner Mutter. Wenn sie so, Brust und Bauch am Boden, die Arme wie anbetend, sich ergebend, auf dem hellen Parkettboden, weil sie das Haar hochgebunden hatte, sah ich ihre Halswirbel, Rückenwirbel unter ihrem Trikot, wenn sie so, wie in ein Gebet versunken, ihre Übungen machte, durfte ich sie nicht stören. Ich setzte mich auf den Boden und sah ihr zu, dehnen, strecken, hoch und nieder, Arabeske, Pirouette, Sprung.

Meine schöne Mutter, die über die Oberfläche des Spiegels flog, ihre Waden waren hart, manchmal sah sie alt aus, wieso quälst du dich, fragte mein Vater. Wie soll ich denn sonst mit den Jungen mithalten, sagte sie, meine Mutter kniff ihre Augen zusammen und den Mund, dünnlippig plötzlich, wenn mein Vater sagte, wieso quälst du dich, du musst das nicht mehr tun. Das Bild meiner Mutter im Spiegel, wenn sie sich zu mir umdrehte, war sie eine andere.

Manchmal setzte sie sich nach dem Training zu mir, sie schlüpfte in eine Jacke, zog dicke bunte Wollsocken über die Füße, ich mochte den Geruch nach Schweiß und Wolle, sie trank, gierig, ihr Wasser, eine halbe Zitrone auf einen Liter, was war in der Schule?, fragte sie, hast du gegessen?, wie war es bei den Großeltern?, gut, sagte ich, was heißt vorlaut?, fragte ich, wer sagt das, die Lehrerin, sagte ich, ich bin eine vorlaute Person, sagt sie, aber sie hat gelacht, als ich gesagt habe, also bin ich ja eigentlich leise.

Manchmal tanzte die Mutter mit mir, wild, keine Pirouetten, keine Arabesken, wild und laut tanzten wir zur Musik, die in unseren Köpfen war oder die sie aufdrehte, so laut, bis der Vater kam, Eva, sagte er, das geht nicht, und sie sah ihn an, und die Musik tobte, er musste schreien. Ich höre euch bis hinunter, schrie er, was, schrie ich, was was was, ich warf mich ihm in die Arme, was was was, schrie ich, du regst das Kind auf, sagte der Vater, aber wenn ich mich ihm in die Arme warf, hob er mich hoch, tanzen, schrie ich, komm tanzen. Er sah mir in die Augen und lächelte, dann stellte er mich wieder auf meine Beine, später, sagte er, mach die Musik leiser, Eva, sagte er, und obwohl er nicht mehr schrie, hatte ihn die Mutter verstanden und drehte die Musik ab. Der Vater hat auch später nicht mit mir getanzt, dafür ist deine Mutter zuständig, sagte er, aber er erzählte mir, das weiß ich plötzlich wieder, die schönsten Geschichten, die mir je ein Mensch erzählt hat.

Im Sommer waren wir allein, die Mutter und ich, der Vater war nicht da. In manchen Jahren verschwand er schon im Frühling, er kam zurück für ein paar Tage und brachte Geschenke, bunte Klimperketten mit blauen Augen, Seifen und weiche Tücher, die rochen fremd, und erzählte von weißen Steinen und Störchen und brennenden Städten. Die aufgeregten Stimmen der Eltern, auf dem Flur standen Koffer, und das Kind, sagte der Vater, sie kann zu meinen Eltern, sagte die Mutter, eine Mutter gehört zu ihrem Kind, die Mutter lachte auf, hart. Wenn der Vater sagte, und das Kind, wo ist das Kind, wo soll das Kind hin, du kannst doch das Kind nicht alleine lassen, und du, sagte die Mutter, du bist doch immer weg, du bist doch der, der wochenlang, monatelang, das ist mein Beruf, wir leben davon, wenn ich dich daran erinnern darf, was ist mit meinem Beruf, dann lachte der Vater, Beruf, lachte er, wo ist er denn, dein Beruf.

Die weiße Stadt, die brennende Stadt, die Sehnsuchtsstadt meiner Kindheit. Nimm mich mit, bettelte ich, wenn der Vater wieder fuhr, jedes Mal, nimm mich mit. Ich hatte Bilder gesehen in dicken Bänden, Fotos, die mein Vater gemacht hatte, Filmaufnahmen. Lange, bevor ich dort war, bin ich den Weg durch die Stadt gegangen, und oft. Mein Vater hatte mir die Stadt erzählt, ich wusste, wie die Marmorstraße glänzte, wie der Mohn rot im...
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