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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Residenz Verlagerschienen am18.10.2012
Über Heilige und Scheinheilige, Märtyrer und Spione: eine andere Geschichte des Iran. Der Iran ist ein unberechenbares Land: undurchdringlich, verworren und geheimnisvoll. ZEIT-Journalist Ulrich Ladurner hat sich auf den Weg gemacht, um das Land und seine Menschen zu verstehen. Begleitet hat ihn sein Freund Amad, der in der Millionenstadt Teheran lebt, wo er aufgewachsen ist. In den vielen Jahren ihrer gemeinsamen Erkundungen hat Ladurner ihm aufmerksam zugehört - und Schicksale gesammelt. In seinen 'Geschichten aus Teheran' erzählt er vom Ladenbesitzer Amir, der zum Heiligen wird und dabei gute Geschäfte macht; vom Fabrikanten Baba Zede, der mit skeptischem Auge jede Scheinheiligkeit seiner Nachbarn registriert; von der schönen Robabeh, die allen den Kopf verdreht und eine denkwürdige Entscheidung trifft; von drei jungen Männern, die völlig unterschiedliche Lebenswege einschlagen; vom Trinker, der zum Mörder wird; von der religiösen Eiferin, die für ihren Gott alles tun würde. Er erzählt von einem halben Jahrhundert iranischer Geschichte: wie die Iraner unter der Herrschaft des Schahs litten, wie sie die Revolution der Mullahs und den Krieg gegen den Irak erlebten und wie es heute, an der Schwelle zu einem neuen Krieg, um sie steht. Der Iran zeigt viele Gesichter, manche schön, manche hässlich, alle aber auf ihre Weise berührend. Ulrich Ladurner verschränkt in diesen Geschichten historische Fakten und persönliche Schicksale, die durch den Alltag hindurch den Blick auf den Iran schärfen, Geschichte für Geschichte.

Ulrich Ladurner, geboren 1962 in Meran/Südtirol, studierte Politikwissenschaft und Geschichte in Innsbruck. Seit 1999 berichtet er als Auslandsredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT aus Irak und Iran, Afghanistan und Pakistan. Er lebt in Hamburg. Bücher: 'Bauern am Berg' (1996), 'Islamabadblues' (2001), 'Tausendundein Krieg' (2004), 'Die Asadis' (2006), 'Südtirol liegt am Meer' (2006), 'Die iranische Bombe' (mit Gero von Randow, 2006), 'Bitte informieren Sie Allah!' (2007), 'Solferino' (2009), 'Eine Nacht in Kabul (2010).
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextÜber Heilige und Scheinheilige, Märtyrer und Spione: eine andere Geschichte des Iran. Der Iran ist ein unberechenbares Land: undurchdringlich, verworren und geheimnisvoll. ZEIT-Journalist Ulrich Ladurner hat sich auf den Weg gemacht, um das Land und seine Menschen zu verstehen. Begleitet hat ihn sein Freund Amad, der in der Millionenstadt Teheran lebt, wo er aufgewachsen ist. In den vielen Jahren ihrer gemeinsamen Erkundungen hat Ladurner ihm aufmerksam zugehört - und Schicksale gesammelt. In seinen 'Geschichten aus Teheran' erzählt er vom Ladenbesitzer Amir, der zum Heiligen wird und dabei gute Geschäfte macht; vom Fabrikanten Baba Zede, der mit skeptischem Auge jede Scheinheiligkeit seiner Nachbarn registriert; von der schönen Robabeh, die allen den Kopf verdreht und eine denkwürdige Entscheidung trifft; von drei jungen Männern, die völlig unterschiedliche Lebenswege einschlagen; vom Trinker, der zum Mörder wird; von der religiösen Eiferin, die für ihren Gott alles tun würde. Er erzählt von einem halben Jahrhundert iranischer Geschichte: wie die Iraner unter der Herrschaft des Schahs litten, wie sie die Revolution der Mullahs und den Krieg gegen den Irak erlebten und wie es heute, an der Schwelle zu einem neuen Krieg, um sie steht. Der Iran zeigt viele Gesichter, manche schön, manche hässlich, alle aber auf ihre Weise berührend. Ulrich Ladurner verschränkt in diesen Geschichten historische Fakten und persönliche Schicksale, die durch den Alltag hindurch den Blick auf den Iran schärfen, Geschichte für Geschichte.

Ulrich Ladurner, geboren 1962 in Meran/Südtirol, studierte Politikwissenschaft und Geschichte in Innsbruck. Seit 1999 berichtet er als Auslandsredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT aus Irak und Iran, Afghanistan und Pakistan. Er lebt in Hamburg. Bücher: 'Bauern am Berg' (1996), 'Islamabadblues' (2001), 'Tausendundein Krieg' (2004), 'Die Asadis' (2006), 'Südtirol liegt am Meer' (2006), 'Die iranische Bombe' (mit Gero von Randow, 2006), 'Bitte informieren Sie Allah!' (2007), 'Solferino' (2009), 'Eine Nacht in Kabul (2010).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783701743148
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum18.10.2012
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2445 Kbytes
Artikel-Nr.2750866
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Rezas Schuhe

Amir schenkte seinem Sohn Reza zum 14. Geburtstag ein Paar Schuhe. Reza freute sich darüber sehr, denn es waren die Lackschuhe, die er Monate vorher in der Auslage eines Geschäfts am Basar gesehen hatte und seither nicht mehr vergessen konnte. Einmal hatte er von diesen Schuhen sogar geträumt. In diesem Traum glänzten und glitzerten sie im Sonnenlicht, und Reza ging leicht dahin, schwebend fast, während die Passanten seine Schuhe bestaunten.

Er erzählte niemandem davon, weil er sich dafür schämte. Reza wurde streng religiös erzogen. Nicht sein Vater Amir war in erster Linie dafür verantwortlich, sondern seine Mutter Fatimeh. Während Amir erst nach seiner Rückkehr aus Mekka die Religion mehr und mehr in das Zentrum seines Lebens gestellt hatte, war Fatimeh seit jeher sehr fromm gewesen.

In den Monaten vor der Revolution nahm ihr religiöser Eifer noch zu. Mit brennender Inbrunst hörte sie die Reden Ayatollah Khomeinis, die auf Kassetten überspielt aus dem Exil in das Land geschmuggelt wurden. Die ältliche Stimme Khomeinis, seine besondere Art und Weise, die Worte zu intonieren, seine schleppende Rede, all dies erklang im Hause Amirs immer öfter.

Khomeini behauptete, dass der Schah nichts anderes sei als eine Puppe in den Händen gottloser, imperialistischer Ausbeuter. Man müsse ihn aus dem Land jagen. Was immer Khomeini sagte, Fatimeh glaubte es ihm. Es gab Tage, da fieberte sie einem Umsturz entgegen. Begierig sog sie jedes Gerücht auf, das zirkulierte, ganz egal, ob es sich dabei um die angebliche Erstürmung einer Polizeistation im Norden Teherans handelte, oder darum, dass der Schah schon damit begonnen habe, sein Geld außer Landes zu schaffen. Der Schah mochte sich dagegen wehren, wie er wollte, er mochte über so viele Waffen und über so viel Unterstützung aus dem Westen verfügen, wie nur möglich - nichts konnte den Lauf der Dinge aufhalten. Den natürlichen Lauf der Dinge, wie Fatimeh glaubte. Sie konnte die neue Zeit nicht erwarten.

Auch wenn Amir ihre Begeisterung und ihren Eifer nicht voll teilte, wehrte er sich nicht dagegen. Er verhielt sich in dieser Frage pragmatisch. Als Geschäftsmann war er prinzipiell gegen jede Unruhe, gegen Gewalt und Umsturz. Andererseits spürte er, dass es mit dem Schah zu Ende ging. Freilich, das war unvorstellbar, denn der Schah hatte das Land jahrzehntelang unumschränkt beherrscht. Aber die Zeichen standen auf Sturm. »Wenn ein neues Regime kommt«, dachte Amir, »dann kann die revolutionäre Begeisterung Fatimehs mir noch nützlich werden. Wer weiß, wer an die Macht kommt.« Amir, wie immer ein Musterbeispiel an Umsichtigkeit, blickte allerdings auch über die unmittelbare Zukunft hinaus. Er dachte an die Ewigkeit.

Er stellte sich manchmal vor, dass er am Tag des Jüngsten Gerichts über sein Leben Bericht erstatten müsste. Wenn er bei dieser Prüfung nicht überzeugen sollte, überlegte er, könne er immer noch auf seine Frau verweisen: »Aber Fatimeh! Sie hat allen Gesetzen und Vorschriften gehorcht. Sie hat nicht gesündigt. Ich bin ein Leben lang mit ihr verheiratet gewesen!« Fatimeh war Amirs Alibi, für alle Fälle.

Deshalb ließ er sie gewähren. Natürlich auch, weil sie sich in seine Geschäfte nicht einmischte. Fatimehs Entschlossenheit, das Leben nach Gottes Willen zu formen, beschränkte sich auf die eigenen vier Wände - vor allem auf Reza, den sie so erziehen wollte, dass Imam Khomeini an ihm seine Freude hätte haben können. Sie wünschte sich, dass ihr Sohn eines Tages Khomeini treffen könnte, für Khomeinis Segen hätte sie alles gegeben.

Reza kannte die Gefühle seiner Mutter. Deshalb erzählte er ihr nichts von seinem Lackschuhtraum, obwohl er normalerweise nichts vor ihr verbarg. Was immer er auch tat, was ihn auch beschäftigte, er teilte es seiner Mutter mit. Das war sehr ungewöhnlich, aber Fatimeh hatte ihm schon in zartem Alter das Gefühl eingepflanzt, dass er alles mit ihr teilen müsse. Sie war die letzte Instanz. Sie sagte ihm, was er zu tun und was er zu lassen habe, vor allem aber, ob er gesündigt habe oder nicht. Reza wuchs in großer Angst vor dem strafenden Gott auf.

Als ihm sein Vater Amir die Schuhschachtel übergab, unterdrückte er seine Freude. »Danke, Vater!«, mehr sagte er nicht. Er packte die Schuhe aus, seine Hände waren feucht vor Aufregung. Dann wandte er sich seiner Mutter zu und fragte: »Wann darf ich sie anziehen?«

Fatimeh sagte ohne Umschweife: »Am nächsten Freitag. Du kannst damit in die Moschee gehen!«

Reza rechnete schnell nach. Es waren noch vier Tage bis dorthin, so lange musste er sich gedulden. Das war nicht leicht.

»Gut, Mutter!«, sagte er.

»Bis dahin gibst du die Schuhe mir«, antwortete sie, und er reichte ihr die Schuhschachtel, die sie mit einem mürrischen Gesicht in Empfang nahm. Er fürchtete schon, dass sie ihm die Schuhe nicht mehr zurückgeben würde.

Amir betrachtete die Szene schweigend. Er strich Reza mit der Hand über den Kopf wie zum Trost, denn er wusste, dass sein Sohn es nicht erwarten konnte. Er hatte von dem Schuhverkäufer erfahren, dass Reza immer wieder vor der Auslage des Geschäftes aufgetaucht war, um diese Schuhe zu betrachten. Einmal hatte er sich nach dem Preis erkundigt und war, nachdem er ihm mitgeteilt worden war, mit hängendem Kopf aus dem Geschäft geschlichen. Als Amir das erfuhr, beschloss er, seinem Sohn die Schuhe zum Geburtstag zu schenken. Und nun musste Reza, auf Anordnung der Mutter hin, noch vier Tage warten. Amir verstand die Ungeduld, aber er griff nicht ein. »Ein wenig Selbstdisziplin«, dachte er, »kann nicht schaden.« Außerdem wollte er sich nicht mit Fatimeh anlegen.

»Gut, Mutter! Nächsten Freitag!«, sagte Reza und ging in den Innenhof des Hauses. Er setzte sich dort auf den Rand einer Treppe. Vier Tage, vier lange Tage mussten noch vergehen. Reza starrte in den Himmel. Es schien ihm eine Ewigkeit.

Aber der Freitag kam. Reza wachte beim ersten Ruf des Muezzins morgens um fünf Uhr auf. Danach konnte er nicht mehr einschlafen. Es war warm in seinem Zimmer. Auch in der Nacht hatte sich die Luft nicht wirklich abgekühlt. »Es wird ein heißer Tag werden«, dachte sich Reza und versuchte vergeblich einzuschlafen. Er wartete. Die Sonne ging auf, und der Morgen zog sich zäh dahin. Aber auch er verging, und als es Zeit war, in die Moschee zu gehen, kam Fatimeh mit den Schuhen und reichte sie Reza.

»Hier! Zieh sie an!«, sagte sie und fügte dann hinzu: »Du musst heute allein in die Moschee gehen, dein Vater fühlt sich nicht wohl!«

Es war nicht das erste Mal. Das machte ihm nichts aus. Die Moschee lag nur ein paar Gehminuten vom Haus entfernt, und unterwegs traf er meist ein paar seiner gleichaltrigen Kameraden.

Er zog die Schuhe an, und bevor er losging, strich er noch einmal mit einem Tuch darüber. Wie sie glänzten! Reza erfüllte ein Glücksgefühl, das er bis dahin nicht gekannt hatte. Hitze stieg in ihm hoch und rötete sein Gesicht. Fatimeh bemerkte das. Sie fand, dass die geröteten Wangen ihren Sohn gesund und kräftig aussehen ließen.

»Nun, lauf los!«

Sie schob Reza durch das Tor, und schon war er verschwunden. Die ersten Schritte lief Reza tatsächlich, dann aber fiel er ganz plötzlich in einen langsamen Gang. Er fürchtete, seine Schuhe könnten Schaden nehmen, wenn er die Füße zu heftig auf die Erde aufsetzte, außerdem wirbelte beim Laufen viel Staub auf. Der Glanz seiner Schuhe würde abstumpfen. Wie im Zeitlupentempo ging er Richtung Moschee. Er traf unterwegs niemanden, den er kannte, ein sicheres Zeichen dafür, dass er spät dran war. Er erreichte die Moschee als einer der Letzten, nur ein paar ältere Männer huschten mit Reza durch das Tor, zogen die Schuhe in dem Vorraum aus, vollzogen die rituelle Waschung und gingen dann eiligen Schrittes in den Gebetsraum.

Reza beeilte sich ebenfalls. Er suchte in dem wandhohen Regal, in dem die Betenden ihre Schuhe aufbewahrten, nach einer Lücke. Aber er fand keine. Deshalb stellte er seine Schuhe kurzerhand auf den Boden, am Rande des Regals. Bevor er in den Gebetsraum ging, drehte er sich noch einmal um. Er sah das Leuchten der Schuhe, und eine dunkle Vorahnung erfasste ihn.

Der Mullah hielt eine lange Predigt. Sie war wie die meisten Predigten zu dieser Zeit eminent politisch. Genau genommen handelte es sich dabei um Hetzreden gegen den Schah, gegen die Imperialisten und Zionisten. Auch der Mullah des Viertels stachelte die Menschen gerne auf. Es gab ihm das angenehme Gefühl, die Herrschaft über sie zu haben, über ihre Meinungen und ihre Gedanken. Er genoss dies, und da auch die Asadis mit dem zunehmenden Zerfall des Staates ängstlicher und damit manipulierbarer wurden, redete der Mullah länger und länger. Er zog seinen Genuss immer weiter hinaus. Das tat er auch an diesem Freitag.

Reza konnte ihm gar nicht zuhören, denn er war um seine Schuhe besorgt. Aber...
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Autor

Ulrich Ladurner, geboren 1962 in Meran/Südtirol, studierte Politikwissenschaft und Geschichte in Innsbruck. Seit 1999 berichtet er als Auslandsredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT aus Irak und Iran, Afghanistan und Pakistan. Er lebt in Hamburg. Bücher: "Bauern am Berg" (1996), "Islamabadblues" (2001), "Tausendundein Krieg" (2004), "Die Asadis" (2006), "Südtirol liegt am Meer" (2006), "Die iranische Bombe" (mit Gero von Randow, 2006), "Bitte informieren Sie Allah!" (2007), "Solferino" (2009), "Eine Nacht in Kabul (2010).