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April in Stein

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
264 Seiten
Deutsch
Residenz Verlagerschienen am03.03.2015
'April in Stein' erzählt vom (Über-)Leben im Zuchthaus, von Zwangsarbeit und politischem Widerstand, vor allem aber erstmals vom Massenmord in Krems. Während der NS-Gewaltherrschaft war das Zuchthaus in Krems-Stein das größte der 'Ostmark'. Hier wurden Regimegegner eingesperrt - Kommunisten und 'Saboteure', Widerständler aus Österreich und Osteuropa. Am 6. April 1945 öffnet der Gefängnisdirektor angesichts der vorrückenden Roten Armee die Tore der Haftanstalt, doch SS, SA und lokale Bevölkerung jagen und ermorden Hunderte politische Häftlinge in einem beispiellosen Massaker. Einigen gelingt die Flucht, einige überleben versteckt im Keller, und ihre Berichte bilden die Grundlage von Robert Streibels vielstimmigem Panorama. am 6. April 2015 ist der 70. Jahrestag des Häftlingsmassakers von Krems-Stein

Robert Streibel , geboren 1959 in Krems a. d. Donau, Studium der Geschichte u. a. in Wien, seit 1999 Direktor der Volkshochschule Hietzing. Als Historiker hat er zahlreiche Forschungsprojekte zu Nationalsozialismus, Judentum, Exil sowie zahlreiche Gedenkaktionen zu Vertreibung und Widerstand im NS-Staat durchgeführt. Publikationen u. a. 'Plötzlich waren sie alle weg. Die Juden der Gauhauptstadt Krems', 'Februar in der Provinz. Eine Spurensicherung zum 12. Februar 1934 in NÖ', zuletzt 'Krems 1938-1945. Eine Geschichte von Anpassung, Verrat und Widerstand'. 'April in Stein' ist sein erster Roman.
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Produkt

Klappentext'April in Stein' erzählt vom (Über-)Leben im Zuchthaus, von Zwangsarbeit und politischem Widerstand, vor allem aber erstmals vom Massenmord in Krems. Während der NS-Gewaltherrschaft war das Zuchthaus in Krems-Stein das größte der 'Ostmark'. Hier wurden Regimegegner eingesperrt - Kommunisten und 'Saboteure', Widerständler aus Österreich und Osteuropa. Am 6. April 1945 öffnet der Gefängnisdirektor angesichts der vorrückenden Roten Armee die Tore der Haftanstalt, doch SS, SA und lokale Bevölkerung jagen und ermorden Hunderte politische Häftlinge in einem beispiellosen Massaker. Einigen gelingt die Flucht, einige überleben versteckt im Keller, und ihre Berichte bilden die Grundlage von Robert Streibels vielstimmigem Panorama. am 6. April 2015 ist der 70. Jahrestag des Häftlingsmassakers von Krems-Stein

Robert Streibel , geboren 1959 in Krems a. d. Donau, Studium der Geschichte u. a. in Wien, seit 1999 Direktor der Volkshochschule Hietzing. Als Historiker hat er zahlreiche Forschungsprojekte zu Nationalsozialismus, Judentum, Exil sowie zahlreiche Gedenkaktionen zu Vertreibung und Widerstand im NS-Staat durchgeführt. Publikationen u. a. 'Plötzlich waren sie alle weg. Die Juden der Gauhauptstadt Krems', 'Februar in der Provinz. Eine Spurensicherung zum 12. Februar 1934 in NÖ', zuletzt 'Krems 1938-1945. Eine Geschichte von Anpassung, Verrat und Widerstand'. 'April in Stein' ist sein erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783701744992
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum03.03.2015
Seiten264 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1980 Kbytes
Artikel-Nr.3160590
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Vorwort
Streichhölzer in der Dunkelheit

Ich bin mit vielen Geschichten aufgewachsen, mit Märchen, Sagen und jeder Menge Alltagssplittern. Zwei Geschichten jedoch haben mein Leben geprägt, beide wurden nebenbei erzählt, aber gerade diese Tatsache war es, die mein Interesse noch mehr angestachelt hat. Die Geschichten markieren Beginn und Ende einer Phase der österreichischen Geschichte, die immer gerne als die »dunklen Jahre« umschrieben wird, die Zeit des Nationalsozialismus 1938-1945. Die Dunkelheit macht manchen Menschen Angst, hat aber auch den Vor- oder Nachteil (das kommt auf die Position der Akteure an), dass die Umgebung nur schwer zu erkennen ist. Wer kann in der Dunkelheit schon sagen, was wem passiert ist und wer was getan hat?

Die beiden nebenbei erzählten Geschichten sind wie schnell entzündete Streichhölzer, die aufblitzen und zumindest für einige Sekunden einen Raum erhellen, einen kleinen Raum, kleiner als die Kleinstadt Krems, in der ich aufgewachsen bin. Gerade in der unmittelbaren Umgebung sind Konturen erkennbar, der Rest muss erahnt, erdacht oder erforscht werden. Vielleicht bin ich wegen dieser beiden Streichholzgeschichten Historiker geworden.

Eine Geschichte handelt vom jüdischen Rechtsanwalt Dr. Brüll, bei dem meine Großmutter als Hausgehilfin beschäftigt war und der von Nazis 1938 in seiner Kanzlei zusammengeschlagen wurde. Das Haus, in dem das passierte, liegt in unmittelbarer Nähe unserer Wohnung, und jeden Tag ging ich auf meinem Schulweg daran vorbei. Die Suche nach denen, »die plötzlich alle weg waren«, die Geschichte der jüdischen Gemeinde, nicht der jüdischen »Mitbürger«, wie es immer heißt, hat mich viel herumkommen lassen, aber auch mit so manchen nachbarschaftlichen Abgründen konfrontiert.

Die zweite Geschichte handelt von meinem Vater, der als 13-jähriger Bub am 6. April 1945 gesehen hat, wie sich die Tore des Zuchthauses Stein geöffnet haben und die ersten Gefangenen freigekommen sind. Sie handelt auch von einem Maschinengewehr auf der Straße, das dann wieder entfernt wurde. So weit reicht die Länge eines Streichholzes. Wann er den Platz vor dem Zuchthaus verlassen und wie lange es gedauert hat, bis das Schießen, Krachen und Morden begonnen hat, das verschwindet bereits im Dunkeln.

Diese Verbrechen haben nicht irgendwo im Osten stattgefunden, sondern mitten in der Stadt, und unser Haus liegt genau in der Mitte zwischen 1938 und 1945, zwischen dem Haus des jüdischen Rechtsanwaltes Dr. Brüll und dem Zuchthaus. Und der Spazierweg am Sonntag Richtung Alauntal oder Egelsee führte am Denkmal für die Opfer des 6. April 1945 vorbei. Dieser einfache Stein ist das einzige öffentliche Zeugnis, das mit Klarheit sagt, was geschehen war. Auf diesem Gedenkstein wurde nicht unverbindlich von Opfern gesprochen, sondern davon, dass die SS Gefangene ermordet hatte. Ein blendend heller Scheinwerfer gegen das Vergessen war hier aufgestellt worden.

Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts habe ich begonnen, für meine Dissertation über Krems 1938-1945 zu recherchieren. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen waren angesichts verschlossener Archivtüren eine Möglichkeit, mehr zu erfahren. Wie viele Interviews ich geführt habe, weiß ich nicht mehr, bei 300 habe ich mit der Zählung aufgehört. Unter denen, die ich damals befragt habe, waren auch einige politische Häftlinge des Zuchthauses Stein. Ein Gefängnis hat eigene Gesetze, die Mauern versperren den Blick und regen die Fantasie an, sich vorzustellen, was dahinter geschieht, geschehen ist. Spätestens mit den Geschichten der ersten Häftlinge habe ich die Grenzen von Krems hinter mir gelassen. Lokalgeschichte ist Weltgeschichte. Die Interviews zur Stadtgeschichte führten mich nach Israel, England und in die USA, um die noch lebenden Nachkommen von Kremser Jüdinnen und Juden zu besuchen und um die amerikanischen Kriegsgefangenen des Lagers STALAG 17B bei Gneixendorf zu befragen.

Überlebende des Massakers in Stein lebten hingegen in Krems, Wien, in der Steiermark, in Brno und in (Ost)Berlin. Die Zeit der Streichhölzer war längst vorbei, es waren Stundenkerzen, die brannten. Geschichten über Geschichten. Zeitzeugen erzählen nie über Vorfälle. Sie sind immer Zeuginnen und Zeugen ihres Lebens. Es sind immer Lebensgeschichten, die erzählt werden, und dies ist gut so. »Oral history« kann Quellenarbeit nicht ersetzen, ja, erfordert diese mehr denn je, zur Überprüfung und zur Einordnung des Erzählten. Aber diese Geschichten erschließen neue Welten, sind wie aufgestellte Wegweiser, die den Historiker verleiten, vom Weg abzuweichen. Die Gefahr, sich zu verirren, besteht nur für den, der etwas Bestimmtes sucht.

Die jüngere Geschichte Österreichs bestand in den achtziger Jahren aus vielen »weißen Flecken«, für welches Tabuthema sollte man sich entscheiden? Ein Historiker zu werden, der nur der Wissenschaft verpflichtet ist und darauf wartet, dass seine Forschung vielleicht etwas verändert, schien unter diesen Voraussetzungen kein erstrebenswertes Ziel zu sein. Ein Historiker ohne volksbildnerischen Anspruch zu werden, schien mir damals nicht möglich.

Im Jahr 1995 organisierte ich gemeinsam mit Gerald Buchas eine Gedenkveranstaltung an das Massaker vom 6. April. Die Erinnerung an das Morden wenige Wochen vor der Befreiung sollte wieder in den Straßen sichtbar werden. 386 Kreuze standen auf der Ringstraße in der Steiner Landstraße rund um die Justizanstalt. Schauspielerinnen und Schauspieler sprachen die Erinnerungen der Überlebenden. Hinter jedem Kreuz stand eine Schülerin, ein Schüler. Erinnerungsarbeit schafft Öffentlichkeit, öffnet Türen zu neuen, bisher unbekannten Geschichten und Zeitzeugen.

In der Folge gab es noch eine Reihe von Gedenkveranstaltungen in Stein und später in Hadersdorf mit Gerhard Pazderka, wo sich die Frage der Erinnerung zu einem politischen Konflikt ausweitete. In Stein wurden 1997 die Namen der Opfer des Massakers auf eine Plakatwand projiziert, und Gerasemos Garnelis, der als griechischer Widerstandskämpfer 1944 nach Krems deportiert worden war, verwundet unter Toten auf dem Leichenhaufen das Massaker am 6. April überlebt hatte und nun in Krems lebte, las die Namen der am 7. April in Hadersdorf exekutierten 61 Opfer auf dem dortigen Friedhof.

Geschichten erschließen neue Welten und verleiten den Historiker, vom Weg abzuweichen. Die Geschichten der ehemaligen politischen Häftlinge waren es auch, die mich verführten, sodass in den neunziger Jahren eine erste Skizze für diesen Roman entstand. Es waren nicht nur viele andere »weiße Flecken« und »Erinnerungsprojekte«, die mich reizten und abhielten, sondern auch die Frage, ob ein Historiker überhaupt die literarische Form wählen darf. Dilettanten gibt es doch genug. Die Versuchung war groß, und immer wieder habe ich neue Versuche gestartet, mich dem Komplex des 6. April zu nähern.

Wenn der Schriftsteller Erich Hackl nicht gewesen wäre, der meine Arbeit als Historiker und Erinnerungsarbeiter mit Interesse verfolgt und mich auch bestärkt hat, den Roman fertigzustellen, hätte ich es nicht gewagt.

In den letzten zwanzig Jahren hat sich viel geändert, am Beginn meiner Auseinandersetzung mit dem Thema waren die Opferverbände für »ihr« eigenes Gedenken zuständig. Eine kuriose, zynische Situation, in der die Opfer trachten müssen, dass die Taten der Mörder nicht vergessen werden und dass die, die nicht überlebt hatten, nicht vollständig aus dem Blick verschwinden. Im Jahr 2014 hat die Stadt Krems zum ersten Mal ein offizielles Gedenken für die Opfer des 6. April organisiert. Ein langer Weg vom Kranz mit Schleife bis zur Gedenkfeier. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, darf natürlich nicht vergessen werden, dass offizielle Gedenkfeiern zwischen 1945 und 1955 zur politischen Praxis gehörten. Nach dem Ende der Besatzungszeit hatte das freie Österreich sehr schnell jedoch anderes, Wichtigeres zu tun.

Mein langes Zögern lag auch an einem für mich unlösbaren Problem im Umgang mit historischen Fakten und Personen. Die hier geschilderten Geschichten fußen auf 18 Interviews mit ehemals politischen Häftlingen, dazu kommen noch Briefe, Erinnerungsberichte, Nachlässe wie jener von Jaroslav Petras, Zeitungsartikel und Akten.

Ich habe mich entschieden, im Roman alle Namen zu verändern. Dies betrifft einerseits die Häftlinge, aber auch die im Volksgerichtsprozess im August 1946 angeklagten Aufseher und alle am Massaker Beteiligten. Die Veränderung der Namen war für mich eine Möglichkeit, dem Vergleich mit einer vorgeblichen historischen Objektivität auszuweichen, denn auch bei der Konzeption der Geschichten der Häftlinge wurden immer wieder Erinnerungen von mehreren realen Personen verschmolzen.

Eine Ausnahme bei der Fiktionalisierung der handelnden Personen habe ich nur dort gemacht, wo Opfer des NS-Terrors bloß genannt werden, wie zum Beispiel jener Robert Litter, der im Konzentrationslager Mauthausen starb. Der Lagerschreiber hatte jedoch in die Todesliste den aus Stein eingelieferten Häftling Harry Klauber eingetragen, der so geschützt die Befreiung 1945 erlebte. Eine weitere Ausnahme stellen jene Häftlinge dar, die am 6. April aus dem Landesgericht Wien zu Fuß nach Stein aufbrachen und dort exekutiert...
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Autor

Robert Streibel , geboren 1959 in Krems a. d. Donau, Studium der Geschichte u. a. in Wien, seit 1999 Direktor der Volkshochschule Hietzing. Als Historiker hat er zahlreiche Forschungsprojekte zu Nationalsozialismus, Judentum, Exil sowie zahlreiche Gedenkaktionen zu Vertreibung und Widerstand im NS-Staat durchgeführt. Publikationen u. a. "Plötzlich waren sie alle weg. Die Juden der Gauhauptstadt Krems", "Februar in der Provinz. Eine Spurensicherung zum 12. Februar 1934 in NÖ", zuletzt "Krems 1938-1945. Eine Geschichte von Anpassung, Verrat und Widerstand". "April in Stein" ist sein erster Roman.