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Das schwarze Feuer von Byzanz

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
463 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am28.06.20191. Aufl. 2019
London 1599: Der Orgelbauer Thomas Dallam reist im Auftrag von Königin Elizabeth I. nach Konstantinopel, um Sultan Mehmed ein außergewöhnliches Geschenk zu überreichen: eine Orgel, die von selbst spielt. In Wahrheit dient Dallams Reise jedoch einem ganz anderen Zweck. Er ist auf der Suche nach dem Griechischen Feuer - jener legendären Waffe der Byzantiner, die selbst Wasser zum Brennen bringen soll. Als der Sultan davon Wind bekommt, beginnt in den uralten Gassen und Gemäuern Konstantinopels die Jagd auf ein Feuer von unvorstellbarer Macht.



Dirk Husemann studierte Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Ethnologie. In seinen Reportagen, Sachbüchern und Romanen begibt er sich immer wieder auf Zeitreise. Im 6. Jahrhundert begegneten ihm Die Seidendiebe, im 9. Ein Elefant für Karl den Großen und Die Eispiraten. Im 15. Jahrhundert stieß er auf Die Bücherjäger und im 16. auf Das schwarze Feuer von Byzanz.
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Produkt

KlappentextLondon 1599: Der Orgelbauer Thomas Dallam reist im Auftrag von Königin Elizabeth I. nach Konstantinopel, um Sultan Mehmed ein außergewöhnliches Geschenk zu überreichen: eine Orgel, die von selbst spielt. In Wahrheit dient Dallams Reise jedoch einem ganz anderen Zweck. Er ist auf der Suche nach dem Griechischen Feuer - jener legendären Waffe der Byzantiner, die selbst Wasser zum Brennen bringen soll. Als der Sultan davon Wind bekommt, beginnt in den uralten Gassen und Gemäuern Konstantinopels die Jagd auf ein Feuer von unvorstellbarer Macht.



Dirk Husemann studierte Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Ethnologie. In seinen Reportagen, Sachbüchern und Romanen begibt er sich immer wieder auf Zeitreise. Im 6. Jahrhundert begegneten ihm Die Seidendiebe, im 9. Ein Elefant für Karl den Großen und Die Eispiraten. Im 15. Jahrhundert stieß er auf Die Bücherjäger und im 16. auf Das schwarze Feuer von Byzanz.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732572342
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum28.06.2019
Auflage1. Aufl. 2019
Seiten463 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4102531
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1588

Auftakt

Ein kalter Wind fegte durch die Kathedrale von Westminster. Der alte Kantor rieb sich die von der Gicht verkrümmten Hände. Warum Kirchen mit den Portalen nach Osten gebaut werden mussten, hatte er noch nie verstanden. Von dort fiel zwar die Morgensonne in den Kirchenraum, aber mit ihr kam der Ostwind, und der brachte den Frost. Bisweilen kam aus dieser Himmelsrichtung auch das Unglück.

Kantor Hanscombe beugte sich über die Brüstung der Empore. Tief unter ihm summte die Kathedrale. Die Bänke waren mit Menschen gefüllt. Noch hatte die Messe nicht begonnen, noch redeten die Besucher miteinander, tauschten Neuigkeiten aus. Manche kamen nur aus diesem einen Grund, andere, um die Königin zu sehen. Denn an diesem kalten Morgen im März 1588 wollte Elizabeth persönlich an der Eucharistie teilnehmen. Der Krieg mit Spanien stand unmittelbar bevor, und die Königin konnte jede denkbare Unterstützung gebrauchen. Vor allem die Hilfe Gottes.

Schwere Schritte donnerten auf der Stiege zur Orgel. Farnham, der Küster, kam herauf, aber nur so weit, dass sein von Wein und Gottesfurcht gerötetes Gesicht über dem Treppenschacht erschien.

»Du wirst heute ohne Kalkanten arbeiten müssen. Ich brauche die Männer unten im Kirchenschiff. Verstanden?«

Hanscombe seufzte. Die Kalkanten waren junge Kirchendiener. Sie traten die Blasebälge hinter der Orgel mit Kraft und Ausdauer, damit das Instrument Luft bekam. Er, Hanscombe, hingegen würde dem Instrument mit seinen alten Beinen gerade genug Atem verschaffen, damit es überhaupt Töne von sich gab - ein flaues Flüstern, wo doch ein robustes Röhren zu hören sein sollte. Aber Hanscombe hatte keine Wahl. In dieser Kirche traf der Küster die Entscheidungen.

Farnham warf einen missmutigen Blick auf die leere Orgelbank. »Wo bleibt der Knabe?« In seiner Stimme lag mehr Eis als im Ostwind.

»Gib ihm noch etwas Zeit«, erwiderte Hanscombe. »Die Königin ist doch auch noch nicht da.«

»Zeit!« Der Küster spie das Wort von seinen feuchten Lippen. »Wenn Elizabeth knochiger Hintern die Kirchenbank berührt, kracht hier eine Kadenz von der Orgel, gegen die ein Furz des seligen Königs Heinrich wie das Winseln eines Welpen klingt.« Er schnappte nach Luft. »Oder ich sehe mich nach einem neuen Kantor um.« Farnhams Kopf verschwand.

Hanscombe nickte, stumm wie die Orgel. Allmählich bereute er seinen Wagemut. Er hatte einem Knaben ermöglicht, die Orgel für die Königin von England zu spielen. Der junge Thomas Dallam hatte Talent. Die Königin, selbst kinderlos, war vernarrt in Kinder. Und jeder wusste: Wer ein Lächeln auf das traurige Gesicht Elizabeth zaubern konnte, den liebte ganz London - und für Hanscombe war London die ganze Welt.

Aber dieses Lächeln würde Elizabeth dünne Lippen niemals zieren, wenn Thomas Dallam nicht bald an der Orgel erschien.

Thomas, dachte der alte Kantor, wo steckst du?

*

Südlich der Stadt schaute ein Knabe zum unerreichbaren nördlichen Ufer der Themse hinüber, dorthin, wo Westminster lag. Längst sollte er dort sein. Aber das Glück war auf dieser Seite des Flusses so viel wert wie zwei schäbige Münzen. In Thomas Dallams Hand lag jedoch nur eine einzige.

»Zwei Farthings«, wiederholte John Flint. Der Sohn des Fährmanns schaute Thomas herausfordernd an. Jedenfalls versuchte er es. Flint schielte. Auch sonst war sein Äußeres wenig dazu angetan, die Mädchen von Lambeth Marsh auf ihn aufmerksam zu machen. Sein Haar war kupferrot und struppig. Seine Ohren wuchsen in entgegengesetzte Himmelsrichtungen. Zwischen seinen Lippen ragten zwei Schneidezähne hervor, und wenn er grinste - so wie in diesem Augenblick -, bekamen diese Gesellschaft von einer Parade bleicher Gesellen, die an ausgemusterte Orgelpfeifen erinnerten. Wenn das Marschland südlich von London das Gesäß der Stadt war, so war John Flint die Warze darauf.

»So viel Geld habe ich nicht«, sagte Thomas. »Bei deinem Vater kostet die Überfahrt nur einen Farthing.«

»Mein Vater ist krank. Ich muss Medizin für ihn kaufen.« Das Grinsen in Flints Gesicht ließ Thomas ahnen, was für eine Medizin das war - und was für eine Krankheit. Gewiss hatte Flints Vater zu viel von dem billigen Bier getrunken, das die Wirte von Lambeth Marsh mit Themsewasser brauten.

Thomas hatte weder das Geld noch die Zeit, sich um die Trunkenheit von Flints Vater zu kümmern.

»Die Königin erwartet mich«, sagte er. Im selben Moment wünschte er sich, den Mund gehalten zu haben.

»Gewiss!« Flint vollführte eine Bewegung mit seinem Oberkörper, die einer Verbeugung recht nahe kam. »Was für eine Ehre, dass der feine Herr mit meiner Fähre vorliebnehmen will. Wartet, ich lege den Samtteppich für Euch aus.« Er zog sich das löchrige Schaffell von den mageren Schultern und breitete es auf dem Anleger aus. Dahinter schaukelte die Fähre im Fluss, und in einiger Entfernung ragten die Türme von Westminster aus dem Morgendunst empor. Glockenschläge erklangen von weit her.

»Hörst du nicht?«, fragte Thomas. »Sie läuten zur Messe. Ich muss rechtzeitig dort sein, um die Orgel zu spielen.« Er holte tief Luft und sagte so langsam wie möglich: »Für die Königin.«

Flint sperrte seine Zähne in seinen Mund ein und runzelte die Stirn. »Das glaubst du dir wohl selbst«, sagte er. »Du bist noch verrückter, als alle sagen.«

Wenn in Lambeth Marsh jemand als verrückt galt, so waren das Roscoe Flint, der Fährmann, und John Flint, sein Sohn. Die Kinder im Dorf um die Hügel Lambeth Heights machten sich einen Spaß daraus, »Flintauge« zu spielen. Dabei galt es, möglichst lange mit absichtlich gekreuzten Pupillen einem anderen ins Gesicht zu starren. Es hieß, wenn man diesen Spaß übertrieb, würden die Augen nie wieder geradeaus schauen können. Deshalb gewannen nur die Mutigsten diesen Wettbewerb. Thomas hatte bislang immer die hinteren Plätze belegt. Er war auch nie unter jenen Schreihälsen, die Flint schauerliche Geschichten andichteten. Darin grub der Fährmannssohn des Nachts Leichen auf dem Friedhof aus, weil er auf der Suche nach Augen war, die er gegen seine schief stehenden eintauschen konnte. So aberwitzig derlei Gerüchte waren, sorgten sie doch dafür, dass Flint von Gleichaltrigen gemieden wurde - und ihnen seinerseits aus dem Weg ging. Nur an der Fähre konnte es vorkommen, dass sich die Wege der Kinder von Lambeth Marsh mit denen des Fährmannssohns kreuzten.

Und das schien der Rotschopf Thomas nun spüren lassen zu wollen.

»Hör zu«, sagte Thomas und versuchte, sich größer zu machen. »Ich habe nichts gegen dich. Ich habe auch nie über dich Witze gerissen oder dich ausgelacht.«

»Warum solltest du über mich Witze reißen?«, fragte Flint. Sein Gesicht war so düster wie der Himmel über der Themse.

Thomas konnte die Füße nicht länger stillhalten. Er begann, vor dem Anleger auf und ab zu gehen. »Hör endlich auf damit, Flint«, sagte er und hob beschwörend die Hände in die Höhe. »Ich muss nach Westminster. Dort soll ich vor der Königin spielen. Master Hanscombe hat dafür gesorgt.«

»Hanscombe? Nie gehört«, erwiderte Flint.

»Der alte Kantor von Westminster Abbey«, erklärte Thomas mit gepresster Stimme. »Was willst du denn noch alles von deinen Passagieren wissen?«

»Deine Lieblingsfarbe«, sagte Flint.

Thomas starrte ihn entgeistert an. »Meine was?«

»Ich will s wissen. Sag es, und ich fahre los.«

Dieser Flint war tatsächlich noch blöder, als alle immer behaupteten. »Gelb«, sagte Thomas.

Flint knetete sein linkes Ohr. »Gelb, ja?« Er spitzte die Lippen. »Gelb geht in Ordnung. Du kannst mitfahren.«

Jetzt war Thomas misstrauisch geworden. »Und der zweite Farthing?«, fragte er, gewiss, dass Flint ihn nur zum Narren halten wollte.

»Ich sehe das so«, sagte Flint. »Wenn du wirklich für die Königin auf der Orgel spielen wirst, zahlst du nur den halben Preis. Damit komme ich dir entgegen, nicht wahr? Weil du mir ebenfalls entgegenkommen wirst. Denn du nimmst mich mit in die Messe. Die Königin! Ich hab sie noch nie gesehen. Und sie mich auch nicht. Das wird ihr wohl einen ganzen Farthing wert sein.«

Die Fähre schob sich mit der Geschwindigkeit einer Seerose über die Themse. Thomas sah keine andere Möglichkeit, als Flint beim Rudern zu helfen. Aber er war den Umgang mit den Riemen nicht gewohnt, und es fiel ihm schwer, mit einem anderen Jungen im selben Rhythmus zu rudern. Wenn es darum ging, den Takt zu halten, war er an der Orgel stets auf sich allein gestellt.

Trotzdem hielt der Kahn nun so schnell auf das nördliche Ufer zu, dass er schon nach kurzer Zeit mit einem Ruck gegen den Anleger stieß. Thomas kletterte von der Ruderbank und lief los.

»Warte! Du musst mich mitnehmen!«, rief der Fährmannssohn ihm hinterher.

»Dann beeil dich!«, wollte Thomas rufen.

Da sah er das Unglück. Flint humpelte auf ihn zu. Etwas war mit seinen Beinen nicht in Ordnung. Das rechte Bein schien verdreht. Die bloßen Zehen zeigten auf die Innenseite des linken Fußes. Wenn Flint lief, schien sein linker Fuß geradeaus gehen zu wollen, während sein rechter einen Bogen beschrieb. Mit einem Mal wusste Thomas, warum Flint niemals unter den anderen Kindern von Lambeth Marsh zu finden war, warum er immer nur auf seiner Fähre über den Fluss schipperte, von Norden nach Süden, von Süden nach Norden. Seine Kompassrose hatte nur zwei Blütenblätter, weil er auf dem Fluss besser vorankam als zu Land.

Wenn er auf John Flint wartete, würde Thomas die Kathedrale wohl erst am...

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Dirk Husemann studierte Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Ethnologie. In seinen Reportagen, Sachbüchern und Romanen begibt er sich immer wieder auf Zeitreise. Im 6. Jahrhundert begegneten ihm Die Seidendiebe, im 9. Ein Elefant für Karl den Großen und Die Eispiraten. Im 15. Jahrhundert stieß er auf Die Bücherjäger und im 16. auf Das schwarze Feuer von Byzanz.
Das schwarze Feuer von Byzanz

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