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Palais Heiligendamm - Ein neuer Anfang

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
574 Seiten
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am30.10.20201. Aufl. 2020
Heiligendamm, 1912: Die Berliner Hotelierfamilie Kuhlmann hat große Pläne, man will dem berühmten Grand Hotel Konkurrenz machen. Doch die High Society steigt lieber weiter bei dem etablierten Rivalen ab. In dieser schweren Zeit zeigt ausgerechnet die junge Tochter Elisabeth kaufmännisches Geschick, während sich der sensible Sohn Paul für Musik begeistert. Vater Kuhlmann sieht sich gezwungen, den Emporkömmling Julius Falkenhayn um Hilfe zu bitten. Und der hegt recht unkonventionelle Ansichten ...


Michaela Grünig, geboren und seelisch beheimatet in Köln, war lange Jahre im Ausland tätig. Dort kam sie nicht nur mit interessanten Menschen und ihren Geschichten zusammen, sie entdeckte auch ihre große Liebe zum Reisen, das sie aber immer wieder zu ihren Lieblingsorten an der Ostseeküste zurückführte. Seit 2010 hat sie ihr Hobby, das Schreiben, zum Beruf gemacht.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,99
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextHeiligendamm, 1912: Die Berliner Hotelierfamilie Kuhlmann hat große Pläne, man will dem berühmten Grand Hotel Konkurrenz machen. Doch die High Society steigt lieber weiter bei dem etablierten Rivalen ab. In dieser schweren Zeit zeigt ausgerechnet die junge Tochter Elisabeth kaufmännisches Geschick, während sich der sensible Sohn Paul für Musik begeistert. Vater Kuhlmann sieht sich gezwungen, den Emporkömmling Julius Falkenhayn um Hilfe zu bitten. Und der hegt recht unkonventionelle Ansichten ...


Michaela Grünig, geboren und seelisch beheimatet in Köln, war lange Jahre im Ausland tätig. Dort kam sie nicht nur mit interessanten Menschen und ihren Geschichten zusammen, sie entdeckte auch ihre große Liebe zum Reisen, das sie aber immer wieder zu ihren Lieblingsorten an der Ostseeküste zurückführte. Seit 2010 hat sie ihr Hobby, das Schreiben, zum Beruf gemacht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732594504
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum30.10.2020
Auflage1. Aufl. 2020
Reihen-Nr.1
Seiten574 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5162063
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Kapitel
Doberan, Sommer 1912

Es war noch früh am Morgen, als Elisabeth die Augen aufschlug. Die ersten Sonnenstrahlen schienen durch einen Spalt in dem schweren Brokatvorhang und malten hell tanzende Punkte auf die gegenüberliegende Wand. Durch das geöffnete Fenster hörte sie das melodische Läuten des Münsters, das ihr immer noch ein wenig fremd vorkam. Eigentlich war sie von Kindesbeinen an die Geräusche der Großstadt gewohnt. Erst vor kurzem war sie mit ihrer Mutter und ihren Schwestern aus der hektischen Reichshauptstadt Berlin in das von hellen Buchenwäldern und Moor umgebene Doberan gezogen, wo ihr Vater bereits vor einem Jahr das luxuriöse Hotel Palais Heiligendamm eröffnet hatte. In dem idyllischen Ort gab es weder hupende Automobile noch laute Straßenhändler. Hier wehte ihr keine benzingeschwängerte Luft um die Nase, sondern eine salzig-frische Brise, die erahnen ließ, dass der Ostseestrand mit dem tiefblauen Meer und den bunten Strandkörben nur knapp sechs Kilometer entfernt lag.

Plötzlich hielt es Elisabeth nicht länger in ihrem Bett. Mit einem vorsichtigen Blick auf ihre jüngere Schwester Luise, die, das Gesicht umrahmt von blonden Locken, auf der anderen Seite des Zimmers schlief, stand sie auf und zog sich an. Ihr bodenlanges Kleid raschelte verräterisch, als sie auf Zehenspitzen zur Tür schlich. Die Klinke knarrte beim Herunterdrücken. Für einen Moment hielt Elisabeth inne. Doch ihre Schwester rührte sich nicht. Erleichtert stahl sich Elisabeth auf den Korridor der Privatwohnung ihrer Eltern, die im ersten Stock des Hotels lag. Dort schluckten die weichen Teppiche ihre Schritte, und nur der auf seinem Pferd sitzende Großherzog Friedrich Franz I., in dunkler Ölfarbe gemalt, blickte missbilligend auf sie herab. Ihrer Mutter gefielen diese morgendlichen Streifzüge nicht, und so war es Elisabeth eigentlich verboten, sich um diese Uhrzeit im Hotel herumzutreiben.

Warum nur, dachte sie. Was soll verkehrt daran sein, dass ich etwas über das Gewerbe meines Vaters lernen will? Weshalb muss ich mit neunzehn Jahren meine Zeit mit langweiligen Stickarbeiten und Musikstunden verschwenden? Kann sich meine Mutter nicht darüber freuen, dass ich etwas Sinnvolles tun möchte?

Allein bei dem Gedanken an das geschäftige Treiben im Hotel verspürte Elisabeth ein verheißungsvolles Kribbeln im Bauch. Sie hatte diese Atmosphäre schon im Berliner Fürstenhof geliebt, den ihr Vater früher gemeinsam mit seinem Bruder betrieben hatte und der jetzt von ihrem Onkel Hans allein weitergeführt wurde. Aber wie viel aufregender war es, wenn der emsige Bienenkorb der eigenen Familie gehörte? Erst neulich hatte ihr Vater mit viel Pathos am Mittagstisch verkündet, dass das zukünftige Schicksal der Familie Kuhlmann aufs Engste mit dem des Palais verknüpft sei. Wie hätte ihr da das Hotelgeschehen egal sein können?

Als sie an der Tür des privaten Speisezimmers der Familie vorbeiging, hörte sie das sachte Klappern von Porzellan. Himmel, die Stubenmädchen deckten bereits den Frühstückstisch. Elisabeth eilte noch ein wenig rascher den Korridor entlang. Wenn sie auf den letzten Metern doch noch Mutters Zofe in die Arme lief, würde sie dem von ihr so bewunderten Chefkoch nicht bei der Arbeit zusehen können. Dabei standen heute ganz besonders erlesene Speisen auf der Karte.

Wenig später hatte sie die Privaträume ihrer Familie verlassen und schritt voller Vorfreude die Stufen der Haupttreppe hinunter, die in einem großen Bogen ins Foyer führte. Die lichtdurchflutete Eingangshalle war ein magischer Ort. Elegant und aufregend. Noch hatten keine königlichen Häupter auf den blütenweißen Kissen der Suiten geruht, so wie im nahe gelegenen Grand Hotel in Heiligendamm. Aber niemand konnte den nach Doberan reisenden Adeligen, Industriellen und Großgrundbesitzern ihre Zugehörigkeit zur oberen Gesellschaftsschicht absprechen. Die Damen, alt wie jung, führten hier ihre feinsten Kleider vor, die sie mehrmals am Tag wechselten. Delikate Parfümwolken vermischten sich mit dem herben Cologne der männlichen Gäste. Die Herren standen ihren Begleiterinnen in Bezug auf Geschmack in nichts nach. Im Foyer trafen sie alle aufeinander. Auf den samtigen Sofas wurden verstohlene Blicke und intime Geschichten ausgetauscht. Man stellte sich vor oder rauschte auf dem Weg zum Empfangstresen grußlos aneinander vorbei. Je nach Temperament und Standesdünkel. Es war ein Kommen und Gehen, ein sorgfältig orchestriertes Schauspiel wie auf einer Bühne, an dem sich Elisabeth niemals sattsehen würde.

Um diese frühe Uhrzeit war die Eingangshalle allerdings verwaist. Statt nach Parfüm duftete es nach frischem Bohnerwachs. Die Gäste schliefen noch, nur das Personal wuselte bereits herum. Dienstmädchen in weißen Hauben und mit buschig-fedrigen Wedeln bewaffnet, staubten die Lampen, Bronzeskulpturen und sonstigen Kostbarkeiten ab. Andere polierten die silbernen Kerzenhalter und Aschenbecher.

Der Empfangschef, Herr Walter, hatte wie jeden Morgen die fünf livrierten Pagen antreten lassen und kontrollierte - die Reihe wie ein Feldmarschall abschreitend - das makellose Weiß ihrer Handschuhe.

»Guten Morgen, gnädiges Fräulein«, grüßte er, als er Elisabeth erblickte.

Doch bevor sie »Wohin des Weges?« gefragt werden konnte, war sie schon mit einem höflichen Nicken an ihm vorbeigehuscht und in den mit schlanken Säulen gesäumten Gang zum Speisesaal eingebogen. Eigentlich unterhielt sie sich gern mit dem Empfangschef, der einen schmalen, mit viel Pomade in Form gebrachten Oberlippenbart trug. Der gute Mann war ein wandelndes Lexikon. Egal, was Elisabeth ihn fragte, er kannte die Antwort. Das lag an seiner jahrzehntelangen Erfahrung im Hotelgewerbe. Herr Walter war der einzige Angestellte, den Vater aus dem Fürstenhof mitgebracht hatte, da er ein »Ausbund an Diskretion« sei. Und tatsächlich hatte sie schon öfter mitbekommen, wie der Empfangschef dem Maître d hôtel, der für das Restaurant zuständig war, sehr präzise Anweisungen gegeben hatte: welche zerstrittenen Parteien auf keinen Fall zu nah nebeneinandersitzen durften oder wem an einem bestimmten Tisch die Ehre zuteilwerden musste, als Erster bedient zu werden. Außerdem kümmerte er sich um die ausgefallensten Wünsche der Hotelgäste, sorgte dafür, dass ein Abendkleid kunstvoll geflickt oder ein zahmer Papagei untergebracht wurde.

Doch heute würde Herr Walter sie ganz gewiss wieder nach oben schicken, denn ihre Mutter hatte auch mit ihm ein ernstes Wort gesprochen. Ach, warum war sie nur als Mädchen geboren worden? Für ihre älteren Brüder war alles einfacher. Wenn einer von ihnen auch nur das geringste Interesse am Hotelwesen gehabt hätte, er wäre schon längst nach Lausanne geschickt worden. Dort, in der Schweiz, wurden die Besten der Branche ausgebildet. Doch weder Friedrich, der in Berlin Medizin studiert hatte, noch Paul, der von Vater gegen seinen Willen zum Juniorchef des Palais erkoren worden war, drängte es in die Hotelfachschule. Paul weigerte sich sogar regelrecht, obwohl Vater ihn immer wieder zu überreden versuchte.

Mit Schwung drückte Elisabeth die gläserne Flügeltür zum Speisesaal auf, in dem ab sieben Uhr dreißig das Frühstück serviert wurde. In dem großen Raum mit den hohen Sprossenfenstern deckte gerade ein ganzes Heer von Pinguin-Kellnern die Tische ein. Das Wort »Pinguin-Kellner« stammte von ihrer Schwester Luise, die als kleines Kind die drollig watschelnden Vögel im Berliner Zoo gesehen und sofort mit den Frack tragenden Obern in Verbindung gebracht hatte. Im Palais Heiligendamm wurde beim Eindecken mit einem Holzlineal gearbeitet, damit die silbernen Gabeln, Messer und Löffel im richtigen Abstand zueinander und zum Meissener Porzellan lagen.

Mit kritischem Blick beäugte Elisabeth die Tische. Hatten die Pinguine auch wirklich an alles gedacht? Stand jede der mit drei Rosen bestückten Vasen genau mittig? Neigte sich keine der zu Lilien gefalteten Servietten traurig zur Seite? Ihrem Vater hatte sie schon früh abgeschaut, dass man als Hotelier ein unbestechliches Auge haben musste, dem keine Kleinigkeit entging. Und prompt entdeckte sie zwei Fehler.

»Robert?«, rief sie.

»Ja, bitte, gnädiges Fräulein?« Der hochgewachsene, hellblonde Oberkellner, der gerade die Tische auf der Fensterseite kontrollierte, drehte sich dienstbeflissen um. Seine markanten Züge wurden von einem hinreißenden Lächeln erhellt. Kein Wunder, dass Luise heimlich in ihn verliebt war und jedes Mal rot wurde, wenn sie ihn erblickte. Sie selbst ließ sich allerdings nicht von solchen Äußerlichkeiten blenden.

»Auf Tisch einunddreißig fehlt die Zuckerdose.«

Roberts Blick flog zu dem Zweiertisch direkt neben dem Eingang. »Herzlichen Dank, gnädiges Fräulein. Das werde ich sofort beheben.«

»Und auf Tisch vierzehn müssen die Blumen erneuert werden. Sie sind schon fast verblüht.«

»Selbstverständlich.« Er nickte ihr freundlich zu und wies einen der Unterkellner an, die gefundenen Mängel zu beseitigen.

Von einer stolzen Zufriedenheit erfüllt, wandte Elisabeth sich um und marschierte in Richtung des eigentlichen Ziels ihrer morgendlichen Tour: die Küche.

Hinter dem Speisesaal lag ebenerdig lediglich ein Vorraum, in dem die dampfenden Speisen vom Servierpersonal in Empfang genommen wurden. Sie gelangten mithilfe eines von Hand betriebenen Aufzugs dorthin und wurden so rasch wie möglich von den Pinguinen zu den Tischen gebracht. Die eigentliche Hotelküche lag eine Etage tiefer. Dort unten begann der verborgene Kosmos des Hotels. Der Teil, den die Gäste nicht zu Gesicht bekamen und der doch irgendwie das Herzstück des...

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