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Lasst uns lernen!

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am30.09.20221. Aufl. 2022
Pashtana ist Lehrerin mit Leib und Seele. Früh beginnt sie, in der Schule ihres Vaters zu unterrichten. Schützend holt sie ihre Mitschülerinnen von zu Hause ab und begleitet sie zur Schule. Immer wieder erlebt sie, dass Mädchen nicht mehr zum Unterricht dürfen und verschwinden. Später gründet Pashtana eine NGO, sammelt Geld für Tablets, auf denen der Lehrstoff vorinstalliert ist, und bringt sie dahin, wo es keine Schulgebäude gibt. Mit ihrem Engagement wird sie zur Zielscheibe der Taliban, entgeht nur knapp einem Bombenanschlag. Als die Taliban im August 2021 die Macht im Land übernehmen, Schulen schließen und Frauenrechte beschneiden, werden die Tablets zur letzten Hoffnung auf Bildung ...



Pashtana wächst in einem Flüchtlingscamp in Pakistan auf. Ihr Vater, Führer eines afghanischen Stammes, gründet dort mit eigenem Geld eine Schule. Schon früh fängt Pashtana selbst an zu unterrichten. Mit 18 Jahren schlägt sie ein Oxford-Stipendium aus und gründet eine NGO, um afghanischen Mädchen eine Schulbildung zu ermöglichen. Nach ihrer Flucht aus Kandahar lebt sie in den USA, von wo sie weiter für ihre Mission kämpft.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextPashtana ist Lehrerin mit Leib und Seele. Früh beginnt sie, in der Schule ihres Vaters zu unterrichten. Schützend holt sie ihre Mitschülerinnen von zu Hause ab und begleitet sie zur Schule. Immer wieder erlebt sie, dass Mädchen nicht mehr zum Unterricht dürfen und verschwinden. Später gründet Pashtana eine NGO, sammelt Geld für Tablets, auf denen der Lehrstoff vorinstalliert ist, und bringt sie dahin, wo es keine Schulgebäude gibt. Mit ihrem Engagement wird sie zur Zielscheibe der Taliban, entgeht nur knapp einem Bombenanschlag. Als die Taliban im August 2021 die Macht im Land übernehmen, Schulen schließen und Frauenrechte beschneiden, werden die Tablets zur letzten Hoffnung auf Bildung ...



Pashtana wächst in einem Flüchtlingscamp in Pakistan auf. Ihr Vater, Führer eines afghanischen Stammes, gründet dort mit eigenem Geld eine Schule. Schon früh fängt Pashtana selbst an zu unterrichten. Mit 18 Jahren schlägt sie ein Oxford-Stipendium aus und gründet eine NGO, um afghanischen Mädchen eine Schulbildung zu ermöglichen. Nach ihrer Flucht aus Kandahar lebt sie in den USA, von wo sie weiter für ihre Mission kämpft.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751728836
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum30.09.2022
Auflage1. Aufl. 2022
SpracheDeutsch
Dateigrösse3054 Kbytes
Artikel-Nr.9166087
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 1

Unsere Straße war die letzte der Stadt, bevor das Flüchtlingscamp begann; sie bildete eine unsichtbare Grenze zwischen den Menschen, die dazugehörten, und denen, die nicht dazugehörten.

Am Camp endeten die gepflasterten Straßen, dort fingen die verschlungenen unbefestigten Wege an. Je weiter man ins Flüchtlingscamp hineinkam, desto kleiner wurden die Gebäude, bis sie irgendwann völlig verschwanden und nur noch Zelte übrig blieben. Größtenteils gab es im Camp weder Strom noch fließendes Wasser.

Beinahe täglich kamen neue Menschen in Pakistan an, und die alten gingen niemals fort. Der Krieg in Afghanistan dauerte nun schon um die vierzig Jahre an, und Millionen Afghaninnen und Afghanen hatten ihr Land noch nie gesehen. Ich war eine von ihnen. Ein Flüchtling in dritter Generation.

Meine Großmutter, Khan Bibi, hatte die Familie hierher gebracht, nachdem sie vor dem Krieg und ihrem Ehemann geflohen war. Die Geschichten über Khan Bibi schienen so weit weg von unserer Realität, so weit weg von unserem Leben, dass sie wie Märchen in unseren Ohren klangen. Nur der weiche Klang, den die Stimme meines Vaters jedes Mal annahm, wenn er von ihr erzählte, hauchte Khan Bibi Leben ein.

Sie wuchs in einem Schloss auf. Die Zugbrücke, die das Schloss mit dem Dorf verband, wurde jede Nacht emporgezogen und morgens wieder hinabgelassen. Das quietschende Geräusch, das sie von sich gab, muss so laut gewesen sein, dass man es im ganzen Dorf hören konnte, und so wussten die Menschen, dass es Zeit zum Aufstehen war. Khan Bibi wurde angekleidet und bekam die Haare geflochten.

Meine Mutter erzählte mir regelmäßig, wie Khan Bibi hin und wieder beim Anblick irgendwelcher Details der opulenten Kulissen indischer Seifenopern in Tränen ausbrach. Dann wurde sie an die Vorhänge oder die Fenster ihres früheren Zuhauses erinnert.

Gemessen an den damaligen Verhältnissen war sie eine gebildete Frau und kannte den Großteil des Korans auswendig. Nach der Heirat zog sie aus dem Schloss aus, doch in ihrer Erinnerung ist es ihr Zuhause geblieben.

Nach allem, was man hört, hatten meine Großeltern ein schönes Leben. Jedenfalls bis zu dem Tag, an dem mein Großvater nach einem kleinen Streit beschloss, sich eine Zweitfrau zu nehmen. Da brach die Hölle los.

Für meine Großmutter kam das nämlich überhaupt nicht infrage. Im Islam mag es gestattet sein, mehr als eine Frau zu heiraten, doch in der Oberschicht war das nicht üblich. Es war eine Beleidigung.

Tu das nicht, warnte sie ihn.

Tu das nicht, warnten ihn seine Söhne.

Anfang der 1980er befand sich die Familie schon inmitten des Kriegs. Mein Großvater war ein Anführer der Mudschaheddin im Kampf gegen die sowjetische Besatzung. Was ihn anging, so war er derjenige, der Befehle erteilte, und nicht umgekehrt. Mit einer Sturheit, die eindeutig in der Familie liegt, beschloss er, sie alle zu brüskieren und setzte seine Heiratspläne in die Tat um.

Khan Bibi war jedoch ebenso wenig die Sorte Mensch, die einfach klein beigibt. An dem Abend, als ihr Ehemann ein absichtlich rauschendes Hochzeitsfest veranstaltete, um den Stachel noch tiefer in die Wunde zu bohren, versammelte sie ihre Kinder um sich und stellte sie vor die Wahl, ob sie mit ihr gehen oder bei ihrem Vater bleiben wollten.

Alle elf Kinder entschieden sich dafür, mit ihr zu gehen.

Khan Bibi blieb keine Zeit zum Packen. Sie brachen noch am selben Abend auf und nahmen nicht einmal Wäsche zum Wechseln mit. Im Haus ihrer Eltern konnte Khan Bibi mit den Kindern nicht bleiben, denn ihr Dorf hatte sich bereits in ein Schlachtfeld verwandelt. Also flohen sie nach Pakistan. Unterwegs besorgte sich Khan Bibi von ihren Verwandten eine Kuh, um ihre Kinder ernähren zu können.

Die Frau, die früher alles besessen hatte und keinen Finger krümmen musste, schrubbte nun die Häuser fremder Menschen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Statt ihre Kinder arbeiten zu lassen, wie es wohl die meisten Afghaninnen und Afghanen in ihrer Lage getan hätten, schickte sie sie alle zur Schule, Jungen wie Mädchen. Nun lag es an ihr - und der Kuh -, das Überleben der Familie zu sichern. Die Kinder gingen jahrelang barfuß, doch sie machten alle einen höheren Schulabschluss, die meisten studierten sogar.

Es dauerte nicht lange, da musste auch mein Großvater fliehen. Mein Vater, der stets um Frieden bemüht gewesen ist, söhnte seine Eltern aus, und er und seine Brüder kamen so wieder in den Besitz ihrer Rechtsansprüche. Doch diese Privilegien erreichten ihn spät, zu spät, um ihn all die Mühsal vergessen zu lassen, die ihn hierher gebracht hatte. Khan Bibi war es, der er zu Dank verpflichtet war. Sie hatte ihren Kindern den Weg geebnet, hatte sie zu zielstrebigen Menschen erzogen, die sich nichts vormachen lassen. Sie spiegelte sich in allem wider, was uns über Frauen, Bildung, Armut beigebracht worden war. Für uns alle stand sie in erster Linie für das Afghanistan, das wir verloren hatten.

Als ich zur Welt kam, sah ein privilegiertes Leben anders aus. Unser Haus war das größte des Flüchtlingslagers und umgeben von Zypressen, so als seien wir die Gutsherren. Unser Rasen war gemäht, unser Unkraut gejätet. Im Gegensatz zu den meisten anderen Familien mussten wir nie Hunger leiden. Am Fest des Fastenbrechens standen die Kinder bei uns Schlange, denn wir waren die Einzigen, die Süßigkeiten verteilten, die Einzigen, die sich welche leisten konnten.

Man bemerkt sie schon früh, diese kleinen Unterschiede, diese kleinen Vorzüge. Sie machten sich teilweise auf absurdeste Weise bemerkbar. So waren wir die einzige Familie im Camp, die ein Sofa besaß. Jedes Mal, wenn jemand eine Hochzeitsfeier veranstalten wollte, kamen sie zu uns und baten, das Sofa für den Empfang ausleihen zu dürfen. Es war keine richtige Hochzeit, wenn die Männer nicht auf unserem Sofa saßen. Dieses Möbelstück war mehr herumgekommen als irgendwer von uns.

Ich wusste schon früh, dass meine Familie sich von den anderen unterschied. Mein Vater war ein Khan, ein Stammesführer. Als solcher lagen sämtliche Angelegenheiten des Stammes in seiner Hand, vom Urteilsprechen bei Streitigkeiten bis hin zum Verhandeln mit anderen Stämmen. Da wir Flüchtlinge waren, musste mein Vater auch den Kontakt zu den pakistanischen Behörden und den Hilfsorganisationen übernehmen. Die Leute hörten auf ihn.

Wir gehören dem paschtunischen Volksstamm an, der zu beiden Seiten der Grenze beheimatet ist. Von der Außenwelt wird diese Grenze die Durand-Linie genannt, nach dem Mann, der sie wahllos auf eine Karte kritzelte. Sie schneidet unseren Stamm in zwei Hälften, obwohl wir uns noch immer relativ ungehindert hin und her bewegen. Im Gegensatz zu Indien und Pakistan ist Afghanistan nie kolonialisiert worden, obwohl viele es versuchten. Wir haben etwas Unabhängiges, Sturköpfiges an uns.

Pakistan war den Paschtuninnen und Paschtunen gegenüber nicht wohlgesinnt, besonders den afghanischen nicht, weil sie nun mal von der falschen Seite der Grenze stammten. Der kleinste Verdacht auf politisches Engagement genügte, um von den Behörden zum Verhör abgeführt zu werden und wochenlang, wenn nicht gar monatelang von der Bildfläche zu verschwinden. Mein Vater, der im besten Falle sorglos mit der afghanisch-pakistanischen Grenze umging und sich deshalb bei den Pakistanis ohnehin unbeliebt gemacht hatte, musste sich dann an die Behörden wenden und sich nach dem Verbleib der Verhafteten erkundigen. Je nach Verhaftungsgrund und je nach Laune des Beamten wurde mein Vater dann oft selbst verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Als Stammesführer bestand dein Leben also wahrlich nicht nur aus Privilegien.

Meine Familie verteilte aber nicht nur Sofas für Hochzeiten und Süßigkeiten zum Fest des Fastenbrechens. Ich erinnere mich noch gut daran, wie mein Vater verkündete, dass Hilfsgüter eingetroffen seien, oder wie meine Mutter, meine Tante und ich kleine Pakete schnürten und sie anschließend verteilten. Zuerst an die Kinder, dann an die Frauen. Und zuletzt an die Männer. Das entsprach nicht der üblichen Reihenfolge hierzulande, aber es war unser Haus, und dort machten wir die Regeln.

Die Hilfspakete waren für meine Familie und mich tabu. Das machte mir normalerweise nichts aus, und ich stellte diesen Grundsatz auch nie infrage. Bis eines Tages eine Lieferung eintraf, die lilafarbene Geometrie-Sets enthielt. Damals war ich sechs Jahre alt und hatte absolut keine Verwendung für ein Geometrie-Set, doch diese Sets waren so wunderschön! Einen solchen Lilaton hatte ich noch nie gesehen. Ich musste unbedingt eines davon haben.

Ich bettelte meinen Vater wieder und wieder an. Normalerweise gelang es mir spielend, seinen Widerstand zu brechen. Diesmal jedoch weigerte er sich strikt.

Das war mir neu. Er hatte mir noch nie etwas verweigert, ich kam sonst mit allem durch.

Er meinte, die Sets seien für die älteren Mädchen, die sie für die Schule bräuchten. »Diese Mädchen können sich kein Geometrie-Set leisten. Wenn du wirklich unbedingt eins brauchst, dann kaufe ich dir eines.«

Mein Vater war ein kluger Mann, doch den Ernst dieser Lage begriff er ganz offensichtlich nicht. Etwas dergleichen gab es in Pakistan einfach nicht. Er würde es also nicht kaufen können. Ich brauchte kein beliebiges Geometrie-Set. Ich brauchte das Geometrie-Set aus dem Hilfspaket.

Doch er blieb hart. »Wenn du eine gute Anführerin sein willst, kannst du dir nicht einfach nehmen, was deinem Stamm zusteht.« Dieser Grundsatz ist gut, dem stimmte ich zu, aber es musste doch Ausnahmen geben - Ausnahmen wie das schimmernde lilafarbene Geometrie-Set.

Ich...

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Pashtana wächst in einem Flüchtlingscamp in Pakistan auf. Ihr Vater, Führer eines afghanischen Stammes, gründet dort mit eigenem Geld eine Schule. Schon früh fängt Pashtana selbst an zu unterrichten. Mit 18 Jahren schlägt sie ein Oxford-Stipendium aus und gründet eine NGO, um afghanischen Mädchen eine Schulbildung zu ermöglichen. Nach ihrer Flucht aus Kandahar lebt sie in den USA, von wo sie weiter für ihre Mission kämpft.
Lasst uns lernen!