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Funkenfeder

Teil 1 der Vogelwandler-Dilogie
tolino mediaerschienen am01.07.2021
Das Leben der 16-jährigen Ria wird von Regeln und Geheimnissen bestimmt. Nicht einmal ihrer besten Freundin darf sie erzählen, dass sie eine Vogelwandlerin, eine sogenannte Alata, ist. Selbst vor anderen ihrer Art muss sich Ria in Acht nehmen, denn sie kann sich in einen Phönix verwandeln und das hat schon ihren Vater das Leben gekostet. Als sich ihr Großvater nicht mehr um sie kümmern kann, wird sie in die Federklaue gesteckt - ein Waisenhaus für Vogelwandler in Weimar. Dort ist Ria zum ersten Mal von Alati ihres Alters umgeben und im turbulenten Alltag wird es immer schwieriger, ihre Phönixgestalt zu verbergen - vor allem, als sie sich mehr und mehr zu Lily hingezogen fühlt. Doch schon bald ist das nicht mehr ihr einziges Problem. Was hat es mit den Schattenwesen auf sich, die Weimar belagern? Und wohin verschwinden die Bewohner des Waisenhauses in der Nacht? Wird Ria die Geheimnisse, die sie umgeben, aufdecken können, ohne ihr eigenes zu verraten?

Ines Plagemann schreibt und lebt in Bernburg in Sachsen-Anhalt. Davor hat sie vier Jahre lang in dem schönen Städtchen Weimar gewohnt, das sie dazu inspiriert hat, diesen Roman zu schreiben. Wenn sie nicht am Schreibtisch in Geschichten versinkt, stapft sie für ihr Naturschutzstudium durch die Wildnis oder starrt in den Himmel, um Kolkraben zu beobachten.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,99

Produkt

KlappentextDas Leben der 16-jährigen Ria wird von Regeln und Geheimnissen bestimmt. Nicht einmal ihrer besten Freundin darf sie erzählen, dass sie eine Vogelwandlerin, eine sogenannte Alata, ist. Selbst vor anderen ihrer Art muss sich Ria in Acht nehmen, denn sie kann sich in einen Phönix verwandeln und das hat schon ihren Vater das Leben gekostet. Als sich ihr Großvater nicht mehr um sie kümmern kann, wird sie in die Federklaue gesteckt - ein Waisenhaus für Vogelwandler in Weimar. Dort ist Ria zum ersten Mal von Alati ihres Alters umgeben und im turbulenten Alltag wird es immer schwieriger, ihre Phönixgestalt zu verbergen - vor allem, als sie sich mehr und mehr zu Lily hingezogen fühlt. Doch schon bald ist das nicht mehr ihr einziges Problem. Was hat es mit den Schattenwesen auf sich, die Weimar belagern? Und wohin verschwinden die Bewohner des Waisenhauses in der Nacht? Wird Ria die Geheimnisse, die sie umgeben, aufdecken können, ohne ihr eigenes zu verraten?

Ines Plagemann schreibt und lebt in Bernburg in Sachsen-Anhalt. Davor hat sie vier Jahre lang in dem schönen Städtchen Weimar gewohnt, das sie dazu inspiriert hat, diesen Roman zu schreiben. Wenn sie nicht am Schreibtisch in Geschichten versinkt, stapft sie für ihr Naturschutzstudium durch die Wildnis oder starrt in den Himmel, um Kolkraben zu beobachten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783754608913
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum01.07.2021
Seiten376 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse777
Artikel-Nr.7864706
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe




Kapitel 1

Auf Rias Gefieder tanzten Funken und in ihren Adern loderte Feuer. Der Wind trug sie rasend schnell zur Küste der Insel Ameland, in den Ausschnitt des Himmels, über den Femke soeben verträumt den Blick schweifen ließ. In letzter Sekunde übernahmen Rias antrainierte Reflexe die Oberhand und sie schlug hektisch mit den Schwingen, um ihren Anflug zu bremsen. Funken blitzten wie ein Kometenhagel um ihre Vogelgestalt. Femke sah zurück auf den Feldweg, ohne Ria bemerkt zu haben.

Frustriert über ihre eigene Disziplin legte Ria sich in die Kurve und drehte weit oben hinter ihrer besten Freundin Kreise in der Abendluft. Die Sonne wetteiferte in Rot- und Orangetönen mit der Färbung ihres Gefieders, aber selbst der Sonnenuntergang war keine Tarnung für einen Phönix. Ein Blick zurück in den Himmel und Femke würde sie unweigerlich sehen.

Mit jedem Flügelschlag gegen den Wind kämpfte Ria auch gegen das Davonfliegen ihres Mutes an. Bei diesen Lichtverhältnissen zu fliegen war nicht nur töricht, sondern im schlimmsten Fall lebensgefährlich. Wenn andere Alati sie sahen ... Allerdings waren ihr die anderen Vogelwandler gerade reichlich egal. Sie war wegen Femke hier. Femke, die alles von ihr wusste, bis auf das hier. Paragraf 1, Absatz 1 von Opas Überlebensregelbuch sagte deutlich: Erzähle niemandem, dass du eine Alata bist! Aber bei besten Freundinnen sollten Überlebensregelbücher keine Rolle spielen.

Femke müsste nur einen Blick über die Schulter vom Feldweg in den Abendhimmel werfen und Rias größtes Geheimnis wäre keines mehr. Lautlos schwebte Ria über ihr. Schon tausendmal hatte sie sich diesen Moment ausgemalt: Wie Femke Mund und Augen aufriss, während Ria sich in der Zeit eines Wimpernschlags von einem Vogel einer Märchengestalt gleich in ihre Menschengestalt verwandelte und elegant, vom Schwung in die Hocke federnd, vor ihr landete. Diese winzige Sekunde, in der Rias gelocktes Haar in flammendem Rot leuchtete, bevor schwarze Farbe es überschattete. Wie würde Femke reagieren?

Ria war sich zu neunundneunzig Prozent sicher, dass sie hellauf begeistert wäre. Aber wenn man einmal angefangen hatte, dieses Geheimnis zu tragen und nach Opas Regelbuch zu leben, hörte man nicht mehr damit auf. Ria hatte den Moment verpasst.

Statt zu ihrer Freundin hinabzufliegen, beobachtete sie sie aus der Ferne. Sie fühlte sich seltsam taub und machtlos. Wie sehr hatte sie sich immer danach gesehnt, eine Verbündete zu haben. Eine, die sogar ihr größtes Geheimnis kannte.

Sieh nach oben!, flehte sie.

Sobald Femke den ungewöhnlichen Vogel über sich erst einmal gesehen hätte, wäre Absatz 1 außer Kraft gesetzt. Paragraf 2, Absatz 6 von Opas Regelbuch: Sieht dich jemand in deiner Vogelgestalt und gibt es keine Möglichkeit, deine Identität zu verleugnen, stelle mit allen Mitteln sicher, dass er niemandem davon erzählt. Ria wäre quasi verpflichtet, Femke in ihr Geheimnis einzuweihen. Aber ihre beste Freundin sah nicht in den Himmel. Flotten Schrittes lief sie den Küstenweg entlang, ihre Hände streiften die Gräser am Wegesrand. Sie erreichte die ersten Häuser der Siedlung und Rias letzte Chance war vergangen.

Ria ließ sich an der Insel vorbei über den Ozean abtreiben und schrie all ihre Angst und Verzweiflung hinaus. Eine Windböe riss die Töne von ihrem Schnabel und trug sie über das Meer davon, wo allein die Möwen sie hörten. In stummem Respekt folgten die grauen Vögel ihr in Schwärmen auf ihrem letzten Flug um die Insel.

Der Schmerz über den Verlust ihrer besten Freundin war so stark, dass er selbst ihre Flammen auslöschte. Kein einziger Funke löste sich mehr von ihren Federn, das Feuer erstarrte in der Kälte ihres Herzens. Und Ria war derart durch den Wind, dass sie nicht einmal mehr Erleichterung darüber empfand.

Als sie sich Minuten später an einer geschützten Stelle in ihre menschliche Gestalt verwandelte, war ihre Kehle rau vom Schreien. Ohne das schützende Gefieder umfing sie schlagartig die abendliche Kälte und sie schlotterte am ganzen Körper. Schleunigst folgte Ria dem Weg durch das Wäldchen, aber bevor sie um die letzte Biegung trat, verlangsamte sie die Schritte. Diese schreckliche Endgültigkeit hatte von ihr Besitz ergriffen. Als wäre es, wenn sie jetzt um die Kurve bog, das allerletzte Mal, dass sie ihr geliebtes Zuhause sehen würde.

Die dürre, knorrige Eiche kam zuerst in Sicht. Daneben duckte sich das Huiz Ochtendzon in die Dünen. Das Reetdach spannte sich über die grauen Ziegel, die weißen Fensterrahmen wirkten einladend - nicht so ihr Großvater, der mit verschränkten Armen in der Tür stand.

Sie konnte sein Aufatmen sehen, als er sie entdeckte, und hatte sofort ein schlechtes Gewissen. Gewaltsam hielt sie die Tränen zurück, die sich in ihren Augenwinkeln sammelten.

Ich gehe packen , murmelte sie statt einer Begrüßung.

Opa nickte hilflos und ließ sie vorbei. Obwohl er sicher an ihrer Erschöpfung erkannte, dass sie eine Regel gebrochen hatte, sparte er ihr die übliche Rede.

Die Stufen knarrten laut unter Rias Schritten. In ihrem Zimmer lag bereits der Koffer auf dem Boden. Er nahm fast den gesamten Platz zwischen Bett und Kleiderschrank ein. Sie liebte dieses Zimmer, den Blick auf die Dünen und das Meer, das zwischen den dürren Bäumen hervorblitzte, den zerkratzten Holzboden, den Schrank mit dem aufgemalten Blumenmuster, sogar die dünnen, babyblau gestrichenen Wände, durch die sie nachts den Wind pfeifen hörte. Von allen Orten, an denen sie gelebt hatten, war ihr keiner so ans Herz gewachsen wie dieses Haus.

Mit einem Satz sprang Ria über den Koffer auf ihr Bett. Der alte Lattenrost protestierte geräuschvoll. Sie schlang ihre Arme um das Kissen und starrte auf ihre Fotowand. Auf den meisten Fotos waren Femke und sie zu sehen: auf der superlangen Schaukel im Garten, die Opa für sie gebaut hatte, oder am Strand beim Windsurfen. Dazwischen war eines mit ihrem Großvater auf einer Brücke in Amsterdam, auf dem er seinen albernen Strohhut trug.

Und ganz unten hing ein Foto ihrer Eltern. Papa mit der altmodischen Dauerwelle, durch die seine braun gefärbten Haare fast genauso lockig wirkten wie der Afro ihrer Mutter. Seine Haut war gerötet von der Sommersonne. Und Mama in dem senfgelben Kleid, das so perfekt zu ihrer Hautfarbe passte - ein dunkles Sepia wie das Gefieder einer Wasseramsel. Sie sah wunderschön aus mit ihrem unbeschwerten Lächeln.

Rias Herz zog sich zusammen und die Angst ließ sie nur schwer atmen. Wenn sie sich morgen wiedersahen, würde Mama dann mit der Frau auf diesem Foto noch weniger Ähnlichkeit haben als vor drei Jahren? Das Bild verschwamm vor ihren Augen. Durch den Tränenschleier hindurch ertastete sie die Stecknadeln und löste ein Foto nach dem anderen von der Wand. Sie verstaute sie in einer Klarsichthülle und legte sie zuunterst in den Koffer. Als Nächstes wandte sie sich ihrer Kleidung zu. Sie konnte nicht alles mitnehmen, denn mehr als diesen Koffer und einen Rucksack konnte sie nicht tragen.

Schwerfällige Schritte auf der Treppe kündigten ihren Opa an. Zwei Tassen Tee in den Händen balancierend trat er in ihr Zimmer und blieb unschlüssig vor dem Koffer stehen. Sie nahm ihm die Tassen ab und er stieg über das Hindernis hinweg. Er setzte sich neben sie auf das Bett und nahm seinen Tee wieder entgegen. Schweigend saßen sie dort und umklammerten das Porzellan. Ria merkte, dass ihr immer noch eiskalt war. Sie beugte sich dicht über die Tasse und der warme Lufthauch streichelte ihre Wangen - es war ein tröstliches Gefühl.

Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie Opa über den Rand seiner Tasse strich, seine Haut wettergegerbt und grau wie der von Wasser überspülte Sand an der Küste. Im Alltag war es einfach, sein Alter zu vergessen. Aber heute war kein normaler Tag und sie spürte einen Stich der Furcht, dass sie ihn nicht wiedersehen würde, wenn sie ging.

Ich kann dir auch etwas nachschicken , bemerkte Opa und tätschelte unbeholfen ihr Knie.

Ria griff nach seiner Hand und sie klammerten sich aneinander fest, ihre eigene Haut so viel dunkler als Opas. Zwischen ihren Fingern wirkte seine noch grauer. Wenn Mama mich überhaupt reinlässt , erinnerte sie ihn und er seufzte.

Wird sie. Opa stellte die Tasse auf dem Boden ab und legte den Arm um sie.

Jetzt konnte sie ein Schluchzen nicht mehr unterdrücken, presste ihre Hand auf den Mund und ließ zu, dass er sie an seine Brust zog. Es war lange her, seit sie das letzte Mal geweint hatte.

Ich werde dich vermissen, Mäuschen.

Ich komme bald wieder , beharrte sie.

Opa schwieg.

***

Als sie am nächsten Morgen um fünf Uhr im Wassertaxi saß, um den ersten Bus von Holwerd aus zu erreichen, schrieb sie Femke eine Nachricht. Sie brauchte die ganze Überfahrt für die paar Zeilen.

Hi, Femke. Musste spontan zu Mama fahren. Bleibe wahrscheinlich für eine Weile dort.

Wie verabschiedete man sich, wenn man sich vielleicht nie wieder sah?

Werde dich vermissen. Ria.

Liebe dich, deine Ria.

Halt die Ohren steif, Inselschwester!

Am Ende schrieb sie einfach nur: Ria.

Im unbequemen Sitz des Zuges nach Utrecht war sie gerade in einen leichten Schlaf gefallen, als ihr Handy klingelte - es war Femke. Ria wusste immer noch nicht, was sie ihr erzählen sollte. In ihrem Kopf herrschte Leere. Die anderen Leute im Zug warfen ihr genervte Blicke zu, bis das Klingeln schließlich aufhörte.

Sofort trudelten Nachrichten ein:...


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