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Die Tochter des Kardinals

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
397 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am21.06.20131. Aufl. 2013
Italien, 1589. Rom wankt unter der Macht der um sich greifenden Reformation. Immer mehr Fürsten bekennen sich zu dem neuen christlichen Glauben. Die Gegner des Papstes wittern eine einmalige Chance, allen voran sein größter Feind, Kardinal Callisto Carafa. Doch seine Mittel sind begrenzt, ein erster Mordanschlag schlägt fehl. Carafa benötigt Informationen aus dem engsten Umfeld Sixtus' V. Unter einem Vorwand lässt er die junge Benediktinernonne Giulia nach Rom holen. Diese ahnt nichts von Carafas niederträchtigem Plan ...mehr

Produkt

KlappentextItalien, 1589. Rom wankt unter der Macht der um sich greifenden Reformation. Immer mehr Fürsten bekennen sich zu dem neuen christlichen Glauben. Die Gegner des Papstes wittern eine einmalige Chance, allen voran sein größter Feind, Kardinal Callisto Carafa. Doch seine Mittel sind begrenzt, ein erster Mordanschlag schlägt fehl. Carafa benötigt Informationen aus dem engsten Umfeld Sixtus' V. Unter einem Vorwand lässt er die junge Benediktinernonne Giulia nach Rom holen. Diese ahnt nichts von Carafas niederträchtigem Plan ...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783838721262
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum21.06.2013
Auflage1. Aufl. 2013
Seiten397 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2188424
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

ROM, 19 JAHRE SPÄTER

»Schläfst du?«, fragte eine dunkle Frauenstimme.

Der Mann, der neben ihr auf dem Bett lag, schlug die Augen auf. »Mitnichten«, sagte er und drehte sich auf den Rücken. Er streckte eine Hand aus, streichelte über ihre Wange und strich die lockigen schwarzen Strähnen aus ihrem jungen Gesicht.

Sie nahm die Hand und küsste jeden einzelnen Finger. »Woran denkst du?«

Lächelnd entzog er ihr seine Hand und legte sie unter seinen Kopf. »Allegra«, sagte er, »meinen Körper weihe ich deiner Jugend und Schönheit, meine Gedanken jedoch verbleiben dort, wo sie sind.« Er tippte an seine Schläfe.

Allegra warf lachend den Kopf in den Nacken. »Das war früher einmal anders, Callisto.«

»Früher?«, echote Callisto. »Seit wann teilen wir das Bett? Seit einem Jahr?«

»Oh …« Allegra streichelte ihm über den Bauch und schürzte die Lippen. »Sind wir heute ein wenig griesgrämig?«

»Nein«, gab er zurück. »Allein dein Begriff von Zeit ist mir fremd.« Mit gerunzelter Stirn betrachtete er den Baldachin über dem Bett.

Wieder lachte sie. »Zeit ist nichts als ein leeres Wort. Ein Jahr vergeht für mich ebenso zügig oder langsam wie für dich.«

»Das«, sagte er und sah sie an, »ist bloßer Unfug. Dein müßiges Kurtisanenleben vermag schnell oder langsam zu vergehen, doch hängt es von den Umständen ab. Hier in meinem Bett eilt die Zeit gewiss, aber lasse ich dich in den Kerker von Torre di Nona werfen, glaube mir, mein Kind, werden Stunden zu Tagen und Tage zu Monaten.«

Schmollend warf sie sich auf den Rücken und zog das Laken bis unter das Kinn. »Es ist nicht nötig, mir zu drohen.«

»Drohen?«, fragte er. »Warum sollte ich dir drohen?«

»Das frage ich dich!«

Wieder lächelte er. Es war ein kaltes, versteinertes Lächeln.

»Er ist es, nicht wahr?«, fragte sie.

Blitzschnell legte er seine Hand auf ihre Lippen. »Nenne seinen Namen nicht!«

Allegra riss die Augen auf und schob seine Hand weg. »Wusste ich es doch. Seinetwegen bist du seit Wochen gereizt wie ein toller Hund.«

»Du weißt gar nichts«, entgegnete Callisto.

»Wann gedenkst du, endlich etwas gegen ihn zu unternehmen?«

»Sei still«, sagte er und schloss die Augen.

Sie richtete sich auf und sah ihn herausfordernd an. »Pah!«, machte sie. »Letztendlich bist du nicht besser als die anderen großmäuligen Schwächlinge. Ihr schwatzt von Veränderungen, von Dingen, die in die Hand genommen werden müssen. Aber am Ende seid ihr alle nur kleine, feige Maden.«

Allegra sah den Hieb nicht kommen. Callistos Hand traf sie am Kinn, und mit einem Schrei stürzte sie aus dem Bett auf den kalten Boden. Er beugte sich zu ihr hinunter. »Hüte deine Zunge, Hure! Oder ich lasse sie dir mit heißem Eisen herausschneiden. Das Privileg, in meinem Bett zu sein, lässt dich deine Stellung vergessen.«

Sie saß eingeschüchtert da und starrte ihn wortlos an. Ein dünner Blutfaden rann aus ihrem Mundwinkel.

Callisto klatschte dreimal laut in die Hände. Sogleich trat ein Diener ein. »Der Ankleider soll kommen!«

Der Diener verneigte sich und verschwand. Kurz darauf klopfte es, und der Ankleider betrat das Gemach. Die Gewänder, die er auf den Armen trug, legte er neben einem Paravent auf einen mit Goldfäden bestickten Stuhl. An der Wand darüber hing ein farbenprächtiger Gobelin.

Ohne Allegra zu beachten, stand Callisto auf. Nackt wie er war, ging er durch den großen Raum und stellte sich hinter den Paravent. Der Ankleider begann unverzüglich mit seiner Arbeit. Als Letztes setzte er Callisto den Purpurhut auf das Haupt.

Callisto kam hinter dem Paravent hervor, besah sich in einem mannshohen goldgefassten Spiegel und richtete hier und da noch eine Kleinigkeit.

»Habt Ihr weitere Wünsche, Eminenz?«, fragte der Diener.

»Nein«, antwortete Callisto, ohne den Blick von seinem Ebenbild zu wenden. »Du kannst gehen.«

»Sehr wohl, Eminenz«, sagte der Diener und verschwand.

Allegra war zurück in das Bett gekrochen. »Wann wirst du zurück sein?«, fragte sie, als wäre nichts geschehen.

»Ich weiß es nicht«, sagte Callisto. »Ich sorge dafür, dass es dir während meiner Abwesenheit an nichts mangelt.«

»Mir hat es in deinem Haus noch nie an etwas gemangelt«, sagte sie mit einem schnippischen Unterton. Dann fügte sie liebevoll hinzu: »Komm wohlbehalten zurück.«

»Warum sollte ich nicht?«, fragte Callisto und zog eine Augenbraue hoch. »Seit wann ist dir mein Wohlbefinden derart wichtig?«

»Dass es dir gut geht, ist mein alleiniges Bestreben, Callisto«, hauchte Allegra mit einem betörenden Augenaufschlag.

An der Tür drehte sich Callisto noch einmal um. »Dein alleiniges Bestreben ist es, die Kurtisane des Papstes zu sein«, sagte er und verließ das Zimmer.

»Die Kurtisane des Papstes«, flüsterte Allegra, nachdem die Tür zugefallen war. »Das klingt bezaubernd.«

Vor dem mächtigen Portal des Palazzo warteten vier Träger mit einer Sänfte, an deren Seiten das Wappen von Kardinal Callisto Carafa prangte: ein silbernes Kreuz und ein Schwert gekreuzt auf rotem Grund. Darüber der purpurne Kardinalshut mit jeweils fünfzehn Quasten an den Seiten, darunter in verschnörkelten goldenen Lettern der Wappenspruch des Kardinals: Vox Temporis - Vox Dei. Die Stimme der Zeit ist die Stimme Gottes.

Carafa stieg in die Sänfte. Kaum hatte er Platz genommen, hoben die Träger die Sänfte an. »Zum Quirinalspalast!«, rief der Kardinal und zog die Vorhänge aus rotem Samt zu. Sogleich setzten sich die Träger in Bewegung.

Die Sommerresidenz des Papstes lag etwa eine Stunde von Carafas Palazzo entfernt, im Norden der Stadt, auf dem baumbestandenen Quirinalshügel. Dort hatten sich reiche Römer Villen bauen lassen. Es hieß, die Luft hier oben wäre besser als unten in der Stadt. Gebaut wurde noch immer. Selbst der Palast des Papstes war nach fünfundzwanzigjähriger Bauzeit bei Weitem nicht fertiggestellt. Papst Sixtus V. hielt Unsummen bereit, um die Residenz nach seinen Wünschen erweitern zu lassen. Man sprach von über einer Million Scudi, die er bereits verbaut haben sollte. Ein Ende der Bauwut war nicht abzusehen. Zurzeit wurden die Arbeiten an dem zur Piazza del Quirinale gelegenen Westflügel abgeschlossen.

Vor den Toren des Palastes ließen Carafas Träger die Sänfte zu Boden. Wortlos stieg er aus. Den Soldaten der Schweizergarde war er bekannt, sodass er ungehindert passieren durfte. Im Innenhof ging er um den Springbrunnen herum, in dessen Mitte ein Delphin aus Marmor Wasser versprühte, und vorbei an Ölbäumen, die den gesamten Hof umrahmten. Dann betrat er den Palast. Drinnen umgab ihn angenehme Kühle. Seine Schritte auf dem weißen Carrara-Marmor hallten von den hohen Wänden wider, als er zügig an den Statuen längst verstorbener Päpste vorbeieilte.

Vor einem großen Portal standen zwei weitere Soldaten der Schweizergarde. Als sie den Kardinal kommen sahen, öffneten sie die Türen.

Eine dunkle Stimme, die maßlose Verärgerung ausdrückte, drängte ihm entgegen: »Wir erwarten Euch bereits.«

Carafa atmete tief durch und trat ein.

Erst Stunden später, es war inzwischen später Nachmittag, öffneten sich die Tore wieder. Das Konsistorium war beendet. Vierzig Kardinäle strömten teils schweigend, teils leise miteinander redend aus dem Saal. Gemeinsam mit den Kardinälen Primo Pozzi und Giambattista Castagna verließ Carafa das Konsistorium als einer der Letzten. Schweigend gingen sie durch den Palast, bis Carafa die Kardinäle in eine Nische in einem menschenleeren Nebenflügel führte. Vor einer Büste Papst Alexanders VI. blieben sie stehen.

Pozzi, ein kleiner, feister Mann mit buschigen Augenbrauen und spärlichem Haarkranz, sah Carafa erwartungsvoll an.

»Das Maß ist voll«, sagte dieser.

Castagna, einige Jahre älter und größer als Pozzi und Carafa und von kräftigem Körperbau, richtete seine wachen dunklen Augen auf Carafa. »So ist es schon seit Langem, wie wir wissen«, sagte er.

»Schreiten wir nicht umgehend ein, treibt das Gespenst der Reformation uns alle aus Rom hinaus«, fuhr Carafa fort.

Castagna hob beschwichtigend die Hände. »Sein beharrlicher Kampf gegen die Hugenotten hat längst ein deutliches Zeichen der einzig wahren Kirche gegen die ketzerischen Lutherböcke gesetzt.«

»Aber durch sein Geplänkel mit König Philipp wird die heilige Mauer wieder brüchig«, erwiderte Carafa.

»Carafa hat recht«, warf Pozzi ein. »Solange das Reich mit der Pest des Protestantismus befallen und Frankreich mit den Hugenotten beschäftigt ist, bleibt Spanien der wichtigste Verbündete in unserem geheiligten Kampf. Die ständigen Auseinandersetzungen mit Philipp richten nur Schaden an.«

»Zudem«, ergänzte Carafa, »lässt er den Jesuiten, den Einzigen, die das reformatorische Gespenst aus den Köpfen der Menschen mit Gottes Wort und nicht mit dem Schwert zu vertreiben vermögen, keinerlei Unterstützung angedeihen.«

Pozzi nickte heftig.

Carafa spie auf den glänzenden Marmorboden. »Schon als er seinen vierzehnjährigen Großneffen zum Kardinal bestimmte, brach er alle Absprachen mit den Kardinälen. Wir hätten ihn niemals wählen dürfen!«

Noch immer nickend, sagte Pozzi: »Ganz meine Meinung. Und was macht der dekadente Adoleszent seitdem? Er vergrößert seinen Reichtum in gleichem Maße wie seinen Bestand an Huren.«

»Gottes Werk dienten seine Taten bisher nicht«, stimmte Carafa zu.

»Vergessen wir nicht, dass er die Zahl der Mitglieder des Kardinalskollegiums auf siebzig erhöht hat«, ergänzte...
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