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Kieler Morgenrot

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
312 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am11.04.20182023
Kiel, Anfang November 1918. Kurz vor dem Ende des Weltkrieges weigern sich deutsche Matrosen, ihr Leben in einer aussichtslosen letzten Schlacht zu opfern. Der Staat versucht, seine Ordnung aufrechtzuerhalten. Als in einem Waldstück am Kaiser-Wilhelm-Kanal die Leichen von drei Werftarbeitern gefunden werden, übernimmt Kommissar Rosenbaum den Fall. Handelt es sich bei den Toten um politische Aufrührer? Und warum behindern die Politische Polizei und das Militär Rosenbaum bei seiner Arbeit?

Kay Jacobs, Jahrgang 1961, studierte Jura, Philosophie und Volkswirtschaft in Tübingen und Kiel. Er promovierte über Unternehmensmitbestimmung und war anschließend viele Jahre in unterschiedlichen Kanzleien als Rechtsanwalt tätig. Heute lebt er mit seiner Familie in Norddeutschland und schreibt über all das, was er als Anwalt erlebt hat oder hätte erlebt haben können. Für »Kieler Helden« wurde er mit dem Silbernen Homer ausgezeichnet. Näheres unter: www.kayjacobs.de
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
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Produkt

KlappentextKiel, Anfang November 1918. Kurz vor dem Ende des Weltkrieges weigern sich deutsche Matrosen, ihr Leben in einer aussichtslosen letzten Schlacht zu opfern. Der Staat versucht, seine Ordnung aufrechtzuerhalten. Als in einem Waldstück am Kaiser-Wilhelm-Kanal die Leichen von drei Werftarbeitern gefunden werden, übernimmt Kommissar Rosenbaum den Fall. Handelt es sich bei den Toten um politische Aufrührer? Und warum behindern die Politische Polizei und das Militär Rosenbaum bei seiner Arbeit?

Kay Jacobs, Jahrgang 1961, studierte Jura, Philosophie und Volkswirtschaft in Tübingen und Kiel. Er promovierte über Unternehmensmitbestimmung und war anschließend viele Jahre in unterschiedlichen Kanzleien als Rechtsanwalt tätig. Heute lebt er mit seiner Familie in Norddeutschland und schreibt über all das, was er als Anwalt erlebt hat oder hätte erlebt haben können. Für »Kieler Helden« wurde er mit dem Silbernen Homer ausgezeichnet. Näheres unter: www.kayjacobs.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839256381
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum11.04.2018
Auflage2023
Reihen-Nr.4
Seiten312 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.2542376
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

II

Reformationstag 1918. Es war düster geworden in Deutschland. Zu früheren Zeiten hätte man den bevorstehenden November mit seinem notorisch trüben Wetter und seinen Trauertagen dafür verantwortlich gemacht. In diesen Jahren war es aber der Krieg, der sich auf die Seelen der Menschen legte. Sie hungerten, litten, starben und trauerten an der Front und in der Heimat. Je länger der Krieg dauerte, desto größer wurde das Leid. Aber auch die Gewöhnung. Hatte ein Todesfall in der Nachbarschaft vor einigen Jahren noch zu großer Bestürzung geführt, löste er inzwischen oft nicht einmal Betroffenheit aus. So wenig der Tod die Menschen mittlerweile schockierte, der Anblick von Leichen berührte sie doch, wenn auch nicht im Sinne von Trauer, sondern im Sinne von Ekel.

Auch Josef Rosenbaum ging es so. Seit 23 Jahren war er im Polizeidienst, zuerst in Berlin bei der Mordkommission A, dann in Kiel als Leiter des Ersten Kommissariats, zuständig für Mord und Totschlag. Er hatte schon viele Leichen gesehen, in allen denkbaren Zuständen, gewöhnt hatte er sich daran nie. Tatortbegehungen gehörten zu den unangenehmsten Aufgaben, die er zu bewältigen hatte. Natürlich gab er es nicht zu, außer einmal Hedi gegenüber, seiner schönen Assistentin, vielleicht aus Versehen, vielleicht aus Vertrautheit, genau wusste er es selbst nicht.

Jetzt war es wieder so weit, mittags um zwölf im Projensdorfer Gehölz zwischen der Kieler Stadtgrenze und dem Kaiser-Wilhelm-Kanal. Rosenbaum und Hedi standen vor einer Leiche. Der Kommissar kniete nieder, um den Toten genauer betrachten zu können, aber auch um den Anschein zu vermeiden, dass er sich ekeln würde. Je näher er der Leiche kam, desto stärker wurde sein Widerwille, vor allem wegen des Gestanks. Wie von verdorbenem Schweinebraten, den jemand in eine Mülltonne geworfen hatte - wenn man nichts ahnend den Deckel öffnete, ein Gewimmel von kleinen weißen Tierchen erblickte und der bestialische Gestank einen ansprang. Rosenbaum wusste, dass von Verwesungsgeruch keine gesundheitlichen Gefahren ausgingen, und doch konnte er das Gefühl, einem Miasma ausgeliefert zu sein, nicht vollständig besiegen. Er hatte an diesem Tag nicht gefrühstückt und es könnte einige Stunden dauern, bis er wieder in der Lage sein würde, etwas zu essen. Dabei hielt sich der Gestank heute durchaus in Grenzen. Die Verwesung war weit fortgeschritten, ein Großteil ihrer Geruchsstoffe verflogen. Auch der Anblick war halbwegs erträglich. Die Haut der Leiche sah aus wie eine zerrissene Lederjacke, die lange Zeit im Regen gelegen hatte. Die Augäpfel fehlten, der rechte Unterarm lag abgetrennt neben dem Torso, die übrigen Extremitäten wurden von der Kleidung zusammengehalten.

»Wissen wir, wer das ist?«, fragte Rosenbaum den Oberwachtmeister, der den polizeilichen Einsatz bisher geleitet hatte. Als der Kommissar und seine Assistentin mit ihrem Dienstwagen vor einer 20 Meter entfernt liegenden Forsthütte eingetroffen waren, hatte er sie in Empfang genommen, sich geduldig Rosenbaums Geschimpfe angehört - dass zwar die Hütte, nicht aber der Weg dorthin in seinem Straßenplan eingezeichnet sei - und sie durch das Unterholz zum Fundort geführt. Jetzt stand er ihnen assistierend zur Seite.

»Nein, Herr Kommissar, keine Ausweispapiere. Der Kleidung nach zu urteilen wahrscheinlich Werftarbeiter«, antwortete er in eifrigem, förmlichem und leicht devotem Ton.

Die Leiche war in graublaue Arbeiterkluft gekleidet. Neben ihr lag eine Ballonmütze, wie sie zwar in der gesamten Arbeiterschicht vorkam, bei den Werftarbeitern aber am häufigsten anzutreffen war.

»Was gibt es zur Auffindesituation zu sagen?«

»Dort vergraben«, antwortete der Oberwachtmeister und zeigte auf eine Grube, um die zehn Polizeianwärter mit Hacken und Spaten herumstanden und sich von harter körperlicher Arbeit erholten. »Etwa 60 Zentimeter tief. Hund des Försters hatte Arm ausgegraben.« Jetzt zeigte der Wachtmeister auf die Hütte, neben der sie gerade geparkt hatten. Auf ihrer Eingangsstufe saß ein Mann in grüner Uniform und vor ihm sein Hund. Sie schienen miteinander zu sprechen. Natürlich taten sie das nicht wirklich. Der Mann redete und der Hund hörte zu. Aber auf die Entfernung sah es so aus, als antwortete der Hund, wenn auch nur einsilbig.

»Saß die Mütze auf dem Kopf der Leiche?«

»Nein, Herr Kommissar. Lag daneben.«

Rosenbaum schaute den Wachtmeister an und nickte, während Hedi schmunzelte. Es kam selten vor, dass ein uniformierter Kollege normal mit ihm redete. Die Worte Jawohl und Herr Kommissar fielen überdurchschnittlich oft. Attribute, Artikel und Verben fehlten hingegen vielfach und ein Ich hatte Rosenbaum von einem Wachtmeister fast nie gehört. Dieses autoritätsgläubige Verhalten war ihm zuwider und er erinnerte sich nicht, jemals Veranlassung dazu gegeben zu haben, jedenfalls nicht absichtlich. Er hatte aber auch nie etwas dagegen getan. Im Gegenteil, seine Abneigung ließ ihn unfreundlicher werden und die Uniformierten noch ein wenig unterwürfiger.

»Gehörte sie denn dem Opfer?«

»Jawohl, Herr Kommissar. Also â¦«

Eine nachdenkliche Pause entstand, die Rosenbaum dazu nutzte, die Mütze über den Schädel der Leiche zu ziehen. Sie war zu groß.

»Lassen Sie nach einer weiteren Leiche graben. Und die Männer sollen dabei vorsichtig vorgehen«, ordnete Rosenbaum an.

»Jawohl!« Der Oberwachtmeister lief auf seine Leute zu und trieb sie mit hektischen Bewegungen an, ganz so, als dürfe man einen Kriminalkommissar nicht warten lassen.

»Ich befrage mal den Förster«, sagte Hedi, als Rosenbaum die Ballonmütze zurücklegte.

»Ich befrage den Förster und Sie können mitkommen«, sagte Rosenbaum.

Die Hütte war nicht groß, vielleicht 20 Quadratmeter. Sie wirkte nicht sehr solide, ein mit Brettern verhauenes Holzgerüst, das nicht gepflegt wurde.

»Sie haben die Leiche gefunden?«, rief Rosenbaum dem grünen Mann zu, als sie noch zehn Meter entfernt waren. Nachdem Hedi vor drei Jahren seine Assistentin geworden war, hatte er sich angewöhnt, das Gespräch möglichst früh zu eröffnen. Sonst würde Hedi zu plappern beginnen und dann hörte sie so schnell nicht wieder auf. Unzählige Male hatte er ihr schon gesagt, dass sie still zu sein habe, wenn er mit Zeugen sprach - geholfen hatte es nicht.

Der grüne Mann stand so hastig auf, dass sein Hund erschrocken zusammenzuckte.

»Jawohl!«, antwortete er, machte einen Diener und stellte sich vor: »Forstmeister Sachs.«

Rosenbaum hatte noch nie einen Forstmeister kennengelernt, aber offenbar wiesen sie gegenüber Kommissaren dieselbe Unterwürfigkeit auf wie Wachtmeister.

»Josef Rosenbaum«, sagte der Kommissar, lächelte und streckte Sachs die Hand zur Begrüßung entgegen. Während des Handschlags wedelte der Hund mit dem Schwanz, er wollte auch begrüßt werden.

»Einen hübschen Hund haben Sie da«, sagte Hedi und hielt ihre Hand vor die Hundeschnauze.

»Danke. Er heißt Bodo.«

Nachdem Hedis Hand ausgiebig und ausgesprochen feucht beschnüffelt worden war, strich sie dem Hund über den Kopf und hatte wieder eine trockenere, aber etwas klebrige und ausgesprochen haarige Hand.

»Noch ziemlich jung, nicht wahr?«, fragte Rosenbaum.

»Zehn Monate. Ich musste lange darauf warten. Den alten hat das Heer requiriert. Sobald Bodo vollständig ausgebildet ist, werden sie auch ihn holen.«

Rosenbaum hatte davon gehört, dass das Militär neuerdings Spürhunde einsetzte. Dass sie vorher den Jägern weggenommen wurden, wusste er nicht.

»Vielleicht wird er ja gar nicht vollständig ausgebildet«, sagte er. Erst im Nachhinein wurde ihm klar, dass seine Äußerung als Anstiftung zu kriegsschädlichem Verhalten aufgefasst werden konnte. Dann wurde ihm klar, dass er es auch so gemeint hatte.

»Und Bodo hat die Leiche gefunden?«, fragte Hedi und erntete von Rosenbaum einen missbilligenden Blick.

»Ja, das hat er.«

»So ein unerwarteter Fund muss sehr schockierend sein, nicht wahr?«, beeilte sich der Kommissar, das Wort wieder an sich zu reißen.

»Ich bin noch ganz außer mir«, seufzte der Förster. »Das war wirklich ein Schock.« Seine Stimme wurde weicher, seine Bewegungen auch, und er hatte mehrmals Ich gesagt. Leutseligkeit wirkte.

Sachs berichtete, dass im Projensdorfer Gehölz Wildschweine gesichtet worden seien, obwohl sie in dieser Gegend seit Langem als ausgerottet galten. »Eines dieser Tiere muss die Leiche freigelegt haben. Bodo fand die Stelle und apportierte einen Arm.« Lobend kraulte der Förster seinen Hund hinterm Ohr. Der Hund bedankte sich mit einem kurzen Bellen.

»Die Leiche dürfte bereits einige Zeit dort vergraben gewesen sein. Wie kommt es, dass Bodo sie nicht schon früher gefunden hatte?«, wollte Rosenbaum wissen.

»Ich hab ihn ja noch nicht so lange. Und er hatte keinen Auftrag, nach vergrabenen Leichen zu suchen. Und wir sind auch nicht oft hier.«

»Ach, ist das nicht Ihr Forsthaus?«

»Das ist doch kein Forsthaus. Das ist Folklore, bestenfalls.« Der Forstmeister schüttelte lächelnd den Kopf. »Die ganze Ecke hier war ursprünglich Kanalgebiet. Als die Burschen vom Reichskanalamt sich nicht mehr darum kümmern wollten, pflanzten sie Setzlinge ein und bauten die Hütte, und zwar so, wie sich Wasserleute ein Forsthaus vorstellen - Folklore eben. Dann sagten sie: Das ist jetzt ein Forst. Und nun sollten wir uns darum kümmern. Der damalige Oberförster lachte sich einen Ast, als er den Verhau sah.«

Rosenbaum...

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Autor

Kay Jacobs, Jahrgang 1961, studierte Jura, Philosophie und Volkswirtschaft in Tübingen und Kiel. Er promovierte über Unternehmensmitbestimmung und war anschließend viele Jahre in unterschiedlichen Kanzleien als Rechtsanwalt tätig. Heute lebt er mit seiner Familie in Norddeutschland und schreibt über all das, was er als Anwalt erlebt hat oder hätte erlebt haben können. Näheres unter: www.kayjacobs.de