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Zechenkiller

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
283 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am09.09.20202021
Bottrop nach der Zechenschließung: Die Bergbaufolgen und der Gesundheitszustand einiger Ex-Kumpel sorgen für Beunruhigung in der Bevölkerung. Dann verbrennt bei einem Verkehrsunfall ein bergbaukritischer Umweltaktivist bis zur Unkenntlichkeit. Alles deutet auf Mord hin, denn vor seinem Tod erhielt das Opfer Drohungen vom 'Zechenkiller'. Psychologiestudentin Liesa Kwatkowiak und Computernerd Timo Goretzka begeben sich auf die Suche nach Antworten. Was liegt in den tiefen Schächten verborgen?

Sylvia Sabrowski, in Bottrop aufgewachsen und nach dem Studium der Psychologie und Pädagogik als Freiberuflerin tätig, lebt mit Mann, Kindern und anderthalb Katzen im Ruhrgebiet. Sie stammt selbst aus einer Bergarbeiterfamilie, hat noch Kohleöfen - mitunter auch die Küchentapete - brennen sehen, das Geräusch vom Kohlenscheppen im Ohr, die Arbeitskleidung der Bergleute auf den Wäscheleinen vor Augen und die Eigenheiten der Ruhrgebietler tief in ihrem Herzen. Einige ihrer Kurzgeschichten und Gedichte wurden in Anthologien veröffentlicht. 'Zechenkiller' ist der zweite Kriminalroman der Autorin im Gmeiner-Verlag. www.sylviasabrowski.de
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextBottrop nach der Zechenschließung: Die Bergbaufolgen und der Gesundheitszustand einiger Ex-Kumpel sorgen für Beunruhigung in der Bevölkerung. Dann verbrennt bei einem Verkehrsunfall ein bergbaukritischer Umweltaktivist bis zur Unkenntlichkeit. Alles deutet auf Mord hin, denn vor seinem Tod erhielt das Opfer Drohungen vom 'Zechenkiller'. Psychologiestudentin Liesa Kwatkowiak und Computernerd Timo Goretzka begeben sich auf die Suche nach Antworten. Was liegt in den tiefen Schächten verborgen?

Sylvia Sabrowski, in Bottrop aufgewachsen und nach dem Studium der Psychologie und Pädagogik als Freiberuflerin tätig, lebt mit Mann, Kindern und anderthalb Katzen im Ruhrgebiet. Sie stammt selbst aus einer Bergarbeiterfamilie, hat noch Kohleöfen - mitunter auch die Küchentapete - brennen sehen, das Geräusch vom Kohlenscheppen im Ohr, die Arbeitskleidung der Bergleute auf den Wäscheleinen vor Augen und die Eigenheiten der Ruhrgebietler tief in ihrem Herzen. Einige ihrer Kurzgeschichten und Gedichte wurden in Anthologien veröffentlicht. 'Zechenkiller' ist der zweite Kriminalroman der Autorin im Gmeiner-Verlag. www.sylviasabrowski.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839266564
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum09.09.2020
Auflage2021
Reihen-Nr.2
Seiten283 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5168261
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

Liesa stellte den Wagen vor dem Zechenhaus ihrer Oma in Bottrop-Batenbrock ab, wischte sich den Schweiß aus dem Nacken und atmete tief durch. Meine Güte, das waren heftige Anschuldigungen. Mord, mit PCB vergiftet, krepieren lassen â¦ Von PCB, einer krebserregenden Chemikalie, hatte Liesa schon etwas gehört. Aber nicht im Zusammenhang mit dem Bergbau. War die Frau, die so aufgebracht aus dem Büro der Hospiz- und Trauergruppe gestürmt war, psychisch labil? Hatte sie nach dem Tod ihres Mannes eine Psychose entwickelt? Oder zeigte sich hier eine Form der weitverbreiteten Verschwörungstheorien? Glaubte sie auch an Chemtrails und tapezierte ihre Wohnung mit Alufolie aus Angst vor Strahlen? Liesa grinste.

Jetzt mal nicht überheblich werden, ermahnte sie sich. Was so etwas mit einem machen konnte, wusste sie schließlich aus eigener Erfahrung. Immerhin war sie wieder mit ihrem Auto unterwegs und mobil, das hatte sie schon hinbekommen. Aber bis zu ihrer Uni würde sie es noch nicht schaffen. Dafür war das Fahren auf der Autobahn notwendig, für sie momentan eine unüberwindbare Hürde. Sollte sie dabei eine dieser Angstattacken erwischen - allein bei dem Gedanken schlug ihr Herz schneller. Also atmete Liesa bewusst, zählte mit, beruhigte ihren Körper wieder und schüttelte über sich selbst den Kopf. Eine tolle Psychologiestudentin bist du, dachte sie. Hast ja volle Fachkompetenz auf niedrigstem Aktivitäts- und Handlungskompetenz-Niveau. Theoretisch super, praktisch eine Null. Vielleicht etwas über null, gestand sie sich zu, also null Komma irgendwas. Immerhin. Ihre Oma würde jetzt sagen: besser als nix. Liesa lächelte. Ihre Oma war schlicht die Beste. Also nix wie hin zu ihr.

Oma Kwatkowiak wohnte in einem Vierspänner, einem zweigeschossigen Haus aus Bergwerksziegeln und mit einem Satteldach, das am Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut worden war, als die Steinkohlenzechen Tausende von Arbeitern aus Bergwerksregionen und ländlichen Gebieten anzogen. Diese Zuwanderung hatte Bottrop zu einer Großstadt wachsen lassen, die in mancher Hinsicht dörflich geblieben war.

Liesa ging an dem Seiteneingang der Hellmanns vorbei und überquerte den Hof. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter in Richtung des Nachbarhauses auf der anderen Seite der Durchfahrt, in dem die Goretzkas wohnten. Liesa spürte, wie ihr Puls anstieg, aber von Timo war keine Spur. Somit war die Luft rein - wenn man von den schwarzen Rauchschwaden absah, die über den Hof quollen und bis zu den Gärten hinter dem Schuppen waberten. Der Schuppen war vormals Stallgebäude gewesen für Ziegen, Schweine, Hühner und was die Bergmannsfamilien vor einigen Jahrzehnten sonst noch an Getier für die Selbstversorgung gehalten hatten. Liesa kniff die Augen zusammen und machte den Ursprung des beißenden Qualms neben dem Hauseingang ihrer Oma aus. Dort stocherte ein Mittfünfziger in einem überdimensionalen Holzkohlegrill herum. Sein Feinrippunterhemd war einmal weiß gewesen, seine Hose hing ihm unter dem Bauch.

Oma Kwatkowiaks Stimme unterbrach die Smoker-Idylle. »Hömma, Willi, jetz is aber mal gut mit der Qualmerei. Sonst haben wir bald die ganze Siedlung eingeräuchert.« Sie schloss das Küchenfenster und winkte, als sie Liesa entdeckte, freudig durch die Scheibe. Der Angesprochene grunzte in den Grill hinein, fächerte weiter an und wurde von den Rauchschwaden nahezu verschluckt.

»Na, alles klar?«, begrüßte Liesa ihren Onkel in Richtung des Grills, hörte ein »Jo, muss« und nahm ihrer Oma, die gerade zur Tür heraustrat, eine der beiden großen Salatschüsseln ab.

In dem Bereich des Hofes, der zu Omas Hausanteil gehörte, stand ein weißer Gartentisch aus Kunststoff, daran vier Hochlehner mit gemusterten Auflagen. Der Hof war eine Art Terrasse, an drei Seiten befand sich die Rückseite des Zechenhauses mit dem gemauerten Aufgang zur Haustür und dem Küchenfenster daneben, gegenüber das Stallgebäude, das aussah wie ein Zechenhaus in Miniaturformat, aus Bergwerksziegeln mit Spitzdach und zwei einfachen Holztüren. Eine weiß verputzte Mauer verband Stall und Haus, sodass sich eine hufeisenförmige Umrandung ergab. Die offene Seite des Hofes zeigte zu den Häusern, die sich die Auffahrt teilten, wie auch das Haus der Goretzkas. Der Tisch war weitgehend gedeckt und Liesa stellte die Salatschüssel dazu. Oma hatte eine ihrer besten Wachstuchtischdecken aufgelegt, die mit den unscharf aufgedruckten roten Rosen in Kombination mit Lavendelsträußchen. Liesa mochte beides, aber der verschwommene Druck machte sie einen Moment lang schwindelig.

»Nicht, datt der Willi noch die Eierkohlen drauflegt, oder ein paar von den Briketts.« Gertrude Kwatkowiak lachte ein etwas heiseres Lachen. Ihre Augen funkelten klug und Liesa wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als sie für immer behalten zu dürfen.

»Das sollte er lassen«, kommentierte Liesa und lächelte. »Sonst wird aus dem schönen Grillgut ein krebserregender Sondermüll.«

»Ach, bist du jetzt auch so ein Öko?«, fragte Willi gereizt und legte mit einer Grillzange Würstchen und Koteletts auf den Rost. »Dann kannste ja datt Grünzeug essen, bleibt mehr Fleisch für mich.« Er grinste ein kleines fieses Grinsen und Liesa hob eine Augenbraue. Öko? Welche Laus war dem denn über die Leber gelaufen?

»Die Liesa ist kein Öko«, meinte Oma. »Die ist nur vernünftig.«

Liesa war baff. Gab es einen Widerspruch zwischen »Öko« und »Vernunft«? Es machte ihr ein mulmiges Gefühl. War sie hier in einen Grabenkrieg geraten? Musste sie sich rechtfertigen, dass sie nicht etwa auf einer anderen Seite stand?

»Datt mit dem Hausbrand ist ja jetzt vorbei«, bemerkte Oma, während sie Besteck verteilte. Onkel Willi quittierte dies mit einem weiteren Grunzen. Oma hatte ihren Schwiegersohn nach der Trennung von seiner Frau aufgenommen und sozusagen eine Zweck-WG gegründet. So verlotterte Willi nicht und er konnte ihr zur Hand gehen, auch wenn seine aufbrausende Art ihn nicht zu einem Vorzeige-WG-Genossen machte. Als Frührentner in der Anpassung hatte er Ende 2018 noch Anspruch auf Deputatkohle und dreieinhalb Tonnen Anthrazitkohle aus Ibbenbüren in Omas Keller eingelagert, obwohl sie längst über eine Gasheizung verfügte. »Watte hast, datt haste«, hatte er gesagt, und: »Für schlechte Zeiten.« Man wusste ja nie, wohin die Energiewende führen würde. Gab es überhaupt eine? Wer wendete was wohin, drehte und änderte sich oder andere oder etwas? Es sind Zeiten der Veränderung, dachte Liesa. Strukturwandel nannte man das. Welche Strukturen wandelten sich eigentlich und wie, in welcher Form, was war das Ziel?

Das ist ja jetzt vorbei, wiederholte Liesa in Gedanken. Mit der Schließung der letzten deutschen Steinkohlenzeche im vergangenen Dezember war, so sagte man, eine Ära zu Ende gegangen. Ein schmerzliches Ende. Liesa hatte es hautnah miterlebt. Vielleicht war die Zeche an jenem 21. Dezember vergangenen Jahres gestorben, aber die Bergleute lebten noch und die Gebäude und Hinterlassenschaften waren ebenfalls weiterhin vorhanden. Sie wusste, dass das Rauben, die Aufräumarbeiten unter Tage, noch andauern würde. Dann würden die Strecken geflutet werden, indem das Grubenwasser bis zu einer bestimmten Höhe nicht mehr abgepumpt wurde. Nach mir die Sintflut, kam ihr in den Sinn. Wie wird eigentlich eine Zeche abgebaut, abgewickelt, ganz oder teilweise abgerissen? Was bleibt, über und unter Tage?

Die haben unsere Männer vergiftet mit dem Scheiß-PCB, elendig krepieren lassen. Was hatte es damit auf sich? Was ist da wirklich unter Tage passiert? Was befindet sich in den Körpern der Bergleute? Verursacht es Krebs? Bringt es sie um?

»Du bist mit dem Auto da, hab ich gesehen«, bemerkte Oma.

»Watt denn, die olle Kasperkiste fährt noch?« Onkel Willis Lachen wurde zu einem Husten.

»Kleinwagen«, korrigierte Liesa. »Sicher fährt er, und wie.« Nur leider nicht automatisch und fahrerlos, dachte sie. Das Problem ist in diesem Fall der Mensch, nicht die Maschine.

»Wann fängt eigentlich deine Uni wieder an?«

Liesa riss die Frage ihrer Oma aus den Gedanken. Volltreffer. »Ach Omma â¦« Sie friemelte an einer geblümten Papierserviette herum, wurde von Omas Verhörblick regelrecht verfolgt und gab sich schließlich geschlagen. »Am 1. April geht es wieder los.« Genauer gesagt in sechzehneinhalb grauenvollen Tagen und siebzehn schlaflosen Nächten, hätte Liesa ergänzen können. Aber das Thema wollte sie nicht näher vertiefen.

»Aha«, machte Oma, nickte und mischte den Kartoffelsalat kräftig durch.

»Sag mal, Onkel Willi«, begann Liesa, bevor Oma Kwatkowiak ihr Verhör fortsetzen konnte. »Was hast du eigentlich genau auf der Zeche gearbeitet?«

Onkel Willi stellte zwei gut gehäufte Grillfleischteller auf den Tisch, einen direkt vor sich auf seinen Platz, den zweiten in die Mitte. »Ach, datt is doch schon so lange her.« Er klemmte sich zwischen Hochlehner und Tisch. »Gibste mal den Senf?«

Liesa reichte ihm das Senfglas und stellte fest, dass Oma mit drei gespülten Exemplaren als Trinkgläser aufgewartet hatte. Senfkristall nannte man das hier. Gertrude Kwatkowiak war eben patent, nachhaltig, unprätentiös, bescheiden und uneitel, aber genauso skrupellos. Willi strich sich ausgiebig Senf auf seinen Teller, die beiden Würstchen, das Nackenkotelett und das Bauchfleisch, benutzte das Messer dabei gewandt wie eine Maurerkelle und machte keine Anstalten, auf Liesas aufmunternden Blick zu reagieren.

»Hattest du was mit PCB zu tun?«, hakte Liesa nach und ließ ihren Onkel nicht aus den Augen. »Das wurde doch unter Tage...

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Autor

Sylvia Sabrowski, in Bottrop aufgewachsen und nach dem Studium der Psychologie und Pädagogik als Freiberuflerin tätig, lebt mit Mann, Kindern und anderthalb Katzen im Ruhrgebiet. Sie stammt selbst aus einer Bergarbeiterfamilie, hat noch Kohleöfen - mitunter auch die Küchentapete - brennen sehen, das Geräusch vom Kohlenscheppen im Ohr, die Arbeitskleidung der Bergleute auf den Wäscheleinen vor Augen und die Eigenheiten der Ruhrgebietler tief in ihrem Herzen. Einige ihrer Kurzgeschichten und Gedichte wurden in Anthologien veröffentlicht. "Zechenkiller" ist der zweite Kriminalroman der Autorin im Gmeiner-Verlag. www.sylviasabrowski.de