Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Bodensee-Bordeaux

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
315 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am13.04.2022
Weinpanscher wissen, wie sie ihren Wein, der für den chinesischen Markt bestimmt ist, an jeder Qualitätsprüfung vorbeischleusen. Trotzdem wird sich wohl kein Bodenseewinzer getrauen, seinen Rotwein als Bordeauxwein anzubieten. Doch bei den enormen Preisen, die für Bordeauxweine bezahlt werden, ist die Verführung groß. Bei den abenteuerlichen Einnahmen kommt es auf einen Toten mehr oder weniger auch nicht an, wobei es offiziell gar keinen Bodensee-Bordeaux gibt - oder doch?

Erich Schütz, Jahrgang 1956, ist freier Journalist, Buchautor und Autor verschiedener Fernsehdokumentationen und Reiseberichte, zudem Herausgeber mehrerer Restaurantführer. Aufgewachsen im Schwarzwald, lange in Berlin und Stuttgart zu Hause, erfüllte er sich vor über zwanzig Jahren seinen Traum und zog an den Bodensee. Die verführerische, spannende Grenzregion übt auf den Gourmet und Autor einen besonderen Reiz aus, der sich in seinen Büchern niederschlägt. Erich Schütz' Krimis und Kulturführer sind ein Muss für alle See- und Krimifreunde.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextWeinpanscher wissen, wie sie ihren Wein, der für den chinesischen Markt bestimmt ist, an jeder Qualitätsprüfung vorbeischleusen. Trotzdem wird sich wohl kein Bodenseewinzer getrauen, seinen Rotwein als Bordeauxwein anzubieten. Doch bei den enormen Preisen, die für Bordeauxweine bezahlt werden, ist die Verführung groß. Bei den abenteuerlichen Einnahmen kommt es auf einen Toten mehr oder weniger auch nicht an, wobei es offiziell gar keinen Bodensee-Bordeaux gibt - oder doch?

Erich Schütz, Jahrgang 1956, ist freier Journalist, Buchautor und Autor verschiedener Fernsehdokumentationen und Reiseberichte, zudem Herausgeber mehrerer Restaurantführer. Aufgewachsen im Schwarzwald, lange in Berlin und Stuttgart zu Hause, erfüllte er sich vor über zwanzig Jahren seinen Traum und zog an den Bodensee. Die verführerische, spannende Grenzregion übt auf den Gourmet und Autor einen besonderen Reiz aus, der sich in seinen Büchern niederschlägt. Erich Schütz' Krimis und Kulturführer sind ein Muss für alle See- und Krimifreunde.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839270608
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum13.04.2022
Seiten315 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8446172
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Montag

Was für ein beschissener Wochenanfang. Gestern Abend hatte Leon seine Freundin Lena an den Bahnhof gebracht. Sie besucht für eine Woche ihre Schwester in Karlsruhe. Sein Freund, der Sternekoch Hanspeter Rapp, hatte sonntags geschlossen. Also ging er nach Hause und hatte sich ein Paar Lammbratwürste in die Pfanne gehauen, aus der Gefriertruhe ein kleines Glas Kalbsjus in heißes Wasser gestellt, aufgewärmt und dazu eine Flasche Auxerrois vom Weingut Manfred Aufricht aus Stetten bei Meersburg geöffnet.

Natürlich war die Reihenfolge umgekehrt, zuerst hatte Leon den Wein aufgemacht und probiert. Der Auxerrois zählt zu seinen Lieblingsweinen vom Bodensee. Er erinnert an Weißburgunder, ist im Vergleich zu ihm jedoch bukettreicher, fruchtiger und hat weniger Säure. Ein Weißwein genau nach seinem Geschmack!

Danach hatte er am Vorabend, noch mit sich im Reinen, auf eine ruhige Woche mit sich selbst angestoßen. Ohne Lenas ständige Verabredungen und Terminplanungen träumte er von einer Lockdown-Woche, wie ihn der Corona-Virus vor einem Jahr zweimal verordnet hatte.

Nach dem Abendessen hatte er sich zuerst in sein Fernschach vertieft. Seit einiger Zeit spielt er mit seinem Freund, dem Kommissar Horst Sibold, regelmäßig das königliche Spiel online. Meist sind die Partien ausgeglichen. Gott sei Dank! Denn Leon hasst es zu verlieren. Deshalb sucht er im Fernschach oft zu Beginn eines Spiels im Internet nach gewonnenen Partien von Großmeistern und spielt deren Eröffnungszüge frech nach.

Diesmal aber ist ihm die Führung schnell entglitten. Im aktuellen Spiel hat Horst Sibold, im Gegensatz zu Leon, noch seine Dame, einen Springer und einen Bauern. Leon dagegen hat keine Dame mehr und nur noch einen Turm und einen Springer sowie zwei Bauern. Somit führt sein Gegner nach dem Wert der Figuren eindeutig. Trotzdem gibt Leon nicht auf, er sieht noch eine letzte Chance.

Sibolds König steht auf der Grundlinie in der Ecke H8, seine Dame steht ebenfalls auf der Grundlinie auf D8. Leons Pferd könnte in die Mitte der beiden Figuren auf F7 springen, sodass er gleichzeitig seines Spielpartners König Schach bieten und zusätzlich seine Dame bedrohen würde. Dank der gefürchteten Springergabel könnte er sich somit im übernächsten Zug Sibolds Dame holen.

Im Weg steht aber noch das Pferd seines Gegenspielers, das ebenfalls das Feld F7 abdeckt. Leon muss für seine anvisierte Gabel deshalb jetzt seinen Turm opfern. Mit ihm schlägt er dessen Pferd, das von Sibolds letztem Bauern gedeckt ist, und bietet gleichzeitig Schach. Leon wird seinen wertvollen Turm verlieren, sein Gegner wird die Figur sicherlich schlagen, hofft er. Dann würde seine Springergabel funktionieren.

Mit dieser Aussicht gefällt ihm das Spiel wieder. Seinen Auxerrois hatte er ausgetrunken. Zufrieden mit sich und der Welt ging er gestern Abend ins Bett.

Und jetzt, heute Morgen, liest er das: Hanspeter ist tot!

Was für eine ungeheuerliche Nachricht!

Leon hatte noch mit Appetit zwei Spiegeleier mit Speck und Zwiebeln in die Pfanne gehauen, sich eine Tasse Kaffee auf den Tisch gestellt und seine Lokalzeitung aufgeschlagen. Den politischen Teil der Heimatzeitung legt er ungelesen zur Seite. Die politischen Nachrichten liest er meist schon früh im Bett digital in der Süddeutschen Zeitung, der taz und Spiegel-online. Im Heimatblatt interessiert ihn nur der Lokalteil.

Heute aber hätte er gerne darauf verzichtet. Die Meldung auf der ersten Überlinger Seite will er zunächst nicht glauben. Sein Freund Hanspeter lacht ihm fröhlich entgegen. Ein Bild, wie man ihn kennt. Daneben die Überschrift, die ihm seinen Appetit schnell verdirbt. Leon liest zweimal: »Hanspeter Rapp tot aufgefunden. Die Polizei vermutet Suizid. Die Leiche saß im Kühlraum auf einem Stuhl!«

Erst als die Spiegeleier schon fast verbrannt sind und stinkender dunkler Qualm aus der Pfanne durch die Küche wabert, springt Leon auf, reißt die Pfanne mit den jetzt fast schon schwarz verbratenen Eiern und Zwiebeln von der Gasflamme. Unachtsam stellt er sie irgendwohin auf den Tisch, nimmt einen großen Schluck aus seiner Kaffeetasse und steckt die Nase wieder in die Zeitung. Er will nicht glauben, was er da liest.

Wie benommen blättert er weiter. Da springt ihm auf der Landesseite der Name seines Freundes Hanspeter Rapp erneut ins Auge. In einem Artikel werden die neuen Sterneköche vorgestellt. Am Wochenende hatte die Michelin-Redaktion ihre neue Auszeichnungsliste veröffentlicht. Nach 20 Jahren haben die Michelin-Kritiker dieses Jahr Hanspeter Rapp nicht mehr mit seinem fast schon obligatorischen Stern ausgezeichnet. Makaber, diese beiden Nachrichten in einer Ausgabe, denkt Leon und wischt die Zeitung bestürzt vom Tisch.

Die Sterneverleihung, beziehungsweise in Hanspeters Fall die Aberkennung, fand in Berlin statt. Der Bericht darüber wurde im Gesamtblatt der Heimatzeitung in Konstanz gesetzt. Von dem schrecklichen Geschehen in Hanspeter Rapps Lokal in Überlingen hatte in der Zentralredaktion zu dieser Zeit wohl noch kein Redakteur etwas gewusst.

Aber jetzt, heute Morgen, dieser Hammer!

Leon stochert appetitlos mit der Gabel in der Pfanne herum. Er schabt das Eigelb aus dem verkohlten Eiweiß. Hanspeters Stern - was soll s, denkt er, der ist seinem Freund jetzt tatsächlich gleichgültig. Aber dass er tot sein soll, will Leon nicht glauben und erst recht nicht, dass sich ein Typ wie Hanspeter selbst umgebracht haben soll.

Nie und nimmer!

Und dann noch wegen der Aberkennung des Michelin-Sterns?

»Restaurantkritiker sind wie Eunuchen. Sie wissen, wie es geht - aber sie können es nicht!«, war einer der ersten Sätze, den Hanspeter ihm als ein Zitat von Paul Bocuse an den Kopf geworfen hatte, nachdem Leon einmal kritisch über die Küche Hanspeters geschrieben hatte.

Später wurden sie Freunde. »Du bist der einzige Gourmetkritiker, den ich ernst nehme«, adelte ihn Hanspeter hinterhältig und lachte: »Weil du gar kein Kritiker bist, sondern einfach nur ein Fresssack, der darüber schreibt, was ihm schmeckt!«

Damit hatte Hanspeter den Nagel auf den Kopf getroffen. Leon nannte sich zwar selbst Gourmetkritiker, doch er verstand sich eher als Tippgeber.

Wer ist er denn, dass er die Tricks der Küchenprofis herauszuschmecken wüsste, wie sie zum Teil geschickt Convenience in ihre Gourmetgerichte verarbeiten, mit reinem Glutamat ihre Soßen perfektionieren oder wenn sie die fix und fertigen Gänseleberparfaits vom Rungis Express - dem exklusiven internationalen Spezialitätenimporteur - geliefert, nobel auf ihren hippen Tellern zu Türmchen mit Schäumchen angerichtet, servieren, als wäre alles hausgemacht. Dabei ist vieles von abgeklärten Profis in Großküchen zubereitet und wird dann stolz vom Maître vor Ort serviert - und das soll er herausschmecken?

Erst vor drei Tagen hatte Leon Dold von Hanspeter Rapp überraschend eine Mail erhalten. Hanspeter wollte ihn unbedingt treffen, »allein«, stand in der Mail unterstrichen und »dringend«. Am gleichen Abend noch hatte Leon versucht, seinen Freund in seinem Gasthaus anzurufen. »Mitten im Service«, hatte Koni Hengstler, der Restaurantleiter, ungewöhnlich unfreundlich in die Röhre genuschelt und frech wieder aufgelegt.

Wie sonst aber üblich, hatte Hanspeter später nicht zurückgerufen. Leon hatte den Verdacht, Koni hätte seinen Anruf nicht weitergegeben. So hat er es später auf Hanspeters Handy erneut versucht. Aber auch mobil nahm er nicht ab, und danach blieb der sonst immer garantierte Rückruf ebenso aus.

Fassungslos hebt Leon die eben in seiner Ratlosigkeit heruntergeworfene Zeitung vom Boden wieder auf und liest erneut die Meldung vom Tod seines Freundes. Er weiß nicht, ob er mehr von dem Tod geschockt ist oder von der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft. Ein Sprecher verweist dreist auf einen ähnlichen Suizidfall in der Sterneszene.

»Stern weg - Starkoch begeht Selbstmord«, war vor Jahren eine Schlagzeile in Frankreich. Damals hatte sich der französische Starkoch Bernard Loiseau mit einem Jagdgewehr eine Kugel in den Kopf geschossen, nachdem er erfahren hatte, dass der Guide Michelin ihm in einem Jahr einen seiner Sterne abgesprochen hatte.

Natürlich lastet auf allen Sterneköchen ein enormer Druck, dass die Schreiber der Feinschmeckerbibel jährlich die Qualität ihrer Küche auf ein Neues als herausragend bewerten. Ein Stern heißt für die Michelin-Gourmets: »Eine Küche voller Finesse - einen Besuch wert!« Für die Restaurants bedeutet der Stern zunächst meist einen Umsatzzuwachs von 30 Prozent. - Bei Aberkennung eben leider, meist gegenläufig, ein Minus desselben Prozentwerts.

Dabei gehen die Kritiker des roten Buchs offiziell völlig unabhängig vor. Gesponsert von dem Reifenkonzern Michelin sind sie frei in ihrer Wertung. Die Sterne vergeben sie ausschließlich nach ihrem eigenen Urteil. In einem Jahr verleihen sie dem einen Koch den begehrten Stern, ohne zu begründen, warum. Eine Erklärung gibt es auch nicht, wenn sie den gerade hochgelobten und geadelten Küchenchef im nächsten Jahr einfach ohne Worte übergehen. Dazu müssen sie nichts und niemandem etwas darlegen, keine bösen Urteile oder Verrisse. Die plötzliche Nichtbeachtung des bisherig gefeierten Sternekochs ist Strafe genug.

»Die können mich doch alle«, hatte Hanspeter Rapp gerade vor Kurzem getönt, als Leon ihn auf den möglichen Verlust seines Sterns...

mehr