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Was soll ich auf der Schwäbischen Alb?

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
279 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am09.02.20222023
Severin Kühn, Betriebsleiter einer Gerüstbaufirma in Ostberlin, muss erleben, wie sein Betrieb nach der Wende an den schwäbischen Unternehmer Müllerschön verkauft wird. Nun steht er vor dem Nichts. Unverhofft unterbreitet ihm sein Nachfolger ein Angebot und Kühn macht sich in seinem Trabbi auf den Weg durch ein für ihn fremdes Deutschland. Auf der Schwäbischen Alb wird er mit starken Vorurteilen konfrontiert. Zwei Welten prallen aufeinander. Schafft es Kühn von den Schwaben akzeptiert zu werden?

Felix Huby, bürgerlich Eberhard Hungerbühler, geboren 1938, war bis 1979 Journalist, zuletzt sieben Jahre beim SPIEGEL. Seit 1976 schreibt er Sachbücher, Kinderbücher und Kriminalromane. Huby hat insgesamt 33 ARD-Tatorte geschrieben. Seine Bienzle-Kriminalromane haben eine Gesamtauflage von über 1 Million Exemplaren erreicht. Huby ist unter anderem Träger des Friedrich-Glauser Ehrenpreises und der »Goldenen Romy« für das beste Drehbuch des Jahres 2007 sowie des Sebastian Blau-Preises. Seit 2018 ist er Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Dettenhausen. 2019 wurde ihm der Landesverdienstorden Baden-Württemberg verliehen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
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E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextSeverin Kühn, Betriebsleiter einer Gerüstbaufirma in Ostberlin, muss erleben, wie sein Betrieb nach der Wende an den schwäbischen Unternehmer Müllerschön verkauft wird. Nun steht er vor dem Nichts. Unverhofft unterbreitet ihm sein Nachfolger ein Angebot und Kühn macht sich in seinem Trabbi auf den Weg durch ein für ihn fremdes Deutschland. Auf der Schwäbischen Alb wird er mit starken Vorurteilen konfrontiert. Zwei Welten prallen aufeinander. Schafft es Kühn von den Schwaben akzeptiert zu werden?

Felix Huby, bürgerlich Eberhard Hungerbühler, geboren 1938, war bis 1979 Journalist, zuletzt sieben Jahre beim SPIEGEL. Seit 1976 schreibt er Sachbücher, Kinderbücher und Kriminalromane. Huby hat insgesamt 33 ARD-Tatorte geschrieben. Seine Bienzle-Kriminalromane haben eine Gesamtauflage von über 1 Million Exemplaren erreicht. Huby ist unter anderem Träger des Friedrich-Glauser Ehrenpreises und der »Goldenen Romy« für das beste Drehbuch des Jahres 2007 sowie des Sebastian Blau-Preises. Seit 2018 ist er Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Dettenhausen. 2019 wurde ihm der Landesverdienstorden Baden-Württemberg verliehen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839271902
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum09.02.2022
Auflage2023
Seiten279 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.8446235
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Der Fabrikant Albert Müllerschön hatte seinen Betriebsleiter Georg Lamparter nach Feierabend ins Chefbüro gebeten, eine Flasche von seinem besten Spätburgunder entkorkt und den Wein umständlich in zwei Gläser gegossen. Sie saßen sich an dem langen Besprechungstisch gegenüber, direkt hinter der Glasfront des Raums, der gut drei Meter über der Produktionshalle wie ein riesiges Vogelnest an der Stirnwand des Fabrikgebäudes hing und von dort unten nur über eine schmale Eisentreppe zu erreichen war. Gudrun Hammerstein, Müllerschöns Sekretärin, hatte im Hintergrund hinter einer dünnen Wand ihr Reich: ein kleines Büro und eine Teeküche. Sie kam kurz herein, um sich in den Feierabend zu verabschieden, und stieg mit graziösen Schritten die steilen Stufen hinunter.

Die Maschinen standen schon seit einer halben Stunde still und hockten tief unter ihnen, teils mit Planen überzogen, wie mächtige schlafende Tiere im diffusen Licht, das von den gedimmten Lampen dicht unter der Decke kam.

»Wir haben jetzt so viele gemeinsame Jahre auf dem Buckel«, begann der Chef.

»Das kann man wohl sagen«, gab Lamparter zurück.

Müllerschön räusperte sich ein paar Mal und sagte schließlich: »Aber jetzt muss ich einmal ein ernstes Wort mit dir reden, Georg.«

Lamparter ahnte, was kommen würde. Aber er sah seinen Chef nur fragend an.

»Die Verantwortung wird zu viel für dich«, sagte der Fabrikant.

»So, meinst du? Ich bin grad mal 54 Jahr alt.«

»Es geht nicht um dein Alter. Du musst es doch auch gemerkt haben, dass dir die Arbeit über den Kopf wächst.«

Georg Lamparter sagte nichts dazu.

»Was hältst du davon, wenn wir dir einen guten Mann an die Seite stellen?«

»Nix!«

»Jetzt sei bitte net bockig und lass mich erst mal ausreden.«

Lamparters Glas war leer. Er hob es dem Chef entgegen, damit der nachfüllen konnte. »Ich hab ein paar Fehler g macht, zugegeben, aber die kommen nicht wieder vor. Ich versprech s.«

Müllerschön füllte das Glas seines Betriebsleiters. »Du müsstest mir versprechen, dass du weniger - am besten gar nichts mehr trinkst.«

»Du glaubst, ich bin ein Alkoholiker?«

»Ich sag bloß, du trinkst a bissle viel.«

»Kein Problem. Das hab ich im Griff. Ich kann jederzeit aufhören.«

»Ja, dann mach das!« Müllerschön stand abrupt auf. Er ärgerte sich über den Verlauf des Gesprächs, das er in seinen Gedanken den Tag über immer wieder ganz anders hatte ablaufen lassen. »Ja gut«, sagte er, »warten wir s ab.«

Lamparter leerte das frisch gefüllte Glas in einem Zug, setzte es hart ab, sagte: »Ja, dann, schönen Feierabend!«, und verließ das Büro, ohne auf die Antwort Müllerschöns zu warten.

Als er auf den Fabrikhof hinaustrat, blieb er erst einmal stehen und atmete tief durch. Die Sonne war bereits untergegangen, aber der westliche Himmel leuchtete noch hell. Lamparter holte sein Fahrrad aus dem Ständer und machte sich auf den Weg nach Hause.

Das Dorf lag wie ausgestorben da. Um diese Zeit war kein Mensch auf der Straße, dabei war es erst kurz nach 19 Uhr am Abend. Aber jetzt waren die Leute daheim, saßen beim Abendessen oder vor dem Fernseher. Manch einer mochte im Goldenen Ochsen beim Abendschoppen sein, aber das wurden auch immer weniger.

Lamparter bewohnte ein kleines Einfamilienhaus am Rande der Gemeinde Heimeringen, dort, wo es aus der Senke nach Norden hin bergauf ging. Das Häuschen stand erhöht, quasi an der Kante zur Albhochfläche. Hinter dem Haus, wo der Blick nach Norden und Osten ging, erstreckte sich die weite Hochfläche der Schwäbischen Alb. Wiesen und ein paar wenige Äcker wechselten sich ab. Wacholderbüsche hockten in unregelmäßigen Abständen über die Landschaft verteilt im Gras. Das ganze Gebiet wäre längst von Bäumen und Büschen überwuchert worden, wenn die vielen Schafe nicht gewesen wären, die jeden Trieb abfraßen, die stachligen Wacholderpflanzen aber in Ruhe ließen. So war die sogenannte »Wacholderheide« entstanden. Die Schafherden waren die eigentlichen Landschaftsgestalter der Schwäbischen Alb.

Als Lamparter die steile Steige erreichte, die zu seinem Haus hinaufführte, stieg er ab und schob sein Fahrrad. Bis vor wenigen Monaten hatte er den Anstieg noch im Sattel geschafft, aber seit einiger Zeit ging ihm schon nach dem ersten Drittel die Luft aus, und heute fiel ihm der Weg bergauf besonders schwer.

Für Anfang November war es noch sehr warm. Lamparter lehnte sein Fahrrad gegen die Hauswand, stieg die drei Steinstufen zum Haus hinauf und schloss die Tür auf. Er ging in die Küche, holte eine Flasche Rotwein und ein Glas aus dem Regal und verließ das Häuschen durch die Küchentür nach draußen.

An vielen seiner einsamen Abende saß Georg Lamparter auf der Bank an der hinteren Hauswand, ein Bier oder ein Glas Wein neben sich, und tat nichts, als die Landschaft zu betrachten, in die braune Feldwege verzweigte Linien zeichneten. Er zählte die Vögel am Himmel und verfolgte die langsam ziehende Schafherde, die in der warmen Jahreszeit unter der Führung des Schäfers nach keinem erkennbaren Plan den gesamten Rücken des Gewanns Heimeringen abgraste und jetzt, da es dunkel wurde, auf dem Weg in ihren Pferch war. Ins Haus ging er erst, wenn sich die Nacht über die Landschaft gesenkt hatte und die Fledermäuse begannen, um das Haus zu flattern. Heute blieb er noch über eine Stunde länger fast regungslos sitzen.

Lamparters Frau war vor vier Jahren gestorben, und er hatte sich an keine neue gewöhnen können. Seine Tochter war mit ihrem Mann nach Amerika gezogen, sein Sohn lebte in Australien.

Als seine Familie noch beisammen war, hatte er nur für sie und den Betrieb gelebt. Aber nun? Er gab sich umtriebig, nahm jede ehrenamtliche Aufgabe an, die man ihm anbot, organisierte, was zu organisieren war, und machte sich auf diese Weise unentbehrlich. Er brauchte Menschen um sich herum und blieb doch auf Distanz zu ihnen.

Dass er zu viel trank, war ihm bewusst. Sei es bei den Sitzungen der Vereinsvorstände oder im Gemeinderat beim anschließenden gemütlichen Beisammensein - er sprach dem Alkohol in zu großen Mengen zu, wusste es und konnte es doch nicht ändern. Auch wenn er abends alleine war, kam er auf sechs oder sieben Viertel Wein und fand nur schwer ins Bett. In der Vesperpause, vormittags zwischen 9 und 9.30 Uhr, konnte er schon zwei Flaschen Bier trinken, während sich die Kollegen mit Mineralwasser oder von zu Hause mitgebrachtem Tee begnügten.

Und so war es auch gekommen, dass er im Betrieb immer mehr Fehler machte. Müllerschön hatte ja recht. In letzter Zeit hatte Lamparter einige Male wichtige Bestellungen für neues Arbeitsmaterial vergessen, Liefertermine verschusselt und bei Störungen im Betriebsablauf zu spät eingegriffen. Seine Mitarbeiter kannten das Problem und versuchten mit vereinten Kräften, die Fehler ihres Betriebsleiters auszubügeln. Aber das gelang nicht immer. Und so war es nun unausweichlich zu dem Gespräch mit dem Chef gekommen.

Der Wecker klingelte um 5.30 Uhr in der Frühe. Lamparter kam nur schwer zu sich. Hinter seiner Stirn saß ein stechender Schmerz. Mühsam richtete er sich auf und setzte seine nackten Füße auf den Dielenboden. Er beugte sich weit nach vorne und richtete dann den Oberkörper langsam auf, indem er beide Hände flach gegen sein müdes Kreuz stemmte. Er ging ins Bad, duschte ein paar Mal abwechselnd heiß und kalt und kam so nach und nach zu sich. Auf der Kaffeemaschine stand noch die halb gefüllte Kanne vom Vortag. Er trank die kalte Brühe direkt aus der Kanne, schüttelte sich und zog sich an.

Lamparter schloss grade sein Fahrrad an, als die schwarze Limousine des Chefs auf den Fabrikhof rollte.

»Sag mal, was kommt dich denn an?«, begrüßte ihn der Fabrikant. Er sah auf die teure Armbanduhr an seinem dicken Handgelenk. »Es ist noch lang nicht 7 Uhr!«

»Ich wollt nochmal mit dir reden. Ich weiß ja, dass du morgens immer der Erste bist«, sagte Lamparter.

Nebeneinander gingen sie in Richtung Maschinenhalle. »Ja, dann red!«, sagte der Chef.

Lamparter blieb stehen. Der Himmel hatte sich grau bezogen. Erste Regentropfen fielen. »Mit dem schönen Wetter ist s offenbar vorbei.«

Müllerschön nickte und schaute blinzelnd zu den Wolken hinauf. »Die Natur kann den Regen brauchen.«

»Stimmt«, sagte Lamparter.

Sie gingen jetzt schnell weiter und hielten erst unter dem breiten Vordach der Fabrikhalle an.

»Und?«, sagte Müllerschön. »Schwätz!«

»Ich hab ja kaum amal Urlaub g macht, seitdem mei Frau g storben ist.«

»Obwohl ich dir immer gut zugeredet hab.«

»Ja, aber â¦«, Lamparter winkte ab, »jetzt tät ich gern eine Auszeit nehmen. Du warst da doch immer mal wieder in so einer Kur.«

»Jawoll, auf der Mettnau. Könnt ich dir empfehlen. Ich übernehm auch die Kosten.«

»Das ist nicht nötig.«

»Aber möglich, gell.«

»Es ist halt nur â¦«, Lamparter zögerte, »wer macht dann so lang meine Arbeit?«

Müllerschön legte seine Hand auf den Arm seines Betriebsleiters. »Niemand ist unersetzlich, du nicht und ich auch nicht, gell.«

»Der Knäblich könnt s machen. Es wär ja nur für drei oder vier Wochen.«

Müllerschön wiegte seinen Kopf hin und her. »Ja«, sagte er bedächtig, »das wär eine Möglichkeit.« Er drehte den Schlüssel im Schloss des Tors zur Halle und stieß einen der Flügel auf. »Ich finde die Idee mit...

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