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Ein Gentleman in Moskau

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
560 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am08.09.2017Auflage
Moskau, 1922. Der genussfreudige Lebemann Graf Rostov wird verhaftet und zu lebenslangem Hausarrest verurteilt, ausgerechnet im Hotel Metropol, dem ersten Haus am Platz. Er muss alle bisher genossenen Privilegien aufgeben und eine Arbeit als Hilfskellner annehmen. Rostov mit seinen 30 Jahren ist ein äußerst liebenswürdiger, immer optimistischer Gentleman. Trotz seiner eingeschränkten Umstände lebt er ganz seine Überzeugung, dass selbst kleine gute Taten einer chaotischen Welt Sinn verleihen. Aber ihm bleibt nur der Blick aus dem Fenster, während draußen Russland stürmische Dekaden durchlebt. Seine Stunde kommt, als eine alte Freundin ihm ihre kleine Tochter anvertraut. Das Kind ändert Rostovs Leben von Grund auf. Für das Mädchen und sein Leben wächst der Graf über sich hinaus. 'Towles ist ein Meistererzähler' New York Times Book Review 'Eine charmante Erinnerung an die Bedeutung von gutem Stil' Washington Post 'Elegant, dabei gleichzeitig filigran und üppig wie ein Schmuckei von Fabergé' O, the Oprah Magazine

Amor Towles hat in Yale und Stanford studiert. Sein Debüt 'Eine Frage der Höflichkeit' war in den USA auf Anhieb ein Bestseller und hat auch bei uns viele begeisterte Leser gefunden. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Manhattan. Susanne Höbel, seit über fünfundzwanzig Jahren Literaturübersetzerin, übertrug Autoren wie Nadine Gordimer, John Updike, William Faulkner, Thomas Wolfe und Graham Swift ins Deutsche. Sie lebt in Südengland.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextMoskau, 1922. Der genussfreudige Lebemann Graf Rostov wird verhaftet und zu lebenslangem Hausarrest verurteilt, ausgerechnet im Hotel Metropol, dem ersten Haus am Platz. Er muss alle bisher genossenen Privilegien aufgeben und eine Arbeit als Hilfskellner annehmen. Rostov mit seinen 30 Jahren ist ein äußerst liebenswürdiger, immer optimistischer Gentleman. Trotz seiner eingeschränkten Umstände lebt er ganz seine Überzeugung, dass selbst kleine gute Taten einer chaotischen Welt Sinn verleihen. Aber ihm bleibt nur der Blick aus dem Fenster, während draußen Russland stürmische Dekaden durchlebt. Seine Stunde kommt, als eine alte Freundin ihm ihre kleine Tochter anvertraut. Das Kind ändert Rostovs Leben von Grund auf. Für das Mädchen und sein Leben wächst der Graf über sich hinaus. 'Towles ist ein Meistererzähler' New York Times Book Review 'Eine charmante Erinnerung an die Bedeutung von gutem Stil' Washington Post 'Elegant, dabei gleichzeitig filigran und üppig wie ein Schmuckei von Fabergé' O, the Oprah Magazine

Amor Towles hat in Yale und Stanford studiert. Sein Debüt 'Eine Frage der Höflichkeit' war in den USA auf Anhieb ein Bestseller und hat auch bei uns viele begeisterte Leser gefunden. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Manhattan. Susanne Höbel, seit über fünfundzwanzig Jahren Literaturübersetzerin, übertrug Autoren wie Nadine Gordimer, John Updike, William Faulkner, Thomas Wolfe und Graham Swift ins Deutsche. Sie lebt in Südengland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843716192
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum08.09.2017
AuflageAuflage
Seiten560 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3639 Kbytes
Artikel-Nr.2379695
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1922
Der Attachékoffer

Um halb sieben am Abend des 21. Juni 1922, als Graf Alexander Iljitsch Rostov durch die Tore des Kremls auf den Roten Platz geführt wurde, war es draußen herrlich kühl. Ohne den Schritt zu verlangsamen, warf der Graf die Schultern zurück und atmete die Luft ein wie jemand, der gerade vom Schwimmen kommt. Der Himmel war von exakt dem Blau, für das die Farben der Kuppeln der Basilius-Kathedrale ausgewählt worden waren. Ihr Rosa und Grün und Gold schimmerte, als wäre der einzige Sinn einer Religion der, die Göttlichkeit zu erfreuen. Sogar die bolschewistischen jungen Frauen vor den Schaufenstern des Staatskaufhauses schienen sich zur Feier der letzten Frühlingstage schöngemacht zu haben.

»Guten Abend, mein Freund«, rief der Graf zu Fjodor am Rande des Platzes hinüber. »Die Brombeeren sind in diesem Jahr früh reif, wie ich sehe.«

Der Graf wartete die Antwort des verdutzten Obstverkäufers nicht ab und ging forschen Schrittes weiter, sein gewachster Schnurrbart ausgebreitet wie die Flügel einer Seemöwe. Er passierte das Auferstehungsportal, ließ den Flieder im Alexandergarten hinter sich und ging auf den Theaterplatz zu, an dem das Hotel Metropol in all seiner Pracht stand. Auf der Schwelle zwinkerte er Pawel, dem Portier der Nachmittagsschicht, zu und drehte sich mit ausgestreckter Hand zu den beiden Soldaten um, die hinter ihm gingen.

»Besten Dank, meine Herren, dass Sie mir bis hierher Ihren Schutz gewährt haben. Jetzt bedarf ich Ihrer Hilfe nicht mehr.«

Obwohl die Soldaten kräftige Burschen waren, mussten sie unter ihren Mützen zum Grafen aufsehen, um seinen Blick zu erwidern, denn wie schon zehn Generationen im Stamm der Rostovs vor ihm maß der Graf fast einen Meter neunzig.

»Gehen Sie weiter«, sagte der Gröbere der beiden und legte die Hand auf den Pistolengriff. »Wir sollen Sie zu Ihrem Quartier bringen.«

In der Halle winkte der Graf mit einer ausholenden Bewegung dem durch nichts aus der Ruhe zu bringenden Arkadi (der am Empfangstisch stand) und der entzückenden Valentina (die den Staub auf einer Statuette wegwischte) zum Gruß zu. Obwohl der Graf beide auf dieselbe Weise schon Hunderte von Malen gegrüßt hatte, sahen sie ihn jetzt mit weit aufgerissenen Augen an. So würde man bei einer Abendgesellschaft angestarrt, wäre man versehentlich ohne Anzughose gekommen.

Der Graf ging an dem Mädchen mit einer Vorliebe für Gelb vorbei, das in seinem Lieblingssessel saß und in einer Zeitschrift blätterte, und blieb dann unvermittelt vor den Topfpalmen stehen und wandte sich an seine Begleiter.

»Aufzug oder Treppe, meine Herren?«

Die Soldaten sahen sich gegenseitig, dann den Grafen und dann wieder einander an, offenkundig unfähig, eine Entscheidung zu treffen.

Wie soll ein Soldat auf dem Schlachtfeld siegreich sein, wenn er nicht imstande ist, sich zwischen Aufzug und Treppe zu entscheiden?

»Treppe«, entschied der Graf an ihrer Stelle und rannte diese zwei Stufen auf einmal nehmend, wie er es seit seinen Tagen an der Militärakademie machte, hinauf.

Im dritten Stock ging er auf dem mit rotem Teppich ausgelegten Flur zu seiner Suite, die Schlafzimmer, Badezimmer, Speisezimmer und einen großen Salon umfasste und von deren Fensterfront aus man auf den Theaterplatz mit seinen Linden blickte. Und dort erwartete ihn die Ungeheuerlichkeit des Tages. Denn vor den weit geöffneten Türen zu seiner Suite stand neben Pascha und Petja, den Hotelpagen, ein Hauptmann. Die beiden jungen Männer sahen dem Grafen mit einem Ausdruck der Verlegenheit entgegen, denn ganz offensichtlich war ihnen eine Aufgabe zugefallen, die ihnen widerstrebte. Der Graf wandte sich an den Hauptmann.

»Was hat das hier zu bedeuten, Herr Hauptmann?«

Der Mann schien von der Frage überrascht, hatte aber in seiner Ausbildung die Fähigkeit erworben, in solchen Fällen eine gleichmütige Miene zu wahren.

»Ich bin hier, um Sie zu Ihrem Quartier zu begleiten.«

»Dies hier ist mein Quartier.«

Mit der leisesten Andeutung eines Lächelns sagte der Hauptmann: »Leider nicht mehr.«

Pascha und Petja blieben zurück, während der Hauptmann den Grafen und dessen Begleiter zu einem Dienstbotenaufgang führte, der sich hinter einer unauffälligen Tür im Innern des Hotels verbarg. In dem dürftig beleuchteten Treppenhaus ging es alle fünf Stufen scharf um die Ecke, wie in einem Glockenturm. So schraubten sie sich zwei Stockwerke hoch zu einer Tür, die in einen schmalen Flur führte. Davon gingen ein Badezimmer und sechs Schlafzimmer ab, die an Mönchszellen erinnerten. Ursprünglich war der Dachboden für die Butler und Zofen der Gäste des Metropol ausgebaut worden, aber als das Reisen mit Dienstpersonal aus der Mode kam, wurden in diesen Stuben allerlei Gerümpel sowie schadhafte oder ausgemusterte Möbelstücke untergestellt.

Am Morgen dieses Tages war aus der Stube, die der Treppe am nächsten lag, alles bis auf ein eisernes Bettgestell, eine dreibeinige Kommode und eine zehn Jahre alte Staubschicht entfernt worden. In der Ecke bei der Tür stand ein kleiner Wandschrank, einer Telefonzelle nicht unähnlich, der wie nachträglich dort hingestellt aussah. Der Neigung des Daches folgend senkte sich die Zimmerdecke von der Tür zur Außenwand, und die einzige Stelle, wo der Graf aufrecht stehen konnte, war die Gaube mit dem Fenster von der Größe eines Schachbretts.

Während die Wachen vom Flur aus selbstgefällig in die Kammer blickten, erklärte der gute Hauptmann, die Pagen würden dem Grafen helfen, die wenigen Besitzstücke, die in dem neuen Quartier Platz fänden, zu transportieren.

»Und der Rest?«

»Wird Volkseigentum.«

So ist das also gemeint, dachte der Graf.

»Bestens.«

Er sprang die Treppen hinunter, und während die Wachen mit ihm Schritt zu halten versuchten, klackerten ihre Gewehre an der Wand. Im dritten Stock marschierte der Graf den Flur entlang zu seiner Suite, wo die beiden Pagen ihm mit ernsten Mienen entgegensahen.

»Kein Grund zur Aufregung«, beruhigte der Graf sie und zeigte hierhin und dorthin. »Das. Und das. Die da. Und alle Bücher.«

Für die Ausstattung seines neuen Quartiers wählte der Graf zwei Lehnstühle, den orientalischen Couchtisch seiner Großmutter und einen Satz ihrer Lieblingsporzellanteller aus. Er wählte zwei Tischlampen aus Ebenholz, die in der Form von Elefanten geschnitzt waren, sowie das Porträt seiner Schwester, das Serow 1908 bei einem kurzen Aufenthalt auf Gut Weile gemalt hatte. Er vergaß nicht die lederne Aktentasche, die Asprey in London speziell für ihn angefertigt und die sein guter Freund Mischka so passend »Attachékoffer« getauft hatte.

Jemand hatte die Höflichkeit gehabt, eine der Reisetruhen des Grafen in sein Schlafzimmer bringen zu lassen. Während also die Pagen die genannten Möbel ins Dachgeschoss trugen, packte der Graf Kleidung und persönliche Gegenstände in die Truhe. Plötzlich bemerkte er, dass die zwei Flaschen Kognak auf der Konsole die begehrlichen Blicke der Wachen auf sich zogen, und packte auch die ein. Und nachdem die Truhe nach oben getragen worden war, zeigte er schließlich auf seinen Schreibtisch.

Die beiden Pagen, deren Uniformen von der Schlepperei bereits Schmutzspuren zeigten, packten an den vier Ecken an.

»Der ist ja schwer«, bemerkte der eine zum anderen.

»Die Festung eines Königs ist sein Schloss«, erklärte der Graf, »die eines Gentleman sein Schreibtisch.«

Als die Pagen den Schreibtisch auf den Flur schleppten, schlug die Standuhr von Rostovs Großvater, deren Schicksal es war, zurückgelassen zu werden, dumpfe acht Mal. Der Hauptmann war längst wieder an seinen Standort zurückgekehrt, und die Wachen, die jetzt nicht mehr streitlustig, sondern gelangweilt um sich blickten, lehnten an der Wand und ließen die Asche von ihren Zigaretten aufs Parkett rieseln, während das ungeminderte Licht des Moskauer Mittsommerabends in den Salon strömte.

Mit wehmütigem Blick näherte der Graf sich den Fenstern an der Nordwestecke. Wie viele Stunden hatte er hier verbracht? Wie oft hatte er am Morgen, bekleidet mit seinem Morgenmantel und einer Tasse Kaffee in der Hand, die neuen Gäste beobachtet, die müde und übernächtigt nach der Reise aus ihren Taxis gestiegen waren? Wie viele Male hatte er an Winterabenden dem langsam fallenden Schnee zugesehen, während eine einsame, gebeugte Gestalt unter den Straßenlaternen entlangging? Jetzt sprang am nördlichen Ende des Platzes ein junger Offizier der Roten Armee die Stufen zum Bolschoi-Theater hinauf, eine halbe Stunde verspätet für den Beginn der Abendvorstellung.

Der Graf lächelte bei der Erinnerung an seine eigene Jugend und seine Vorliebe, nach Beginn der Vorführung anzukommen. Im English Club hatte er verkündet, er könne nur auf ein Glas bleiben, blieb aber für drei. Dann war er in die wartende Kutsche gesprungen, hatte eilends die Stadt durchquert und die berühmten Stufen erklommen und war, wie dieser junge Bursche soeben, durch die goldenen Türen getreten. Während die Ballerinen anmutig über die Bühne tanzten, hatte der Graf sich unter wiederholtem Excusez-moi zu seinem gewohnten Platz in der zwanzigsten Reihe geschlängelt, von dem aus er einen privilegierten Blick auf die Damen in den Logen hatte.

Zuspätkommen, dachte der Graf mit einem Seufzer. Eine Anfälligkeit der Jugend.

Er drehte sich auf dem Absatz um und durchmaß seine Zimmer. Zunächst bewunderte er die großzügigen Dimensionen des Salons und die beiden...


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Autor

Amor Towles hat in Yale und Stanford studiert. Sein Debüt "Eine Frage der Höflichkeit" war in den USA auf Anhieb ein Bestseller und hat auch bei uns viele begeisterte Leser gefunden. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Manhattan.Susanne Höbel, seit über fünfundzwanzig Jahren Literaturübersetzerin, übertrug Autoren wie Nadine Gordimer, John Updike, William Faulkner, Thomas Wolfe und Graham Swift ins Deutsche. Sie lebt in Südengland.