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Station Eleven

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am02.02.2022Auflage
Die Welt ist aus den Fugen  »Die Grippe war damals wie eine Neutronenbombe auf der Erde explodiert, und es folgte eine Schockwelle - die ersten unsäglichen Jahre, als alle sich auf Wanderschaft begaben, bis den Leuten klar wurde, dass es keinen Ort auf der Welt gab, an dem das Leben so weiterging wie zuvor ...« Zwanzig Jahre nach dem Kollaps der Zivilisation zieht Kirsten mit einer Schauspieltruppe durch die Landschaften einer verwüsteten Welt. Sie geben Shakespeare-Stücke in den Siedlungen, die seither entstanden sind. Ein Neuanfang scheint endlich möglich. Doch in St. Deborah by the Water, an den Ufern des Lake Michigan, erhebt sich eine ungeahnte Gefahr. Ein gewaltbereiter Prophet bedroht die sprießenden Hoffnungen der Überlebenden auf eine sichere Welt.

Emily St. John Mandel wurde in Kanada geboren und studierte Tanz in Toronto. Mit ihrem letzten Roman Das Licht der letzten Tage war sie für den National Book Award nominiert und feierte einen weltweiten Publikums- und Presseerfolg. Auch Das Glashotel wurde begeistert aufgenommen und rezensiert und stand auf der The New York Times-Bestseller-Liste. Emily St. John Mandel lebt mit Ehemann und Tochter in New York.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextDie Welt ist aus den Fugen  »Die Grippe war damals wie eine Neutronenbombe auf der Erde explodiert, und es folgte eine Schockwelle - die ersten unsäglichen Jahre, als alle sich auf Wanderschaft begaben, bis den Leuten klar wurde, dass es keinen Ort auf der Welt gab, an dem das Leben so weiterging wie zuvor ...« Zwanzig Jahre nach dem Kollaps der Zivilisation zieht Kirsten mit einer Schauspieltruppe durch die Landschaften einer verwüsteten Welt. Sie geben Shakespeare-Stücke in den Siedlungen, die seither entstanden sind. Ein Neuanfang scheint endlich möglich. Doch in St. Deborah by the Water, an den Ufern des Lake Michigan, erhebt sich eine ungeahnte Gefahr. Ein gewaltbereiter Prophet bedroht die sprießenden Hoffnungen der Überlebenden auf eine sichere Welt.

Emily St. John Mandel wurde in Kanada geboren und studierte Tanz in Toronto. Mit ihrem letzten Roman Das Licht der letzten Tage war sie für den National Book Award nominiert und feierte einen weltweiten Publikums- und Presseerfolg. Auch Das Glashotel wurde begeistert aufgenommen und rezensiert und stand auf der The New York Times-Bestseller-Liste. Emily St. John Mandel lebt mit Ehemann und Tochter in New York.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843727570
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum02.02.2022
AuflageAuflage
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3174 Kbytes
Artikel-Nr.8692684
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Der König stand schwankend in einer Lache aus blauem Licht. Es war der 4.âAkt von König Lear, an einem Winterabend im Elgin Theatre in Toronto. Zuvor, während das Publikum in den Saal kam und seine Plätze einnahm, hatten drei Mädchen auf der Bühne ein Klatsch-Spiel gespielt, kindliche Versionen von Lears Töchtern, und jetzt kehrten sie in der Wahnsinnsszene als Halluzinationen zurück. Der König stolperte umher und versuchte sie festzuhalten, während sie in den Schatten hierhin und dorthin huschten. Er hieß Arthur Leander. Er war einundfünfzig und trug Blumen im Haar.

»Kennst du mich wohl?«, fragte der Schauspieler, der den Gloucester spielte.

»Ich erinnere mich deiner Augen recht gut«, sagte Arthur, abgelenkt von der kindlichen Version der Cordelia, und genau in diesem Moment geschah es. Auf einmal veränderte sich sein Gesichtsausdruck, er stolperte, er wollte Halt an einer Säule suchen, verschätzte sich aber im Abstand und schlug sich schmerzhaft die Hand an.

»Vom Gürtel nieder sind´s Centauren«, sagte er. Ganz abgesehen davon, dass es die falsche Zeile war, brachte er sie auch noch seltsam gepresst vor, mit kaum hörbarer Stimme. Er drückte sich die Hand an die Brust wie einen verletzten Vogel. Der Schauspieler, der den Edgar spielte, beobachtete ihn scharf. In diesem Moment bestand immer die Möglichkeit, dass Arthur schauspielerte, aber in der ersten Reihe hinter dem Orchester stand gerade ein Mann auf, der eine Sanitäterausbildung hatte. Seine Freundin zog ihn am Ärmel und zischte: »Jeevan! Was machst du denn?« Jeevan wusste es selbst nicht so recht, und aus den Reihen hinter ihm raunte man ihm zu, er möge sich doch wieder hinsetzen. Ein Platzanweiser steuerte auf ihn zu. Auf der Bühne begann Schnee zu fallen.

»Der Zeisig tut´s«, flüsterte Arthur, und Jeevan, der das Stück sehr gut kannte, wusste, dass der Schauspieler gerade zwölf Zeilen im Text zurückgerutscht war. »Der Zeisigâ...«

»Sir«, sagte der Platzanweiser, »würden Sie bitteâ...«

Doch Arthur Leanders Zeit lief ab. Er schwankte, sein Blick war ins Unbestimmte gerichtet, und Jeevan war klar, dass der Schauspieler jetzt nicht mehr König Lear war. Er schob den Platzanweiser beiseite und rannte zu den Stufen, die auf die Bühne führten, aber da kam schon ein zweiter Platzanweiser den Gang entlanggerannt, sodass Jeevan sich gezwungen sah, sich ohne die Hilfe einer Treppe einfach auf die Bühne zu hangeln. Sie war höher, als er gedacht hatte, und er musste den ersten Platzanweiser, der ihn am Ärmel gepackt hatte, mit dem Fuß wegstoßen. Der Schnee war aus Plastik, wie Jeevan unbewusst zur Kenntnis nahm, zahllose kleine Stückchen aus durchscheinendem Plastik, die an seiner Jacke hängen blieben und auf seiner Haut scheuerten. Edgar und Gloucester wurden einen Augenblick von dem Getöse abgelenkt. Keiner schaute zu Arthur, der sich mittlerweile mit leerem Blick gegen die Sperrholzsäule lehnte.

Man hörte Rufe aus dem Backstagebereich, zwei Schatten kamen herangeeilt, doch Jeevan hatte Arthur jetzt erreicht, fing den Schauspieler auf, als er ohnmächtig wurde, und ließ ihn behutsam auf den Boden gleiten. Rundherum segelten die Schneeflocken jetzt immer dichter herab, sie schimmerten im bläulich weißen Licht. Arthur atmete nicht mehr. Die zwei Schatten - Security-Mitarbeiter - waren in ein paar Schritt Abstand stehen geblieben und kapierten wohl langsam, dass Jeevan kein geistesgestörter Zuschauer war. Im Publikum wildes Stimmengewirr, blitzende Handykameras, unverständliche Ausrufe im Dunkel.

»Lieber Gott«, sagte Edgar. »Du lieber Gott.« Er hatte den britischen Akzent, dessen er sich vorher bedient hatte, völlig fallen gelassen und klang jetzt so, als käme er aus dem tiefsten Alabama. Was ja auch der Wahrheit entsprach. Gloucester hatte die Mullbinde weggezogen, die sein halbes Gesicht verbarg - zu diesem Zeitpunkt hatte man seiner Figur bereits die Augen ausgestochen -, und stand da wie angewurzelt. Sein Mund öffnete und schloss sich wie bei einem Fisch.

Arthurs Herz schlug nicht. Jeevan begann mit Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung. Irgendjemand rief einen Befehl, und der Vorhang fiel, ein wisch! aus Stoff und Schatten, das das Publikum aus der Gleichung nahm und der Bühne die Hälfte ihres Glanzes raubte. Die Security-Leute hatten sich zurückgezogen. Die Beleuchtung veränderte sich, das Blau und Weiß des Schneesturms wurde von einem grell fluoreszierenden Licht ersetzt, das sich im Vergleich fast gelb ausnahm. Jeevan arbeitete schweigend in diesem Margarinelicht, wobei er ab und zu einen Blick auf Arthurs Gesicht warf. Bitte, dachte er, bitte. Arthurs Augen waren geschlossen. Der Vorhang bewegte sich, irgendjemand schlug von außen dagegen und suchte nach einem Durchlass. Dann kniete auf einmal ein älterer Herr im grauen Anzug neben Arthur.

»Ich bin Kardiologe«, sagte er. »Walter Jacobi.« Seine Augen wurden durch seine Brillengläser vergrößert, und auf seinem Schädel stand das Haar in schütteren Büscheln.

»Jeevan Chaudhary«, sagte Jeevan. Er hätte nicht sagen können, wie lange er schon hier war. Ringsum liefen Menschen hin und her, aber außer Arthur kamen sie ihm alle weit entfernt und unscharf vor, und jetzt hatte sich auch noch dieser Mann dazugesellt. Es fühlte sich an, als wären sie im Auge eines Orkans, dachte Jeevan, er und Walter und Arthur, zu dritt in dieser absoluten Stille. Walter berührte kurz die Stirn des Schauspielers, ganz sanft wie eine Mutter, die ihr fieberndes Kind beruhigen will.

»Man hat schon einen Krankenwagen gerufen«, sagte Walter.

Der heruntergelassene Vorhang verlieh der Bühne etwas unerwartet Intimes. Jeevan musste an die Zeit denken, als er Arthur in Los Angeles interviewt hatte - das war mittlerweile schon Jahre her -, während seiner kurzen Karriere als Kulturjournalist. Er musste an seine Freundin Laura denken und überlegte, ob sie wohl noch auf ihrem Platz in der ersten Reihe saß oder vielleicht ins Foyer gegangen war. Und dabei dachte er, bitte, fang wieder an zu atmen, bitte. Er dachte sich, dass der heruntergelassene Vorhang die vierte Seite abschloss und die Bühne in einen Raum verwandelte, wenn auch einen Raum mit einem Hohlraum als Decke und meilenweitem Gewirr aus Stegen für das Personal und Scheinwerfern, zwischen denen eine Seele unbemerkt davongleiten konnte. Was für ein lächerlicher Gedanke, sagte sich Jeevan. Sei nicht blöd. Aber jetzt spürte er auf einmal so ein Prickeln im Nacken, als würde er von oben beobachtet.

»Soll ich Sie ablösen?«, bot Walter an. Jeevan begriff, dass der Kardiologe sich nutzlos fühlte, also nickte er und nahm die Hände von Arthurs Brustkorb, woraufhin Walter im gleichen Rhythmus weitermachte.

Kein richtiger Raum, dachte Jeevan, während er sich auf der Bühne umschaute. Es war alles zu flüchtig, diese ganzen Gänge und dunklen Räume zwischen den Seitenbühnen, die fehlende Decke. Es war eher wie ein Terminal, dachte er, ein Bahnhof oder ein Flughafen, ein Ort, durch den jeder nur kurz hindurchgeht. Inzwischen war der Krankenwagen gekommen, zwei Ärzte näherten sich durch den absurd still fallenden Schnee, und dann kauerten sie auch schon über dem Schauspieler wie Krähen. Ein Mann und eine Frau in dunkler Uniform, die Jeevan beiseitedrängten. Die Frau war so jung, dass sie sogar noch unter zwanzig hätte sein können. Jeevan stand auf und trat zurück. Die Säule, an der Arthur zusammengesackt war, fühlte sich unter seinen Fingerspitzen glatt und blank poliert an. Holz, das so bemalt worden war, dass es wie Stein wirkte.

Überall Bühnenhelfer, Schauspieler, namenlose Funktionäre mit Klemmbrettern. »Verdammt noch mal«, hörte Jeevan jemand sagen. »Kann nicht endlich mal jemand diesen blöden Schnee abstellen?« Regan und Cordelia standen weinend am Vorhang und hielten sich an den Händen, Edgar saß im Schneidersitz auf dem Boden und hielt sich die Hand vor den Mund. Goneril sprach leise in ihr Handy. Die falschen Wimpern warfen Schatten über ihre Augen.

Niemand schaute Jeevan an, und ihm dämmerte, dass seine Rolle in diesem Stück beendet war. Die Ärzte schienen keinen Erfolg zu haben. Er wollte Laura suchen. Wahrscheinlich stand sie ganz aufgelöst in der Lobby und wartete auf ihn. Vielleicht - es war nur eine entfernte Überlegung, aber doch eine Überlegung - fand sie sein Einschreiten ja bewundernswert.

Irgendjemand gelang es schließlich, den Schnee abzustellen, es segelten nur noch ein paar letzte durchscheinende Plastikflocken herab. Jeevan sah sich um, um den einfachsten Weg von der Bühne zu finden, da hörte er ein Wimmern und sah ein Kind, das er vorher gar nicht bemerkt hatte, eine kleine Schauspielerin, die links von ihm neben der nächsten Sperrholzsäule kniete. Jeevan hatte das Stück schon viermal gesehen, aber noch nie mit Kindern, und er fand dieses Detail der Inszenierung sehr innovativ. Das Mädchen war sieben oder acht. In regelmäßigen Abständen wischte sie sich die Augen mit einer Bewegung ab, die Make-up-Streifen auf...
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Autor

Emily St. John Mandel wurde in Kanada geboren und studierte Tanz in Toronto. Mit ihrem letzten Roman Das Licht der letzten Tage war sie für den National Book Award nominiert und feierte einen weltweiten Publikums- und Presseerfolg. Auch Das Glashotel wurde begeistert aufgenommen und rezensiert und stand auf der The New York Times-Bestseller-Liste. Emily St. John Mandel lebt mit Ehemann und Tochter in New York.