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Rudolf Steinhausen: Briefe aus Deutsch-Südwestafrika, 1896-1899

BuchGebunden
Deutsch
Eckl, Andreas, Dr.erschienen am02.09.2024
Neulich bemerkte schon ein Offizier, daß die Schwarzen von Tag zu Tag unverschämter werden würden und daß es im ganzen Lande nach Pulver röche, sie müssen einmal wieder einen Dankzettel bekommen. Die sämtlichen Offiziere sind mit der schwachen, immer nachgiebigen Politik von Leut[wein] nicht zufrieden, die Ansiedler behaupten sogar, daß ihm ein Schwarzer mehr gälte wie ein Weißer. Brief vom 20. Okt. 1897.Vieles in den Briefen Steinhausens erinnert an andere südwestafrikanische Ego-Dokumente aus der Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert - das Selbstverständnis als Kolonist und Soldat der Schutztruppe, die Haltung gegenüber Land und Leuten, der Duktus der Aufschriebe. Immer wieder unverständlich mutet es an, zu sehen, wie unmöglich es den Briefe- und Tagebuchschreibern jener Zeit offenbar war, ihr Tun distanziert, gleichsam von oben zu betrachten und die Absurdität ihres Wirkens zu erkennen, oder doch wenigstens manchmal zu erahnen, wie abwegig es war, Tausende von Kilometern von Deutschland entfernt auf einem fremden Kontinent Militärstationen anzulegen, ohne auch nur überhaupt die notwendigste Grundversorgung der dort stationierten Besatzung sicherstellen, noch ansatzweise ein den Gesundheitsanforderungen entsprechendes Umfeld bieten zu können. So eingenommen von sich selbst und ihrem Tun waren die Figuren in dem Unterfangen Kolonialismus, dass ihnen scheinbar jede Form von Selbstreflektion und Hinterfragung ihres kolonialen Tuns und Wirkens unmöglich geworden war. Die Briefe Steinhausens zeugen stattdessen von der großen Freiheit und Selbständigkeit eines Schutztruppen-Offiziers zu einer Zeit, die geprägt war von einem optimistischen Fortschrittsdenken, das die Zukunftserwartungen für die Kolonie bestimmte. Die Kehrseite dieser Entwicklung des Schutzgebietes, an der Steinhausen an vorderster Front beteiligt war, war ein beständiger Zuwachs von Regulierungen und staatlichen Eingriffen in die Lebenswirklichkeit der Kolonisten, eine Entwicklung, die offenbar Theodor Leutwein angelastet wurde, der seit März 1894 Landeshauptmann und von 1898 bis 1904 Gouverneur der Kolonie war. Glaubt man Steinhausen, so verfügte Leutwein über keinerlei Rückhalt von Seiten der Kolonisten: Wenn wir nur dieses Ekel loswerden könnten und Lindequist dafür bekämen! In der ganzen Kolonie gibt es auch gar keinen Weißen, der ein gutes Wort über Leutwein spricht. Die Ansiedler sind geradezu empört über ihn , so Steinhausen in einem Brief vom 21. Dezember 1898.Anders als in den Jahren unmittelbar vor Beginn der großen Kriege 1904, als das Schutzgebiet als befriedet angesehen wurde, zeigte sich Steinhausen in einem Brief vom 4. Februar 1898 diesbezüglich noch skeptisch: Den Hereros ist nicht zu trauen, die Buschleute sind die größten Schweinehunde, und die Ovambos sollen rüsten. Dabei erzählt Leutwein zu Haus , hier herrscht die größte Ruhe. Noch wurden afrikanische Machthaber als politische und militärische Faktoren nicht gänzlich als unbedeutend eingestuft. Die Schilderung Steinhausens´ Besuch bei meinem Freunde, dem Schuft Kambazembi , mächtiger Omuhona der Herero am Waterberg und Besitzer von 60.-80.000 Rindern, gibt beredtes Zeugnis vom Verhältnis der deutschen Kolonisten zu den Afrikaner*innen, ein Verhältnis, das geprägt war von einer überaus despektierlichen Wahrnehmung: Er reichte mir nochmals seine Hand, aber um diese zu erreichen, mußte ich mich erst aus meiner Hockstellung erheben. Ich dachte dabei: warte nur, mein alter Junge, du kommst mir noch. Allen schwarzen Brüdern muß man sich zuerst zutraulich nähern, nachher kann man sie dann tanzen lassen (Eintrag unter Datum vom 31. Oktober 1896). Die Briefe von Rudolf Steinhausen aus den frühen Jahren des Schutzgebietes dokumentieren nicht nur die koloniale Entwicklung desselben, sondern gewähren zugleich tiefe Einblicke in den Zeitgeist und die mentale Verfasstheit des Schreibers und mit ihm einer ganzen Schicht. Der heutige Leser weiß um den Fortgang der Geschichte und den sich anschließenden Tanz , der vor dem Hintergrund dieser Quelle um einiges verständlicher wird.mehr

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KlappentextNeulich bemerkte schon ein Offizier, daß die Schwarzen von Tag zu Tag unverschämter werden würden und daß es im ganzen Lande nach Pulver röche, sie müssen einmal wieder einen Dankzettel bekommen. Die sämtlichen Offiziere sind mit der schwachen, immer nachgiebigen Politik von Leut[wein] nicht zufrieden, die Ansiedler behaupten sogar, daß ihm ein Schwarzer mehr gälte wie ein Weißer. Brief vom 20. Okt. 1897.Vieles in den Briefen Steinhausens erinnert an andere südwestafrikanische Ego-Dokumente aus der Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert - das Selbstverständnis als Kolonist und Soldat der Schutztruppe, die Haltung gegenüber Land und Leuten, der Duktus der Aufschriebe. Immer wieder unverständlich mutet es an, zu sehen, wie unmöglich es den Briefe- und Tagebuchschreibern jener Zeit offenbar war, ihr Tun distanziert, gleichsam von oben zu betrachten und die Absurdität ihres Wirkens zu erkennen, oder doch wenigstens manchmal zu erahnen, wie abwegig es war, Tausende von Kilometern von Deutschland entfernt auf einem fremden Kontinent Militärstationen anzulegen, ohne auch nur überhaupt die notwendigste Grundversorgung der dort stationierten Besatzung sicherstellen, noch ansatzweise ein den Gesundheitsanforderungen entsprechendes Umfeld bieten zu können. So eingenommen von sich selbst und ihrem Tun waren die Figuren in dem Unterfangen Kolonialismus, dass ihnen scheinbar jede Form von Selbstreflektion und Hinterfragung ihres kolonialen Tuns und Wirkens unmöglich geworden war. Die Briefe Steinhausens zeugen stattdessen von der großen Freiheit und Selbständigkeit eines Schutztruppen-Offiziers zu einer Zeit, die geprägt war von einem optimistischen Fortschrittsdenken, das die Zukunftserwartungen für die Kolonie bestimmte. Die Kehrseite dieser Entwicklung des Schutzgebietes, an der Steinhausen an vorderster Front beteiligt war, war ein beständiger Zuwachs von Regulierungen und staatlichen Eingriffen in die Lebenswirklichkeit der Kolonisten, eine Entwicklung, die offenbar Theodor Leutwein angelastet wurde, der seit März 1894 Landeshauptmann und von 1898 bis 1904 Gouverneur der Kolonie war. Glaubt man Steinhausen, so verfügte Leutwein über keinerlei Rückhalt von Seiten der Kolonisten: Wenn wir nur dieses Ekel loswerden könnten und Lindequist dafür bekämen! In der ganzen Kolonie gibt es auch gar keinen Weißen, der ein gutes Wort über Leutwein spricht. Die Ansiedler sind geradezu empört über ihn , so Steinhausen in einem Brief vom 21. Dezember 1898.Anders als in den Jahren unmittelbar vor Beginn der großen Kriege 1904, als das Schutzgebiet als befriedet angesehen wurde, zeigte sich Steinhausen in einem Brief vom 4. Februar 1898 diesbezüglich noch skeptisch: Den Hereros ist nicht zu trauen, die Buschleute sind die größten Schweinehunde, und die Ovambos sollen rüsten. Dabei erzählt Leutwein zu Haus , hier herrscht die größte Ruhe. Noch wurden afrikanische Machthaber als politische und militärische Faktoren nicht gänzlich als unbedeutend eingestuft. Die Schilderung Steinhausens´ Besuch bei meinem Freunde, dem Schuft Kambazembi , mächtiger Omuhona der Herero am Waterberg und Besitzer von 60.-80.000 Rindern, gibt beredtes Zeugnis vom Verhältnis der deutschen Kolonisten zu den Afrikaner*innen, ein Verhältnis, das geprägt war von einer überaus despektierlichen Wahrnehmung: Er reichte mir nochmals seine Hand, aber um diese zu erreichen, mußte ich mich erst aus meiner Hockstellung erheben. Ich dachte dabei: warte nur, mein alter Junge, du kommst mir noch. Allen schwarzen Brüdern muß man sich zuerst zutraulich nähern, nachher kann man sie dann tanzen lassen (Eintrag unter Datum vom 31. Oktober 1896). Die Briefe von Rudolf Steinhausen aus den frühen Jahren des Schutzgebietes dokumentieren nicht nur die koloniale Entwicklung desselben, sondern gewähren zugleich tiefe Einblicke in den Zeitgeist und die mentale Verfasstheit des Schreibers und mit ihm einer ganzen Schicht. Der heutige Leser weiß um den Fortgang der Geschichte und den sich anschließenden Tanz , der vor dem Hintergrund dieser Quelle um einiges verständlicher wird.
Details
ISBN/GTIN978-3-939886-16-7
ProduktartBuch
EinbandartGebunden
FormatPaperback (Deutsch)
ErscheinungsortBochum
ErscheinungslandDeutschland
Erscheinungsjahr2024
Erscheinungsdatum02.09.2024
Reihen-Nr.13
SpracheDeutsch
Gewicht250 g
Artikel-Nr.56646936
Rubriken

Autor