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Der Tag, an dem ein Mann vom Berg Amar kam

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Verlag Antje Kunstmannerschienen am22.05.20231. Auflage
Yavuz Ekinci erzählt vom Leben in einem kurdischen Dorf, von einem seit Jahren immer wieder aufflammenden Konflikt und von der Angst der Menschen, dass auch sie Opfer einer willkürlichen Zerstörung werden - so poetisch wie politisch. Wie ein Märchen beginnt diese poetische Erzählung einer hochbrisanten Geschichte: Wer alles hatte sich nicht schon erträumt, den Berg Amar zu bezwingen und das Walnusstal zu erobern? Feldherren, Propheten, Herrscher, Könige ... Sie alle sind gescheitert, nur ein Liebespaar, Amar und Sara, hat das Walnusstal aufgenommen. Das war vor langer Zeit. Ihre Nachfahren leben bis heute in einem Dorf im Walnusstal, und sie wissen, eines Tages kommt ein Mann vom Berg Amar mit der gefürchteten Botschaft: Sie kommen! Und nichts mehr wird so sein wie vorher. Von der Schönheit einer archaischen, unberührten Natur erzählt der kurdische Autor Yavuz Ekinci, und von ihrem Schrecken, von den Menschen in einer Dorfgemeinschaft, von einem Leben, das gewohnten Regeln und Ritualen folgt, in denen die alten Legenden nicht vergessen sind, auch wenn die Moderne durch das Fernsehen längst Einzug gehalten hat, von der unterschwelligen Gegenwart eines immer wieder aufflammenden Krieges. Mit einer betörenden Sprache beschwört er den Reichtum einer alten Kultur, ihren unzerstörbaren Kern, gegen eine Zerstörung, die er kommen sieht, wenn sie kommen.

Yavuz Ekinci, 1979 in Batman geboren, arbeitet als Lehrer und ist Herausgeber einer Reihe zur kurdischen Exilliteratur. Für sein Prosawerk erhielt Ekinci zahlreiche Preise, darunter den Human Rights Association Story Award. Auf Deutsch erschienen die Romane »Der Tag, an dem ein Mann vom Berg Amar kam« (2017) und »Die Tränen des Propheten« (2019) und »Das ferne Dorf meiner Kindheit« (2023) . Ekinci lebt in Istanbul.
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Produkt

KlappentextYavuz Ekinci erzählt vom Leben in einem kurdischen Dorf, von einem seit Jahren immer wieder aufflammenden Konflikt und von der Angst der Menschen, dass auch sie Opfer einer willkürlichen Zerstörung werden - so poetisch wie politisch. Wie ein Märchen beginnt diese poetische Erzählung einer hochbrisanten Geschichte: Wer alles hatte sich nicht schon erträumt, den Berg Amar zu bezwingen und das Walnusstal zu erobern? Feldherren, Propheten, Herrscher, Könige ... Sie alle sind gescheitert, nur ein Liebespaar, Amar und Sara, hat das Walnusstal aufgenommen. Das war vor langer Zeit. Ihre Nachfahren leben bis heute in einem Dorf im Walnusstal, und sie wissen, eines Tages kommt ein Mann vom Berg Amar mit der gefürchteten Botschaft: Sie kommen! Und nichts mehr wird so sein wie vorher. Von der Schönheit einer archaischen, unberührten Natur erzählt der kurdische Autor Yavuz Ekinci, und von ihrem Schrecken, von den Menschen in einer Dorfgemeinschaft, von einem Leben, das gewohnten Regeln und Ritualen folgt, in denen die alten Legenden nicht vergessen sind, auch wenn die Moderne durch das Fernsehen längst Einzug gehalten hat, von der unterschwelligen Gegenwart eines immer wieder aufflammenden Krieges. Mit einer betörenden Sprache beschwört er den Reichtum einer alten Kultur, ihren unzerstörbaren Kern, gegen eine Zerstörung, die er kommen sieht, wenn sie kommen.

Yavuz Ekinci, 1979 in Batman geboren, arbeitet als Lehrer und ist Herausgeber einer Reihe zur kurdischen Exilliteratur. Für sein Prosawerk erhielt Ekinci zahlreiche Preise, darunter den Human Rights Association Story Award. Auf Deutsch erschienen die Romane »Der Tag, an dem ein Mann vom Berg Amar kam« (2017) und »Die Tränen des Propheten« (2019) und »Das ferne Dorf meiner Kindheit« (2023) . Ekinci lebt in Istanbul.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783956141829
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum22.05.2023
Auflage1. Auflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.14294804
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Einer von jenen Tagen

 

Der Schatten eines Adlers mit ausgebreiteten Flügeln und vorgerecktem Haupt glitt vom Berge Amar her über die Felswände, über sonnenerhitzte Steine, über Eichenbäume, verdorrte Gräser, hochgeschossenes Geäst, sattgrünes Blattwerk und fiel auf den Stutenkopffelsen. Sobald sie des Adlerschattens gewahr wurden, hoben Vögel zum Flug an, verkrochen sich Schlangen in Felsritzen, Hasen ins Dickicht, Eichhörnchen in Baumhöhlen, Mäuse in ihre unterirdischen Bauten, Eidechsen unter Steinbrocken. Der Adlerschatten zog seine Kreise über dem Walnusstal, über dem Stutenkopf, über den prächtigen Eichenbäumen an seinem Saum.

In einer der Eichen spielten zwei Eichhörnchen. Das mit dem rötlichen Rücken streckte seinen Schwanz in die Höhe und spähte die Umgebung aus. Als es den über die Äste gleitenden Adlerschatten bemerkte, verfiel es in Panik und rutschte ab. Um nicht zu stürzen, musste es sich an den Baumstamm klammern. Danach sprang es auf einen anderen Eichenstamm und versteckte sich in einer tiefen Höhle.

Das Eichhörnchen mit dem graublau schimmernden Rücken hatte den Adler noch immer nicht bemerkt. Es kletterte in den Wipfel, streckte die Vorderpfoten und hüpfte auf die benachbarte Eiche. Gegen Blätter und Eicheln stoßend, klammerte es sich an einen Ast und kletterte von dort aus flink auf den allerhöchsten Zweig der Baumspitze, zog den Schwanz ein wenig an seinen Rücken heran und schaute über die Baumwipfel. Das Flapp, flapp, flapp schreckte es auf und als der über das Blattwerk gleitende Adlerschatten auf seinen Leib fiel, wünschte es sich ein Loch, um sich darin zu verkriechen, hielt aber erstarrt inne. Die breiten Adlerschwingen schlossen und öffneten sich ein, zwei Mal, bis der Adler mit der Schärfe eines Dolchstoßes herabsank.

Die Gräser bogen sich in alle Richtungen. Jetzt wurden zwei Schildkrötenpanzer zwischen den Gräsern sichtbar. Eine Schildkröte vor der anderen. Eine männliche und eine weibliche. Die riesige mit dem vorgestreckten Kopf lief vorne, die angestrengte und zornige Schildkröte folgte ihr. Die kleine machte immer wieder Sätze nach vorn, schlug hart gegen die vor ihr laufende Schildkröte, die Reißaus nahm, und stieß sie damit fort. Die riesige Schildkröte zerteilte die Gräser bei ihrem Fluchtversuch und drückte sie platt. Die kleine Schildkröte hatte den Hals ausgestreckt, das Maul einen Spaltbreit offen, ihre Äuglein sprühten vor Lust. Sie kroch auf den Rücken der Schildkröte vor ihr und versuchte, sich mit den Vorderbeinen festzukrallen, was ihr aber nicht gelang. Sie glitt vom Panzer der anderen herab und stürzte zwischen die Gräser. Aus der Nase schnaubend, richtete sie sich auf, erreichte die Schildkröte, die atemlos fortrannte, biss ihr ins Bein, machte drei, vier Sätze nach vorn und knallte - tack, tack - gegen sie. Als die riesige Schildkröte von einer abschüssigen Stelle herabrutschte, reckte die angestrengte und zornige ihren Hals, schnaubte, kletterte an ihr hinauf und umschlang mit den Vorderbeinen ihren Panzer. Die riesige Schildkröte versuchte sich zu befreien, indem sie sich aufbäumte. Als sie die vor ihr zischende Schlange wahrnahm, hielt sie inne.

Die Schlange, die sich in S-Form durch die Gräser schlängelte, glänzte in der Sonne. Auch sie hielt inne. Sie streckte ihre gespaltene Zunge heraus und blickte die wie zwei aufeinandergestapelte Steine ver harrenden Schildkröten zischend an. Die untere, riesige zog blitzschnell ihren Kopf und ihre Beine ein. Die Schlange hob ihren Kopf noch ein wenig und schlängelte dann zischend auf den großen Eichenbaum zu. Sie züngelte in alle Richtungen, horchte aufmerksam und zischte noch einmal. In ihre tiefschwarzen Augen fiel das Blau des Himmels, das Weiß der Wolken, das Grün des Blattwerks. Der Widerhall des schrillen Zirpens einer Grille schien sie zu stören, sie drehte ihr Haupt nach rechts und nach links und zischte ein weiteres Mal. Auch die sich eng an den Baumstamm schmiegende Grille spiegelte sich in den tiefschwarzen Augen der Schlange.

Ein heißer Wind wehte, die Blätter rauschten, die Gräser neigten sich. Auf einen Ast setzte sich ein Spatz. In seinem Schnabel eine grüne Heuschrecke, die gegen das Nichts anstrampelte. Im Spatzennest ging das Geschrei der Jungen los. Die Schlange wandte ihr Haupt und starrte mit ihren tiefschwarzen Augen den Spatz an. Das Blau des Himmels, das Weiß der Wolken, das Grün des Blattwerks wichen dem Spatz und der Heuschrecke im Spatzenschnabel. Die Schlange wand sich um den Baum und erklomm ihn. Ein Wind wehte, die Blätter rauschten, der Spatz flog davon, die Grille zirpte noch lauter, ein Wolkenfetzen schob sich vor die Sonne. Die Schlange hielt inne. Ihr Blick traf sich mit dem der Grille, die drei Handbreit unter dem Nest zirpte. Sie zischte. Sie wand sich ein, zwei Male um den Baumstamm herum und reckte sich, bis sie in das Spatzennest in der Baumhöhle hineinreichte. Ein großer Teil ihres Leibes war noch draußen, ihre pechschwarze Haut strahlte in der Sonne. Die noch ungefiederten Spatzenküken verschlang sie eines nach dem anderen. Sie rutschten durch ihren Leib in den Magen. Hilflos flatterten die Spatzeneltern um den Baum herum. Als die Schlange, noch bevor sie das letzte Küken verschluckt hatte, ihr Haupt aus dem Nest hervorreckte, um die Spatzen anzuzischen, glitt der Adlerschatten über Geäst und Blattwerk, fiel auf den Baumstamm und auf die Schlange. Die Schlange erstarrte. Das in ihrem Maul zuckende Küken fiel heraus. Das Zirpen der Grille riss ab. Der zermalmte Leib der Heuschrecke stürzte zwischen die verdorrten Gräser.

Ameisen wimmelten um den Baum und zwischen den Gräsern herum und scharten sich um die Heuschrecke. Eine schwarze Ameise mit langem Kopf kam flink vom Baum herunter und umkreiste die tote Heuschrecke, als feiere sie eine Messe. Sie rieb ihre langen Antennen gegeneinander, dann ihre Beine. Die kleineren Ameisen wichen ein paar Schritte zurück. Die schwarze Ameise mit dem langen Kopf begann, den abgerissenen Kopf der Heuschrecke fortzuschleppen. Die anderen zerlegten den Rest der Heuschrecke und folgten. Vorn die schwarze mit dem langen Kopf, hinter ihr Dutzende von kleinen und großen Ameisen. Manche trugen die Flügel der Heuschrecke, andere die Beine und wieder andere den Rumpf. Ein Tack, tack, tack ließ die Ameisen aufschrecken und in die Umgebung horchen. Vor die Ameise mit dem langen Kopf rollte eine große Mandel. Kurz darauf fiel der Schatten des Adlers mit seinen ausgebreiteten Flügeln, dem gefächerten Schweif und dem vorgereckten Haupt darüber. Sobald die Ameise mit dem langen Kopf den Heuschreckenkopf fallen ließ, setzten auch die anderen Ameisen die Flügel und Beine der Heuschrecke ab und verstreuten sich zwischen den Gräsern. Die Ameise mit dem langen Kopf umkreiste die Mandel. Sie trieb ihre Kiefer hinein und versuchte, sie mitzuschleppen, konnte sie aber keinen Deut bewegen. Ein Specht landete auf dem Boden, nahm die Mandel und flog fort.

Der Specht setzte sich auf den Stamm eines morschen Eichenbaums. Die Mandel klemmte er in einen Spalt im Baumstamm. Wie ein Hammer, der auf Nägel schlägt, hob und senkte sich sein Kopf. Tock, tack, tock, tack. Der auf ihn fallende Adlerschatten ließ ihn aufschrecken. Er horchte auf die Geräusche, die von den Feldern heraufdrangen.

Auf dem Hügel, der hinter dem Dorf liegt, mähten drei kräftige Männer mit Sensen das Gras. Nach einem scharfen, die Luft zerschneidenden Ton fiel das Gras zu Boden. Kinder, Frauen und ein alter Mann sammelten das geschnittene Gras auf. Die Männer mit der Sense sangen ein kurdisches Klam, der alte Mann, die Kinder und die Frauen fielen ein, indem sie die Zeilen des Klam wiederholten. Mirza lag mit schmutzigem Gesicht, verschwitzt und müde, auf dem Rücken auf dem eingesammelten Gras. Als die Sonne in sein Gesicht stach, stand er auf, öffnete den Verschluss der blauen Thermoskanne und trank voller Inbrunst. Um von seinen Onkeln und seinem Vater, die das Gras mähten, und seinem Großvater, seiner Großmutter, seiner Schwester und seiner Cousine, die es aufsammelten, nicht bemerkt zu werden, duckte er sich und schlich davon. Sobald er ein wenig von ihnen entfernt war, rannte er los. Seine Schwester schrie: »Opa, Opa, Mirza ist weggelaufen!« Kasım ließ das Gras fallen. »Nicht abhauen! Komm her! Und zwar sofort!«, rief er Mirza zu, während er ihm hinterherjagte. Bis zum unteren Rand des Feldes folgte Kasım ihm, dann gab er auf. Er blieb stehen. Er war außer Atem. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und hielt sich die flache Hand wie einen Schirm vor die Augen, um die Kinder zu beobachten, die auf dem Plateau zwischen den Eichenbäumen Fußball spielten.

Im Tor stand Resul. Ilyas, der ein gelb-rotes Trikot trug, trickste zwei Spieler aus und schoss aufs Tor. Resul jagte dem Ball hinterher, der Ball prallte gegen die Steine, die das Tor markierten, und war draußen. Resul machte sich hinkend auf, den Ball zu holen, der im Gras gelandet war, nahm ihn und warf ihn Azad zu. Als Azad versuchte, an seinem Gegner vorbeizukommen, blieb er mit dem Fuß an einem Stein hängen und stürzte. Ilyas bekam den Ball schnell in seinen Besitz, täuschte alle, die sich ihm...
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Autor

Yavuz Ekinci, 1979 in Batman geboren, arbeitet als Lehrer und ist Herausgeber einer Reihe zur kurdischen Exilliteratur. Für sein Prosawerk erhielt Ekinci zahlreiche Preise, darunter den Human Rights Association Story Award. Auf Deutsch erschienen die Romane »Der Tag, an dem ein Mann vom Berg Amar kam« (2017) und »Die Tränen des Propheten« (2019) und »Das ferne Dorf meiner Kindheit« (2023) . Ekinci lebt in Istanbul.

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