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Verratenes Land

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
896 Seiten
Deutsch
HarperCollinserschienen am19.08.20191. Auflage
Ich hatte nie vor, meinen Bruder zu töten.
Ich hatte nie die Absicht, meinen Vater zu hassen. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich meinen eigenen Sohn beerdigen würde. Und ich hätte mir auch nicht vorstellen können, dass ich den Kindheitsfreund betrügen würde, der mir das Leben rettete, oder dass ich für eine Lüge den Pulitzerpreis bekommen würde.
All diese Dinge habe ich getan, und doch würden mich die meisten Leute, die mich kennen, als ehrenwerten Mann bezeichnen. So weit würde ich nicht gehen. Aber ich versuche, ein guter Mensch zu sein, und ich glaube, dass es mir meistens gelingt. Wie ist das nur möglich? Wir leben in komplizierten Zeiten.
Und es ist nicht einfach, ein guter Mensch zu sein.
»Ein großartiges Werk von herausragender Bedeutung, voller Kraft und von großer Ernsthaftigkeit.«
Washington Post über die Natchez-Trilogie


Greg Iles hat den Großteil seiner Jugend in Natchez, Mississippi verbracht. Sein Debütroman Spandau Phoenix, war der erste von 15 New-York-Times-Bestsellern. Iles' Romane wurden verfilmt und in mehr als 35 Ländern veröffentlicht. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Natchez, Mississippi.
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Produkt

KlappentextIch hatte nie vor, meinen Bruder zu töten.
Ich hatte nie die Absicht, meinen Vater zu hassen. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich meinen eigenen Sohn beerdigen würde. Und ich hätte mir auch nicht vorstellen können, dass ich den Kindheitsfreund betrügen würde, der mir das Leben rettete, oder dass ich für eine Lüge den Pulitzerpreis bekommen würde.
All diese Dinge habe ich getan, und doch würden mich die meisten Leute, die mich kennen, als ehrenwerten Mann bezeichnen. So weit würde ich nicht gehen. Aber ich versuche, ein guter Mensch zu sein, und ich glaube, dass es mir meistens gelingt. Wie ist das nur möglich? Wir leben in komplizierten Zeiten.
Und es ist nicht einfach, ein guter Mensch zu sein.
»Ein großartiges Werk von herausragender Bedeutung, voller Kraft und von großer Ernsthaftigkeit.«
Washington Post über die Natchez-Trilogie


Greg Iles hat den Großteil seiner Jugend in Natchez, Mississippi verbracht. Sein Debütroman Spandau Phoenix, war der erste von 15 New-York-Times-Bestsellern. Iles' Romane wurden verfilmt und in mehr als 35 Ländern veröffentlicht. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Natchez, Mississippi.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783959678834
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum19.08.2019
Auflage1. Auflage
Seiten896 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3322 Kbytes
Artikel-Nr.4264414
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
KAPITEL 3
Ich heiße Marshall McEwan.

Mit achtzehn bin ich zu Hause weggelaufen. Ich bin nicht vor dem Staat Mississippi weggelaufen - sondern vor meinem Vater. Ich habe mir damals geschworen, dass ich niemals zurückgehen würde, und habe mein Versprechen sechsundzwanzig Jahre lang gehalten, mit Ausnahme einiger kurzer Besuche bei meiner Mutter. Es war kein leichter Weg, aber schließlich war ich einer der erfolgreichsten Journalisten von Washington, D. C. Die Leute meinten, ich hätte die Druckerschwärze im Blut; mein Vater war in den 1960er Jahren ein legendärer Chefredakteur und Zeitungsherausgeber - die New York Times hat ihn einmal als »das Gewissen von Mississippi« bezeichnet -, aber ich habe mein Geschäft nicht von Duncan McEwan gelernt. Mein Vater war eine Legende, die zum Säufer wurde und wie die meisten Säufer auch einer blieb. Trotzdem verfolgte er mich wie ein zweiter Schatten an meiner Seite. Also war es wohl unvermeidlich, dass sein Tod mich nach Hause zurückbringen würde.

Oh, er ist noch nicht tot. Sein Tod rückt näher wie ein einsames schwarzes Schiff, das sich durch die Wellen ankündigt, die es vor sich herschiebt, dunkle Wellen, die einen einst so scharfen Verstand stören und die über die schützenden Grenzen einer Familie hinwegrollen. Angetrieben wird dieses schwarze Schiff von komorbiden Störungen, wie die Ärzte es nennen: Parkinson, Herzversagen, Bluthochdruck, Säuferleber. So lange ich konnte, habe ich die Situation ausgeblendet. Ich habe schon gesehen, wie brillante Kollegen - die meisten zehn oder fünfzehn Jahre älter als ich - zu kämpfen haben, um in den kleinen Städten der Republik ihre kränklichen Eltern zu pflegen, und in allen Fällen hat ihre Laufbahn darunter gelitten. Durch Zufall oder Karma erlebte meine Karriere 2016 nach der Wahl von Trump einen kometenhaften Aufstieg. Und ich hatte nicht die geringste Lust, von meinem Kometen herunterzuspringen und wieder in Mississippi zu landen, um dort bei einem Vierundachtzigjährigen den Babysitter zu spielen, zumal der seit meinem vierzehnten Lebensjahr so getan hatte, als existierte ich nicht.

Schließlich gab ich mich geschlagen, weil mein Vater so krank war, dass ich meine Mutter nicht mehr aus tausend Meilen Entfernung bei der Pflege unterstützen konnte. Dad war in den letzten drei Jahrzehnten immer tiefer in Wut und Depression versunken, machte dabei alle in seiner Umgebung unglücklich und ruinierte seine Gesundheit. Doch da ich im Herzen ein braver Südstaatenjunge bin, war es nicht mehr relevant, dass seit über dreißig Jahren ein unüberbrückbarer Graben zwischen ihm und mir klaffte. Hier unten ist es ein ungeschriebenes Gesetz: Wenn dein Vater im Sterben liegt, gehst du nach Hause und hältst mit deiner Mutter die Totenwache. Außerdem verfiel unser Familienunternehmen - der Bienville Watchman (gegründet 1865) - unter Dads zunehmend unberechenbarer Leitung zusehends, und da er sich die letzten beiden Jahrzehnte starrköpfig geweigert hatte, diesen Dinosaurier von einer Zeitung zu verkaufen, musste ich den Laden am Laufen halten, bis wir das, was davon übrig war, nach seinem Tod an jemanden zum Ausschlachten verkaufen konnten.

Das redete ich mir jedenfalls ein.

In Wirklichkeit war mein Motiv komplizierter. Wir handeln kaum je logisch, wenn wir in unserem Leben vor wichtigen Entscheidungen stehen. Damals konnte ich meinen Selbstbetrug nicht erkennen. Ich befand mich immer noch in dem lang anhaltenden Schockzustand nach einer Ehe, die eine Tragödie überstanden - oder vielmehr nicht überstanden - hatte und dann, als meine berufliche Laufbahn in die Stratosphäre abhob, in eine Scheidung trudelte. Doch jetzt begreife ich es.

Ich bin wegen einer Frau nach Hause gekommen.

Sie war noch ein Mädchen, als ich von zu Hause wegging, und ich war ein verwirrter Junge. Aber ganz gleich, wie unerbittlich das Leben versuchte, die Weichheit aus mir herauszuprügeln und mich in den harten, spröden Panzer des Zynismus zu hüllen, so blieb in mir doch etwas Reines erhalten, lebendig und wahr: Das Mädchen, halb aus Jordanien, halb aus Mississippi, das mir die geheimen Freuden des Lebens enthüllte, hatte sich so tief in meine Seele eingegraben, dass keine andere Frau je an sie heranreichte. Achtundzwanzig Jahre Trennung hatten nicht ausgereicht, um meine Sehnsucht nach ihr abzutöten. Manchmal fürchte ich, dass meine Mutter mein geheimes Motiv von Anfang an kannte (oder vielleicht nur spürte und betete, dass sie sich irrte). Ganz gleich, ob sie es weiß oder ob sie so unwissend geblieben ist wie ich an dem Tag, als ich endlich klein beigab, jedenfalls ließ ich mich von meinen Jobs in Presse und Fernsehen beurlauben, packte das Nötigste ein und fuhr mit vor Anspannung weißen Knöcheln in den Süden, um den berühmtesten Ausspruch von Thomas Wolfe zu testen.

Natürlich kannst du wieder nach Hause gehen, antwortete mein Stolz. Zumindest für kurze Zeit. Du kannst deine Sohnespflicht tun. Denn welcher Mann, der sich für einen Gentleman hält, würde das nicht tun? Und sobald die Pflicht erfüllt ist und er tot ist, kannst du vielleicht deine Mutter dazu überreden, mit dir nach Washington zu kommen. Ehrlich gesagt, wahrscheinlich wusste ich, dass es eine müßige Hoffnung war. Doch sie gab mir etwas, das ich mir einreden konnte, damit ich nicht zu sehr über das unlösbare Problem nachdenken musste. Nein, nicht die Lage meines Vaters. Das Mädchen. Sie ist natürlich jetzt eine Frau, eine Frau mit einem Ehemann, der vielleicht mein bester Kindheitsfreund ist. Sie hat auch einen zwölfjährigen Sohn. Und während dieser Knoten in unserem Zeitalter der allgegenwärtigen Scheidungen vielleicht nicht viel von einem gordischen Knoten hat, sorgen doch andere Faktoren dafür, dass es wirklich einer ist. Die Misere meines Vaters hingegen ... wird sich zwangsläufig irgendwann erledigen.

Das klingt vielleicht eiskalt.

Ich sage nicht, dass Dad die Schuld an seiner Situation selbst trägt. Er hat, Gott weiß, seinen Teil Leiden erduldet - genug, um ihn lebenslang von der Religion zu heilen. Zwei Jahre ehe er meine Mutter heiratete, verlor er bei einem Autounfall seine erste Frau und die gemeinsame kleine Tochter. Und als wäre das nicht genug, kam mein achtzehnjähriger Bruder, als ich in der neunten Klasse war, auch bei einem Unfall ums Leben, bei einer Tragödie, die wie eine Bombe aus unsichtbarer Höhe auf unsere Stadt herabstürzte. Vielleicht hat es meinen Vater gebrochen, zwei Kinder nacheinander zu verlieren. Ich könnte das verstehen. Als mein Bruder Adam starb, war es für mich, als hätte Gott den Arm ausgestreckt und das Licht der Welt ausgeknipst, und ich stolperte wie ein Erblindeter, der sich nicht mit seinem neuen Leiden zurechtfindet, durch die nächsten zwei Jahre.

Aber »Gott« war mit mir noch nicht fertig. Zwanzig Jahre nach Adams Tod verlor ich meinen zweijährigen Sohn - mein einziges Kind - bei einem stinknormalen Haushaltsunfall. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn einen das Schicksal bricht.

Aber ich funktioniere noch.

Ich melke meine Informanten, ich schreibe Artikel, ich kommentiere auf CNN und MSNBC die Themen des Tages. Ich kann sogar Reden zu 35.000 Dollar das Stück halten (vielmehr konnte ich das, ehe ich wieder in meinen Drittweltstaat gezogen bin und damit meinen journalistischen Marktwert in einen irreversiblen Sturzflug katapultierte). Ich habe gelitten, aber ich habe weitergemacht. Das wurde mir so beigebracht - natürlich von meiner Mutter, nicht von meinem Vater. Und von Buck Ferris, dem Archäologen und Pfadfinderführer, der, nachdem mein Vater seine väterlichen Pflichten aufgegeben hatte, an seine Stelle trat und sein Möglichstes tat, um einen Mann aus mir zu machen. Nach all meinen Erfolgen meinte Buck, er hätte das wohl geschafft. Ich war mir nie so ganz sicher. Wenn ich es mir eines Tages doch beweisen könnte, würde er es nie erfahren. Denn irgendwann letzte Nacht wurde Buck Ferris ermordet.

Bucks Tod scheint der natürliche Anfang für diese Geschichte zu sein, denn so fangen diese Dinge gewöhnlich an. Ein Tod stellt eine praktische Demarkationslinie dar, triggert den vertrauten Dreiklang von Ermittlung, Schuldzuweisung, Bestrafung. Aber Anfänge sind kompliziert. Es kann Jahrzehnte dauern, bis die genaue Kette von Ursache und Wirkung feststeht, die zu einem einzigen Ergebnis geführt hat. Das habe ich bei meinem Uniabschluss in Geschichte gelernt, wenn auch sonst nicht viel. Aber ich kann keine zwanzig Jahre warten, bis ich diese Ereignisse anspreche. Denn im Augenblick bin ich zwar gesund - und habe getan, was ich konnte, um mich zu schützen -, doch es gibt Menschen, denen es lieber wäre, wenn ich nicht so gesund wäre. Am besten bringe ich alles jetzt gleich zu Papier.

Doch während wir diese vertrauten Schritte miteinander tanzen, vergessen Sie bitte nicht, dass nichts so ist, wie es scheint. Der Mord an Buck ist zwar ein natürlicher Anfangspunkt, aber diese Geschichte begann eigentlich, als ich vierzehn Jahre alt war. Die Leute, deren Lebenswege sich mit fatalen Folgen ineinander verschlingen sollten, lebten damals noch, und einige liebten sich bereits. Um diese Geschichte zu verstehen, müssen Sie zwischen zwei Zeiten schwimmen wie jemand, der sich zwischen Wachen und Schlaf hin und zurück bewegt. Die Natur unseres Geistes ist so angelegt, dass wir die Träume im Schlaf für die Vergangenheit halten, nie ganz präzise in der Erinnerung, immer so geschaffen, dass sie unseren Begierden dienen (außer wenn sie uns wegen unserer Sünden heimsuchen). Und die wache Gegenwart ... nun, auch die birgt ihre Gefahren.
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