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Mord auf Westfälisch

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
240 Seiten
Deutsch
Emons Verlagerschienen am26.05.2022
Bielefelds bester Ermittler in seinem persönlichsten Fall. Im Leben von Kriminalkommissar Jan Oldinghaus stehen Veränderungen ins Haus, buchstäblich. Ein neuer Teilhaber des elterlichen Hofs, der bekannte Wurstfabrikant und Multimillionär Hagen Piepenbrock, mischt die Familie mit seinen Plänen für das Gut auf. Dann erschüttern zwei kaltblütige Morde Ostwestfalen. Die Ermittlungen führen Jan und sein Team ausgerechnet zu Piepenbrocks Firma. Als auch noch ein Anschlag auf dessen Villa in Bad Oeynhausen verübt wird und der sogenannte Wurstbaron spurlos verschwindet, eskaliert die Lage...

Jobst Schlennstedt wurde 1976 in Herford geboren. 21 Jahre blieb er der Stadt treu, ehe er sein Geografiestudium an der Universität Bayreuth begann. Seit Anfang 2004 lebt er in Lübeck. Im Emons Verlag veröffentlicht er Küsten- und Westfalen-Krimis sowie Titel aus der 111-Orte-Reihe. www.jobst-schlennstedt.de
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,49

Produkt

KlappentextBielefelds bester Ermittler in seinem persönlichsten Fall. Im Leben von Kriminalkommissar Jan Oldinghaus stehen Veränderungen ins Haus, buchstäblich. Ein neuer Teilhaber des elterlichen Hofs, der bekannte Wurstfabrikant und Multimillionär Hagen Piepenbrock, mischt die Familie mit seinen Plänen für das Gut auf. Dann erschüttern zwei kaltblütige Morde Ostwestfalen. Die Ermittlungen führen Jan und sein Team ausgerechnet zu Piepenbrocks Firma. Als auch noch ein Anschlag auf dessen Villa in Bad Oeynhausen verübt wird und der sogenannte Wurstbaron spurlos verschwindet, eskaliert die Lage...

Jobst Schlennstedt wurde 1976 in Herford geboren. 21 Jahre blieb er der Stadt treu, ehe er sein Geografiestudium an der Universität Bayreuth begann. Seit Anfang 2004 lebt er in Lübeck. Im Emons Verlag veröffentlicht er Küsten- und Westfalen-Krimis sowie Titel aus der 111-Orte-Reihe. www.jobst-schlennstedt.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960419143
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum26.05.2022
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3517 Kbytes
Artikel-Nr.9519179
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Limetten

Der Mann mit den schlohweißen Haaren sah ihn in einer Mischung aus Mitleid und Unverständnis an. Sie kannten sich. Nicht persönlich, aber von einigen kurzen Begegnungen beim Abendmarkt auf dem Klosterplatz. Meistens war er zu spät gewesen, so wie heute. Dann räumte der Mann schon längst seine Wurstspezialitäten wieder zusammen. Genau wie die anderen Händler, die nun Feierabend hatten.

Feierabend hatte auch er. Aber mit dem Unterschied, dass sein Arbeitstag vor mehr als dreizehn Stunden begonnen hatte. Und trotzdem hatte er das Gefühl, der Berg an Arbeit, der sich vor ihm stapelte, werde immer größer statt kleiner.

Sein Vater hatte immer gesagt, dass sich im Alter zwischen dreißig und vierzig entscheide, wohin die Karriere führe. Es handele sich um die wichtigsten Jahre in einem Berufsleben, in denen er den richtigen Weg einschlagen könne oder aber als belangloses Rädchen im Uhrwerk eines Unternehmens untergehen werde.

Jetzt war er vierunddreißig, fühlte sich an den meisten Abenden allerdings mindestens fünf Jahre älter. Hatte er die Gabelung zum Erfolg bereits verpasst, oder befand er sich noch immer auf dem richtigen Weg? Er hatte in den vergangenen Jahren wichtige Aufgaben erfüllt und für die größten Kunden der Firma gearbeitet. Aber zu welchem Preis? Um mehr als siebzig Stunden in der Woche zu buckeln. Und seit mehr als zwei Jahren auf eine Gehaltserhöhung zu warten. Die versprochene Beförderung stand auch noch immer aus.

Er hatte Dinge getan, die ihm schlaflose Nächte bereiteten. Anders als bei einigen seiner Kollegen und Kolleginnen riet ihm sein Gewissen bisweilen, dass die Firma es mit den zum Teil zweifelhaften Machenschaften nicht übertreiben sollte. Aber hatte er als Einzelner überhaupt eine Chance? Sich dagegen zu wehren, was seine Chefs verlangten, würde wahrscheinlich einem Rausschmiss gleichkommen. Er war nun mal momentan nicht mehr als dieses kleine Rädchen im großen Getriebe und würde in dieser Position nicht dafür sorgen können, dass das Unternehmen eine andere Richtung einschlug.

Jedenfalls war er froh, dass über die Sache, an der er beteiligt gewesen war, inzwischen etwas Gras gewachsen war. Je mehr Zeit verging, desto besser gelang es ihm, die Gedanken daran beiseitezuschieben. Aber die Angst, dass die Sache noch einmal hochkochte und ihm schaden würde, ließ ihn nicht los.

Der Mann am Stand mit der geräucherten Wurst hatte ihn bestimmt schon lange durchschaut und warf ihm genau deshalb jetzt diesen mitleidigen Blick zu. Weil er wusste, dass er nicht glücklich mit dem war, was er tat. Dass er viel zu viel Zeit im Büro verbrachte, anstatt rechtzeitig Feierabend zu machen und das Leben zu genießen. Zum Beispiel, um sich stärker auf das einzulassen, was er in den letzten Wochen mit Alina erlebt hatte. Etwas, von dem er sich definitiv mehr vorstellen konnte, und aktuell der einzige Lichtblick in seinem Leben.

Manchmal wurde er in einem paranoiden Anfall das Gefühl nicht los, dass dieser Mann am Wurststand sogar etwas von den Dingen ahnte, die er getan hatte. Die er am liebsten verdrängen und für immer vergessen würde. Aber das war natürlich ausgeschlossen.

Er ging weiter über den Platz und vermied es, sich noch einmal nach dem Mann umzusehen. Er schämte sich regelrecht. Allem Anschein nach war er ein offenes Buch. Er konnte sich noch so unauffällig verhalten, aber wenn selbst der Wurstverkäufer ahnte, dass er in seinem Job nicht mehr glücklich war, hatten ihn längst auch andere Menschen durchschaut. War das etwa auch der Grund dafür, dass seine Karriere stockte?

Er seufzte und schüttelte den Kopf, während er die Tür des Hauses auf der Ecke Klosterstraße/Mauerstraße aufschloss und im Flur direkt den kleinen Fahrstuhl betrat. Jeden Tag nahm er sich vor, lieber die Treppe hochzusteigen, aber nach einem langen Bürotag war er meistens doch zu träge. Dabei täte ein wenig Bewegung seinem untrainierten Körper mehr als gut.

Es kam nur selten vor, dass er hier einen seiner Nachbarn traf, und auch heute stand er ganz allein in dem kleinen, in die Jahre gekommenen Aufzug. Gedankenverloren drückte er den Knopf mit der Nummer drei und wartete darauf, dass sich die Tür hinter ihm wieder schloss.

Behäbig und mit einem Ruckeln setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Manchmal überkam ihn die Phantasie, es würde irgendwo im Keller des Hauses jemand an einer Seilwinde ziehen und den Stahlkasten mit purer Muskelkraft bewegen. Jedenfalls wunderte es ihn, dass der Aufzug bei den knarzenden Geräuschen, die er von sich gab, noch niemals stecken geblieben war.

Auch heute nicht. Der Fahrstuhl stoppte mit einem lauten Schlag, und die Tür öffnete sich. Vor ihm lag der schmale Flur mit den drei Wohnungstüren. Die hinterste auf der linken Seite führte in seine vier Wände.

Fünfundsechzig Quadratmeter, Altbau. Als er vor sieben Jahren hier eingezogen war, bedeutete das eine deutliche Steigerung seiner Lebensqualität. Aber die letzte Sanierung der Wohnung lag bestimmt schon zwanzig Jahre zurück, und trotzdem musste er mittlerweile neunhundert Euro kalt berappen. Schon seit längerer Zeit liebäugelte er deswegen mit dem Kauf einer Eigentumswohnung. Er hatte sich ausgerechnet, dass ihn eine Finanzierung monatlich kaum mehr kosten würde.

Aber würde er überhaupt einen Kredit bekommen? Er hatte nur wenig Geld angespart, das würde die Bank wohl kaum beeindrucken. Und sein Gehalt entsprach bei Weitem noch nicht dem, was er sich selbst wünschte und was die Kreditgeber wahrscheinlich von ihm sehen wollten. Dennoch würde er das Gespräch mit der Immobilienfinanzierungsabteilung der Bank suchen müssen, und das so schnell wie möglich. Es musste doch auch für jemanden wie ihn die Möglichkeit geben, etwas Eigenes zu erwerben.

Im Hintergrund hörte er plötzlich leise Schritte. Jemand, der es offenbar klüger machte und die Treppe nahm. Wahrscheinlich der Nachbar, der letztes Jahr eingezogen war. Ein durchtrainierter Typ, etwa in seinem Alter. Tom arbeitete in einem Fahrradladen in Bahnhofsnähe und hatte mehrfach in der Woche Damenbesuch, allerdings nur selten von ein und derselben.

Es war nicht so, dass er ihn heimlich beobachtete oder eine Strichliste über dessen Besuche führte, das war gar nicht notwendig. Tom und seine Frauen hielten sich regelmäßig auf dem kleinen Balkon auf, der direkt neben seinem lag. Und sie klingelten, wenn ihnen Eiswürfel oder Limetten fehlten. Neulich hatten sie sogar gefragt, ob er nicht dazukommen wolle. Er hatte aber dankend abgelehnt.

Er mochte Tom nicht. Der Mann lebte ein Leben, das ihm für immer verwehrt bleiben würde. Weil er gefangen war in seinen Strukturen, auch im Streben nach Erfolg im Job, der sich jedoch nicht so richtig einstellen wollte. Die Karriere hatte er immer als oberstes Ziel vor Augen. Und lebte gleichzeitig mit der Angst, am Ende doch zu versagen. Sein Vater machte ihm ständig ein schlechtes Gewissen, weil er nicht genug aus seinem Leben mache. Der Kompass, den ihm sein Vater mit Strenge und Unnachgiebigkeit mit auf den Weg gegeben hatte, das, was Sigmund Freud als Über-Ich bezeichnet hatte, beeinflusste ihn am meisten. Und lähmte ihn letztlich.

Er verdrängte die Gedanken und ging rasch in Richtung seiner Wohnungstür, während die Schritte im Hintergrund immer lauter wurden. Hastig fingerte er den Schlüsselbund aus seiner Hosentasche. Er musste Tom heute Abend nun wirklich nicht begegnen, um ihm dann noch ein aufgezwungenes Lächeln zu schenken. Er wollte seine Ruhe, mehr nicht.

Die Schritte kamen immer näher, wurden plötzlich schneller, aber gleichzeitig auch leise, fast schleichend. Als würde jemand die Treppe hinaufhuschen.

Tom war eigentlich niemand, der es eilig hatte. Im Gegenteil, immer wenn er ihn gesehen hatte, wirkte er tiefenentspannt, als hätte er gerade einen Joint durchgezogen. Hektik und Unsicherheit schien dieser Typ nicht zu kennen.

Er brauchte einen Moment, um den richtigen Schlüssel zu finden. Als er ihn endlich ins Schloss gesteckt hatte, waren die Geräusche aus dem Treppenhaus verstummt. Der Flur lag lautlos hinter ihm. Da war offenbar niemand, der ihn heute Abend noch in ein Gespräch verwickeln würde. Erleichtert atmete er durch.

Er drehte den Schlüssel um, bis sich die Tür mit einem kurzen Schnappen öffnete. Genau in diesem Moment erlosch das Licht im Flur.

Es war fast stockdunkel. Auf dem Gang gab es kein Fenster, auch aus dem Treppenhaus drang fast kein Licht hierher. Er tastete an der Wand entlang auf der Suche nach dem Schalter. Eine fast tägliche Situation, schaltete sich die mit einer Zeitschaltuhr gekoppelte Lampe doch immer viel zu früh aus.

Nach ein paar Sekunden hatte er ihn gefunden. Das grelle LED-Licht erhellte den Gang. Während seine Netzhaut sich wieder an die Helligkeit gewöhnte, zuckte er im nächsten Moment zusammen. Irgendetwas stimmte hier nicht.

Die Schritte im Treppenhaus? Weshalb eigentlich waren sie mit einem Mal verhallt? Und was war das für ein Luftzug, den er plötzlich in seinem Nacken verspürte? Und dann dieses ganz leise Geräusch auf dem ausgetretenen Linoleumboden.

Da war jemand, direkt hinter ihm. Er spürte es. Jemand hatte sich in dem kurzen Moment der Dunkelheit offenbar an ihn herangeschlichen. Etwa Tom, sein Nachbar? Aber der würde ihn wohl kaum derart erschrecken, um mal wieder nach Limetten zu fragen.

Er erstarrte vollends. War unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Oder sich umzudrehen und davonzurennen. Obwohl er ahnte, dass alles besser war, als einfach nur zu verharren.

Ihn überkam ein Gefühl der Panik, das er nicht kannte. Angst hatte er schon des Öfteren in seinem Leben verspürt. Angst davor, dass das, wofür er in seinem Job verantwortlich war,...
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