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Mildred

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
624 Seiten
Deutsch
Kanon Verlagerschienen am07.09.20221. Auflage
Die Passion des Widerstands 1929 verlässt Mildred Harnack ihre Heimat Wisconsin und zieht mit ihrem Mann Arvid, einem Cousin Dietrich Bonhoeffers, nach Berlin. Hautnah erlebt sie den Aufstieg der Nazis mit. Sie rekrutiert Arbeiter, Künstlerinnen oder Studentinnen und organisiert gemeinsam mit ihrem Mann den größten Widerstandskreis im Berliner Untergrund. Hitler verurteilt sie 1943 eigenmächtig zum Tod durch die Guillotine. Ihr letzter Trost ist ein Band mit Goethe-Gedichten, den sie in ihrer Zelle übersetzt - human und nobel bis zum Ende. Rebecca Donner verwebt Briefe, Tagebucheinträge, Augenzeugenberichte und kürzlich freigegebene Geheimdienstdokumente zu einer fulminanten und ergreifenden Erzählung des Widerstehens. Die preisgekrönte Hommage an eine mutige und fast vergessene Frau: Spannend und voller Zuneigung erzählt Rebecca Donner von ihrer Urgroßtante Mildred Harnack, die als junge Frau nach Berlin kam und leidenschaftlich gegen die Nazis kämpfte. Ihr Buch ist eine Würdigung und eine immense, eine weibliche Chronik des Widerstands. Mit zahlreichen schwarz-weißen-Dokumenten, -Abbildungen und -Fotos. • New York Times-Bestseller • Pen/Jacqueline Bograd Weld Award for Biography 2022 (Gewinner) • National Book Critics Circle Award for Biography 2022 (Gewinner) • Los Angeles Times Book Award 2022 (Finalist) • Plutarch Award 2022 (Finalist) • The Chautauqua Prize (Gewinner)

Rebecca Donner ist Absolventin der University of California und der Columbia University. Sie schreibt Essays, Reportagen und Rezensionen, zudem ist sie Autorin eines Romans und einer Graphic Novel. Für ihr erstes Sachbuch über ihre Großtante Mildred Harnack wurde ihr u.a. der PEN Award und der National Book Critics Award verliehen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR36,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR27,99

Produkt

KlappentextDie Passion des Widerstands 1929 verlässt Mildred Harnack ihre Heimat Wisconsin und zieht mit ihrem Mann Arvid, einem Cousin Dietrich Bonhoeffers, nach Berlin. Hautnah erlebt sie den Aufstieg der Nazis mit. Sie rekrutiert Arbeiter, Künstlerinnen oder Studentinnen und organisiert gemeinsam mit ihrem Mann den größten Widerstandskreis im Berliner Untergrund. Hitler verurteilt sie 1943 eigenmächtig zum Tod durch die Guillotine. Ihr letzter Trost ist ein Band mit Goethe-Gedichten, den sie in ihrer Zelle übersetzt - human und nobel bis zum Ende. Rebecca Donner verwebt Briefe, Tagebucheinträge, Augenzeugenberichte und kürzlich freigegebene Geheimdienstdokumente zu einer fulminanten und ergreifenden Erzählung des Widerstehens. Die preisgekrönte Hommage an eine mutige und fast vergessene Frau: Spannend und voller Zuneigung erzählt Rebecca Donner von ihrer Urgroßtante Mildred Harnack, die als junge Frau nach Berlin kam und leidenschaftlich gegen die Nazis kämpfte. Ihr Buch ist eine Würdigung und eine immense, eine weibliche Chronik des Widerstands. Mit zahlreichen schwarz-weißen-Dokumenten, -Abbildungen und -Fotos. • New York Times-Bestseller • Pen/Jacqueline Bograd Weld Award for Biography 2022 (Gewinner) • National Book Critics Circle Award for Biography 2022 (Gewinner) • Los Angeles Times Book Award 2022 (Finalist) • Plutarch Award 2022 (Finalist) • The Chautauqua Prize (Gewinner)

Rebecca Donner ist Absolventin der University of California und der Columbia University. Sie schreibt Essays, Reportagen und Rezensionen, zudem ist sie Autorin eines Romans und einer Graphic Novel. Für ihr erstes Sachbuch über ihre Großtante Mildred Harnack wurde ihr u.a. der PEN Award und der National Book Critics Award verliehen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783985680481
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum07.09.2022
Auflage1. Auflage
Seiten624 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse12532 Kbytes
Artikel-Nr.10227529
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Guten Morgen, Sonne

1932
1.

Es ist der 1. September 1932.

In genau sieben Jahren wird der Zweite Weltkrieg beginnen.

Dieser Morgen ist im Vergleich dazu nicht gerade denkwürdig. Für Mildred fängt er wohl an wie jeder andere. Sie erwacht in ihrem einfachen Holzbett, steht auf und zieht die Vorhänge zurück, um das Tageslicht hereinzulassen. Weil die Wohnung große, breite Fester hat, gibt es davon mehr als genug, selbst im tiefsten Winter, wenn die Luft in Berlin körnig wirkt und die Konsistenz und Farbe von Kreide annimmt. Ein schmaler Flur führt ins Wohnzimmer, wo Mildred von Fenster zu Fenster geht und die Vorhänge öffnet. An den Wänden stehen Regale voll heißgeliebter Bücher. Ölgemälde von dichten Wäldern bringen Gold und Smaragdgrün in einen ansonsten schlicht eingerichteten Raum. Hier steht ein Sofa mit hölzernen Armlehnen. Dort liegen zwei ausgefranste Teppiche. Ein massiver runder Tisch, zwei robuste Stühle. Die Holzdielen sind abgenutzt, an manchen Stellen löchrig und knarren unter Mildreds Sohlen, wenn sie ans andere Ende des Zimmers geht, wo ein weißer Kachelherd steht, dessen dickes Ofenrohr bis unter die Decke reicht. Manchmal gibt es Kohle, manchmal nicht. Heute gibt es vielleicht welche. Mildred schürt die Kohlebrocken mit einer Eisenstange, damit frische Funken fliegen. Das Wasser im Kessel, den sie auf den Herd stellt, reicht für zwei Tassen Kaffee, eine für sie und eine für Arvid.

Sie macht das aus Gewohnheit. Sie ist allein, jedoch nicht mehr lange. Schon bald wird Arvid von seiner Russlandreise zurückkehren, rechtzeitig zu ihrem Geburtstag. In gut zwei Wochen wird sie dreißig Jahre alt werden - Ist es denn die Möglichkeit?

Das Frühstück ist einfach und besteht normalerweise aus nicht viel mehr als einer dicken Scheibe Brot, bestrichen mit dem, was gerade da ist - Marmelade, Butter, Senf, sie ist da nicht wählerisch. In der Mitte des Tisches stellt sie gerne eine oder zwei Blumen in ein Glas Wasser. Tulpen im Frühjahr, Flieder im Sommer, Almrosen im Herbst, Heckenkirschen im Winter. Manchmal kommen die Blumen von ihren Studenten. Manchmal sind sie von Arvid.

Er ist ein Romantiker. Diese Seite kennen andere nicht. Andere sehen einen Mann, der eine Brille mit großen runden Gläsern trägt, die ihn wie eine Eule wirken lassen, und der das Haus kaum je ohne Krawatte verlässt. (Hinter verschlossenen Türen reißt er sie freudig ab.) Andere sehen einen Mann, der stundenlang an seinem Schreibtisch sitzt. (Aber nichts liebt Arvid so sehr, wie an einem Sonntagnachmittag in den Bergen wandern zu gehen, die Gedanken schweifen zu lassen und die frische, belebende Luft einzuatmen.) Und obwohl es durchaus stimmt, dass Arvid ein Mensch ist, der die Sicherheit kalter, harter Fakten schätzt, steckt sein Kopf voller Poesie. Als Kind musste er Goethe lesen und kann nun, mit einunddreißig, lange Gedichte aus dem Kopf aufsagen, die er Mildred ins Ohr flüstert.

Die beiden haben sich an der Universität von Wisconsin kennengelernt, wo Arvid in den falschen Vorlesungssaal spaziert war. Eigentlich wollte er Professor John Commons und dessen Vorlesung über amerikanische Gewerkschaften hören, doch die Person am Pult war nicht Commons. Stattdessen stand dort Mildred, damals eine fünfundzwanzigjährige Masterstudentin. In ihrer Stunde befasste sie sich mit amerikanischer Literatur, und Arvid blieb bis zum Schluss. Dann ging er zum Pult und stellte sich vor.

Sie hatte einen Bachelor in Geisteswissenschaften und gerade ihr Masterstudium begonnen. Er hatte einen Abschluss in Rechtswissenschaft und promovierte in Philosophie. Nachdem diese Formalitäten geklärt waren, erzählte er ihr mit einer süßen, gutherzigen Förmlichkeit, die sie bis ins Herz traf, sein Elternhaus stehe in Jena, einer kleinen Universitätsstadt an der Saale in Deutschland. Sein Englisch war unbeholfen, aber ernsthaft. Wie sehr er sich von den Jungs aus dem Mittleren Westen an der UW unterschied; Jungs, die sich gegenseitig auf Maisfeldern und Footballfeldern zu Boden rangen, Jungs, die mit dem Geld prahlten, das sie dank ihres Abschlusses verdienen würden, Jungs, die mit lärmenden Scherzen um Mildreds Aufmerksamkeit buhlten - Har-dee-har-har! - und die überhaupt nicht witzig waren, zumindest fand das Mildred, und dennoch erwartete man von ihr, dass sie lächelte und errötete und mit der Hand wedelte und rief: Ach, was bist du nur für ein Schuft!

Bei ihrem zweiten Treffen brachte Arvid ihr eine Handvoll Wildblumen. Er hatte sie selbst gepflückt. »Einen großen Strauß dicker, weißer, duftender Blüten, dazwischen lilafarbene Glockenblumen«, schrieb Mildred später und erinnerte sich an jedes Detail.

Es war morgens - ein »wunderschöner« Morgen. Arvid stand auf der Veranda des zweistöckigen Hauses, in dem Mildred ein Zimmer angemietet hatte. Es lag in der Nähe des Universitätsgeländes und gehörte einem Professor, der dort mit seiner Frau und seinen beiden Kindern wohnte. Die Frau schaute hinter den Vorhängen hervor und betrachtete den blauäugigen Arvid und seine Wildblumen. Sie nahm regen Anteil an Mildreds Privatleben. Während Mildred beharrlich an ihrem Masterabschluss arbeitete, konnte die junge Dame ein wenig mütterliche Führung bestimmt gut gebrauchen, mag die Professorengattin gedacht haben, während sie darauf achtete, dass Mildred nicht durch einen falschen Mann auf Abwege geriet. Vielleicht war sie auch einfach nur neugierig. Endlich zog sie die Vorhänge zu und nickte mit aufrichtiger Zustimmung. »Männer von der Nordsee«, sagte sie, »geben sehr gute Ehemänner ab.«

Ein Ehemann - ob gut oder schlecht - war nicht, wonach Mildred suchte. Jetzt nicht. Sie erholte sich noch von einer herzzerreißenden Trennung von einem angehenden Anthropologen aus Kansas City namens Harry, trotzdem ging sie auf die Veranda hinaus und schloss die Tür hinter sich. Arvid gab ihr die Wildblumen und meinte, er hoffe, Mildred habe einen guten Morgen. Er strengte sich an, seinen deutschen Akzent weicher klingen zu lassen, und sie erkannte, dass er, bevor er an ihre Tür getreten war, viele Male geübt hatte, was er als Nächstes sagen würde. Er wolle mit ihr einen Ausflug mit dem Kanu machen, auf Lake Mendota, erklärte er, »dem großartigsten aller Seen«.

Seine zurückhaltende Galanterie gefiel ihr.

Also gut, antwortete sie ihm, gleichfalls scheu lächelnd. Sie werde mit ihm Kanu fahren.

Sechs Monate später gaben sie sich an einem Samstag unter einem improvisierten Hochzeitsbogen auf einer maroden Milchviehfarm das Jawort.

Arvid kehrte nach Deutschland zurück, um seine Doktorarbeit zu beenden. Bald würde Mildred ihm folgen, das Goucher College in Baltimore hatte ihr für das Studienjahr 1928-1929 einen Lehrauftrag für englische und amerikanische Literaturgeschichte erteilt. Wenn sie nicht beisammen waren, schrieben sie sich lange Briefe. Sie berichteten von den Büchern, die sie gerade lasen, oder umrissen ihre Pläne für die Zukunft. Beide würden eine Professur anstreben und an deutschen Universitäten lehren, vielleicht auch noch an amerikanischen Hochschulen. Mildred beendete ihre Briefe mit der Zeichnung einer Sonne. Arvid schloss seine mit derselben Sonne.

Endlich bestieg Mildred gemeinsam mit zweitausend anderen Passagieren am 2. Juni 1929 die SS Berlin und überquerte den Atlantik. Es war eine lange Reise auf windgepeitschter See. Der Atlantische Ozean ging in die Nordsee über, die kalt und unergründlich dalag. Mildred stand an Deck und schlotterte unter ihrem Mantel. Am Horizont konnte sie zwischen Himmel und Wasser Deutschland erkennen, dünn wie ein Bleistiftstrich.

Mildred schrieb sich als Doktorandin an der Justus-Liebig-Universität in Gießen ein, während Arvid seiner Dissertation den letzten Schliff verlieh. An den Wochenenden gingen sie im Harz wandern, die Rucksäcke voller Bücher und belegter Brote. Arvid las seine Lieblingsgedichte von Goethe vor und Mildred ihre Lieblingsgedichte von Walt Whitman. Unter einem dichten Baldachin aus Nadelbäumen folgten sie ausgetretenen Pfaden und schlugen eigene Wege ein. Fichten, Kiefern, Tannen; Arvid konnte die Bäume anhand der Nadeln auseinanderhalten, die entweder lang oder kurz waren und locker am Zweig oder dicht wie die Borsten eines Pinsels wuchsen.

»Wir waren so glücklich miteinander«, notierte Mildred. »Er ist wie ein Weihnachtsbaum, an dem alle Kerzen leuchten.«

Es gibt Augenblicke, und an diesem Morgen mag es einen davon geben, in denen vermisst Mildred Arvid mit einer Kraft, die ihr den Atem raubt. Wahrscheinlich verspeist er jetzt gerade ebenfalls sein Frühstück, während er mit einer Gruppe an einem Tisch in Moskau sitzt, deren Name allein schon ein Zungenbrecher ist: Arbeitsgemeinschaft zum Studium der sowjetischen Planwirtschaft. (Mildred bevorzugt es, die Gruppe bei ihrem weniger sperrigen Kürzel zu nennen -...
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Autor

Rebecca Donner ist Absolventin der University of California und der Columbia University. Sie schreibt Essays, Reportagen und Rezensionen, zudem ist sie Autorin eines Romans und einer Graphic Novel. Für ihr erstes Sachbuch über ihre Großtante Mildred Harnack wurde ihr u.a. der PEN Award und der National Book Critics Award verliehen.