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Aleksandra

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Kanon Verlagerschienen am24.02.20231. Auflage
Im Palast des verlorenen Donkosaken: Lisa Weeda erzählt vom Land ihrer Großmutter Aleksandra Lisa Weedas Großmutter heißt Aleksandra und stammt aus der Ostukraine. Über dieses Land, auf das heute alle Welt schaut, hat ihre Enkelin einen fulminanten Roman geschrieben. Die Nummer 1 aus den Niederlanden, übersetzt in zahlreiche Sprachen. Auf Geheiß ihrer 94-jährigen Großmutter Aleksandra reist die Erzählerin Lisa nach Luhansk, um das Grab ihres Onkels Kolja zu suchen, der seit 2015 verschwunden ist. Das verfluchte Geburtsland ihrer Oma sei gefährlich und kein Ort für Stippvisiten, warnt der Soldat am Checkpoint. Lisa gelingt die Flucht durchs Kornfeld - und landet plötzlich in der Vergangenheit: im magischen Palast des verlorenen Donkosaken. In seinen unzähligen Räumen entfaltet sich ein packendes Jahrhundertpanorama, das nicht nur die Geschichte ihrer Familie lebendig werden lässt, sondern die Historie dieses ganzen Landes, einer Region, die nie zur Ruhe kommt. »Meine Familie lebt in einem Gebiet, das seit hundert Jahren von Konflikten geprägt ist. Das Schreiben dieses Buches ist meine Art, mich an dem Kampf zu beteiligen. Es ist ein Denkmal für meine Familie, die durch all diese schrecklichen Ereignisse hindurch stark geblieben ist.« Lisa Weeda Mit Karte und Stammbaum

Lisa Weeda wurde 1989 geboren und ist eine niederländisch-ukrainische Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Virtual-Reality-Regisseurin. Die Ukraine, das Heimatland ihrer Großmutter, steht oft im Mittelpunkt ihres Werks. »Aleksandra« ist ihr »grandioser Debütroman« (ZDF aspekte) und ein großer Erfolg bei Publikum und Kritik.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
HörbuchCD-ROM
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextIm Palast des verlorenen Donkosaken: Lisa Weeda erzählt vom Land ihrer Großmutter Aleksandra Lisa Weedas Großmutter heißt Aleksandra und stammt aus der Ostukraine. Über dieses Land, auf das heute alle Welt schaut, hat ihre Enkelin einen fulminanten Roman geschrieben. Die Nummer 1 aus den Niederlanden, übersetzt in zahlreiche Sprachen. Auf Geheiß ihrer 94-jährigen Großmutter Aleksandra reist die Erzählerin Lisa nach Luhansk, um das Grab ihres Onkels Kolja zu suchen, der seit 2015 verschwunden ist. Das verfluchte Geburtsland ihrer Oma sei gefährlich und kein Ort für Stippvisiten, warnt der Soldat am Checkpoint. Lisa gelingt die Flucht durchs Kornfeld - und landet plötzlich in der Vergangenheit: im magischen Palast des verlorenen Donkosaken. In seinen unzähligen Räumen entfaltet sich ein packendes Jahrhundertpanorama, das nicht nur die Geschichte ihrer Familie lebendig werden lässt, sondern die Historie dieses ganzen Landes, einer Region, die nie zur Ruhe kommt. »Meine Familie lebt in einem Gebiet, das seit hundert Jahren von Konflikten geprägt ist. Das Schreiben dieses Buches ist meine Art, mich an dem Kampf zu beteiligen. Es ist ein Denkmal für meine Familie, die durch all diese schrecklichen Ereignisse hindurch stark geblieben ist.« Lisa Weeda Mit Karte und Stammbaum

Lisa Weeda wurde 1989 geboren und ist eine niederländisch-ukrainische Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Virtual-Reality-Regisseurin. Die Ukraine, das Heimatland ihrer Großmutter, steht oft im Mittelpunkt ihres Werks. »Aleksandra« ist ihr »grandioser Debütroman« (ZDF aspekte) und ein großer Erfolg bei Publikum und Kritik.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783985680597
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum24.02.2023
Auflage1. Auflage
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2228 Kbytes
Artikel-Nr.11113185
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Lugansk

17. APRIL 2014

An dem Mittag, als Kolja seine Ladentür aufschließt und einen jungen Mann mit einem Maschinengewehr die Straße überqueren sieht, schrecken wir aus unserem Halbschlaf. Der Boden hat sich verschoben. Wir spüren das Rütteln, das Wackeln. Die Pfeile in unserem Rücken brennen, versengen uns das weiße Fell.

»Etwas verschiebt sich. Und wir stehen dabei«, flüstern wir.

»Es musste so kommen«, sagt einer von uns, »ich habe das Beben unter meinen Hufen gespürt.« Wir neigen unsere Geweihe, versuchen zu hören, was die Erde uns sagt. Wir lauschen, wie tief das Blut eingesickert ist, ob es sich rührt, ob es unter der schwarzen Erde stillhält. Wir wollen wissen, wie es unseren Donkosaken-Nachfahren ergeht. Wir wussten, dass etwas im Gang war. Im Winter 2013 vernahmen wir, dass unser Kolja aus dem Osten des Landes seinen Cousin Andriy im Westen anrief. Wir wussten, er tat dies nicht von zu Hause aus, nicht dort, wo seine Frau Larissa und seine Tochter Marija waren, er rief ihn aus seinem Laden an.

Und das kam so. Eine Revolution war entbrannt, mitten im Land. Der größte Platz in der Hauptstadt Kiew, knapp achthundert Kilometer von unserem Familiengrund entfernt, brannte lichterloh. Buchstäblich. Der Präsident des Landes unserer Nachfahren, der Ukraine, weigerte sich, ein Abkommen mit Europa zu unterzeichnen. Er wandte sich im letzten Moment unserem großen Bruder zu, wie die Leute so schön sagen: Russland, das Land, für das wir Donkosaken früher gearbeitet haben, für das unsere Väter endlos gekämpft haben: der Große Nordische Krieg, der Siebenjährige Krieg, der Krimkrieg, die Napoleonischen Kriege, der Kaukasuskrieg, ein paar Russisch-Persische Kriege, Russisch-Türkische Kriege und der Erste Weltkrieg. Wer starb, wurde zu einem Hirschen mit goldenem Geweih, weißem Fell und einem goldenen Pfeil im Rücken. Wir wurden zu dem Symbol, das wir zu unseren Lebzeiten als Emblem auf unserer Brust getragen hatten.

Als die Bolschewiken kamen, lehnten wir uns gegen sie auf. Der Donkosak stand immer auf unterschiedlichen Seiten, er trägt zeit seines Lebens die Worte »freier Mensch« und »Abenteurer« unter seiner Haut und nach seinem Tod, nach dem Übertritt, unter seinem Fell. Wir geben diese Worte an die uns folgenden Generationen weiter: »Wir sterben lieber frei als versklavt«, flüstern wir in die Ohren der Kinder bei ihrer Geburt. Letzten Winter waren diese Worte wieder bitter nötig, die Worte, die in all der Zeit so viele Bedeutungen innehatten. Von dem Abkommen selbst verstanden wir herzlich wenig, das war sterbenslangweilig, diese Zeilen auf Papier, wir ignorierten sie, wir fanden sie unerheblich, wie oft hatten wir schon erlebt, dass Sätze auf Papier ihre Wahrheit in der Wirklichkeit verlieren. Nein, was uns beunruhigte, waren Gefühle: Das Unterzeichnen dieses Vertrags wäre die Gelegenheit für Veränderungen gewesen, doch das Gegenteil trat ein. Es war, als würden sich die Türen wieder schließen, als würden unsere Kinder in die Zeit zurückgestoßen.

Kolja schaute im Winter 2013 den Studierenden zu, die sich im Herzen des Landes auf dem Maidan um die weiße Kuppel versammelten. Dank einer Webseite mit Livebildern sah er, wie Studentinnen, die etwa im Alter seiner Tochter waren, zu dem Platz strömten, und es wurden immer mehr. Sie scharrten sich um das große Denkmal der Berehynja, die vergoldete Frau auf ihrer sechzig Meter hohen Säule, die zehn Jahre nach der Unabhängigkeit der Ukraine aufgestellt worden war. Berehynja, in einem traditionellen ukrainischen Kleid und mit einem Rosenzweig in den Händen, blickt auf die demonstrierenden Studenten hinab wie eine Mutter, die Hüterin der Zukunft. Aus den anfänglich erst Hunderten jungen Menschen wurden schnell Tausende. Sie kamen nicht einmal wegen der Politik. »Daraus machen wir uns nichts, wir wollen nur ein freies Land, atmen können, wir wollen Veränderung. Wir sind Brüder und Schwestern mit Eltern und Großeltern, die überall und nirgends herkommen, die Russen sind oder Kasachen, Ukrainer oder Georgier, Tataren oder Donkosaken. Die Politik ist uns egal.« Um die Schultern trugen sie europäische Fahnen, als wären sie traditionelle Kleidungsstücke. Sie kamen zum Maidan für echte Unabhängigkeit. Sie wollten nicht mehr so leben wie bislang unser Andriy und seine Natasja nach dem Umsturz in den neunziger Jahren: hoffnungsvoll, doch bitter enttäuscht. Sie hatten miterlebt, wie alles aus ihrer Stadt verschwunden war, dass kein Versprechen eingelöst wurde - es gab jedenfalls nicht weniger Schlaglöcher in den Straßen.

Wir fanden es schön, diesen friedlichen Widerstand mit anzusehen: Die Studenten sangen Lieder, tanzten, Suppe und Brot wurden verteilt, wir sahen Mädchen mit zu Kränzen geflochtenen Haaren. Na gut, wir hätten es wissen müssen auf diesem Grund und Boden: Schon bald ging es schief. Männer in Schwarz, von Kopf bis Fuß. Bewaffnet mit Stöcken und Schutzschilden stürmten sie den Platz, trieben alle zusammen. Der friedliche Widerstand hatte kaum begonnen, schon tropfte Blut auf das weiße Pflaster des Platzes. Menschen verschwanden, wurden eingesperrt. Für jede aufgegriffene Person aber kamen noch mehr Demonstranten. Tausende, wirklich, Tausende. Wir hatten noch nie so viele Menschen beisammen gesehen. Sie kamen von nah und fern. Auch aus dem Donezbecken, aus unserer Gegend. Zwar nicht viele, doch ein paar, die das Feuer des Aufbruchs in sich spürten, Richtung Westen. Als Spezialeinheiten von Polizei und Militär ein paar Wochen später anfingen, mit echten Kugeln zu schießen, fingen wir erste Gespräche zwischen Kolja und Andriy auf.

»Bist du auch dort, Andriy?«

»In Kiew? Nein, ich war dort im November, mit Natasja. Da waren es noch Gummigeschosse, Rauchbomben, Tränengas. Ich bin zu Hause in Odessa, hier ist es ruhig, noch. Es ist unglaublich. So viele Menschen, Millionen! Und alle gegen diesen Gesinnungslump Janukowitsch. Wir werden gewinnen, Bruder. Es geht in Richtung Europa.«

»Gewinnen? Gegen wen?«

»Russland ist doch Schnee von gestern, oder?«

»Pass auf, was du sagst, Andriy. Pass auf, was du sagst. Hier ist die Lage anders. Vergiss nicht den Boden, auf dem du geboren bist.«

Als es im Februar 2014 auf und um den Maidan Tote gab, war ganz im Osten der Ukraine, dort, wo Kolja lebte, noch alles in Ordnung, aber manchmal braucht es nicht viel. Fällt irgendwo ein Pfeiler um, kann plötzlich alles zusammenbrechen. Nach über hundert Toten und hundertfünfzig Vermissten war es mit der »Revolution der Würde« vorbei. Es dauerte vierundneunzig Tage, bis der Präsident seine Sachen packte. Das Volk jubelte und bereitete sich auf eine neue Regierung vor. In Koljas Gegend, dem Boden, auf dem wir seit Jahrhunderten Wache halten, spürten wir nichts von dieser Euphorie. Hier raunte man nicht das Wort »Revolution«, hier raunte man sich etwas anderes zu: Was ist mit unserer Würde, hier, weitab der Grenze zu Europa? Was ist mit uns vergessenen Bergarbeitern, die wir früher, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, zu Tausenden nach Kiew gezogen sind, dort aber kein Gehör fanden, sondern nur Korruption, Armut, Filz und Chaos? Sind wir nicht für immer das Grenzland, liegt nicht hier, im Osten, der letzte Landstrich der Ukraine?

Zügig, vielleicht vier Tage nach der Revolution und dem »Triumph der Würde«, bemerkten wir, dass andere Fahnen auf der Halbinsel Krim gehisst wurden: aus dem Blau-Gelb der Ukraine wurde das Weiß-Blau-Rot Russlands. Unser Andriy und Kolja schauten gemeinsam mit ihren Neffen Igor und Witja auf die Krim. Die Halbinsel, die erst seit 1954 Teil der Ukraine ist, wurde annektiert. In Lugansk freuten sich manche mit einer Spur Sowjetliebe darüber: auf zur alten Ordnung, zurück nach Russland. Es fällt uns schwer, darüber zu urteilen, weil jeder Wendepunkt in unserer Geschichte sich aus einem älteren Wendepunkt ergibt, aus noch älteren Machtverhältnissen. Da wo wir stehen, ist es eigentlich immer unberechenbar und nebulös.

Hier im Osten hielt man mittlerweile seinen Mund. Außerhalb des Hauses redete Kolja nicht mehr über Politik. Andriys Anrufe drückte er weg, wenn er zu Hause am Tisch saß. Larissa blickte ihn dann an, fragte aber nichts. Witja kam immer seltener zu Besuch, er fing an, mit zwielichtigen Typen abzuhängen, und Igor war plötzlich verschwunden.

Gerade als Kolja also seine Ladentür aufschließt und einen Jungen mit einem Maschinengewehr auf der Straße sieht, empfängt er über Viber ein Video von Larissa. Wir schauen es mit an. Einer von uns beugt seinen Kopf über Koljas Schulter. Was Kolja sieht, ist so aufreibend, dass er nach einer Minute erschüttert zurückspult und das Video noch einmal ansieht. Alle paar Sekunden stoppt er es. Eine Gruppe Männer, ein breiter Bürgersteig und die untersten Fenster der Regionalbehörde in...
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Autor

Lisa Weeda wurde 1989 geboren und ist eine niederländisch-ukrainische Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Virtual-Reality-Regisseurin. Die Ukraine, das Heimatland ihrer Großmutter, steht oft im Mittelpunkt ihres Werks. »Aleksandra« ist ihr »grandioser Debütroman« (ZDF aspekte) und ein großer Erfolg bei Publikum und Kritik.
Aleksandra

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