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Alicia jagt eine Mandarinente

Roman
dtv Deutscher Taschenbuch Verlagerschienen am01.07.2018
Drei Mittvierziger, eine turbulente Reise durch China und viele unerhörte Überraschungen Alicia und Theo, Didi und Gregor: zwei Ehepaare Mitte vierzig, die miteinander befreundet sind. Als Gregor tödlich verunglückt, gerät das Gespann aus der Balance, denn Gregor, Charmeur und Hallodri, war der geheime Mittelpunkt. Im Andenken an Gregor brechen die drei schließlich -  aus ganz unterschiedlichen Beweggründen -? zu einer Reise nach China auf, wo sie mit einer fremden Kultur konfrontiert werden. Die täglichen Herausforderungen, mal skurril und witzig, mal ernst und von großer Tragweite, bewältigt dabei jeder auf seine Art. Eine Reise, auf der ihre Freundschaft und ihre Beziehung zueinander auf den Prüfstand gestellt wird.

Angelika Jodl unterrichtet Studenten aus aller Welt in Deutsch. Außerdem schreibt sie Geschichten, hält Vorträge zur deutschen Sprache und reitet ein ausgemustertes Rennpferd. Sie lebt mit Mann, Sohn, Hund und Katzen in München.
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Produkt

KlappentextDrei Mittvierziger, eine turbulente Reise durch China und viele unerhörte Überraschungen Alicia und Theo, Didi und Gregor: zwei Ehepaare Mitte vierzig, die miteinander befreundet sind. Als Gregor tödlich verunglückt, gerät das Gespann aus der Balance, denn Gregor, Charmeur und Hallodri, war der geheime Mittelpunkt. Im Andenken an Gregor brechen die drei schließlich -  aus ganz unterschiedlichen Beweggründen -? zu einer Reise nach China auf, wo sie mit einer fremden Kultur konfrontiert werden. Die täglichen Herausforderungen, mal skurril und witzig, mal ernst und von großer Tragweite, bewältigt dabei jeder auf seine Art. Eine Reise, auf der ihre Freundschaft und ihre Beziehung zueinander auf den Prüfstand gestellt wird.

Angelika Jodl unterrichtet Studenten aus aller Welt in Deutsch. Außerdem schreibt sie Geschichten, hält Vorträge zur deutschen Sprache und reitet ein ausgemustertes Rennpferd. Sie lebt mit Mann, Sohn, Hund und Katzen in München.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423432887
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum01.07.2018
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse936
Artikel-Nr.2532162
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
ALICIA


SCHON KAMEN DIE BLAUEN FLIESEN der nächsten Haltestelle in Sicht, auf den Schienen kreischten die Bremsen, in drei Wellen brachte der Fahrer die U-Bahn zum Stehen. Bei jedem Schub taumelten die Fahrgäste nach vorne, dann zurück. Alicia ließ ihre Tasche fallen und versuchte, die bereits von etlichen Händen umklammerte Metallsäule zu fassen. Die Türen öffneten sich keuchend, und sofort brach Hektik los, Füße stolperten über Füße, Ellbogen brachen sich ihren Weg, ein Hut wurde um dreißig Grad gedreht.

Nur das Liebespaar neben Alicia behielt seine Position bei. Elastisch fing der Mann alle Bewegungen mit seinem Körper ab, er war nicht groß, er wiegte sich und die Frau, die er in seinen Armen hielt, während er sie küsste. Sie löste sich von ihm, legte den Kopf zurück, einen Moment lang sah Alicia ihr Gesicht: hell, schön, lilienhaft. Und so jung. Ein Kätzchen.

Immer noch bahnten sich einzelne Passagiere ihren Weg nach draußen, neue brachen stampfend herein, das Mädchen schob sich an ihnen vorbei zum Ausgang, den Blick weiter sehnsüchtig ins Wageninnere gerichtet. Auf dem Bahnsteig drehte sie sich um. Fauchend schlossen sich die elektrischen Schwingtüren, das Mädchen drückte weiße Zähne auf ihre Unterlippe, übermütig lachten ihre Augen, sie öffnete die Lippen, warf eine Kusshand. Die Bahn fuhr los.

Der Mann stand mit dem Rücken zu Alicia, sie hatte die ganze Zeit nur seine Schultern und den Hinterkopf gesehen und fand, dass er eine unglaubliche Ähnlichkeit mit Gregor hatte - dieser schmale Körper, der dunkle Stoppelschnitt, die feinen Ohren eng an den Schädel geschmiegt.

Der Mann drehte sich um. Es war Gregor.

Die Bahn rollte und holperte.

»Na?«, sagte er, während er nach der Metallstange neben Alicia griff. Seine Handkante berührte ihre, sofort rutschte sie mit ihrer Hand einen Zentimeter nach unten.

»Steigst du auch die Nächste aus?«, fragte er.

Mit einem Ruck zerrte sie sich ihren Jackenärmel vom Handgelenk, um auf die Uhr zu sehen. »Achtzehn Uhr hieß es doch? Didi hat achtzehn Uhr gesagt.«

»Dann bist du ja genauso früh dran wie ich«, sagte er und grinste.

Seine Dreistigkeit war unglaublich.

Sie verließen die U-Bahn, gingen nebeneinander her. Ein Spätnachmittag im März, ein paar Spatzen schrien von den Bäumen, in den Pfützen am Boden spiegelten sich die letzten Wolken.

Das Lokal lag halb verborgen hinter immergrünem Buschwerk. Gregor drückte gegen die schwere Tür, ließ sie zuerst eintreten. Sie stand im Halbdunkel des Eingangsrondells, vor sich den schweren Wollvorhang, der die Eintretenden vom Restaurant trennt. Dieses Mal kam sie ihm zuvor. Bevor Gregor weitere Galanterie beweisen konnte, schlug sie den Vorhang zur Seite und marschierte durch den langen, leeren Raum zu dem Hinterzimmer, wo sie immer zu viert saßen. Ihre Absätze tackerten auf dem Holzboden. Noch konnte sie sich ihren Hass erlauben, Didi und Theo kämen frühestens in fünfzehn Minuten. Zeit genug, um ihn zur Rede zu stellen.

Sie knöpfte sich die Jacke auf, wickelte sich den Schal vom Hals, die ganze Zeit schlug ihr Herz. Sie musste ansprechen, was sie gesehen hatte. Aber wie? Sollte sie Gregor befragen? So im Kommissarsstil? Wer ist dieses Mädchen, wie lang geht das schon, weiß Didi davon? Und dann er: Dasgehtdichnichtsan, dasgehtdichnichtsan. Aber übergehen konnte sie ihre Entdeckung erst recht nicht, das wäre Verrat an Didi. Die Stille im Raum war etwas Hörbares, jedes Geräusch schleppte ein Misstrauen nach sich wie Schritte in der Dunkelheit. Sie zog einen Stuhl herbei. Da saß sie, gegenüber von Gregor, dem Mann, der ihre beste Freundin betrog. Dass er keine Skrupel hatte, war ihr längst klar. Aber ein leibhaftiger Beweis ist noch mal etwas anderes.

Der Kellner kam mit zwei stattlichen Speisekarten. Gregor schlug die seine sofort auf.

»Ist sie nicht ein wenig zu jung für dich?«, fragte Alicia.

Gregor sah kurz hoch, dann wieder in seine Karte. »Da schau her: Die haben was Neues hier. Ente Orange â¦« Er schnalzte leise mit der Zunge.

»Hey!«, sagte sie scharf. Sie konnte nicht glauben, wie er das Ganze auch noch genoss.

»Ja?«, fragte Gregor höflich. Seine Lippen öffneten sich zu einem Lächeln, der freche Spalt zwischen den Schneidezähnen wurde sichtbar. »Du findest das jetzt also skandalös, mein Bürzelchen?«

»Jessas, wie soll ich es denn finden deiner Meinung nach? Zum Totlachen?«

»Was meinst du, ob wir zwei uns schon mal einen kleinen Prosecco genehmigen? Oder soll ich gleich richtigen Schampus bestellen? Ist vielleicht besser, ich kenn doch meine Frau - die trinkt mir nichts außer Champagner.« Gregor blätterte in der Karte, anmutig bewegten sich seine von türkisen Adern überzogenen schmalen Hände. Aristokratenhände. Theo hatte mal bemerkt, dass Gregor Aristokratenhände habe. Zu einer Zeit, als sie gerade angefangen hatte, Gregor zu hassen. Bitte sehr, hatte sie geantwortet, dann wäre Gregor eben Aristokrat, von ihr aus könnte er gern auch noch Bluter sein.

»Ich möchte wissen, ob das was zu bedeuten hat, ob du und Didi â¦«

»Bürzelchen, du glaubst, dass irgendwas auf dieser Welt eine Bedeutung hat?«

»Und du glaubst im Ernst, du kannst dich so einfach aus der Atmosphäre ziehen?!«, rief sie und brach ab unter Gregors Blick, der sich zu reinem Spott gewandelt hatte. So hatte er immer dreingesehen, wenn ihr das mit den Wörtern passierte.

Sie biss sich auf die Lippen. »Weiß Didi davon?«

Er senkte die Lider, tat gelangweilt.

»Weiß Didi davon? Hast du es ihr gesagt?«

»Herrgott, kannst du lästig sein! Natürlich nicht.«

»Haben die Herrschaften gewählt?« Der Kellner war an ihren Tisch getreten.

»Sekündchen«, sagte Gregor, »Champagner bitte, eine Flasche von dem da. Zum Essen â¦«, er blätterte zurück, »die Ente, Ente Orange â¦ oder warten Sie mal, haben Sie eigentlich auch Ente Alicia?«

»Wie meinen?«

»Na, eine Ente eben. Klein, nicht viel dran, quakt die ganze Zeit.«

Der Kellner lächelte verständnisvoll, er war schwierige Kundschaft gewohnt.

»In Ordnung«, sagte Gregor geschmeidig, »ich nehme die Ente Orange.«

»Die Dame?«

Alicia schüttelte den Kopf, der Kellner schritt davon.

»Nun sei nicht gleich böse, ich bin ein hart arbeitender Mann â¦«

»Du bist ein â¦« Das Wort fiel ihr nicht ein. Wie nannte man diese Menschen, die immer andere für sich zahlen ließen? Aber traf das überhaupt zu auf ihn? Sie spürte, dass sie zu schwitzen begann.

»So in Rage bist du ganz bezaubernd, Bürzelchen!«

»Halt die Klappe! Und nenn mich nicht so!«

»Wie? Bürzelchen?« Mit gespielter Betroffenheit verzog er sein Gesicht. »Aber das sage ich doch nur, weil du so einen herrlichen Pürzel hast. Ich bin ein großer Bewunderer von deinem Pürzel, wusstest du das nicht?«

Nassauer! Jetzt fiel ihr das Wort ein. Aber es war zu spät, und es passte auch nicht wirklich. Gregor zahlte gerne für alle im Lokal. Vielleicht nicht immer von seinem Geld. Wütend starrte sie ihn an.

»Am besten, du schimpfst mich jetzt einfach ein bisschen«, erklärte Gregor mit samtener Stimme. »Schimpfen ist großartig. Laut Statistik sind Leute, die schimpfen, sogar intelligenter als die anderen.«

»Tut mir leid, ich schimpfe nur Leute mit Charakter.«

»Na also, geht doch.« Er zupfte an seinem Bärtchen, er war amüsiert.

»Leck mich!« Alicia presste die Füße auf den Boden, um aufzustehen. Eben da nahm sie hinter sich einen leichten Luftzug wahr, sie wusste, wer zur Tür hereinkam und sank auf ihren Sitz zurück.

»Hallo, Süße!«, sagte Didi und streifte mit den Lippen ihre Wange. »Wartet ihr schon lange?« Unaufhörlich lächelnd ging sie um den Tisch, eine große Frau mit glänzendem Pagenhaar und dunklen Augen. Tiziana Serowy, seit ihren Kindertagen Didi gerufen, Alicias beste Freundin. Sie bückte sich herab zu Gregor und hauchte auch ihm einen Kuss auf die Wange, dann setzte sie sich. Neben Gregor, ihren Mann.

»Wie war s?«, fragte der sie.

»Ganz okay. Morgen fliegt sie mit Tante Sue nach Mexiko«, - sie unterbrach sich und sprach weiter zu Alicia: »Meine Mutter. Schöne Grüße soll ich dir sagen.« Wenn sie den Kopf bewegte, schwang ihr schwarzes Haar und verbreitete einen leisen Zitrusduft.

»Danke«, sagte Alicia, bemüht, das Klopfen in ihren Schläfen irgendwie zur Ruhe zu bringen.

Der Kellner erschien mit einer Flasche und zwei Gläsern auf seinem Tablett, als er Didi sah, machte er an der Tür wieder kehrt und stieß dort beinahe mit einem langen Mann zusammen, der mit verwehtem, braun-weißem Haar, Parka und Rucksack hereinstürmte.

Theo klopfte dem Mann auf den Rücken, »Hoppla«, sagte er, » tschuldigung!« Die Geste war typisch für Theo. Menschen wie Kellner oder Friseure lösten in ihm sofort den Impuls aus, ihnen die Hand zu geben und sich nach ihrem Befinden zu erkunden. Als er und Alicia einmal drei Tage lang Heizungsmonteure im Haus gehabt hatten, war Theo täglich zur Metzgerei gelaufen, um die Männer mit warmem Braten und Salat zu versorgen.

Er stellte seinen Rucksack auf den Boden neben Alicia, lächelte sie an - »Na, Kleine?« -, schlüpfte aus seinem Parka und setzte sich neben sie. »Tut mir leid«, entschuldigte er sich noch einmal, diesmal zur Tischrunde. »Verzwickter Fall heute, schwangere Abiturientin, aber sie schafft es.«

»Der Robin Hood der Gymnasiastinnen«, sagte Gregor grinsend,...

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