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Schläft ein Lied in allen Dingen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
376 Seiten
Deutsch
Alexander Verlag Berlinerschienen am01.12.20132., Zweite Auflage
Dominik Graf schreibt über Filmklassiker und -entdeckungen aus Osteuropa, England, Frankreich, Italien, Amerika und Deutschland, über Filmkarrieren und Musik im Film. Seine Auseinandersetzung reicht von populären Fernsehserien und B-Movies über Friedrich Wilhelm Murnau, Max Ophüls, Robert Aldrich, Rainer Werner Fassbinder, Roberto Rossellini bis Jean-Luc Godard, Steven Spielberg und Robert Altman.

Dominik Graf, geb. 1952 in München, 1974-1979 Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München. Für seine Arbeit als Drehbuchautor und Filmregisseur (u. a. 'Die Katze' 1987, 'Die Sieger' 1994, 'München - Geheimnisse einer Stadt' 2000, 'Der Felsen' 2002, 'Hotte im Paradies' 2002, 'Der Rote Kakadu' 2005, 'Deutschland 09' 2009) wurde er u. a. mit dem Deutschen Fernsehpreis und insgesamt siebenmal mit dem Adolf-Grimme-Preis prämiert. Seine mehrteilige Serie 'Im Angesicht des Verbrechens' wurde 2010 auf der Berlinale in der Sektion Forum vorgestellt.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextDominik Graf schreibt über Filmklassiker und -entdeckungen aus Osteuropa, England, Frankreich, Italien, Amerika und Deutschland, über Filmkarrieren und Musik im Film. Seine Auseinandersetzung reicht von populären Fernsehserien und B-Movies über Friedrich Wilhelm Murnau, Max Ophüls, Robert Aldrich, Rainer Werner Fassbinder, Roberto Rossellini bis Jean-Luc Godard, Steven Spielberg und Robert Altman.

Dominik Graf, geb. 1952 in München, 1974-1979 Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München. Für seine Arbeit als Drehbuchautor und Filmregisseur (u. a. 'Die Katze' 1987, 'Die Sieger' 1994, 'München - Geheimnisse einer Stadt' 2000, 'Der Felsen' 2002, 'Hotte im Paradies' 2002, 'Der Rote Kakadu' 2005, 'Deutschland 09' 2009) wurde er u. a. mit dem Deutschen Fernsehpreis und insgesamt siebenmal mit dem Adolf-Grimme-Preis prämiert. Seine mehrteilige Serie 'Im Angesicht des Verbrechens' wurde 2010 auf der Berlinale in der Sektion Forum vorgestellt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783895813351
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum01.12.2013
Auflage2., Zweite Auflage
Seiten376 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2336 Kbytes
Artikel-Nr.5759308
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Dominik Graf schreibt über Filmklassiker und -entdeckungen aus Osteuropa, England, Frankreich, Italien, Amerika und Deutschland, über Filmkarrieren und Musik im Film. Seine Auseinandersetzung reicht von populären Fernsehserien und B-Movies über Friedrich Wilhelm Murnau, Max Ophüls, Robert Aldrich, Rainer Werner Fassbinder, Roberto Rossellini bis Jean-Luc Godard, Steven Spielberg und Robert Altman.mehr
Leseprobe



Stromschnellen im Fluß der Begeisterung

1654 erschien der erste Band des zehnbändigen Romans Clélie, histoire romaine von Madeleine de Scudéry, für den ein Illustrator namens François Chauveau die allegorische Karte eines fiktiven Landes gezeichnet hat, die sogenannte »Carte de tendre«, in der er ein Reich der Liebe entwirft, wo die Leidenschaft gebändigt und im Stil des galanten Barocks in einen Gleichklang der Seelen überführt wird. Eine Art zärtlicher Geographie wird darin erfunden, in der ein Fluß namens Neigung von einem Städtchen namens Neue Freundschaft in Richtung des gefährlichen Meeres der Leidenschaften fließt und dabei Orte wie Indiskretion oder Perfidie links liegen läßt, während Vernachlässigung und Vergessen rechts angesiedelt sind. In Westen liegt das Meer der Feindseligkeit, im Osten der See der Gleichgültigkeit, aber nordwärts befinden sich Respekt, Güte und Zärtlichkeit.

So muß man sich diese Textsammlung von Dominik Graf vorstellen: Sie entwirft eine zärtliche Geographie des Kinos, eine Landkarte filmischer Zuneigungen, die in der Tat in ein Meer der Leidenschaften münden, dabei aber gerne den Umweg über Vernachlässigung und Vergessen nehmen. Denn diesen Filmen gilt Dominik Grafs besondere Zärtlichkeit. Da entwickelt er geradezu einen Verteidigungsfuror, der fürs Kino nicht nur ein Recht aufs Scheitern einfordert, sondern geradezu eine Pflicht. Als fände es seine wahre Bestimmung nur dort, wo es sich quer zu den herrschenden Vorlieben stellt. Das ist so ungewöhnlich nicht: Auch die Männer von der Nouvelle Vague haben ihr Verständnis vom Kino damit befeuert, daß sie inmitten amerikanischer Dutzendware auf einmal eine Handschrift, einen Stil freilegten. Und auch die Autoren des Neuen Deutschen Kinos haben erst einmal auf jene Filme reagiert, die eigentlich verpönt waren.

Das ist nur ein wenig aus der Mode gekommen, daß man sich querlegt zum mittlerweile allumfassenden Konsens, der in seiner popkulturellen sophistication glaubt, er habe alles, auch das Unmögliche schon mitgedacht. Bei Dominik Graf kann man lernen, daß das keineswegs der Fall ist, daß unsere blinden Flecken größer sind, als wir glauben, gerade und besonders in jenen Bereichen, die wir schon abgehakt glaubten.

Daß Regisseure über Film nachdenken, scheint eine Selbstverständlichkeit - daß sie aber tatsächlich auch darüber schreiben, ist eine Ausnahme. Dabei wäre die französische Nouvelle Vague ohne das Schreiben über Film nicht denkbar gewesen. Godard, Truffaut, Rohmer, Rivette - sie alle haben zum Filmemachen gefunden, nach- und indem sie übers Kino geschrieben haben. Auch die Regisseure des Neuen Deutschen Films haben ihr Schaffen stets mit Texten begleitet, in denen sie ihre Vorbilder reflektierten: Fassbinder über Sirk, Schlöndorff über Melville, Wenders über Western. Die Generation, die dann folgte, wirkte, was das Kino angeht, oft etwas geschichtsvergessen. Es gibt nur wenige deutsche Regisseure der Gegenwart, die sich schriftlich mit ihren Vorlieben auseinandersetzen - allenfalls Petzold und Tykwer -, und eigentlich nur einen, der das so kontinuierlich tut: Dominik Graf. Er hat mit Die Katze das deutsche Kino wieder spannend gemacht, ist mit Die Sieger spektakulär gescheitert und hat dann im Fernsehen die Freiheit gefunden, jene Handschrift zu entfalten, die einen Autor ausmacht. Parallel hat er eigene Arbeiten gespiegelt in seinen filmischen Vorlieben und Vorbildern und hat sich einen Horizont erschrieben, vor dem er die eigenen Arbeiten verstanden wissen will.

Als er einen Text über Robert Aldrich schickte, schrieb er: »Neulich sagte oder schrieb jemand, daß ich mit meinen Artikeln meine eigene Filmographie legitimieren will ⦠Hmmm. Kann sein. What s wrong with that?« Natürlich ist daran nichts Falsches, sondern es ist der Idealfall. Es ist geradezu eine Voraussetzung für Autorenschaft heute, sich der Traditionen bewußt zu werden, in denen man steht oder in die man sich stellen will, sich im Einklang oder in Opposition zu befinden - und nicht das Filmemachen, wie es leider viel zu oft der Fall ist, als voraussetzungslosen Abenteuerspielplatz zu begreifen, in dem man sich nur durch learning by doing fortbewegt.

Wenn einer schreibend zurückblickt wie Graf, dann versucht er natürlich Muster zu erkennen, die sich aufs eigene Schaffen anwenden lassen. Wobei das nächstliegende Muster das Arbeiten im Genre ist, das schon die Nouvelle Vague gepriesen hat und das in gewisser Weise seither den Traum vom Filmemachen geprägt hat, gerade weil es in dieser Konstanz nur im amerikanischen Studiosystem möglich war - und nirgendwo weniger als in der heutigen deutschen Filmlandschaft. Graf hat darauf reagiert - und dreht seither vorwiegend fürs Fernsehen, wo er sich Mal um Mal genau jenen Raum erkämpfen kann, wo jenseits der Verkaufsargumente der Kinobranche eine Freiheit möglich ist, die auf die Zwänge von Formaten angewiesen ist. Daß ein Film wie Das Gelübde keinen Platz mehr im Kino findet, spricht nicht gegen den Film; und daß ein Film wie Eine Stadt wird erpresst mehr über ostdeutsche Gegenwart und Vergangenheit erzählt als das, was man aus dem Kino kennt, spricht nur gegen das Kino. Genre bedeutet ja, wenn man weiß, was man tut, gerade nicht Beschränkung auf Eingefahrenes, sondern die Möglichkeit, den Blick zu öffnen für das, was abseits der ausgetretenen Pfade liegt. Ohnehin interessiert Graf nicht das Abgezirkelte, das Kalkül, das in seiner Pfiffigkeit schon wieder kanonisierte Spiel mit den Vorbildern, wie es etwa Tarantino und seine Spießgesellen betreiben, sondern das Lebendige, das Körperliche, das Unberechenbare, das irgendwann beim Übergang der Siebziger in die Achtziger verloren gegangen ist. Und das findet er eben nicht nur bei jenen, die sich das auf die Fahne geschrieben haben, wie die Nouvelle Vague und das New American Cinema, sondern eher an deren Rändern, also eher bei Eustache und Pialat als bei Godard und Truffaut, eher bei Penn und Ritchie als bei Scorsese und Coppola, und sowieso eher bei den erwachsenen Späßen von George Roy Hill und Robert Aldrich als bei den kindlichen Allmachtsphantasien von Spielberg und Lucas. Dies ist also ein Buch, das darauf beharrt, daß es ein Kino vor und neben dem Weißen Hai und Krieg der Sterne gab, schon deshalb, weil es damals um Männer und Frauen und nicht nur um Jungs und ihre Ängste ging.

Genre ist natürlich eine romantische Idee vom Kino, die es auf jenes Handwerk zurückführt, das die Autorenpolitik scheinbar abgelöst hat, auf das diese aber genauso angewiesen war. Die Arbeit mit den Schauspielern, das Nachdenken über die Mise en scène, die Entwicklung der Stoffe sind eben auch immer ein Handwerk, das von der Routine profitiert, weil nur so persönlicher Ausdruck möglich wird, wenn man sich auf die Arbeit der Regie konzentrieren kann. Routine ist aber genau das, was im deutschen Film kaum möglich und für Graf nur im Fernsehen realisierbar ist. Seine Filme bleiben trotzdem Filme, weil sie eine Handschrift besitzen, die nicht vom Format abhängig ist. Und seine Erkundungen in die Filmgeschichte gehen gerne dorthin, wo Leute versucht haben, dem System, der Routine, den Zwängen, selbst im Scheitern etwas abzuringen, was man Stil nennen kann. Bei der Beschäftigung mit dem deutschen Film mündet das einerseits in radikale Sympathien für Klaus Lemke und Wolfgang Büld, aber auch in die Auseinandersetzung mit der Überfigur Fassbinder, die erstmal auf Normalmaß zurechtgestutzt werden muß. Bei den Engländern sind es Figuren wie

Roeg und Figgis, die immer wieder ihre Erfolge zur Auseinandersetzung mit dem System genutzt haben. Bei den Franzosen ist die Nouvelle Vague stets von der Selbstgefälligkeit bedroht, während der vermeintlich bourgeoise Claude Sautet für Überraschungen gut ist, und bei den Italienern mündet Rossellinis Radikalität in die Selbstzerfleischung durch Giallo und Zombiefilm - unter Umgehung von heiligen Kühen wie Pasolini und Fellini. Man könnte das noch fortführen, wie Graf den unbekannten frühen Andrzej Wajda gegen den kanonisierten späten ausspielt, aber es läuft immer auf dasselbe hinaus: Man wird bei ihm nicht finden, was die Feuilletons als Terrain längst abgesteckt haben, sondern immer eine bohrende Neugier entdecken auf Gegenden, die in Vergessenheit geraten, in Ungnade gefallen, aus dem Blick geraten sind. Und zwar nicht nur aus Trotz. Aber auch aus Trotz. Weil, wenn es etwas gibt, was das Kino heute dringender als je zuvor braucht, dann ist es dieser Trotz. Diese Eigenwilligkeit. Diese Verweigerung. Zoom statt Kranfahrt. Achselhaar statt Stromlinienförmigkeit. Und das Tollste ist, daß diese Vorlieben durch seine Filme gar nicht unbedingt gedeckt sind. Daß dabei die Vorbilder nie kopiert werden, sondern präsent sind als Folie, vor der sich seine Methoden beweisen müssen. Daß jemand Bezug nimmt, ist ein geläufiges Mittel heutzutage, aber daß er sich seinen eigenen Reim darauf macht, ist eine Ausnahme, die man immer nur aus anderen Kinematographien kennt.

Wenn ein Regisseur...

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Autor

Dominik Graf, geb. 1952 in München, 1974-1979 Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München. Für seine Arbeit als Drehbuchautor und Filmregisseur (u. a. »Die Katze« 1987, »Die Sieger« 1994, »München - Geheimnisse einer Stadt« 2000, »Der Felsen« 2002, »Hotte im Paradies« 2002, »Der Rote Kakadu« 2005, »Deutschland 09« 2009) wurde er u. a. mit dem Deutschen Fernsehpreis und insgesamt siebenmal mit dem Adolf-Grimme-Preis prämiert. Seine mehrteilige Serie »Im Angesicht des Verbrechens« wurde 2010 auf der Berlinale in der Sektion Forum vorgestellt.