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Schlumpf Erwin Mord - Wachtmeister Studer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
266 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am11.04.20161. Auflage
Der Mord im Gerzensteiner Wald, wo der Handelsreisende Witschi erschossen aufgefunden worden ist, scheint ein Routinefall zu sein: Der Verdächtige, ein Vorbestrafter, der im übrigen ein Liebesverhältnis mit der Tochter des Ermordeten hat, sitzt bereits in Untersuchungshaft auf dem Schloss Thun. Sein Versuch, sich in der Zelle zu erhängen, wird von Studer, Fahnder der Berner Kantonspolizei, im letzten Moment vereitelt. Was als Schuldbekenntnis ausgelegt werden könnte, wird für Studer zum Ausgangspunkt für seinen Kampf um Schlumpf, von dessen Unschuld er überzeugt ist.

Friedrich Glauser, geboren 1896 in Wien als Sohn einer Österreicherin und eines Schweizers, führte ein rastloses Leben. Unzählige Orte und Stationen säumten seinen Weg, darunter Erziehungsheime, Gefängnisse und psychiatrische Kliniken. Friedrich Glauser lebte in Frankreich, Belgien und Italien, war lange Zeit morphiumsüchtig, verbrachte einige Jahre in der Fremdenlegion und nahm teil an der Dadaismus-Bewegung in Zürich. Er starb 1938 in Nervi bei Genua.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR3,99

Produkt

KlappentextDer Mord im Gerzensteiner Wald, wo der Handelsreisende Witschi erschossen aufgefunden worden ist, scheint ein Routinefall zu sein: Der Verdächtige, ein Vorbestrafter, der im übrigen ein Liebesverhältnis mit der Tochter des Ermordeten hat, sitzt bereits in Untersuchungshaft auf dem Schloss Thun. Sein Versuch, sich in der Zelle zu erhängen, wird von Studer, Fahnder der Berner Kantonspolizei, im letzten Moment vereitelt. Was als Schuldbekenntnis ausgelegt werden könnte, wird für Studer zum Ausgangspunkt für seinen Kampf um Schlumpf, von dessen Unschuld er überzeugt ist.

Friedrich Glauser, geboren 1896 in Wien als Sohn einer Österreicherin und eines Schweizers, führte ein rastloses Leben. Unzählige Orte und Stationen säumten seinen Weg, darunter Erziehungsheime, Gefängnisse und psychiatrische Kliniken. Friedrich Glauser lebte in Frankreich, Belgien und Italien, war lange Zeit morphiumsüchtig, verbrachte einige Jahre in der Fremdenlegion und nahm teil an der Dadaismus-Bewegung in Zürich. Er starb 1938 in Nervi bei Genua.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293303409
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum11.04.2016
Auflage1. Auflage
Seiten266 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2522 Kbytes
Artikel-Nr.3421232
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Der Fall Wendelin Witschi zum Ersten


Ihr seid ...« (Räuspern.) »Ihr seid der Wachtmeister Studer?«

»Ja.«

»Nehmt Platz.«

Der Untersuchungsrichter war klein, mager, gelb. Sein Rock war über den Achseln stark gepolstert und von lilabrauner Farbe. Zu einem weißen, seidenen Hemd trug er eine kornblumenblaue Krawatte. In den dicken Siegelring war ein Wappen eingraviert - der Ring schien übrigens alt.

»Wachtmeister Studer, ich möchte Euch sehr höflich fragen, was Ihr Euch eigentlich vorstellt? Wie kommt Ihr dazu, Euch eigenmächtig - ich wiederhole: eigenmächtig! - in einen Fall einzumischen, der ...«

Der Untersuchungsrichter stockte und wusste selbst nicht, weshalb. Da saß vor ihm ein einfacher Fahnder, ein älterer Mann, an dem nichts Auffälliges war: Hemd mit weichem Kragen, grauer Anzug, der ein wenig aus der Form geraten war, weil der Körper, der darin steckte, dick war. Der Mann hatte ein bleiches, mageres Gesicht, der Schnurrbart bedeckte den Mund, sodass man nicht recht wusste, lächelte der Mann, oder war er ernst. Dieser Fahnder also hockte auf seinem Stuhl, die Schenkel gespreizt, die Unterarme auf den Schenkeln und die Hände gefaltet ...

Der Untersuchungsrichter wusste selbst nicht, warum er plötzlich vom »Ihr« zum »Sie« überging.

»Sie müssen begreifen, Wachtmeister, es scheint mir, als hätten Sie Ihre Kompetenzen überschritten ...« Studer nickte und nickte: natürlich, die Kompetenzen! ... »Was hatten Sie für einen Grund, den Eingelieferten, den ordnungsmäßig eingelieferten Schlumpf Erwin noch einmal zu besuchen? Ich will ja gerne zugeben, dass Ihr Besuch höchst opportun gewesen ist - das will aber noch nicht sagen, dass er sich mit dem Kompetenzbereich der Fahndungspolizei gedeckt hat. Denn, Herr Wachtmeister, Sie sind schon lange genug im Dienste, um zu wissen, dass ein fruchtbares Zusammenarbeiten der diversen Instanzen nur dann möglich ist, wenn jede darauf sieht, dass sie sich streng in den Grenzen ihres Kompetenzbereiches hält ...«

Nicht einmal, nein, dreimal das Wort Kompetenz ... Studer war im Bild. Das trifft sich günstig, dachte er, das sind die Bösesten nicht, die immer mit der Kompetenz aufrücken. Man muss nur freundlich zu ihnen sein und sie recht ernst nehmen, dann fressen sie einem aus der Hand ...

»Natürlich, Herr Untersuchungsrichter«, sagte Studer, und seine Stimme drückte Sanftmut und Respekt aus, »ich bin mir bewusst, dass ich wahr- und wahrhaftig meine Kompetenzen überschritten habe. Sie stellten ganz richtig fest, dass ich es bei der Einlieferung des Häftlings Schlumpf Erwin hätte bewenden lassen sollen. Und dann - ja, Herr Untersuchungsrichter, der Mensch ist schwach -, dann dachte ich, dass der Fall vielleicht doch nicht so klar liege, wie ich es anfangs angenommen hatte. Es könnte möglich sein, dachte ich, dass eine weitere Untersuchung des Falles sich als nötig erweisen würde und dass ich vielleicht mit deren Verfolgung betraut werden könnte, und da wollte ich im Bilde sein ...«

Der Untersuchungsrichter war sichtlich schon versöhnt.

»Aber Wachtmeister«, sagte er, »der Fall ist doch ganz klar. Und schließlich, wenn dieser Schlumpf sich auch erhängt hätte, das Malheur wäre nicht groß gewesen - ich wäre eine unangenehme Sache losgeworden, und der Staat hätte keine Gerichtskosten zu tragen brauchen ...«

»Gewiss, Herr Untersuchungsrichter. Aber wäre mit dem Tode des Schlumpf wirklich der ganze Fall erledigt gewesen? Denn dass der Schlumpf unschuldig ist, werden auch Sie bald herausfinden.«

Eigentlich war eine derartige Behauptung eine Frechheit. Aber so ehrerbietig war Studers Stimme, so zwingend heischte sie Bejahung, dass dem Herrn mit dem wappengeschmückten Siegelring nichts anderes übrig blieb, als zustimmend zu nicken.

Mit braunem Holz waren die Wände getäfelt, und da die Läden vor den Fenstern geschlossen waren, schimmerte die Luft wie dunkles Gold.

»Die Akten des Falles«, sagte der Untersuchungsrichter ein wenig unsicher. »Die Akten des Falles ... Ich habe noch nicht Zeit gehabt, mich mit ihnen zu beschäftigen ... Warten Sie ...«

Rechts von ihm waren fünf Aktenbündel übereinander geschichtet. Er nahm sie nacheinander in die Hände. Endlich, das unterste, das dünnste war das richtige. Auf dem blauen Kartondeckel stand:

SCHLUMPF ERWIN

MORD

»Leider«, sagte Studer und machte ein unschuldiges Gesicht. »Leider hat man in letzter Zeit ziemlich viel von mangelhaft geführten Untersuchungen gehört. Und da wäre es vielleicht besser, wenn man sich auch bei einem so klaren Fall mit den notwendigen Kautelen umgeben würde ...«

Innerlich grinste er: Kommst du mir mit Kompetenz, komm ich dir mit Kautelen.

Der Untersuchungsrichter nickte. Er hatte eine Hornbrille aus einem Futteral gezogen, sie auf die Nase gesetzt. Jetzt sah er aus wie ein trauriger Filmkomiker.

»Gewiss, gewiss, Wachtmeister. Sie müssen nur bedenken, es ist meine erste schwere Untersuchung, und da wird mir natürlich Ihre Kompetenz in diesen Angelegenheiten ...«

Weiter kam er nicht. Studer hob abwehrend die Hand.

Aber der Untersuchungsrichter beachtete die Bewegung nicht. Er hatte zwei Fotografien in der Hand und reichte sie über den Tisch: »Aufnahmen des Tatortes ...«, sagte er.

Studer betrachtete die Bilder. Sie waren nicht schlecht, obwohl sie von keinem kriminologisch geschulten Fachmann aufgenommen worden waren. Auf beiden sah man das Unterholz eines Tannenwaldes, und auf dem Boden, der mit dürren Nadeln übersät war - die Bilder waren sehr scharf -, lag eine dunkle Gestalt auf dem Bauch. Rechts am kahlen Hinterkopf, schätzungsweise drei Fingerbreit von der Ohrmuschel, gerade über einem dünnen Haarkranz, der zum Teil den Rockkragen bedeckte, war ein dunkles Loch zu sehen. Es sah ziemlich abstoßend aus. Aber Studer war an solche Bilder gewöhnt. Er fragte nur: »Taschen leer?«

»Warten Sie, ich habe hier den Rapport vom Landjägerkorporal Murmann ...«

»Ah«, unterbrach Studer, »der Murmann ist in Gerzenstein. So, so!«

»Kennen Sie ihn?«

»Doch, doch, ein Kollege. Hab ihn aber schon viele Jahre nicht gesehen. Was schreibt der Murmann?«

Der Untersuchungsrichter drehte das Blatt um, dann murmelte er halbe Sätze vor sich hin. Studer verstand: »... männliche Leiche, auf dem Bauche liegend ... Einschuss hinter dem rechten Ohr ... Kugel im Kopf stecken geblieben ... wahrscheinlich aus einem 6,5-Browning ...«

»In Waffen kennt er sich aus, der Murmann!«, bemerkte Studer.

»... Taschen leer ...«, sagte der Untersuchungsrichter.

»Was?«, ganz scharf die Frage. »Haben Sie zufällig eine Lupe?« Alle Höflichkeit war aus Studers Stimme verschwunden.

»Eine Lupe? Ja. Warten Sie. Hier ...«

Ein paar Augenblicke war es still. Durch einen Spalt der Fensterläden fiel ein Sonnenstrahl gerade auf Studers Haar. Schweigend betrachtete der Untersuchungsrichter den Mann, der da vor ihm hockte, den breiten, runden Rücken und die grauen Haare, die glänzten wie das Fell eines Apfelschimmels.

»Das ist lustig«, sagte Wachtmeister Studer mit leiser Stimme. (Was, zum Teufel, ist an der Fotografie eines Ermordeten lustig!, dachte der Untersuchungsrichter.) »Der Rock ist ja ganz sauber auf dem Rücken ...«

»Sauber auf dem Rücken? Ja, und?«

»Und die Taschen sind leer«, sagte Studer kurz, als sei damit alles erklärt.

»Ich versteh nicht ...« Der Untersuchungsrichter nahm die Brille ab und putzte die Gläser mit seinem Taschentuch.

»Wenn ...«, sagte Studer und tippte mit der Lupe auf die Aufnahme. »Wenn Sie sich vorstellen, dass der Mann hier im Walde meuchlings überfallen worden ist, dass ihn einer von hinten niedergeschossen hat, so geht aus der Lage der Leiche hervor, dass der Mann vornüber aufs Gesicht gefallen ist. Nicht wahr? Er liegt also auf dem Bauch, rührt sich nicht mehr. Aber seine Taschen sind leer. Wann hat man die Taschen geleert?«

»Der Angreifer hätte den Witschi zwingen können, die Brieftasche auszuliefern ...«

»Nicht sehr wahrscheinlich ... Was sagt das Sektionsprotokoll, wann der Tod mutmaßlich eingetreten ist?«

Der Untersuchungsrichter blätterte in den Akten, eifrig wie ein Schüler, der gerne vom Lehrer eine gute Note bekommen möchte. Merkwürdig, wie schnell die Rollen sich vertauscht hatten. Studer hockte immer noch auf dem unbequemen Stuhl, der sicherlich sonst für die vorgeführten Häftlinge bestimmt war, und doch sah es so aus, als ob er die ganze Angelegenheit in die Hand genommen hätte ...

»Das Sektionsprotokoll«, sagte der Untersuchungsrichter jetzt, räusperte sich trocken, rückte an seiner Brille und las: »Zertrümmerung des Occipitalknochens ... Mesencephalum ... stecken geblieben in der Gegend des linken ... Aber das wollen Sie ja alles nicht wissen ... Hier ... Tod approximativ zehn Stunden vor Auffindung der Leiche eingetreten ... Das wollten Sie wissen, Wachtmeister? Aufgefunden ist die Leiche zwischen halb acht und Viertel vor acht Uhr morgens von Jean Cottereau, Obergärtner in der Baumschule Ellenberger ... Der...


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Autor

Friedrich Glauser, geboren 1896 in Wien als Sohn einer Österreicherin und eines Schweizers, führte ein rastloses Leben. Unzählige Orte und Stationen säumten seinen Weg, darunter Erziehungsheime, Gefängnisse und psychiatrische Kliniken. Friedrich Glauser lebte in Frankreich, Belgien und Italien, war lange Zeit morphiumsüchtig, verbrachte einige Jahre in der Fremdenlegion und nahm teil an der Dadaismus-Bewegung in Zürich. Er starb 1938 in Nervi bei Genua.
Weitere Artikel von
Obschlager, Walter
Hrsg.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt