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Der letzte Sommer in der Stadt

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Zsolnay-Verlagerschienen am24.01.20221. Auflage
Die Wiederentdeckung aus Italien: eine melancholische Liebesgeschichte im Rom der siebziger Jahre im Stil von Fellinis 'La Dolce Vita'
Rom, Anfang der siebziger Jahre: Der junge Leo Gazzarra kommt aus Mailand in die Ewige Stadt, die ihm alles zu bieten scheint. Ein befreundetes Paar überlässt ihm seine Wohnung und verkauft ihm einen alten Alfa Romeo, ein anderer Freund verschafft ihm einen Job beim 'Corriere dello Sport'. Mühelos fast findet er Anschluss, frequentiert die angesagten Bars und begegnet eines Abends der so exzentrischen wie umwerfenden Arianna, die sein Leben umkrempelt.
Gianfranco Calligarich hat mit 'Der letzte Sommer in der Stadt' einen Roman voller Wunder geschrieben, einen Roman, der auf jeder Seite Fellinis 'La Dolce Vita' und Paolo Sorrentinos 'La Grande Bellezza' heraufbeschwört und durch seine schwindelerregende Unrast fasziniert.

Gianfranco Calligarich, geboren 1947 in Asmara, Eritrea, stammt aus einer Triestiner Familie. Er wuchs in Mailand auf, bevor er nach Rom zog, wo er als Journalist und Drehbuchautor arbeitet. 1994 gründete er das Teatro XX Secolo. 2022 erschien bei Zsolnay sein weltweit übersetzter Roman Der letzte Sommer in der Stadt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextDie Wiederentdeckung aus Italien: eine melancholische Liebesgeschichte im Rom der siebziger Jahre im Stil von Fellinis 'La Dolce Vita'
Rom, Anfang der siebziger Jahre: Der junge Leo Gazzarra kommt aus Mailand in die Ewige Stadt, die ihm alles zu bieten scheint. Ein befreundetes Paar überlässt ihm seine Wohnung und verkauft ihm einen alten Alfa Romeo, ein anderer Freund verschafft ihm einen Job beim 'Corriere dello Sport'. Mühelos fast findet er Anschluss, frequentiert die angesagten Bars und begegnet eines Abends der so exzentrischen wie umwerfenden Arianna, die sein Leben umkrempelt.
Gianfranco Calligarich hat mit 'Der letzte Sommer in der Stadt' einen Roman voller Wunder geschrieben, einen Roman, der auf jeder Seite Fellinis 'La Dolce Vita' und Paolo Sorrentinos 'La Grande Bellezza' heraufbeschwört und durch seine schwindelerregende Unrast fasziniert.

Gianfranco Calligarich, geboren 1947 in Asmara, Eritrea, stammt aus einer Triestiner Familie. Er wuchs in Mailand auf, bevor er nach Rom zog, wo er als Journalist und Drehbuchautor arbeitet. 1994 gründete er das Teatro XX Secolo. 2022 erschien bei Zsolnay sein weltweit übersetzter Roman Der letzte Sommer in der Stadt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783552072961
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum24.01.2022
Auflage1. Auflage
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2532 Kbytes
Artikel-Nr.8542484
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1


Übrigens läuft das immer so. Da tut einer alles, um sich rauszuhalten, und dann findet er sich eines schönen Tages, ohne zu wissen, wie, in einer Geschichte wieder, die ihn schnurstracks ans Ende bringt.

Was mich betrifft, hätte ich gern darauf verzichtet, ins Rennen zu gehen. Ich hatte alle möglichen Leute kennengelernt, Leute, die es weit gebracht hatten, und Leute, die es noch nicht mal geschafft hatten, überhaupt loszugehen, doch alle hatten früher oder später das gleiche, unzufriedene Gesicht, woraus ich geschlossen hatte, dass man dem Leben besser bloß zusah, allerdings hatte ich nicht mit dieser verdammten Ebbe im Portemonnaie an einem Regentag letztes Jahr zum Frühlingsanfang gerechnet. Alles andere kam, wie so was eben kommt, von allein. Damit das gleich klar ist, ich bin auf niemanden sauer, ich hatte meine Karten, und ich habe sie gespielt. So viel dazu.

Die Bucht hier ist übrigens grandios. Sie wird von einer Sarazenenfestung auf einer felsigen Landspitze beherrscht, die sich etwa hundert Meter ins Meer hineinzieht. Wenn ich zur Küste sehe, kann ich zwischen dem Grün der niedrigen Mittelmeervegetation die gleißende Umrandung des Strandes erkennen. Weiter hinten durchlöchert eine zu dieser Jahreszeit verlassene, dreispurige Schnellstraße mit ihren Tunneln eine in der Sonne schimmernde, felsige Bergkette. Der Himmel ist blau, das Meer sauber.

Ich hätte es nicht besser treffen können, was das angeht.

Ich habe das Meer immer geliebt. In meiner Neigung, über Strände zu wachen, der ich schon als Junge folgte, steckte wohl noch etwas von dem Impuls, der meinen Großvater dazu getrieben hatte, seine Jugend auf den Handelsschiffen des Mittelmeers zu verbringen, bevor er in Mailand strandete, dieser düsteren Stadt, und ein Haus mit Kindern vollstopfte. Ich habe diesen Großvater gekannt. Er war ein alter Slawe mit grauen Augen, der im Kreis zahlreicher Urenkel starb. Das Letzte, was er herausbrachte, war die Bitte um etwas Meerwasser, daher trug mein Vater als sein ältester Sohn einer meiner Schwestern auf, sich um sein Philateliegeschäft zu kümmern, und fuhr mit dem Auto los nach Genua. Ich fuhr mit. Ich war vierzehn, und ich weiß noch, dass wir die ganze Fahrt über kein Wort sprachen. Mein Vater redete nie viel, und da ich ihm schon Ärger mit der Schule machte, lag mir viel daran, den Mund zu halten. Es war die kürzeste meiner Reisen ans Meer, gerade lang genug, um eine Flasche zu füllen, und es war auch die sinnloseste, denn als wir zurückkamen, war mein Großvater so gut wie bewusstlos. Mein Vater wusch ihm das Gesicht mit dem Wasser aus der Flasche, doch ohne dass mein Großvater sich besonders darüber zu freuen schien.

Einige Jahre später war die Nähe zum Meer einer der Gründe, weshalb es mich nach Rom zog. Nach meinem Wehrdienst stand ich vor der Frage, was ich aus meinem Leben machen sollte, aber je mehr ich mich umsah, desto weniger konnte ich mich entscheiden. Meine Freunde hatten sehr konkrete Vorstellungen - einen Abschluss machen, heiraten und Geld scheffeln -, aber diese Aussicht fand ich schrecklich. Es waren die Jahre, in denen Geld in Mailand noch mehr zählte als sonst, die Jahre der Sorte von landesweiten Tricksereien, die auch als Wirtschaftswunder bekannt ist, und zufällig profitierte auch ich irgendwie davon. Das war, als eine medizinisch-literarische Zeitschrift, für die ich ab und zu einen fundierten, schlecht bezahlten Artikel schrieb, sich in der Lage sah, ein Büro in Rom zu eröffnen, und mich als Korrespondenten einstellte.

Während meine Mutter mit jedem nur möglichen Argument versuchte, mein Weggehen zu verhindern, sagte mein Vater nichts. Er hatte meinen Versuchen, mich in die Gesellschaft einzugliedern, stillschweigend zugesehen und sie mit den Erfolgen meiner älteren Schwestern verglichen, die in jungen Jahren Angestellte geheiratet hatten, tüchtige Kerle übrigens, und ich hatte, wie schon auf der Fahrt zum Wasser meines Großvaters, die Gelegenheit genutzt, um meinerseits zu schweigen. Wir redeten nie, er und ich. Ich weiß nicht, wer schuld daran war, ich weiß nicht mal, ob man überhaupt von Schuld sprechen kann, doch ich hatte immer das Gefühl, dass ich ihn irgendwie verletzt hätte, wenn ich ein direktes Gespräch mit ihm angefangen hätte. Der Krieg, der zweite, hatte ihn weit weggeschickt, ohne ihm auch nur eines der wohlbekannten Details zu ersparen, und niemand, dem so was zustößt, kann als derselbe heimkehren, der er vorher war. Trotz seiner stolzen Schweigsamkeit wirkte mein Vater immer so, als wollte er etwas vergessen machen, vielleicht, dass er als Wrack nach Hause gekommen war und uns mitansehen ließ, wie sein großer Körper sich unter den Stromstößen von Elektroschocks wand. In gewisser Weise war das auch so, und als junger Bursche verzieh ich ihm weder seinen unheroischen Beruf noch seine Ordnungsliebe, noch seine übertriebene Achtung vor den Dingen, ohne dass ich etwa begriffen hätte, welche entsetzliche Verheerung er erlebt haben musste, um sich noch am Tag seiner Rückkehr aus dem Krieg daranzumachen, mit grenzenloser Geduld einen alten Küchenstuhl zu reparieren. Und doch bewahrt er noch heute, nach fast dreißig Jahren, etwas von dem Soldaten in sich, die Geduld, die Tendenz, seine Stirn erhoben zu halten, die Angewohnheit, keine Fragen zu stellen, und noch heute lässt mich nichts - und wenn er mir nur das gegeben hätte - die Unerschrockenheit vergessen, die ich als Kind gespürt hatte, wenn ich neben ihm ging. Denn noch heute kann mich der Gang meines Vaters mehr als alles andere geradewegs in die Kindheit zurückversetzen, noch heute kann ich, sogar in der grünen Weite, die mich jetzt umgibt, wunderbar an seine Seite zurückkehren, wenn ich an seinen kräftigen, weichen und gegen Müdigkeit offenbar gefeiten Schritt zurückdenke, den Schritt der langen Verlegungsmärsche, den Schritt, der ihn sogar irgendwie zurück nach Hause hatte bringen können.

Ich fuhr also nach Rom, und eigentlich wäre alles glattgegangen, wenn mein Vater nicht mit einem absolut unerwarteten Verzicht auf seinen Stolz den Wunsch gehabt hätte, mich zum Bahnhof zu bringen und bis zur Abfahrt des Zuges am Gleis zu warten. Es war ein langes, unerträgliches Warten. Sein großes Gesicht glühte von der Anstrengung, die Tränen zurückzuhalten. Wir sahen uns schweigend an, wie immer, doch mir war klar, dass wir uns gerade Lebewohl sagten, und alles, was ich tun konnte, war, zu beten, dass der Zug losfuhr und diesem herzzerreißenden Blick, den ich noch nie bei ihm gesehen hatte, ein Ende machte. Er stand reglos auf dem Bahnsteig, zum ersten Mal kleiner als ich, sodass ich bemerkte, wie dünn das Haar auf seinem Kopf geworden war, den er immer wieder umwandte, um einen raschen Blick auf das Signal am Gleisende zu werfen. Er stand mit seinem großen Körper starr und breitbeinig da, als bereitete er sich darauf vor, einen Schlag abzufangen, die Hände wie Gewichte in den Manteltaschen, mit feuchten Augen und rotem Gesicht. Und während mir endlich klar wurde, dass es durchaus etwas bedeutete, der einzige Sohn zu sein, während ich den Mund öffnen und ihm zuschreien wollte, dass ich aussteigen und zu ihm kommen wolle und wir schon einen Weg finden würden, unsere Leben in Ordnung zu bringen, ohne sie zu zerstören, gab es einen kleinen Ruck, und der Zug setzte sich in Bewegung. So wurde ich, wiederum schweigend, von ihm fortgerissen. Ich sah, wie sein großer Körper zusammenzuckte, als der Zug anfuhr. Dann sah ich ihn kleiner werden, während ich mich entfernte. Er rührte sich nicht, winkte nicht. Dann verschwand er vollends.

Meine seriöse Phase währte nicht lange. Ich wurde nach einem Jahr entlassen, ein Zeitraum, der, offen gestanden, noch kürzer hätte ausfallen dürfen. Der kleine Passivposten der römischen Redaktion wurde als letzter abgeschafft, bevor die Zeitschrift zusammen mit dem Wunder, das ihr Sprießen ermöglicht hatte, ihre Pforten schloss. Das Büro, in dem ich arbeitete - es ging darum, der Zeitschrift ein bisschen Werbung zu verschaffen und von Zeit zu Zeit einen Artikel zu schreiben, der dem unerklärlichen Sinn der Ärzte für Literatur schmeichelte -, war mit Möbeln ausgestattet, die mit rotem Damast bezogen waren, und lag in einer Villa aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gleich hinter der Tibermauer.

Ihr Eigentümer war Graf Giovanni Rubino di Sant´Elia, ein vornehmer Herr um die fünfzig mit einer zwanglosen, leicht affektierten Art. Nachdem er...

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Autor

Gianfranco Calligarich, geboren 1947 in Asmara, Eritrea, stammt aus einer Triestiner Familie. Er wuchs in Mailand auf, bevor er nach Rom zog, wo er als Journalist und Drehbuchautor arbeitet. 1994 gründete er das Teatro XX Secolo. 2022 erschien bei Zsolnay sein weltweit übersetzter Roman Der letzte Sommer in der Stadt.