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Überfluss

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Elster Verlagerschienen am23.01.20231. Auflage
Zärtlich, zornig und wahrhaftig - die dramatische Geschichte eines jungen Vaters, der mit seinem Sohn in einem Truck lebt und um ein besseres Leben kämpft. Jedes Kapitel ist mit dem Geldbetrag u?berschrieben, der den beiden zum Leben bleibt. Henry und sein Sohn Junior wurden aus ihrem Trailer vertrieben und leben nun in Henrys Pick-up. Nur ein paar Dollar trennen die beiden noch von einem Leben auf der Straße. Doch es scheint Hoffnung auf: Heute ist Juniors achter Geburtstag, und Henry hat morgen ein Vorstellungsgespräch. Zur Feier des Tages essen sie bei McDonald's und verbringen die Nacht in einem richtigen Bett im Motel. Während Junior fernsieht und Henry in der Badewanne fu?r sein Vorstellungsgespräch u?bt, scheint einen Moment lang alles in Ordnung. Als aber Henry auf dem Parkplatz in eine fatale Auseinandersetzung gerät und Junior an Fieber erkrankt, werden Vater und Sohn in die Nacht hinausgetrieben, wo sie darum ringen, ihr Leben und ihre Wu?rde zusammenzuhalten. Überfluss wurde in den USA fu?r seinen schonungslosen Realismus und seine psychologische Raffinesse gefeiert. Jakob Guanzon fu?hrt uns ins Niemandsland der endlosen Parkplätze zwischen Walmart und Trailerpark, Überfluss und Mangel. In Ru?ckblenden erleben wir Henrys Familie vor der Zwangsräumung - eine ru?hrende Liebesgeschichte und eine leidenschaftliche Abrechnung mit den zerstörerischen Auswu?chsen des westlichen Kapitalismus.

Jakob Guanzon wurde in New York geboren und wuchs in Minnesota auf. Er studierte Soziologie an der Hamline University, absolvierte einen Master of Fine Arts an der Columbia University und lebt als Autor in New York City. Sein Debu?troman Überfluss wurde nominiert fu?r den National Book Award for Fiction und fu?r den Aspen Words Literary Prize.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR15,99

Produkt

KlappentextZärtlich, zornig und wahrhaftig - die dramatische Geschichte eines jungen Vaters, der mit seinem Sohn in einem Truck lebt und um ein besseres Leben kämpft. Jedes Kapitel ist mit dem Geldbetrag u?berschrieben, der den beiden zum Leben bleibt. Henry und sein Sohn Junior wurden aus ihrem Trailer vertrieben und leben nun in Henrys Pick-up. Nur ein paar Dollar trennen die beiden noch von einem Leben auf der Straße. Doch es scheint Hoffnung auf: Heute ist Juniors achter Geburtstag, und Henry hat morgen ein Vorstellungsgespräch. Zur Feier des Tages essen sie bei McDonald's und verbringen die Nacht in einem richtigen Bett im Motel. Während Junior fernsieht und Henry in der Badewanne fu?r sein Vorstellungsgespräch u?bt, scheint einen Moment lang alles in Ordnung. Als aber Henry auf dem Parkplatz in eine fatale Auseinandersetzung gerät und Junior an Fieber erkrankt, werden Vater und Sohn in die Nacht hinausgetrieben, wo sie darum ringen, ihr Leben und ihre Wu?rde zusammenzuhalten. Überfluss wurde in den USA fu?r seinen schonungslosen Realismus und seine psychologische Raffinesse gefeiert. Jakob Guanzon fu?hrt uns ins Niemandsland der endlosen Parkplätze zwischen Walmart und Trailerpark, Überfluss und Mangel. In Ru?ckblenden erleben wir Henrys Familie vor der Zwangsräumung - eine ru?hrende Liebesgeschichte und eine leidenschaftliche Abrechnung mit den zerstörerischen Auswu?chsen des westlichen Kapitalismus.

Jakob Guanzon wurde in New York geboren und wuchs in Minnesota auf. Er studierte Soziologie an der Hamline University, absolvierte einen Master of Fine Arts an der Columbia University und lebt als Autor in New York City. Sein Debu?troman Überfluss wurde nominiert fu?r den National Book Award for Fiction und fu?r den Aspen Words Literary Prize.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783906903804
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum23.01.2023
Auflage1. Auflage
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1316 Kbytes
Artikel-Nr.11125700
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

79,00 $

Henry schickt Junior Hände waschen, bevor er sich vor der Limostation in Position bringt. Er füllt den größten Becher mit Coca-Cola, nimmt zwei große, prickelnde Schlucke, die bis ganz nach unten kitzeln, und füllt ihn wieder auf. Dann ein knapper Blick über die Schulter - die Luft ist rein - und drei gierige Handvoll Ketchup-Päckchen landen auf seinem Tablett.

McDonald s muss als eines der ersten Franchise-Unternehmen des Landes einen neuen Anstrich verpasst bekommen haben. Die klobigen Kunststoffbänke, türkis- und lilafarben wie Neunzigerjahre-Wegwerfgeschirr, wurden herausgerissen, entsorgt und durch einen pseudo-urbanen Minimalismus ersetzt: eckige, asymmetrisch arrangierte Tische und Stühle, alles in einer unaufgeregten Palette aus matten Bordeauxrot- und Marineblautönen, und das trotz der enormen Entfernung zu Ost- wie Westküste.

Dem PlayPlace ist das Lifting erspart geblieben. Offenbar haben die neuesten Raumgestaltungstrends keinerlei Einfluss auf die zeitlose Funktionalität von Röhrenrutsche und Bällebad. Im Glaswürfelanbau des Spielbereichs wurde lediglich die Möblierung erneuert, die aussieht, als hätte sie irgendein verkopfter Schwede in der festen Absicht entworfen, die wohlige amerikanische Vorstellung von Wärme und Überfluss zu untergraben, die die goldenen Bögen da draußen nicht nur verkörpern, sondern versprechen.

Sofort wird Henry sein Fehler klar. Er hätte nicht den Ecktisch neben dem Mülleimer wählen sollen. Von hier aus sieht er zu viel. Eine Frau wirft eine nicht unerhebliche Menge verschmähter Pommes weg, Burger-Bun-Reste und Chicken-Nugget-Stummel, sodass sich Henrys Mund zu einem angewiderten Oval verzieht, das exakt wie das Loch des Mülleimers aussieht.

Als die Frau mit ihrer Kinderhorde das Glashaus verlässt, bleiben nur noch Henry und ein Tisch mit zwei Müttern, deren Töchter hoch oben über die Plastikbrücken tapern. Die Mütter sind mindestens zehn Jahre älter als er, doch sie wirken gesund und gut betucht, ihre Arme sind muskulös und straff vom morgendlichen Besuch im Fitnessstudio, und ihre Haut ist aus irgendeinem Grund sonnengebräunt und trotzdem seidig. Die Hübschere der beiden - vakuumiert im Stretch ihrer Sportbekleidung, die teerschwarzen Haare zu einer Oberschichtsfrisur aufgetürmt - erwischt ihn beim Starren. Henrys Blick springt zurück auf Junior, bevor er herausfinden kann, ob ihr gekräuselter Mund Abscheu oder ein Lächeln andeutet. Insgeheim war er damals anderer Meinung gewesen als Michelle. Er findet immer noch, dass er annähernd gut aussieht, wenn er die Haare so zurückgeklatscht trägt. Und es fühlt sich gut an, die Hoffnung zuzulassen - und sei es auch nur für eine Sekunde -, dass diese hübsche Mutter vielleicht dasselbe denkt.

Langsam. Er ist zu sehr damit beschäftigt, möglichst winzige Bisse von seinem McChicken zu nehmen, um auf Junior zu achten. Gerade beäugt der Junge seinen einmal angebissenen Big Mac, als wäre selbst dieser erste Biss ein Fehler gewesen. Henry wischt einen Mayotropfen vom Papier und verreibt die schmackhafte Fingerspitze an seiner Zahnreihe. Mit der Zunge presst er Salz und Serum in seinen Gaumen. Egal, wie langsam er isst, jeder Bissen landet mit einem hohlen Fump in den Untiefen seines Magens wie ein Gummiball auf dem Grund eines versiegten Brunnens.

Junior zieht die Nase hoch. Lässt den Big Mac sinken, um sie abzuwischen. »Kann ich spielen gehen?«

Henry bewertet den Zustand des Big Macs. Der Junge hat den halben Burger geschafft und die Pommes angekratzt. Nicht schlecht. Es ist die größte Portion, die er in dieser Woche von einer Mahlzeit gegessen hat. Aber an diesem Abend will Henry, dass der Junge sich derart vollstopft, dass ihm das Zeug zu den Ohren rauskommt. Er soll hier rauswatscheln, den Bauch so prall gespannt, dass er noch in mageren Zeiten davon zehren kann.

Andererseits hat der Junge heute Geburtstag, also fragt Henry ihn, welcher Tag heute ist.

Junior bringt den Kiefer in dieselbe trotzige Position, wie Michelle es immer getan hat, bevor sie schnippisch wurde. »Dienstag.«

»Klugscheißer. Du weißt genau, was ich meine.«

Junior zieht den Kopf ein. Das altbekannte, scheue Lauern, das Henry ihm durch gutes Zureden und Vorträge über Körperhaltung und Selbstvertrauen auszureden versucht hat. Das sein Pa ihm als Kind durch Anblaffen und Schläge auf den Hinterkopf ausgetrieben hat.

So wichtig es auch sein mag, den eigenen Sohn gegen die Reißzähne der Welt zu stählen - Henry hat verstanden, dass er es nicht übertreiben darf. Ein Junge braucht mehr als das glühende Erz des Vaters, um auf eigenen Füßen zu stehen, und so beschließt er, es besser zu machen als sein Pa. Er zieht Juniors Kopf zu sich heran, gibt ihm einen Kuss auf den Scheitel und sagt: »Das Geburtstagskind kann machen, was es will.«

Junior zischt ab, bevor Henry von der Überraschung heute Abend erzählen kann. Die Reste seines Essens werden vor Henrys Augen kalt. Noch vor wenigen Sekunden ist eine hauchzarte, wirbelnde Dampfwolke wie eine Fata Morgana über den glänzenden Pommes aufgestiegen. Jetzt sind sie farblos und so appetitlich wie ein Haufen Kanthölzer, eher geeignet, verbaut als verdaut zu werden. Trotzdem will er eine. Innerlich brütet er ein Verlangen aus, spitz wie die Zähne einer Harke, doch ein noch tieferes Gefühl sagt ihm: Nein. Nicht das Essen deines Sohnes, nicht sein Geburtstags-Dinner. Denk an die Konsequenzen, hat der Therapeut im Gefängnis immer gesagt. Wenn es dich in den Fingern juckt, denk jedes Mal an die Menschen, denen du damit wehtun wirst.

Die Schimäre dieser einen Pommes, die sich in seine Zungenspalte presst, ist das Einzige, was Henry sieht und schmeckt, wenn er die Augen schließt, doch er hat den Gipfel der Willensstärke erklommen. Er ist die Ruhe selbst, hat sich völlig unter Kontrolle, er ist Mahatma fucking Gandhi in Stahlkappenstiefeln. Nähme er seinem Sohn auch nur eine einzige Pommes weg, wo würde das enden? Man sieht doch, wozu das geführt hat, wer er gewesen ist. Er muss garantiert noch einiges lernen, aber eines weiß er verdammt sicher, nämlich, dass sogar ein Haarriss im Staudamm seiner Selbstdisziplin auf direktem Weg zurück zu der gierigen Bilderbuch-Ratte führt, die er gewesen ist - wenn man einer Maus einen Keks gibt, will sie auch ein Glas Milch, und wenn man einer Maus ein Glas Milch gibt, dann will sie und so weiter und so fort, bis Henry um drei Uhr nachmittags zu sich kommt, den Kopf zwischen einer Badewanne und einem Klo eingequetscht, verkrustet von Magensäure und Blut von Gott weiß wem oder wie oder was.

Das Warum dagegen lag auf der Hand: Weil Henry die Kontrolle verloren hatte.

Immerhin darf man den Becher nachfüllen, so oft man will. Kein schlechtes Gewissen, weil er sich den Bauch mit Cola vollschüttet. Ein zufrieden sprudelnder Seufzer steigt in ihm auf. Ohne darüber nachzudenken, streckt er die Hand nach den Ketchup-Päckchen aus, einer Notration Zucker gegen spätere Hungerattacken, zögert dann jedoch. Auch dabei will man nicht gesehen werden. Er riskiert einen Blick zu den beiden Müttern, die nun gemeinsam über einem Handy hängen. So unauffällig wie möglich stopft er eine Ladung Ketchup nach der anderen in seine Hosentaschen und zieht den Saum seines Pullovers über die unförmigen Beulen in der Jeans.

Ist das der Grund, warum er nicht »Happy Birthday« gesungen hat, bevor sie sich über die Burger hergemacht haben? Um keinen Scheinwerfer auf ihren traurigen Anblick zu richten? Er hat alles getan, was in seiner Macht steht, und wird es auch weiterhin tun, doch was diese beiden Mütter am Ende sehen, ist nur der nächste nutzlose Vater, der sein Kind mit Cholesterin und Salz und Analogkäse und Krebs vollstopft, und jetzt mal ehrlich - glaubt er echt, so zu feiern, sei in Ordnung? Erbärmlich. Billig. Trashig. So offensichtlich Mittlerer Westen, Endstation Unterschicht.

Aber wer sagt eigentlich, dass diese Frauen so viel besser sind als er? Immerhin sitzen sie auch hier und füttern ihre Töchter mit demselben lauwarmen Mist.

Henry hat sich in Rage gedacht, allein, im McDonald s PlayPlace, neben dem Müll. Er beruhigt sich mit einem tiefen Atemzug. Beim Ausatmen öffnet er die Augen: So eine mentale Hasstirade, ausgelöst von einer Pommes.

Die Mündung der Röhrenrutsche spuckt zwei Mädchen aus, die über den gepolsterten Boden spurten, die Stufen hochflitzen und einen Bauchplatscher in die Plastikbälle machen. Hoch oben, von einem labberigen Spanngurtkäfig aus, sieht Junior zu, wie die Mädchen kichernd durchs Bällebad schwimmen. Vielleicht ist es nur eine optische Täuschung, wer kann das auf die Entfernung schon sagen, doch auf Juniors Gesicht liegt eine Verlorenheit. Eine abgestandene, mutlose Sehnsucht, die kein Achtjähriger verstehen sollte, geschweige denn ertragen. Als...
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Autor

Jakob Guanzon wurde in New York geboren und wuchs in Minnesota auf. Er studierte Soziologie an der Hamline University, absolvierte einen Master of Fine Arts an der Columbia University und lebt als Autor in New York City. Sein Debütroman Überfluss wurde nominiert für den National Book Award for Fiction und für den Aspen Words Literary Prize.