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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
144 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am12.10.2015
Eine Frau - zwei Männer - ein Kind. Die Mathematiklehrerin K. wünscht sich ein Kind und will einen Roman schreiben. Doch zuerst gilt es zu erforschen, was die Liebe in Wirklichkeit ist und welche Geheimnisse der Körpers birgt. Mit unerhörter Intensität, voller Zauber und Brutalität erzählt Kjersti Skomsvold von der inneren Welt einer jungen Frau, vom Leben, der Liebe und dem Tod. 'In mir beginnt der brennende Wunsch zu keimen, mich von der Mathematik abzuwenden und zur Liebe hin, aber ich habe noch niemandem von diesen Gefühlen erzählt, wenn ich den Mund öffnete, würde ich sagen, dass ich nicht in der Lage sei, auch nur irgendetwas zu fühlen.' Dieses Vorhaben gelingt K., der alles andere als gefühlskalten Mathematiklehrerin. Sie liebt Ferdinand, der bereits tot ist, sich aber in ihrem Kopf weiter zu Wort meldet, und sie liebt Samuel, der in Irland in einem endlosen Cricket-Match gefangen ist. In der Begegnung mit diesen zwei Männern sucht K. nach der Antwort, was Liebe tatsächlich ist.

Kjersti A. Skomsvold, geboren 1979 in Oslo, gilt als die wichtigste Gegenwartsautorin Norwegens. Für ihren Debütroman Je schneller ich gehe, desto kleiner bin ich (Hoffmann und Campe 2011) wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Neben ihren Romanen veröffentlichte sie Lyrik und autobiographische Prosa.
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Produkt

KlappentextEine Frau - zwei Männer - ein Kind. Die Mathematiklehrerin K. wünscht sich ein Kind und will einen Roman schreiben. Doch zuerst gilt es zu erforschen, was die Liebe in Wirklichkeit ist und welche Geheimnisse der Körpers birgt. Mit unerhörter Intensität, voller Zauber und Brutalität erzählt Kjersti Skomsvold von der inneren Welt einer jungen Frau, vom Leben, der Liebe und dem Tod. 'In mir beginnt der brennende Wunsch zu keimen, mich von der Mathematik abzuwenden und zur Liebe hin, aber ich habe noch niemandem von diesen Gefühlen erzählt, wenn ich den Mund öffnete, würde ich sagen, dass ich nicht in der Lage sei, auch nur irgendetwas zu fühlen.' Dieses Vorhaben gelingt K., der alles andere als gefühlskalten Mathematiklehrerin. Sie liebt Ferdinand, der bereits tot ist, sich aber in ihrem Kopf weiter zu Wort meldet, und sie liebt Samuel, der in Irland in einem endlosen Cricket-Match gefangen ist. In der Begegnung mit diesen zwei Männern sucht K. nach der Antwort, was Liebe tatsächlich ist.

Kjersti A. Skomsvold, geboren 1979 in Oslo, gilt als die wichtigste Gegenwartsautorin Norwegens. Für ihren Debütroman Je schneller ich gehe, desto kleiner bin ich (Hoffmann und Campe 2011) wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Neben ihren Romanen veröffentlichte sie Lyrik und autobiographische Prosa.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455813623
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum12.10.2015
Seiten144 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1703490
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverTitelseiteNachts gehe ich in [...]Ich kann erzählen, dass [...]Das Leben hat begonnen, [...]Wenn Samuel und K. [...]Ich trage die Hoffnung [...]Samuel langweilt sich liebend [...]Literatur [...]Über Kjersti Annesdatter SkomsvoldImpressummehr
Leseprobe

Nachts gehe ich in der dunklen Wohnung umher, sehe aus dem Fenster, mal ist der Mond da, mal nicht. Ich setze mich auf den guten Stuhl, ein Auge auf das Bild von Samuel gerichtet, eins auf das Bild von Ferdinand, und ich denke, dass ich ein Sonnenstrahl sein will, dass ich zusammen mit Samuel und einem Kind glücklich werden könnte. Aber Worte wie glücklich möchte ich gar nicht gebrauchen, weil sie den Wunsch sofort in etwas Muffinartiges verwandeln. Ich versuche zu schlafen, den Rücken gerade und senkrecht, was besser ist, als im Bett zu liegen, so waagerecht, dass ich meine, ich würde nach hinten kippen, die Beine in der Luft, sodass Gott meine Fußsohlen sehen kann. Ich bleibe sitzen, wachgehalten von Verbitterung und Enttäuschung. Worüber? Das Leben. Bisher war es so, als ginge man ohne Eimer zu einem ausgetrockneten Brunnen, auch wenn das wohl eine unverschämte Lüge ist. Das Leben ist nichts für mich, denn ich mag Menschen und Tiere nicht besonders, zumindest, wenn ich nachdenke; Gedanken verzerren und verschieben alles. Genauso wenig mag ich es, behutsamen Schrittes, beinahe kokett, durchs Erwachsenendasein zu gehen, das ja im Preis inbegriffen ist. Nach und nach entdeckt man dann, dass man eine Fremde geworden ist; morgens stehe ich auf und will etwas anderes. In mir keimt der brennende Wunsch, mich von der Mathematik ab- und zur Liebe hinzuwenden, aber ich habe noch niemandem von diesen Gefühlen erzählt, wenn ich den Mund öffnete, würde ich sagen, ich sei nicht in der Lage, auch nur irgendetwas zu fühlen. Wenn ich den Mund öffnete, würde die Welt von einer akuten Depression befallen werden. Die Sonne geht auf, und ich beschließe, in den Laden zu gehen, zwischen den Regalen mit den Konserven suche ich nach einem Kind, obwohl ich weiß, dass es vergebens ist, und ich bewege unmerklich die Lippen, sage: Jetzt gehe ich nach Hause. Ich schaue mich um, murmle dann: Und damit basta. Wer kein Leben hat, muss sich eine Illusion schaffen. In meinen Tagträumen bin ich treulos, ich habe verquere Träume, ich träume, die grauenhafte Schule zu betrügen, an der ich arbeite und wo niemand mich wirklich kennt, ich träume, größenwahnsinnig zu werden. Ach, Napoleon zu sein, denke ich, vergiftet oder nicht, dieser kleine Ehrenmann, der sich selbst zum Herrscher Europas ausrief! Ich träume auch nachts, wenn ich endlich schlafe, auf dem Stuhl sitzend, während die Sterne über den Dächern leuchten, und da träume ich, dass eines meiner Beine einem anderen gehört, und wünsche mir, Samuel würde mein Bein als das seine bezeichnen. Wir sagen einander die schönsten Worte auf Irisch, Worte, die man jemandem ins Ohr flüstert, ehe man ihm das Leben nimmt. Codladh sámh.

 

Ich habe von Fällen gehört, bei denen das Kind vor der großen Liebe kommt, aber ich glaube nicht, dass es bei mir so kommen wird. Außer ich nehme allen Mut zusammen und vollziehe den Beischlaf mit meinem toten Ferdinand. Oder ich mache es wie der Albatros, dieser Vogel, der nur ganz selten landet, dazwischen können Jahre vergehen, und wenn es soweit ist, drückt der Albatros seine Vogeldaumen, damit in genau demselben Moment ein weiterer Albatros landet, im Idealfall vom anderen Geschlecht, und dann lassen sie sich beide vergewaltigen, ehe sie weiterfliegen, in der Gewissheit, dass eine nächste Generation folgt, dass ein Geschlecht geht und ein Geschlecht kommt.

Soll ich also ein Kind bekommen? Ich gehöre nicht zu denen, die Entscheidungen treffen, ohne die Alternativen wie Albatrosse vor den Augen vorbeischweben zu lassen, bevor ich bei dem lande, was ich tun werde. Und mitunter landen Albatrosse nie. Es sollte noch ein anderes Herz schlagen als mein eigenes, hier, in diesem kleinen Lusthaus von Einzimmerwohnung, in dem ich wie ein Affe im Käfig lebe, gefangen und frei zugleich. Ich bin wieder nach Norwegen gezogen, während Ferdinand in Frankreich geblieben ist, unter der Erde, und Samuel quicklebendig, aber außer Reichweite, im fernen Irland. Wir sind wie ein gleichschenkliges Dreieck, eine Triangel, das macht mich weniger unmusikalisch. Ich brauche die Gesellschaft anderer als mir, ich brauche jemanden nahe bei mir, sonst bin ich in Gedanken nur bei mir! Und so werde ich nie zufrieden. Zufrieden sollte ich ohnehin nie sein, dann hätte ich verloren, so lauten die Spielregeln.

Ich möchte mich an etwas anderes binden als an die Mathematik, wie um zu sagen, schaut her, ich habe ein lebendiges Wesen an meiner Seite, und ehe ich michs versehe, werde ich hören, wie es das erste Wort sagt, und ich werde keine Kontrolle darüber haben, was das für ein Wort sein wird! Es kann alles Mögliche sein! Und ich werde es aufnehmen, mich um das Wort kümmern. Ich werde mir wünschen, dass das Kind nichts Schlimmes erlebt, auch wenn ich weiß, dass ich mich selbst nicht ausstehen könnte, hätte ich nicht so viel Schlimmes erlebt. Dabei denke ich vor allem an die Lungenkrankheit, von der ich bereue, sie mir zugezogen zu haben, auch wenn ich das Wort bereuen nicht ganz verstehe, man macht doch alles so gut man kann, mit dem, was einem gegeben ist. Es wird eine Erleichterung sein, wenn ich mich statt um meinen eigenen Körper um den des Kindes sorgen kann. Was meinen eigenen Leib betrifft, habe ich allzu viele Faktoren und Symptome im Blick, wieder und wieder habe ich die kleinen Spinnen gezählt, die in meinem Lungengewebe umherkrabbeln, wenn ich wollte, könnte ich eine präzise Statistik führen, eine ganz neue Wissenschaft erfinden, um dafür zu sorgen, dass die Dinge so optimal wie möglich verlaufen, während ich, das Kind betreffend, lediglich Zugang zu den nötigsten Informationen haben möchte, um zu entscheiden, ob ich ihm lieber Fischklöße mit Reis oder noch ein paar Tage Trockenfutter zu essen gebe. Kinder zu bekommen, erfordert Mut.

Man kann Kinder, oder jedenfalls Tiere, beim Züchter kaufen. Ich bekam den Tipp, man könne bei einem Mann Eier erwerben, Albatrosse legen nur ein Ei, deshalb sind die Eier irrsinnig wertvoll. Ich muss mir einen Brutkasten besorgen, aber das ist kein Problem, ich habe da meine Kontakte. Ein Anruf genügt, und schon kommt ein Lieferwagen und bringt mir das Paket bis vor die Tür. Es ist so groß wie ein Kochtopf, und ich stelle den Brutkasten mitten ins Zimmer, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Bis das Ei, oder besser gesagt das Kind, schlüpft, können Monate vergehen, und währenddessen möchte ich bäuchlings auf dem Boden liegen, das Kinn auf die Hände gestützt, und Schürfwunden an den Ellbogen bekommen und dieses Wunder betrachten. Es ist keinesfalls ein Wunder, sondern der Lauf der Natur. Ab und zu werde ich das Ei aus dem Brutkasten nehmen, es in meine Achselhöhle stecken und ins dunkle Bad schleichen. Dort werde ich das Ei hervorholen und meine Taschenlampe darauf richten. Ich möchte etwas Überraschendes zu Gesicht bekommen, ein Miniaturherz, das schlägt, ein weiches Gehirn, das Form annimmt. Das Kind wird geboren werden, oder auch nicht, vielleicht bleibt es Eiweiß, und ergo wird es auch nicht sterben, das wäre das Beste. Selbst wo kein Herz schlägt, müssen Blätter fallen, und diese Fehlgeburt ist, genau wie alle anderen, ein Tropfen im großen Meer der Welt. Ich werde mich an den Gedanken gewöhnt und mit der Trauer versöhnt haben, wenn sich der Wurm eines schönen Tages aus dem Ei kämpft; es ist das Ei, das den Wurm ausspuckt. Ich bin sicher, die Zeit ist gekommen, ich habe nie gezweifelt, dass der Augenblick kommen würde, abgesehen von jenen Tagen, an denen ich dachte, er wäre längst da. Aber hier geht es nicht um das Kind, das Kind wurde noch nicht empfangen, also muss es um die Liebe gehen. Ich habe schon einmal erlebt, was Liebe sein kann.

 

Ferdinand und ich gingen durch den Schnee, der Schnee ging durch uns, wir kamen vom Fest. Seine dünnen Beine in der dunklen Hose, sein Haar über dem Kragen des hübschen Mantels, selbst in der Dämmerung hätte ich sein charakteristisches Profil aus mehreren Metern Entfernung erkannt, und wäre er weiter entfernt, würde mein Körper von ihm angezogen, durch die Straßen, um die Hausecken, über Hügelkämme und Landesgrenzen, eine Epidemie, und dann würden sich meine Arme um seinen Hals schlingen und nie wieder loslassen. Jetzt ging er direkt neben mir, er lief oft schnell, wie ein Gehetzter, dabei bin ich selbst keine Trödelliese, doch unsere Schatten hatten nie genug Zeit, sich einen gemeinsamen Eindruck zu verschaffen. Ich trug dünne Strümpfe unterm Mantel, aber ich merkte kaum, dass ich fror, ich redete im selben Tempo, wie wir die Beine bewegten, als würden die Worte aus meinem Mund hinausrennen und versuchen, die Schritte einzuholen. Um uns hing der Zigarrenrauch schwer wie ein Tiefdruckgebiet vor einer Gewitterfront. Ich merkte, dass Ferdinand mir zuhörte, er war irgendwie immer da, die Herzenstür offen, und ließ meine Worte herein, bereit, nahezu alles aufzunehmen. Ich übte mich im Schreiben, indem ich ihm erzählte, woran ich dachte, er hatte gesagt, dass ich mich der Literatur widmen solle, um meine eigenen Dämonen zu bezwingen, er hatte etwas in mir erkannt, das sowohl Zuckerbrot als auch Peitsche sein konnte. Mhm, sagte er, wenn er die Worte auffing, und dann stellte ich mir vor, ich hätte einen Satz gesagt, den ich in ein richtiges Buch schreiben könnte. Um ihn zu testen, wollte ich etwas sagen, das ich aus einem anderen Werk gestohlen hatte, ich blieb abrupt stehen, nahm seinen Arm und flüsterte:

Die Macht der Toten besteht darin, dass wir glauben, sie würden uns jederzeit sehen.

Ich sah zu Ferdinand auf.

Mhm, sagte er.

Wir lagen auf der Bettdecke im fremden Zimmer, ich behielt meinen Mantel an, und Ferdinand hatte sich in seinen gehüllt, der Verhütung wegen, obwohl wir beide wussten,...
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Autor

Kjersti A. Skomsvold, geboren 1979 in Oslo, gilt als die wichtigste Gegenwartsautorin Norwegens. Für ihren Debütroman Je schneller ich gehe, desto kleiner bin ich (Hoffmann und Campe 2011) wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Neben ihren Romanen veröffentlichte sie Lyrik und autobiographische Prosa.