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Wiener Lied

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
284 Seiten
Deutsch
Gmeiner Verlagerschienen am13.07.2022
Am Sankt Marxer Friedhof wird die Leiche eines jungen Mannes aufgefunden. Was zunächst wie ein Selbstmord aussieht, stellt sich bald als Verbrechen heraus, bei dem musikalisches Talent, verstörende psychische Devianzen und eine Wette auf Leben und Tod die Hauptrolle spielen. Kommissar Harald Selikovskys neuer Fall führt durch ein Wien aus gefährlichen Begegnungen, höchster musikalischer Ausdruckskraft und der Zerrissenheit eines jungen Mannes, der nur ein Ziel kennt: eine Totenmesse fertigzustellen. Gegen alle Umstände. Auf Leben und Tod.

Gert Weihsmann, 1961 in Villach geboren, lebt seit mehr als drei Jahrzehnten in Wien. Sein zweiter Krimi 'Wiener Lied' ist ein nächtlicher Reigen aus gefährlichen Begegnungen, höchster musikalischer Leidenschaft und der Bereitschaft eines Ausnahmetalents, den eigenen Tod zu riskieren - um der Nachwelt eine geniale Komposition zu hinterlassen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,50
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextAm Sankt Marxer Friedhof wird die Leiche eines jungen Mannes aufgefunden. Was zunächst wie ein Selbstmord aussieht, stellt sich bald als Verbrechen heraus, bei dem musikalisches Talent, verstörende psychische Devianzen und eine Wette auf Leben und Tod die Hauptrolle spielen. Kommissar Harald Selikovskys neuer Fall führt durch ein Wien aus gefährlichen Begegnungen, höchster musikalischer Ausdruckskraft und der Zerrissenheit eines jungen Mannes, der nur ein Ziel kennt: eine Totenmesse fertigzustellen. Gegen alle Umstände. Auf Leben und Tod.

Gert Weihsmann, 1961 in Villach geboren, lebt seit mehr als drei Jahrzehnten in Wien. Sein zweiter Krimi 'Wiener Lied' ist ein nächtlicher Reigen aus gefährlichen Begegnungen, höchster musikalischer Leidenschaft und der Bereitschaft eines Ausnahmetalents, den eigenen Tod zu riskieren - um der Nachwelt eine geniale Komposition zu hinterlassen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839274026
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum13.07.2022
Seiten284 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9224351
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


I - Introitus

Der Junge lag unweit der Friedhofsmauer, direkt vor einem grauen Grabmal mit griechischer Inschrift. Er mochte 15 oder 16 Jahre alt sein, vielleicht war er aber auch nur 14 geworden - oder doch bereits 17. Der tote Teenager hatte kurze schwarze Haare, einen blassen Teint und war bis auf die schwarzen Sneakers und eine ebenso dunkle Haube, die neben ihm lag, vollkommen weiß gekleidet: weißer Hoodie, weißer Sweater und weiße Jeans, die der Regen der letzten Stunden grau eingefärbt hatte. Der Junge, vielleicht einen Meter siebzig groß und dünn, musste schon länger tot sein: Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt, und ein fetter Käfer kroch aus dem rechten Ärmel des Toten hervor.

Kommissar Selikovsky erhob sich und trat einen Schritt zurück, betrachtete den starren Körper und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. Es war nicht der erste Tote, den er zu Gesicht bekam, als Ermittler in Mordsachen hatte er schon Dutzende Leichen gesehen. Aber der Anblick des reglosen Jungen vor der unverputzten Friedhofsmauer, neben einem grauen Grabobelisken und umgeben von abgestorbenen Sträuchern und langsam verfaulenden Blättern rührte ihn mehr, als er zugeben wollte - weil es ein auswegloser und der Welt abhandengekommener Blick auf ein Leben war, das nicht einmal das Erwachsenenalter erreicht hatte. Ob dessen Tod auf einen Unfall oder ein Verbrechen zurückzuführen war, würde er als Kommissar herausfinden müssen.

- Wahrscheinlich ist der Bub dort oben auf der Autobahnbrücke gestanden, hat dann aus irgendeinem Grund das Gleichgewicht verloren und sich noch am Geäst des Baumes festzuhalten versucht, bevor er auf die Einfriedung und die Grabsteinspitze geprallt und schließlich regungslos im Morast liegen geblieben ist, mutmaßte der junge Friedhofswärter, der trotz des leichten Regens und des eisigen Windes nur eine kurze Hose und ein ärmelloses T-Shirt trug und irgendwie mediterran aussah: dichtes schwarzes Haar mit blond gefärbten Strähnen, hohen Wangenknochen und einem perfekt gestutzten Vollbart. Das schwarze T-Shirt war mit der Karikatur eines Leichenwagens bedruckt, und darunter stand in fetten Lettern geschrieben: Dein letzter Wagen ist immer ein Kombi - Die Wiener Bestattung

- Gestatten, Konstantin Papadopoulos, stellte sich der junge Bedienstete der Gemeinde Wien vor, aber Sie können Papo zu mir sagen. Ich bin der Parkwächter hier auf dem Sankt Marxer Friedhof, der längst kein Friedhof mehr ist, sondern ein Park, eine Naherholungsanlage. Außerdem züchte ich Bienen auf dem Gelände, mehr als 50 Stöcke bewirtschafte ich hier, und der daraus gewonnene Mozarthonig wird bis nach Japan und Südkorea verkauft.

- Mozarthonig, wunderte sich Kommissar Selikovsky und sah den jungen Magistratsangestellten skeptisch an.

- Ja, Mozart s Honey, wiederholte Papo und deutete auf die andere Seite der Anlage hinüber, nicht einmal 50 Meter von hier ist Mozarts Grab, oder, sagen wir, eine Art Erinnerung daran. Das richtige Grabmal des Komponisten wurde zu dessen 100-jährigem Todestag in den damals neu eröffneten Zentralfriedhof gebracht, aber die Gebeine des Schöpfers von Don Giovanni, der Zauberflöte und des Requiems liegen wahrscheinlich immer noch hier, dort drüben, wo die Schachtgräber waren. Die gewöhnlichen Gräber auch der außergewöhnlichsten Leute. Das Josephinische Zeitalter, müssen Sie wissen, hat alle noch im Grab gleichmachen wollen.

- Und den toten Jungen haben Sie heute aufgefunden, fragte der Kommissar und warf einen letzten Blick auf die Leiche.

- Vor nicht einmal einer Stunde. Noch bevor ich mit meinem Kontrollgang fertig war, hat der Hund eines frühen Parkbesuchers die Leiche gewittert. Ich habe dann gleich die Polizei angerufen. Gestern Abend lag der Junge jedenfalls noch nicht hier.

Selikovsky sah zu den uniformierten Kollegen des Bezirkskommissariats hinüber. Ein junger Beamter sperrte die Fundstelle mit weiß-roten Bändern ab, und eine Polizistin führte die Kollegen von der Spurensicherung zum reglosen Jungen.

- Haben Sie etwas angefasst, Papo?

- Eigentlich nicht, Herr Kommissar.

- Also doch?

- Es hat doch so ausgesehen, als ob er einfach daläge und schliefe.

- Also haben Sie ihn angetippt â¦

- â¦ und auch etwas hochgehoben. Dann erst bemerkte ich, dass sich der Körper bereits kalt anfühlte, und die andere Seite des Kopfes â¦

Selikovsky hörte einen unterdrückten Schrei und sah zu den Beamten der Spurensicherung hinüber, die den Oberkörper des Jungen etwas aufgerichtet hatten. Die rechte Seite des Schädels war aufgeplatzt, und eine gallertartige Flüssigkeit tropfte aus der zerbrochenen Schädeldecke zu Boden. Niemand der Anwesenden sprach ein Wort, und Papo sah mit hängenden Schultern zu Boden. Auf seiner Shorts und den behaarten Schenkeln war dieselbe grüngelbe Flüssigkeit bereits zu eingetrockneten Flecken erstarrt.

- Das Erbrochene neben dem Jungen ist meins, fügte Papo leise hinzu.

Selikovsky sah den jungen Parkwächter an und hatte beinahe Mitleid mit ihm. Es war ein seltsamer junger Mann mit einem Hang zu theatralischen Gesten und einer recht manierierten Ausdrucksweise. Bekleidet wie ein Bademeister, aber gebildet wie ein Dozent der Musikwissenschaften.

- Sie wissen, wer der Junge war, Papo.

- Ja, Herr Kommissar. Er heißt â¦ er hieߠ⦠Alexander. Er kam öfter hierher in den Friedhof. Saß auf einer der Bänke und starrte Mozarts Grab an. Sprach kaum ein Wort. Aber er war trotzdem ein verdammt netter Junge. Jetzt wissen Sie auch, warum ich vorhin gekotzt habe.

Selikovsky streifte sich einen beigefarbenen Einweghandschuh über und griff nach dem Ausweis, den ihm einer der Beamten der Spurensicherung hinhielt, das heißt, eigentlich waren es zwei.

- Kugler, Alexander, geboren am 27. Januar, und 18 Jahre alt. Und auf dem zweiten Dokument steht, dass er erst 14 sei. Mit demselben Geburtstag. Merkwürdig, oder?

- Aber er heißt â¦ oder â¦ hieß Kugler?

- Warum fragen Sie, Papo?

- Weil ich jetzt weiß, warum er so oft Mozarts Grab angestarrt hat.

- Wäre schön, wenn Sie es mir auch verrieten.

- Kugler war jener Friedhofswärter, der nach der Überführung von Gassners Mozartgrabmal diese Gedenkstelle errichtet hat: eine abgebrochene Säule. Diesen trauernden Engel. Ein paar Spoiler aus anderen, längst aufgegebenen Gräbern. Vielleicht ist dieser Kugler ein Vorfahre des Jungen gewesen.

- Und Sie wissen wirklich nicht, wo der Junge gewohnt hat?

- Nein, aber weit weg kann es nicht sein. Er ist fast immer mit dem Fahrrad gekommen. Manchmal war auch ein fettes Mädchen dabei, ganz in Schwarz, eigentlich eine junge Frau. Ich glaube, sie ist Mitglied einer Dark-Metal-­Band, die Funeral oder so ähnlich heißt.

Die Beamten der Wiener Bestattung trafen bei der Fundstelle ein und warteten, bis sämtliche Spuren gesichert und auch Papos Fingerabdrücke registriert waren. Zwei Polizeibeamte hielten eine Art Leintuch hoch, damit die Bestatter den Leichnam ungestört in den Zinksarg betten und für den Abtransport herrichten konnten. Aus den Baumkronen umliegender Buchen flogen sibirische Saatkrähen auf, und der dünne Regen wurde dichter und vertrieb die wenigen Schaulustigen, die sich in einiger Entfernung vor den rot-weißen Absperrbändern eingefunden hatten.

*

Das Melderegister hatte die genaue Wohnadresse und das tatsächliche Alter des toten Jungen binnen Sekunden ermittelt: Alexander Kugler, wohnhaft irgendwo im Elften Bezirk, laut Navigationssystem drei Komma sieben Kilometer oder sieben Autominuten entfernt, eine Zigarettenlänge vielleicht. Mit dem Fahrrad nicht mehr als 15 Minuten. Der Junge war 17 Jahre alt. Genauer gesagt hätte er am 27. Jänner sein 17. Lebensjahr vollendet.

Kommissar Selikovsky fragte sich, warum der Junge sich einmal älter und dann wieder jünger gemacht hatte. Sich für 18 auszugeben, war noch einigermaßen nachzuvollziehen, wenn man sich in gewisse Klubs oder Diskotheken mit strengen Türstehern hineinschmuggeln wollte. Aber jünger? Wofür sollte das gut sein? Kaum ein Teenager wollte jünger sein, als er ohnehin war. Selikovsky schüttelte den Kopf und überflog den Straßenverlauf auf dem Navigationsdisplay. Die eingegebene Wohnadresse des Jungen musste eine Reihenhausanlage am äußersten Stadtrand sein, weit draußen, noch hinter einem kleinen Industriegelände, dort, wo sich die Stadt vor brachliegenden Feldern ausdünnte und die Grundstücke etwas leistbarer waren.

Harald aktivierte den Routenverlauf zum eingegebenen Zielort und blickte durch das Seitenfenster auf den Leichenwagen und die drei Polizeifahrzeuge vor dem Eingangsbereich. Durch das offen stehende Tor sah er die jungen Kollegen vom Bezirkskommissariat den Kiesweg entlanggehen, gefolgt von den beiden Bestattern, die den Zinksarg abtransportierten. Eine Art umgekehrtes Begräbnis, bei dem der Tote den Friedhof verließ. Oder nein, die Parkanlage. Auf jeden Fall hatte die Wiener Bestattung recht behalten: Auch die letzte Fahrt von Alexander Kugler würde in einem Kombi stattfinden. In einem schwarzen Mercedes Van mit zugezogenen weißen Vorhängen.

Im Hintergrund rauchte Papo eine Zigarette und inspizierte dabei seine Bienenstöcke. Oder leerte die Mülleimer. Der Kommissar war sich sicher, dass der seltsame Parkwächter weitaus mehr wusste, als er...

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