Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Das Evangelium der neuen Welt

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.12.2023
Ein Findelkind auf einer Karibikinsel: Ist der Junge der neue, nicht-weiße Messias? Maryse Conde erzählt farbenprächtig und unvergesslich vom Traum einer toleranten, friedlichen Welt.
»Eine großartige Geschichtenerzählerin.« Bernardine Evaristo
»Heiter und hoffnungsfroh ... ein bestechend schöner Roman voller Weisheit, Großherzigkeit und Versöhnlichkeit.« Leïla Slimani
»Maryse Condé ist eine magische Erzählerin.« Jury des Alternativen Literaturnobelpreises
An einem Ostersonntag finden Monsieur und Madame Ballandra, ein älteres, kinderloses Ehepaar, ein Neugeborenes in ihrem Gartenschuppen. Pascal, der Säugling, ist überaus hübsch - dunkelhäutig, mit glatten, schwarzen Haaren und Augen, die so graugrün sind wie das Meer, das die Karibikinsel umgibt. Niemand kann sagen, woher der Junge kommt. Aus Europa? Aus Afrika? Aus Asien? Doch nicht nur sein Aussehen weckt die Neugier der Inselbewohner. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dieses Findelkind könnte ein ganz besonderes Geschenk an die Menschheit sein: Vielleicht hatte Gott der Vater ja zwei Söhne und den Jüngeren nun zu ihnen geschickt? Ein neuer Messias, der den Auftrag hat, die Welt so zu verändern, dass sie toleranter und friedlicher wird. Kaum erwachsen, zieht Pascal los, auf der Suche nach seiner wahren Bestimmung. »Das Evangelium der Neuen Welt« ist eine farbenprächtige, unvergessliche Geschichte der »Grande Dame der französischen Literatur« (BR).

Maryse Condé, 1934 in Pointe-à-Pitre auf Guadeloupe geboren, gilt als eine der großen Erzählstimmen unserer Zeit. Mit 16 Jahren ging sie zum Studium nach Paris und lebte später mehrere Jahre in Westafrika. Maryse Condé unterrichtete u.a. an der Sorbonne und war Professorin für französische Sprache und Literatur an der Columbia University in New York. Bekannt wurde Maryse Condé durch die Familiensaga »Segu«, in der sie die Geschichte der westafrikanischen Familie Traoré erzählt. Sie wurde u.a. mit dem Prix de l'Académie Française, dem Prix Marguerite Yourcenar sowie dem Alternativen Literaturnobelpreis ausgezeichnet. 2020 wurde ihr in Frankreich der nationale Verdienstorden verliehen. Maryse Condé verstarb im April 2024 im Alter von 90 Jahren.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEin Findelkind auf einer Karibikinsel: Ist der Junge der neue, nicht-weiße Messias? Maryse Conde erzählt farbenprächtig und unvergesslich vom Traum einer toleranten, friedlichen Welt.
»Eine großartige Geschichtenerzählerin.« Bernardine Evaristo
»Heiter und hoffnungsfroh ... ein bestechend schöner Roman voller Weisheit, Großherzigkeit und Versöhnlichkeit.« Leïla Slimani
»Maryse Condé ist eine magische Erzählerin.« Jury des Alternativen Literaturnobelpreises
An einem Ostersonntag finden Monsieur und Madame Ballandra, ein älteres, kinderloses Ehepaar, ein Neugeborenes in ihrem Gartenschuppen. Pascal, der Säugling, ist überaus hübsch - dunkelhäutig, mit glatten, schwarzen Haaren und Augen, die so graugrün sind wie das Meer, das die Karibikinsel umgibt. Niemand kann sagen, woher der Junge kommt. Aus Europa? Aus Afrika? Aus Asien? Doch nicht nur sein Aussehen weckt die Neugier der Inselbewohner. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dieses Findelkind könnte ein ganz besonderes Geschenk an die Menschheit sein: Vielleicht hatte Gott der Vater ja zwei Söhne und den Jüngeren nun zu ihnen geschickt? Ein neuer Messias, der den Auftrag hat, die Welt so zu verändern, dass sie toleranter und friedlicher wird. Kaum erwachsen, zieht Pascal los, auf der Suche nach seiner wahren Bestimmung. »Das Evangelium der Neuen Welt« ist eine farbenprächtige, unvergessliche Geschichte der »Grande Dame der französischen Literatur« (BR).

Maryse Condé, 1934 in Pointe-à-Pitre auf Guadeloupe geboren, gilt als eine der großen Erzählstimmen unserer Zeit. Mit 16 Jahren ging sie zum Studium nach Paris und lebte später mehrere Jahre in Westafrika. Maryse Condé unterrichtete u.a. an der Sorbonne und war Professorin für französische Sprache und Literatur an der Columbia University in New York. Bekannt wurde Maryse Condé durch die Familiensaga »Segu«, in der sie die Geschichte der westafrikanischen Familie Traoré erzählt. Sie wurde u.a. mit dem Prix de l'Académie Française, dem Prix Marguerite Yourcenar sowie dem Alternativen Literaturnobelpreis ausgezeichnet. 2020 wurde ihr in Frankreich der nationale Verdienstorden verliehen. Maryse Condé verstarb im April 2024 im Alter von 90 Jahren.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641290153
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum13.12.2023
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2387 Kbytes
Artikel-Nr.11383173
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



6

Nach dem vierten wundersamen Fischzug vertraute Pascal José seine vermeintlich göttliche Abstammung an. Der hörte ihm erst zu, dann unterbrach er ihn lachend: »Das weiß ich doch längst. Soll wohl ein Scherz sein, oder glaubst du im Ernst daran?«

Pascal wusste nicht, was er sagen sollte, und räumte nach einer Weile ein: »Keine Ahnung. Ich würde gern herausfinden, was es mit dieser Geschichte auf sich hat, die sich die Leute erzählen.«

Damit war das Thema für die beiden Freunde erledigt.

Die Monate verstrichen, und ein unerwarteter Besuch ließ sich blicken, es war Jean-Pierre. Zu diesem Zeitpunkt war Pascal allein, weil José seinen kleinen Bruder zum Institut Mortimer brachte. Vater und Sohn hatten sich über ein Jahr nicht gesehen. Feige hatte Pascal seine Eltern lediglich per Brief wissen lassen, dass er nicht mehr in den »Garten Eden« zurückkehren und endgültig nach Bois Jolan ziehen würde. Eigentlich hätte er ihnen schreiben wollen, dass er nicht ihr leiblicher Sohn war und die ganze Zeit versuchte herauszufinden, was es mit dem göttlichen Auftrag auf sich hatte, den manche ihm zuschrieben. Stattdessen hatte er es bei wirren, gekünstelten Argumenten belassen, die seine Zweifel und Schuldgefühle verrieten. Er sei fast zwanzig, schrieb er, und könne wunderbar allein über seine Zukunft entscheiden. Im Übrigen wüssten sie ja, dass er das bourgeoise Leben, das sie ihm aufgezwungen hatten, dessen Arroganz und egoistische Gleichgültigkeit allem gegenüber, was sie nicht unmittelbar selbst betraf, nie gemocht hatte.

Die Wahrheit war eine andere. Wie die Psychologen nach Herzenslust wiederholen, machen alle Adoptivkinder diese Phase durch. Die Fürsorge der Adoptiveltern wird kleingeredet, und das Adoptivkind entwickelt eine Obsession mit seiner wahren Abstammung. Nie würde Pascal seine leibliche Mutter in die Arme schließen können, nie würde er ihre Zärtlichkeit kennen, nie wissen, wie ihre Haut duftete. Manchmal ging er auf der Straße einer Wildfremden nach, ganz im Bann ihrer mütterlichen Ausstrahlung. Sein Leben spielte sich zwischen diesen zwei Polen ab, auf die er keinen Zugriff hatte: dem Wissen, wo er herkam, und dem, wo er hinging.

Jean-Pierre hatte seinen Pick-up vor Josés Hütte geparkt und war mühsam ausgestiegen. Bedrückt sah Pascal ihn näher kommen. Er hätte nie gedacht, dass sein Vater in so kurzer Zeit so stark altern würde. Jean-Pierre war glatzköpfig und dickbäuchig geworden, und vor allem konnte er sich kaum mehr bewegen, er kam nur mit Mühe voran und musste immer wieder Verschnaufpausen einlegen. Die beiden umarmten sich.

»Was ist mit dir? Was hast du?«, fragte Pascal beunruhigt.

»Arthrose, sagen die Ärzte«, beschwichtigte Jean-Pierre, »nichts Besonderes, das gibt es oft in meinem Alter, aber angenehm ist es nicht.« Schwer atmend, ließ er sich auf einen Stuhl fallen und erklärte: »Es sind meine Beine, ich frage mich, wie lange sie mich überhaupt noch tragen.«

Pascal krempelte die graue Stoffhose seines Vaters hoch und sah darunter gerötete und geschwollene Gliedmaßen, schuppige, fast durchscheinende und mit dunklen Flecken übersäte Haut. Er massierte ihm vorsichtig die Beine und befahl nach einer Weile: »Steh auf und geh.«

Sofort stand Jean-Pierre auf, machte ein paar Schritte und sagte erstaunt: »Hast du heilende Hände? Es tut schon viel weniger weh.«

Liebevoll und leicht rührselig sahen sich Vater und Sohn an, dann riss sich Jean-Pierre wieder zusammen: »Aber ich bin nicht gekommen, um dir meine klapprigen Knochen zu zeigen. Ich bin hier, um dich nach Hause zurückzuholen. Deine Mutter und ich sind uns einig. Wir haben dich an die besten Schulen geschickt, weißt du noch? Es ist nicht normal, dass du einen so elenden Beruf ergreifst wie den des Fischers.« Pascal war gekränkt, doch ohne die Stimme zu senken, fuhr Jean-Pierre fort: »Das ist nicht alles. Deiner Mutter geht es sehr schlecht, sie hat Krebs im Endstadium. Ich frage mich, ob sie uns noch bis zum Jahresende erhalten bleibt.«

Die Männer unterhielten sich noch eine Weile, bevor Jean-Pierre mit seinen unerwartet gestärkten Beinen zum Auto am Straßenrand zurückkehrte und sich hinters Steuer setzte.

Als er wieder allein war, traten Pascal Tränen in die Augen. Er war so undankbar: Seine Mutter war schwer krank, und er hatte es nicht einmal gewusst. Er erinnerte sich daran, wie Eulalie ihn verwöhnt, mit liebevollen, lobenden Worten überhäuft hatte. Seine Entscheidung war gefallen. Kaum war José aus Fond-Zombi zurück, erklärte er ihm, er werde Bois Jolan verlassen und zu seinen Eltern in den »Garten Eden« zurückkehren. José versuchte noch, ihn davon abzuhalten, doch Pascal blieb standfest.

Nach dem Abendessen gingen sie wie üblich in die Kneipe »Joyeux Noël«, die sie beide gern mochten. Hinter dem Namen verbarg sich ein Scherz, den nur Eingeweihte verstehen konnten. Der Wirt hieß Joyeux mit Vornamen, und er war das sechste Kind von Manuel und Rosa Noël, die auch vor ihm nur Söhne bekommen hatten. Mit dem Namen Joyeux Noël - frohes Fest -, wollten sie dem Schicksal zu verstehen geben, dass es jetzt genug war mit Jungen. Ihr seltsamer Trick verfing, denn als Nächstes bekamen sie eine Tochter, die sie Bienvenue nannten.

In der Kneipe, die in einer Hütte am Meer lag, herrschte eine herzliche Atmosphäre. Joyeux war ein dicker, gutmütig aussehender Mann, um dessen Lippen stets ein Willkommenslächeln spielte. Die neuesten Beguinen-Lieder dröhnten aus einer alten Jukebox. Alle Tische waren mit Männern besetzt, die einen Rum nach dem anderen kippten. Kaum hatten die beiden Freunde Platz genommen, verdrückte sich der allseits beliebte José wieder, um diesem Gast die Hand zu schütteln und jener Bedienung, die er gut kannte, in den Hintern zu kneifen. Pascal hatte sich an diese Eigenheiten gewöhnt, ärgerte sich aber trotzdem jedes Mal darüber. Um sich den Anschein von Gelassenheit zu geben, schenkte er sich ein Glas Goldpflaumensaft ein.

In diesem Moment trat ein Mann an seinen Tisch. Pascal hatte das seltsame Gefühl, ihn zu kennen, ihn schon einmal gesehen zu haben, aber der Neuankömmling ließ sich nichts dergleichen anmerken. Seine Erscheinung war höchst ungewöhnlich. Er steckte in einem seltsamen, altmodisch geschnittenen Anzug aus gestreiftem Drillich. Anstelle einer Krawatte trug er eine weiße gerüschte Halskrause. Am auffälligsten war aber, dass sich unter dem Jackett augenscheinlich etwas verbarg, das den Rücken ausbeulte. Ein Buckel? Er hielt ein sorgsam eingeschlagenes Päckchen in der Hand.

»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«, fragte er.

Pascal war überrascht, stimmte jedoch zu. Als der Mann saß, öffnete er das Päckchen und zeigte Pascal eine hellbraune Rose, die der zu seiner Überraschung wiedererkannte.

»Eine Tété Négresse. Sicher halten Sie Ihren Vater für den Schöpfer dieser Rose? Das ist er nicht. Hätte ich nicht solche Hochachtung vor Ihnen, dann hätte ich ihn längst angezeigt. In Wirklichkeit hat Ihr Vater mich nur nachgeahmt. Ich bin der Schöpfer dieses Wunders und habe es Ihrer Mutter zu Ihrer Taufe geschenkt, und das ist jetzt also daraus geworden.«

Pascal funkelte ihn wütend an. Bisher hatte er Jean-Pierre für den Züchter der Tété Négresse gehalten. Genau in diesem Moment wurde die Musik noch lauter gedreht und beschallte den ganzen Raum. Empört fragte Pascal: »Was soll das heißen?«

Der Fremde stand auf. »Lassen Sie uns nach draußen gehen, ich habe Ihnen einiges zu erzählen.«

Pascal folgte ihm, und beide Männer verschwanden in die Nacht.

Als José kurz darauf wiederkam, saß niemand mehr am Tisch. Wo war sein Freund? Er bekam bald genug von seinem Tête-à-Tête mit einem halb leeren Glas und einer frisch angebrochenen Flasche Rum und trat auf die Terrasse über dem Meer. Von dort waren die Lichter von Porte Océane zu sehen und die schwächeren, nebelverhangenen der Insel Pangolin ganz in der Nähe. Die Geschichte der Insel war ungewöhnlich. Die Pamphletisten der Entwicklungsländer warfen ihr vor, ein Bordell und ein Spielfeld des Westens zu sein, doch dann fand auch dort eine Revolution statt, ähnlich wie auf Kuba und in anderen lateinamerikanischen Staaten, und sie mauserte sich über Nacht zu einer tugendhaften Republik, in der jeglicher Tourismus untersagt war. Heute machte die Insel einem Angst, und es hieß, das Leben dort habe einen unangenehmen, bitteren Beigeschmack.

Aber was macht das Leben angenehm? Offen gestanden hatte José andere Dinge im Kopf. Ihn beschäftigte allein die Frage, wo Pascal hin war. Er eilte die Stufen zum Klo hinunter: zwei angeschlagene Pissoirs, eine schlecht schließende Kabine, und überall stank es nach Urin.

»Haben Sie Pascal gesehen, meinen Freund?«, fragte er die Klofrau, die, eine Brille auf der Nase, Kinderkleidung nähte.

Sie schüttelte den Kopf: »Nein, heute nicht.«

José, der sich immer größere Sorgen machte, rannte nach draußen. In der Brise, die der Abend endlich mit sich brachte, erwachte Bois Jolan zu neuem Leben, nachdem es den ganzen Tag über in der Hitze geschmort hatte. Er drehte eine Runde um den Place des Insurgés, bog in die Rue des Pas-Perdus ein und ging bei Carmen vorbei, einem Mädchen, mit dem er gelegentlich Sex hatte, ohne dafür zu bezahlen. Er suchte die ganze Nacht nach Pascal, bald zusammen mit seinem kleinen Bruder Alexandre und ein paar Freunden, die in der Nähe wohnten. Er legte sogar die zwanzig Kilometer nach Fond-Zombi zurück und klapperte ein halbes Dutzend Kneipen ab, umrundete dreimal vergeblich den Place des Martyrs. Sein Freund blieb unauffindbar. Sie mussten sich der Tatsache...

mehr

Autor

Maryse Condé, 1934 in Pointe-à-Pitre auf Guadeloupe geboren, gilt als eine der großen Erzählstimmen unserer Zeit. Mit 16 Jahren ging sie zum Studium nach Paris und lebte später mehrere Jahre in Westafrika. Maryse Condé unterrichtete u.a. an der Sorbonne und war Professorin für französische Sprache und Literatur an der Columbia University in New York. Bekannt wurde Maryse Condé durch die Familiensaga »Segu«, in der sie die Geschichte der westafrikanischen Familie Traoré erzählt. Sie wurde u.a. mit dem Prix de l'Académie Française, dem Prix Marguerite Yourcenar sowie dem Alternativen Literaturnobelpreis ausgezeichnet. 2020 wurde ihr in Frankreich der nationale Verdienstorden verliehen. Maryse Condé verstarb im April 2024 im Alter von 90 Jahren.