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Sonnenstich

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
160 Seiten
Deutsch
Kampa Verlagerschienen am22.06.2023
In Tessa Hadleys Erzählungen sind es die alltäglichen Begebenheiten, die sich als außergewöhnlich erweisen: Zwei junge Mütter verbringen den Sommer mit ihren Männern und Kindern in einem Cottage auf dem Land - und beginnen beide einen Flirt mit einem befreundeten Arzt. Ein Sohn gesteht der Mutter, seine Freundin zu betrügen. Eine Studentin verkündet ihren Eltern am Küchentisch, dass sie ihren Professor heiraten wird. Ein Teenager ist zugleich überfordert und geschmeichelt von den Avancen einer verheirateten Frau, die sich am Strand dicht an ihn drängt. Mit ihrem feinen Gespür für die Bruchstellen familiärer Geborgenheit kreist Tessa Hadley in acht Erzählungen um die großen Themen des Lebens, um Freundschaft und Liebe, Sexualität und Mutterschaft. Hadley fordert ihre Figuren, reißt sie heraus aus ihrem Alltag und öffnet ihnen Wege in ein neues Leben, von dem sie selbst noch nichts ahnen. Emotional, aber nicht sentimental, und mit wachem Blick für die entscheidenden Details gibt sie tiefe Einblicke in die Komplexität menschlicher Beziehungen - und zeigt einmal mehr, dass sie eine der wichtigsten Schriftstellerinnen Großbritanniens ist.

Tessa Hadley, 1956 in Bristol geboren, wechselt zwischen zwei Rollen hin und her: Ihr »soziales Ich« kümmert sich um ihren Ehemann, ihre drei Söhne und ebenso viele Enkelkinder, während ihr »schreibendes Ich« geduldig hinter den Kulissen warten muss, bis es wieder auftreten darf. Aber das eine gäbe es nicht ohne das andere: Auch in ihrem Schreiben beschäftigt sich Hadley, wie ihre großen Vorbilder Jane Austen und Jean Rhys, mit dem Familienleben und sozialen Beziehungen. Bevor sie sich dem Schreiben widmete, arbeitete Tessa Hadley kurze Zeit - sehr unglücklich - als Lehrerin. Mit Ende dreißig studierte sie Kreatives Schreiben in Bath (wo sie heute unterrichtet) und promovierte mit einer Arbeit über Henry James. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie erst mit 46. Für ihre Romane und Kurzgeschichten erhielt sie zahlreiche Preise, 2009 wurde sie zum Fellow der Royal Society of Literature gewählt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextIn Tessa Hadleys Erzählungen sind es die alltäglichen Begebenheiten, die sich als außergewöhnlich erweisen: Zwei junge Mütter verbringen den Sommer mit ihren Männern und Kindern in einem Cottage auf dem Land - und beginnen beide einen Flirt mit einem befreundeten Arzt. Ein Sohn gesteht der Mutter, seine Freundin zu betrügen. Eine Studentin verkündet ihren Eltern am Küchentisch, dass sie ihren Professor heiraten wird. Ein Teenager ist zugleich überfordert und geschmeichelt von den Avancen einer verheirateten Frau, die sich am Strand dicht an ihn drängt. Mit ihrem feinen Gespür für die Bruchstellen familiärer Geborgenheit kreist Tessa Hadley in acht Erzählungen um die großen Themen des Lebens, um Freundschaft und Liebe, Sexualität und Mutterschaft. Hadley fordert ihre Figuren, reißt sie heraus aus ihrem Alltag und öffnet ihnen Wege in ein neues Leben, von dem sie selbst noch nichts ahnen. Emotional, aber nicht sentimental, und mit wachem Blick für die entscheidenden Details gibt sie tiefe Einblicke in die Komplexität menschlicher Beziehungen - und zeigt einmal mehr, dass sie eine der wichtigsten Schriftstellerinnen Großbritanniens ist.

Tessa Hadley, 1956 in Bristol geboren, wechselt zwischen zwei Rollen hin und her: Ihr »soziales Ich« kümmert sich um ihren Ehemann, ihre drei Söhne und ebenso viele Enkelkinder, während ihr »schreibendes Ich« geduldig hinter den Kulissen warten muss, bis es wieder auftreten darf. Aber das eine gäbe es nicht ohne das andere: Auch in ihrem Schreiben beschäftigt sich Hadley, wie ihre großen Vorbilder Jane Austen und Jean Rhys, mit dem Familienleben und sozialen Beziehungen. Bevor sie sich dem Schreiben widmete, arbeitete Tessa Hadley kurze Zeit - sehr unglücklich - als Lehrerin. Mit Ende dreißig studierte sie Kreatives Schreiben in Bath (wo sie heute unterrichtet) und promovierte mit einer Arbeit über Henry James. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie erst mit 46. Für ihre Romane und Kurzgeschichten erhielt sie zahlreiche Preise, 2009 wurde sie zum Fellow der Royal Society of Literature gewählt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783311704249
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum22.06.2023
Seiten160 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1042 Kbytes
Artikel-Nr.12055400
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Sohn seiner Mutter

Jemand sagte Christine, Alan werde wieder heiraten; die junge Frau sei halb so alt wie er. Christine glaubte, das sei ihr egal. Sie sprach kaum mit Alan in letzter Zeit; sie mussten keine Abmachungen mehr treffen wegen ihres Sohns, seit Thomas erwachsen war und selbst Abmachungen traf. Nachdem Christine bei einem Abendessen die Neuigkeit gehört hatte, war diese gleich untergegangen im Lärm des Gelächters und der Gespräche, und Christine erinnerte sich erst am folgenden Nachmittag daran, als sie zu Hause saß und schrieb.

Sie machte sich Notizen für eine Vorlesung über Romanautorinnen und die Moderne; Bücher von Rhys und Woolf und Bowen stapelten sich um sie herum, manche lagen mit dem Rücken nach oben aufgeschlagen auf dem Tisch, aus anderen lugten Papierfetzen als Lesezeichen hervor. Als ihr die Neuigkeit über Alan wieder einfiel, schreckte sie aus der Vertiefung ins Paris und Irland der zwanziger Jahre hoch und blickte sich erstaunt in ihrem realen Londoner Zimmer um: hoch und weiß und geräumig, mit gedeihenden Zimmerpflanzen und einem Bogenfenster, das die ganze Breite der Wand einnahm und bis zum Boden reichte. Die Räume der Wohnung - Schlafzimmer, Bad und Küche -, in der Christine alleine lebte, waren klein, bis auf diesen einen großen, den zentralen. Hier arbeitete sie an einem Kirschholztisch; wenn sie Gäste hatte, schob sie alle Bücher und Papiere an das eine Ende und legte am anderen die Gedecke auf. Es war März. Draußen hatte der Wind eine schiefergraue dunkle Wolkenbank aufgebauscht vor einem Stück silbrig zitronengelben Himmels, glatt und durchsichtig wie ein See; auf den Steinfassaden der Häuser gegenüber veränderte sich das Licht rasch wie wechselnde Gesichtsausdrücke.

Christines Wohnung befand sich im zweiten Stock; das Haus war eines einer ganzen Häuserreihe mit den gleichen phänomenalen Fenstern und demselben kalten Nordlicht, sie waren in den 1890er Jahren als Künstlerateliers gebaut worden. Manche, wie ihres, waren renoviert und kosteten ein Vermögen; andere waren zerfallen, geheimnisvoll und verströmten eine Aura von Boheme mit Patchworkdecken, Spitzengardinen oder Satinlaken als Vorhänge in den Fenstern. Im Zimmer waren das Wetter und das Licht in intimem Maße präsent; es gab zwar lange weiße Gardinen, doch Christine zog sie selten zu: Statt gegen das Drama draußen abzuschirmen, schienen sie dort vielmehr gewaltige Präsenzen heraufzubeschwören. Es war schwierig gewesen, Bilder für die Wände auszuwählen; letztendlich hatte Christine ein paar Drucke von Mondrian-Zeichnungen aufgehängt. Nichts anderes war ihr ruhig genug vorgekommen.

Die Türklingel ertönte, und in Strümpfen ging Christine zur Gegensprechanlage.

»Mum? Ich bin´s, Thomas.«

 

Sie machte Kaffee für beide, maß hastig das Pulver ab und holte vor lauter Freude über seinen Besuch eilig die Tassen heraus und um möglichst schnell zu ihrem Sohn, ihrem einzigen Kind, zu gelangen, der sich auf den niedrigen weißen Lehnstuhl vor dem Fenster gefläzt hatte. Sie stellte Milch und Zucker aufs Tablett und war froh, dass sie teure Schokoladenkekse gekauft hatte. Sie fand einen Aschenbecher: Niemand sonst durfte in ihrer Wohnung rauchen. Aus irgendeinem Grund wählte Thomas immer diesen Sessel und lehnte seinen Kopf dann so weit zurück, dass sich seine ganze unwahrscheinliche Länge (er war eins dreiundneunzig) fast horizontal ausstreckte. Er kreuzte die Beine auf Knöchelhöhe und blickte stirnrunzelnd auf seine Füße.

Die steckten in kaputten alten Turnschuhen, nicht den Brogues, die er zur Arbeit trug. Sein ungebügeltes kakifarbenes Hemd steckte nur zur Hälfte in der Hose. Christine, die Uniformen hasste, schämte sich fast dafür, wie gut er ihr in den Anzügen mit Krawatte gefiel, die er zur Arbeit tragen musste. Aber sie mochte es auch sehr, wenn er auf seine zerknitterten, abgetragenen alten Kleider zurückgriff, aus denen zuverlässig Jugend und Schönheit hervorleuchteten. Dabei sah Thomas eigentlich merkwürdig aus mit seiner krummen Nase und dem großen schlaffen Mund. Er hatte sein gelbbraunes Haar schon länger nicht mehr schneiden lassen; seine Haut war empfindlich gerötet, wo Wangenknochen und Kinnpartie im Kampf mit kindlicher Weichheit waren. Unter seinen schweren Lidern hervor blinzelten die braun gefleckten grünen Augen träge wie Alans. Wenn Christine in letzter Zeit an Alan dachte (sie hatte ihn in den vergangenen zwanzig Jahren nicht mehr als fünf- oder sechsmal gesehen), dann immer nur, wenn Thomas´ Ähnlichkeit mit ihm sie überrumpelte.

»Wie ich höre, heiratet dein Vater wieder.«

»Wer hat dir das gesagt?« Seine Miene verriet einen Anflug von Besorgnis, es könnte ihr etwas ausmachen.

»Jemand, der Laura kennt. Die arme Laura.«

Laura war Alans erste Frau, mit der er während seiner Affäre mit Christine vor so vielen Jahren verheiratet gewesen war. Laura hatte Thomas immer bei sich willkommen geheißen, auch als Alan ein zweites Mal fremdgegangen war und dann ein drittes und schließlich endgültig wegblieb. Thomas stand seinen Halbgeschwistern nahe und bewältigte elegant einen ganzen Komplex von Loyalitäten.

»Ich glaube, Laura geht es gut«, sagte er. »Ich glaube, mittlerweile ist ihr ziemlich egal, was Dad so treibt.«

Das war ihr bei dem Abendessen anders berichtet worden.

»Ich hab gehört, die Frau, die er heiratet, ist jung genug, um seine Tochter zu sein.«

Thomas konnte sich ein verschwörerisches Lächeln nicht verkneifen. Er war schnell belustigt. »Du weißt ja, wie er ist.«

»Hast du sie kennengelernt?«

»Sie ist okay. Ich glaube, sie weiß, worauf sie sich einlässt. Aber, wie soll ich sagen? Ich glaube, es sind nicht ihre intellektuellen Fähigkeiten, auf die er abfährt. Ich dachte, du bist heute vielleicht an der Uni«, fuhr er fort. »Ich bin auf gut Glück hergekommen.«

»Donnerstags arbeite ich meist zu Hause. Warum bist du nicht im Büro?«

»Ich hab dort angerufen und gesagt, ich sei krank. Ich habe ewig nicht mehr krankgefeiert. Aber mir geht eine Menge Zeug im Kopf herum, und ich brauche Zeit, um mal gründlich darüber nachzudenken. Und dann dachte ich, ich schau mal vorbei, damit wir über was plaudern können, das sich vor Kurzem ergeben hat.«

Christine war gerührt. Er kam selten zu ihr, um über seine Probleme zu sprechen. Genau genommen hatte es kaum je Probleme gegeben. Er war ein freundlicher, umgänglicher Junge, und seine Direktheit war angenehm, nicht anstrengend. Er richtete sich so weit auf, dass die Knie vor seinem Gesicht aufragten. Er rührte zwei Löffel Zucker in den Kaffee und aß Schokoladenkekse.

»Geht es um deinen Vater und diese Hochzeit?«

»Ach was. Das ist mir ehrlich gesagt schnuppe. Ich freue mich sogar für ihn.«

»Die Arbeit?«

Er verzog das Gesicht. »Und anderes.«

Er hatte im Jahr zuvor sein Studium in Oxford abgeschlossen und arbeitete seitdem als Assistent einer Labour-Parlamentarierin, keiner besonders wichtigen. Er machte Fotokopien, kümmerte sich um die Ablage und beantwortete Wähleranfragen mit Formbriefen; doch geplant war, dass sich daraus etwas Größeres und Besseres ergeben sollte, eine Art politische Karriere. Das war aber nur so eine Idee, die ausprobiert wurde. Thomas wusste nicht, ob er wirklich eine politische Karriere einschlagen wollte. Christine glaubte, er könnte dafür zu empfindsam, zu gewissenhaft sein. Aber sie war auch stolz auf seinen Realismus, dass er unsentimental darüber nachdachte, wie man Macht erlangen und etwas verändern konnte.

»Ich bin in etwas Blödes reingeraten«, sagte Thomas, »mit Anna.«

»Ach ja?«

Er fischte Tabak und Zigarettenpapiere aus einer Tasche und benutzte seine Knie als Ablagefläche.

»Es hat sich irgendwie was ergeben mit einer anderen.«

»Oh.«

Er erzählte ihr von einer jungen Frau, die er bei der Arbeit kennengelernt hatte. Zuerst habe er sie überhaupt nicht gemocht, sie sei ihm eingebildet vorgekommen. Aber dann hätten sie gemeinsam an einem Projekt gearbeitet, und da habe er sie viel besser kennengelernt. Er könne mit ihr so reden, wie er noch nie mit jemandem geredet habe. Sie sei sehr intelligent. Aber sie sei nicht gut aussehend, nicht wie Anna.

»Sie ist ziemlich mollig«, sagte er. »Nicht dick. Üppig. Und sie hat unordentliche schwarze Haare. Lange.«

Sein eigenes Haar hing ihm ins Gesicht, während er seine Zigarette drehte, sodass Christine seine Mimik nicht entziffern konnte. Doch sie hörte, dass seine Stimme belegt war vor jener Aufregung, die zur ersten Verliebtheit gehört und sich nie verhehlen lässt, selbst wenn man ganz gewöhnliche Dinge über den geliebten Menschen sagt.

»Das Schlimmste ist«, sagte er, während er sich das Haar aus dem Gesicht schüttelte und sie offen anblickte, »das heißt, nein, nicht das Schlimmste. Aber die beiden haben denselben Namen. Fast jedenfalls. Sie heißt Annie.«

Christine lachte unwillkürlich auf.

»Eben«, sagte er, »scheiße, was?« Er stimmte in ihr Gelächter ein. »Die beiden Anns.«

»Hast du es Anna gesagt?«

Er schüttelte den Kopf. »Zuerst hab ich geglaubt, da sei ... nichts. Nichts, worüber sie sich Sorgen machen muss.«

»Aber da ist was?«

Er zuckte mit den Schultern und drehte die Handflächen hilflos nach oben, während er die Augen zukniff gegen den Rauch der Selbstgedrehten, die in seinem Mund wippte. Woher sollte er das wissen? So etwas war ihm noch nie passiert.

Christine empfand das Bedürfnis, Anna zu schützen, obwohl sie schon öfter gedacht hatte, sie sei zu lieb und langweilig für Thomas....
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Autor

Tessa Hadley, 1956 in Bristol geboren, wechselt zwischen zwei Rollen hin und her: Ihr »soziales Ich« kümmert sich um ihren Ehemann, ihre drei Söhne und ebenso viele Enkelkinder, während ihr »schreibendes Ich« geduldig hinter den Kulissen warten muss, bis es wieder auftreten darf. Aber das eine gäbe es nicht ohne das andere: Auch in ihrem Schreiben beschäftigt sich Hadley, wie ihre großen Vorbilder Jane Austen und Jean Rhys, mit dem Familienleben und sozialen Beziehungen. Bevor sie sich dem Schreiben widmete, arbeitete Tessa Hadley kurze Zeit - sehr unglücklich - als Lehrerin. Mit Ende dreißig studierte sie Kreatives Schreiben in Bath (wo sie heute unterrichtet) und promovierte mit einer Arbeit über Henry James. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie erst mit 46. Für ihre Romane und Kurzgeschichten erhielt sie zahlreiche Preise, 2009 wurde sie zum Fellow der Royal Society of Literature gewählt.