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tolino mediaerschienen am01.07.2023
In dieser Anthologie ist eine kleine Auswahl an phantastischen Erzählungen namhafter deutschsprachiger Autoren der Phantastischen Literatur wie Hans Joachim Alpers, Hubert Haensel, Antje Ippensen, Marten Munsonius, Monika Niehaus, Michael Siefener, Rolf Stolz, Ernst Vlcek, Karla und Jörg Weigand sowie des französischen Autors Julien Marsac enthalten. In ihr spiegelt sich die Bandbreite dieses Genres wider. Sie enthält Illustrationen von Björn I. Craig.
Ein Muss für jeden Fan der Phantastischen Literatur ...


Ein hervorragendes Autorenteam ist in dieser Anthologie Phantastischer Literatur vereint.
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Produkt

KlappentextIn dieser Anthologie ist eine kleine Auswahl an phantastischen Erzählungen namhafter deutschsprachiger Autoren der Phantastischen Literatur wie Hans Joachim Alpers, Hubert Haensel, Antje Ippensen, Marten Munsonius, Monika Niehaus, Michael Siefener, Rolf Stolz, Ernst Vlcek, Karla und Jörg Weigand sowie des französischen Autors Julien Marsac enthalten. In ihr spiegelt sich die Bandbreite dieses Genres wider. Sie enthält Illustrationen von Björn I. Craig.
Ein Muss für jeden Fan der Phantastischen Literatur ...


Ein hervorragendes Autorenteam ist in dieser Anthologie Phantastischer Literatur vereint.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783757950811
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.07.2023
Seiten85 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3925
Artikel-Nr.12208297
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Die Schuhe

 

von Hans Joachim Alpers 

 

 

Als die dänische Polizei nicht weiterkam, hatte sich jemand an Hauke Brodersen erinnert.

»Was hältst du davon?«, fragte Kjeld Borg den Deutschen und deutete auf die Schuhe. Er sprach sehr gut Deutsch, wenn auch mit deutlichem Akzent.

Brodersen, der die dänische Aussprache deutscher Wörter liebte, ließ sich Zeit mit der Antwort. Langsam umrundete er den Fundort. Ein milchfarbener Eimer aus Kunststoff mit verrostetem Henkel. Strandgut, wie man es an jedem Nordseestrand finden kann. Jemand hatte ihn aufgelesen, zu den Dünen getragen, umgestülpt und mit drei dicken, ebenfalls am Strand gefundenen Steinen beschwert. Eine Landboje, eine Markierung, um den Ort wieder zu finden. Oder ihn von anderen finden zu lassen. Rund um den Eimer herum standen sieben Paar Sportschuhe, große und kleine, mehr oder weniger abgetragen, alle ordentlich ausgerichtet, die Spitzen zum Meer zeigend. Hinzu kam ein einzelner weißer Schuh, an den Seiten rot abgesetzt, mit ebenso roten Schnürsenkeln versehen und für einen eher zierlichen Fuß bestimmt. Er lag schräg im Sand, als hätte der Träger oder die Trägerin zu lange getrödelt und nicht mehr die Zeit gehabt, dem peniblen Beispiel der anderen zu folgen.

Brodersen deutete auf diesen Schuh. »Wo ist der zweite?«

Der junge Inspektor, der aus Ringkøbing gekommen war, zuckte die Achseln. »So haben wir das Ganze vorgefunden.«

»Vielleicht haben sich ein paar Leute einen Scherz erlaubt. Aus einer Bierlaune heraus.« Er glaubte nicht wirklich daran. Einige der Schuhe waren fast neuwertig und trugen Markennamen wie Nike, Adidas oder Reebok. Wer kam schon auf die Idee, Schuhe im Wert von sechzig oder siebzig Euro pro Paar zu opfern, um anderen ein Rätsel aufzugeben?

»Aber acht deutsche Touristen sind spurlos verschwunden«, widersprach Borg.

Brodersen nickte. Er war vor seiner Pensionierung als Kommissar in Niebüll tätig gewesen und hatte sich nach dem Anruf der Dänen von den früheren Kollegen über den Fall informieren lassen. Vier miteinander befreundete Paare aus Dortmund und Essen, die in der Nähe von Nymindegab zwei Ferienhäuser gemietet hatten, galten als vermisst. Ihre Sachen befanden sich noch in den Ferienhäusern, und ihre Autos standen davor. Nur der totalen Nachrichtensperre der dänischen Polizei war es zu verdanken, dass sich die Medien noch nicht über den Fall hergemacht hatten. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis es zwischen Nymindegab und Hvide Sande von Journalisten und Fernsehteams nur so wimmeln würde.

Hauke Brodersen schaute zu den Dünen empor, dann den weißgelben Strand hinab zur Nordsee. Schaumgekrönte Wellen wurden vom Westwind herangepeitscht, brachen sich an unterseeischen Sandbänken und brandeten gegen das Land. Ihr stetiges Rauschen und das Geschrei von darüber kreisenden beutehungrigen Möwen waren die einzigen Geräusche. Der Strand lag fast ausgestorben da. Nur in der Ferne waren ein paar Wanderer in dicken Jacken unterwegs. Es war ein kalter Apriltag, an dem es nur die Liebhaber einer rauen Natur an die Nordseeküste trieb. Die nur gelegentlich aus den Wolken hervorlugende Sonne stand bereits tief im Westen.

»Wie seid ihr auf mich gekommen?«, fragte er beiläufig, obwohl er die Antwort bereits kannte.

»Du giltst als ...« - der blonde Däne suchte nach einem Wort - »... Spezialist für ungewöhnliche Lösungen.«

Das war eine freundliche Umschreibung. Brodersen konnte sich an frühere Kollegen und Vorgesetzte erinnern, die ihn schlicht als Spinner bezeichnet hatten. »UFO-Hauke« oder »Mister Lovecraft« waren andere Bezeichnungen, die auf sein Interesse an Phänomenen abzielten, die mit dem vorherrschenden Weltbild nicht im Einklang standen. Aber er hatte einige Fälle gelöst, an denen Kommissariate in Kiel und Hamburg gescheitert waren, und sich damit Respekt verschafft. Unvoreingenommenheit und Phantasie hatten ihm dabei geholfen. Er hatte sich den Ruf erworben, manchmal Dinge zu sehen, die anderen verborgen blieben.

Borgs Handy meldete sich mit Abbas »Waterloo«. Brodersen unterdrückte ein Lächeln. Borg war eigentlich viel zu jung für Abba, und obendrein war Abba eine schwedische Gruppe gewesen. Aber vielleicht hatte der Inspektor Fernsehaufzeichnungen von der Gruppe gesehen und war dem erotischen Charme der damals noch jungen Agneta erlegen. Im Übrigen hielten die Skandinavier, ob jung oder alt, immer zusammen. Selbst bei Handy-Melodien.

Brodersen kroch tiefer in seine kittfarbene Windjacke und zog den Reißverschluss noch etwas höher. Ihm war kalt in dem frischen Nordseewind, aber gleichzeitig genoss er ihn. Mehrere Möwen stritten sich um eine Beute, die von den Wellen an den Strand getrieben worden war, und teilten nach allen Seiten Hiebe gegen Fresskonkurrenten aus.

Der Inspektor sprach in das Handy. Brodersen konnte genug Dänisch, um zu verstehen, dass der Inspektor ein Dienstgespräch führte, bei dem es um einen Einbruch in Ringkøbing ging.

»Es tut mir leid«, sagte Borg, als er das Gespräch beendet hatte, »aber ich muss mich um einen anderen Fall kümmern. Du hast meine Nummer und kannst mich jederzeit anrufen, wenn du zu neuen Erkenntnissen gekommen bist oder Unterstützung benötigst. Wenn du es wünschst, kann ich dir auch einen Kollegen aus Hvide Sande zur Seite stellen.«

Brodersen winkte ab. »Freundlich gemeint, aber im Moment nicht nötig. Ich weiß nicht, was man sich alles über mich erzählt, aber ich bin kein Zauberer, nicht einmal ein Sherlock Holmes. Ein umgestülpter Eimer, siebeneinhalb Paar Schuhe, verschwundene Touristen - das ist für mich genauso merkwürdig wie für jeden anderen auch. Ich möchte mich ein bisschen in der Gegend umschauen. Wurde der Strand abgesucht?«

»Ja, von Soldaten aus der Kaserne von Nyminde gab. Wir haben das Ganze als Übung deklariert, um kein größeres Aufsehen zu erregen. Es wurde nichts gefunden, das mit dem Fall im Zusammenhang stehen könnte.«

»Keine Kleidungsstücke?«, hakte Brodersen nach. »Auch nicht in den Dünen?« Ihm war in den Sinn gekommen, dass die Besitzer der Schuhe vielleicht andernorts den Rest der Kleidung abgelegt hatten, um im Meer zu baden, und dabei ertrunken waren. Angesichts der Temperaturen fröstelte ihn bei dem Gedanken, aber es gab schließlich Leute, die sogar Spaß daran fanden, in Eislöchern zu baden. Dass allerdings acht Menschen zur gleichen Zeit bei nicht sonderlich stürmischem Wetter ertranken, war wenig wahrscheinlich. Und da keine Leichen angetrieben worden waren, erschien das Ganze noch unwahrscheinlicher.

»Nichts dergleichen. Nicht am Strand, nicht in den Dünen und auch nicht im Hinterland.«

Als Brodersen keine weiteren Fragen stellte, verabschiedete sich der Inspektor und stiefelte die Dünen hinauf. Der kleine, etwas rundlich wirkende Däne hatte damit sichtlich einige Mühe und wurde zur Kuppe hin immer langsamer. Brodersen, vierzig Jahre älter und vorhin auf dem gleichen Weg gehörig ins Schnaufen geraten, stellte es mit einer gewissen Befriedigung fest.

Allein mit sich und seinem Fall, setzte sich Brodersen in den Sand und sah zur See. Die Möwen balgten sich immer noch kreischend um die angespülte Beute. Brodersen fühlte sich leicht und entspannt, wenn auch ein bisschen müde. An alldem mochte die Nordseeluft ihren Anteil haben. Aber er gestand sich ein, dass zumindest die Müdigkeit auch mit seinem Alter zu tun haben konnte. Nur mühsam gelang es ihm, sich zu konzentrieren.

In seiner Zeit als Polizist hatte er Material über alle unaufgeklärten Fälle in Norddeutschland gesammelt, die einen mysteriösen Hintergrund hatten, und er ließ sie Revue passieren.

1967 war eine vierköpfige Familie bei einem Badeurlaub auf Langeoog verschwunden. Zeugen hatte laute Hilfeschreie in der See gehört, aber das war auch schon alles. Die Leichen der Eltern und ihrer beiden Kinder wurden niemals gefunden.

1973 war ein Schwimmer bei dem Versuch, den Ärmelkanal in neuer Rekordzeit zu durchqueren, vom Kurs angekommen, plötzlich abgesackt und ertrunken. Es war der einzige Fall, zu dem es Filmmaterial gab, aufgenommen von einem Fernsehjournalisten an Bord eines Hubschraubers. Leider war die Sicht durch plötzlich aufkommenden Nebel beeinträchtigt gewesen. Man sah nur schemenhaft, dass der Schwimmer plötzlich erstarrte und im nächsten Moment verschwunden war. Vielleicht hatte er einen Herzinfarkt erlitten. Oder etwas anderes. Die Leiche wurde nicht gefunden.

1987, 1988 und 1994 verschwanden Segelboote bei gutem Wetter mit ihren Besatzungen in der Nordsee, und es wurden nur Bootstrümmer angespült. Die Leichen wurden nicht gefunden.

Der seltsamste Fall ereignete sich 2001 auf einer vor Helgoland liegenden Hochseeyacht. Zwei Männer und eine Frau, die auf dem Schiff zu Gast waren und sich nur flüchtig kannten, hatten sich während des Essens plötzlich erhoben, sich wie in Trance nackt ausgezogen, waren gleichzeitig über Bord gesprungen und ins Meer hinausgeschwommen. Eine Suchaktion blieb erfolglos. Die Leichen wurden nicht gefunden. Man schob die Sache auf Drogenkonsum, obwohl es dafür keine konkreten Hinweise gab.

Brodersen hatte die kompletten Ermittlungsergebnisse zu all diesen Fällen gelesen, nicht nur die auf das vermeintlich Wesentliche konzentrierten Abschlussberichte. Dabei war ihm aufgefallen, dass es fast immer als nicht wichtig eingestufte Zeugenaussagen über Wetterphänomene gab: plötzlich auftretender Nebel, Gewitter, dunkle Wolkenfronten, Sturmböen. Dies alles war völlig unerklärlich inmitten gänzlich anderer Wetterlagen passiert und auf ein kleines Gebiet beschränkt...
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