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Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am16.03.20201
Das 20. Jahrhundert sei ohne Hannah Arendt gar nicht zu verstehen, schrieb der Schriftsteller Amos Elon. Arendt prägte maßgeblich zwei für die Beschreibung des 20. Jahrhunderts zentrale Begriffe: Totalitarismus und Banalität des Bösen. Das liegt auch daran, dass Arendts Urteile selten unwidersprochen blieben. Der Band folgt ihrem Blick auf das Zeitalter totaler Herrschaft, Antisemitismus, die Lage von Flüchtlingen, die Erblasten der Nachkriegszeit, den Eichmann-Prozess, das politische System und die Rassentrennung in den USA, Zionismus, Feminismus und Studentenbewegung. Mit Beiträgen unter anderem von Micha Brumlik, Ursula Ludz, Jerome Kohn, Wolfram Eilenberger, Barbara Hahn, Thomas Meyer und Ingeborg Nordmann.

Die Herausgeber Monika Boll ist Philosophin und Kuratorin. Sie kuratierte unter anderem Ausstellungen zur Frankfurter Schule, Marcel Reich-Ranicki und Fritz Bauer. Kuratorin der Ausstellung 'Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert'. Dorlis Blume ist Fachbereichsleiterin Sonderausstellungen und Projekte, Deutsches Historisches Museum, Berlin. Raphael Gross ist Präsident des Deutschen Historischen Museums, Berlin.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR18,99

Produkt

KlappentextDas 20. Jahrhundert sei ohne Hannah Arendt gar nicht zu verstehen, schrieb der Schriftsteller Amos Elon. Arendt prägte maßgeblich zwei für die Beschreibung des 20. Jahrhunderts zentrale Begriffe: Totalitarismus und Banalität des Bösen. Das liegt auch daran, dass Arendts Urteile selten unwidersprochen blieben. Der Band folgt ihrem Blick auf das Zeitalter totaler Herrschaft, Antisemitismus, die Lage von Flüchtlingen, die Erblasten der Nachkriegszeit, den Eichmann-Prozess, das politische System und die Rassentrennung in den USA, Zionismus, Feminismus und Studentenbewegung. Mit Beiträgen unter anderem von Micha Brumlik, Ursula Ludz, Jerome Kohn, Wolfram Eilenberger, Barbara Hahn, Thomas Meyer und Ingeborg Nordmann.

Die Herausgeber Monika Boll ist Philosophin und Kuratorin. Sie kuratierte unter anderem Ausstellungen zur Frankfurter Schule, Marcel Reich-Ranicki und Fritz Bauer. Kuratorin der Ausstellung 'Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert'. Dorlis Blume ist Fachbereichsleiterin Sonderausstellungen und Projekte, Deutsches Historisches Museum, Berlin. Raphael Gross ist Präsident des Deutschen Historischen Museums, Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492996501
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum16.03.2020
Auflage1
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse53809 Kbytes
Artikel-Nr.5075043
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Einleitung

Das 20. Jahrhundert sei ohne Hannah Arendt gar nicht zu verstehen, meinte der Schriftsteller Amos Elon. Arendt prägte jedenfalls maßgeblich zwei Begriffe: »totale Herrschaft« und »Banalität des Bösen«. Insbesondere Letzterer hat zu heftigen internationalen Kontroversen geführt. Arendts Urteile sind überhaupt selten unwidersprochen geblieben. Das zeigt, wie eigen jeweils ihre Form des Urteilens war. Und das hat uns dazu motiviert, sie ins Zentrum einer Ausstellung über die politische Geschichte des 20. Jahrhunderts zu stellen. Der vorliegende Essayband begleitet diese Ausstellung des Deutschen Historischen Museums, Berlin.

Eine Beschäftigung mit Hannah Arendt ist immer auch eine mit politischer und historischer Urteilskraft. Der Begriff stammt von Kant. Heute verbindet er sich mit der wichtigsten politischen Denkerin des 20. Jahrhunderts. Aber anders als bei Kant ist Urteilskraft für Arendt kein ästhetisches, sondern ein politisches Vermögen. Arendt ging es um nicht weniger als um die Bedingungen des politischen Handelns und Urteilens im säkularen Zeitalter, das über keinen absoluten Wahrheitsbegriff als Richtschnur des Handelns mehr verfüge. Deshalb hatte die Frage nach dem politischen und historischen Urteilsvermögen für sie einen so hohen Stellenwert. In diesem Sinn sprach Arendt von einem »Denken ohne Geländer«, auf das wir in der Beurteilung historischer Ereignisse angewiesen seien. Ganz prinzipiell steht damit auch die Ausbildung von Urteilskraft im Fokus historischer Museen.

Die Herausforderung des »Denkens ohne Geländer« stellte sich Hannah Arendt nicht zuletzt persönlich. Seit ihrer Flucht aus Deutschland äußerte sie sich immer wieder als öffentliche Intellektuelle zu aktuellen Ereignissen und löste oft heftige Kontroversen aus. Ihre scharfen Urteile - etwa über totale Herrschaft, Antisemitismus, die Lage von Flüchtlingen, die Erblasten der Nachkriegszeit, die Atombombe, den Eichmann-Prozess, das politische System und die Rassentrennung in den USA, Zionismus, Feminismus und Studentenbewegung - sorgen weiter für Aufsehen. Die Ausstellung wie das Buch folgen Arendts Blick auf das Zeitalter und stellen Werk und Leben vor, das selbst die Geschichte des 20. Jahrhunderts spiegelt. Im Zentrum steht nicht die Philosophin, sondern Arendt als Intellektuelle, die das Wagnis der Öffentlichkeit nicht scheute.

Der Band versammelt 19 Essays, die das 20. Jahrhundert nach zeitgeschichtlichen Schwerpunkten ordnen, welche Arendts Urteile herausgefordert haben. Überdies erhalten einige dieser Schwerpunktthemen noch einmal eine gedankliche Fokussierung durch eine kleine Sammlung genereller Statements über das Urteilen.
Jüdisches Selbstverständnis

Im Beitrag von Micha Brumlik geht es um Arendts Verhältnis zum Zionismus. Hannah Arendts Ausstieg aus der akademischen Philosophie und ihre Wende zur Politik wurde durch den wachsenden Antisemitismus Ende der 1920er Jahre ausgelöst. Sie begann sich für die säkulare Geschichte des Judentums zu interessieren. Damit einher ging auch ihre Beschäftigung mit dem Zionismus. Sie habe, so Brumlik, am Zionismus gewürdigt, dass er die Skepsis an der Assimilation geweckt habe. Als Legitimation für ein säkulares Nationaljudentum aber habe sie ihn heftig kritisiert.

Liliane Weissberg findet die Skepsis an der Assimilation auch in Arendts Biografie über Rahel Varnhagen bestätigt. Weissberg thematisiert außerdem die durch Flucht und Exil verzögerte Publikation von Arendts Rahel-Buch und zeigt, wie noch die erste deutsche Veröffentlichung im Jahr 1959 unter den verlängerten Kontinuitäten des Nationalsozialismus stand.

1943 veröffentlichte Arendt in einer amerikanisch-jüdischen Zeitschrift den Artikel »Wir Flüchtlinge«. Er beschreibt, neben der Dankbarkeit gegenüber dem Exilland, vor allem die Scham, die es bedeutete, Flüchtling zu sein. Der Verlust eigener finanzieller Mittel, des Berufes und der sozialen Anerkennung wurden als tiefe Demütigung erfahren. Arendts Darstellung der Lage hat nicht an Aktualität verloren. Im Essay von Thomas Meyer wird aber auch deutlich, wie Hannah Arendt aufgrund ihrer eigenen Erfahrung als Staatenlose die Idee vom »Recht, Rechte zu haben« entwickelte und damit einen Markstein im Menschenrechtsdiskurs setzte.

Chana Schütz dokumentiert Arendts Arbeit für die Jewish Cultural Reconstruction (JCR) - dabei geht es um Raub und Restitution, ein mehr als aktuelles Thema. 1949 wurde Arendt in New York Geschäftsführerin der JCR, deren Aufgabe es war, von den Nazis geraubtes Kulturgut ausfindig zu machen und in die USA und Israel zu überführen.
Totale Herrschaft

1951 erschien Arendts Buch The Origins of Totalitarianism in den USA, in dem sie Ideologie und Terror als Elemente der neuen Herrschaftsform analysierte. Felix Axster stellt das Imperialismus-Kapitel in den Mittelpunkt seines Essays. Zweifelsohne, so Axster, trug Arendts Analyse erheblich zur heutigen Debatte über die Verbindungslinien zwischen Kolonialismus und totaler Herrschaft bei. Irritierend bleibe jedoch ihre enge Anlehnung an Joseph Conrads Roman Herz der Finsternis und seine Beschreibung der Kolonisierten als schattenhafte »Gespensterwelt«.

Arendts Sichtweise auf Nationalsozialismus und Stalinismus als zwei Varianten totaler Herrschaft hat ihr bei westlichen Linksintellektuellen oft das Adjektiv »konservativ« eingetragen. So begrüßte Arendt den Aufstand in Ungarn 1956 als poststalinistische spontane Revolution im Namen der Freiheit. Stefan Auer fragt nach der Beziehung dissidenter Intellektueller in Mittel- und Osteuropa zu Arendts Totalitarismus-Theorie und lässt Arendts Urteile über die Protestbewegung in Ungarn 1956 vor den Ereignissen von 1989 Revue passieren.
Die Nachkriegszeit

Für Hannah Arendt war ein Leben in Deutschland nach dem Holocaust bald undenkbar geworden. Ihr Interesse an den politischen Entwicklungen blieb jedoch groß. Marie Luise Knott beschreibt, mit welchen zwiespältigen Gefühlen Hannah Arendt den Deutschen bei ihrem ersten Besuch 1949 begegnete und unter welchen Bedingungen ihr allein das Schreiben für eine deutsche Zeitschrift möglich schien.

Es blieb jedoch nicht bei diesem einen Besuch: Bis in die 1970er Jahre unternahm Arendt 14 weitere ausgedehnte Reisen nach Deutschland und Europa. Ingeborg Nordmann beleuchtet die Gründe und Aktivitäten. Immer wieder wurde Arendt zu Vorträgen an Universitäten, Rundfunkanstalten und Tagungen eingeladen wie dem Kongress für kulturelle Freiheit in Berlin, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt oder dem Internationalen Kulturkritikerkongress in München.

Im Beitrag von Anna Pollmann geht es um den Disput zwischen Arendt und ihrem ersten Ehemann Günther Anders über die politische Bedeutung der atomaren Bedrohung Ende der 1950er Jahre. Anna Pollmann zeigt, wie sehr die spannungsgeladene Auseinandersetzung auch den unterschiedlichen Positionierungen beider im Ost-West-Konflikt geschuldet war.

Antje Schrupp reflektiert in ihrem Statement, warum Urteilen ein persönliches Wagnis ist und warum es vom Meinen und Wissen zu unterscheiden ist.
Die Vereinigten Staaten

1951 erhielt Hannah Arendt die amerikanische Staatsbürgerschaft. Dies war alles andere als eine Formalie für sie. Arendt war eine ebenso große Bewunderin der Amerikanischen Revolution wie eine scharfe Kritikerin der amerikanischen Verhältnisse der 1950er und 1960er Jahre. Antonia Grunenberg setzt beides in eine Beziehung und zeigt, wie sehr Arendts rigorose Ablehnung der amerikanischen Massengesellschaft wie auch des Vietnamkriegs rückgebunden blieb an das republikanische Gründungsideal, in dem der Staat nicht von der Nation und die Politik nicht von der Gesellschaft dominiert ist.

Jerome Kohn berichtet in seinem Statement, wie Hannah Arendt ihren amerikanischen Studierenden Kants Kritik der Urteilskraft näherbrachte, indem sie diese mit den Vorbereitungen für eine Dinnerparty verglich.

Eine der heftigsten Diskussionen, die Arendt in den USA auslöste, betraf die Politik der Rassentrennung. Nachdem der Supreme Court über ihre Aufhebung an öffentlichen Schulen entschieden hatte, kam es 1957 an der High School von Little Rock in Arkansas zu Ausschreitungen, bei denen schwarze Schülerinnen und Schüler von Weißen am Betreten der Schule gehindert wurden. Daraufhin entsandte die Regierung die Nationalgarde. Die öffentliche Meinung sprach sich mehrheitlich für den Einsatz aus. Nicht so Hannah Arendt. Geradezu genüsslich provokant warnte sie vor staatlicher Einmischung in Schulfragen. Eine Debatte, so Roger Berkowitz, die immer noch aktuell ist.

In den Themenkreis »Hannah Arendt und die USA« gehört auch der Beitrag von Barbara Hahn. Sie reflektiert in ihrem Essay über Arendts Schreiben in deutscher und englischer Sprache. Hahn belegt, wie wichtig für Arendt bis zuletzt die Unterscheidung von Muttersprache und Sprache des Exils blieb, weil sie die Unterscheidung zweier ganz unterschiedlicher kultureller Kontexte einschloss.
Juristische Aufarbeitung der NS-Vergangenheit

Berühmter als alle ihre anderen Bücher wurde Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen. Das liegt auch daran, dass es bis heute das umstrittenste ist. Im Frühjahr 1961 reiste Arendt im Auftrag der Zeitschrift The New Yorker zum Eichmann-Prozess nach Jerusalem. Werner Renz rekonstruiert die Kontroverse, die Arendts Bericht in Amerika, Israel und Deutschland auslöste. Neben den Hauptpunkten ihrer Kritiker, die Arendts Charakterisierung Eichmanns als banal und ihr Urteil über das Verhalten jüdischer Funktionäre infrage stellten,...
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Die HerausgeberMonika Boll ist Philosophin und Kuratorin. Sie kuratierte unter anderem Ausstellungen zur Frankfurter Schule, Marcel Reich-Ranicki und Fritz Bauer. Kuratorin der Ausstellung "Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert".Dorlis Blume ist Fachbereichsleiterin Sonderausstellungen und Projekte, Deutsches Historisches Museum, Berlin.Raphael Gross ist Präsident des Deutschen Historischen Museums, Berlin.