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Das Buch Ruth

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
250 Seiten
Deutsch
Juedischer Verlagerschienen am30.10.20221. Auflage
»Wo Du hingehst, da will auch ich hingehen, wo du bleibst, da bleibe ich auch« - Millionen Ehepaare wählen diesen Satz aus dem Buch Ruth zu ihrem Trauspruch. In diesem Buch von Ilana Pardes erfahren wir etwas über den religiösen und kulturellen Hintergrund dieses einen Satzes über viele Jahrhunderte. Die israelische Literaturwissenschaftlerin erklärt das rabbinische Lob Ruths als exemplarische Verwandlung und ihren moabitischen Hintergrund mit ihrer Erlösungskraft. Sie betrachtet die pastoralen Bilder Ruths in der französischen Malerei der frühen Moderne, auf denen sie Ährenbündel in der Hand hält. Aber auch zeitgenössische Darstellungen Ruths in der Literatur, der Fotografie und im Film als Fliehende und Vertriebene bezieht Pardes in ihre Betrachtung mit ein. Die vielfältige Wiederkehr von Ruth enthüllt nicht nur Wesentliches über die jeweiligen Zeiten, sondern beleuchtet auch den Ursprung: das Buch Ruth in der Bibel.


Ilana Pardes ist Katharine-Cornell-Professorin für Vergleichende Literaturwissenschaft und Direktorin des Zentrums für literarische Studien an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Zuletzt erschienen von ihr das vielbeachtete Buch Countertraditions in the Bible. A Feminist Approach und The Song of Songs. A Biography.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR20,99

Produkt

Klappentext»Wo Du hingehst, da will auch ich hingehen, wo du bleibst, da bleibe ich auch« - Millionen Ehepaare wählen diesen Satz aus dem Buch Ruth zu ihrem Trauspruch. In diesem Buch von Ilana Pardes erfahren wir etwas über den religiösen und kulturellen Hintergrund dieses einen Satzes über viele Jahrhunderte. Die israelische Literaturwissenschaftlerin erklärt das rabbinische Lob Ruths als exemplarische Verwandlung und ihren moabitischen Hintergrund mit ihrer Erlösungskraft. Sie betrachtet die pastoralen Bilder Ruths in der französischen Malerei der frühen Moderne, auf denen sie Ährenbündel in der Hand hält. Aber auch zeitgenössische Darstellungen Ruths in der Literatur, der Fotografie und im Film als Fliehende und Vertriebene bezieht Pardes in ihre Betrachtung mit ein. Die vielfältige Wiederkehr von Ruth enthüllt nicht nur Wesentliches über die jeweiligen Zeiten, sondern beleuchtet auch den Ursprung: das Buch Ruth in der Bibel.


Ilana Pardes ist Katharine-Cornell-Professorin für Vergleichende Literaturwissenschaft und Direktorin des Zentrums für literarische Studien an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Zuletzt erschienen von ihr das vielbeachtete Buch Countertraditions in the Bible. A Feminist Approach und The Song of Songs. A Biography.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783633774852
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum30.10.2022
Auflage1. Auflage
Seiten250 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.9096123
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1. Die Moabiterin


In der ersten Szene des Dramas sind drei Frauen, Noomi, Ruth und Orpa, unterwegs auf der Straße zwischen Moab und Bethlehem. Einzelheiten über das Aussehen oder die Kleidung dieser Frauen erfahren wir nicht. Vermutlich gingen sie in Lumpen, denn sie waren verarmt und auf dem Weg nach Bethlehem, um nicht zu verhungern. Die üblichen biblischen Zeichen für Wohlstand, lastentragende Esel und Knechte, fehlen in dieser Szene. Wie lange die Frauen unterwegs waren, ob sie mit anderen Reisenden sprachen, wissen wir nicht. Sie müssen einen außergewöhnlichen Anblick geboten haben. In biblischen Zeiten waren Frauen nur in äußersten Notlagen allein unterwegs. Die Straße war Männern vorbehalten. Wo genau befanden sich die drei, als sie miteinander sprachen? Das erfahren wir nicht. Statt uns eine erklärende Einführung zu geben, schildert die Geschichte eine Krise. Wir können uns vorstellen, dass die drei Frauen einen Augenblick lang innehalten, als Noomi zu sprechen beginnt. In schwerer Sorge um ihre Schwiegertöchter will sie offenbar nicht, dass die beiden sie weiter nach Bethlehem begleiten, und drängt sie, nach Moab zurückzukehren:

Geht hin und kehrt um, eine jede ins Haus ihrer Mutter! Der HERR tue an euch Barmherzigkeit, wie ihr an den Toten und an mir getan habt. Der HERR gebe euch, dass ihr Ruhe findet, eine jede in ihres Mannes Hause! Dann küsste sie die beiden. Da erhoben sie ihre Stimmen und weinten und sprachen zu ihr: Wir wollen mit dir zu deinem Volk gehen. Aber Noomi sprach: Kehrt um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen? Wie kann ich noch einmal Kinder in meinem Schoße haben, die eure Männer werden könnten? Kehrt um, meine Töchter, und geht hin; denn ich bin nun zu alt, um wieder einem Mann zu gehören. Und wenn ich dächte: Ich habe noch Hoffnung!, und diese Nacht einem Mann gehörte und Söhne gebären würde, wolltet ihr warten, bis sie groß würden? Wolltet ihr euch einschließen und keinem Mann gehören? Nicht doch, meine Töchter! Mein Los ist zu bitter für euch, denn des HERRN Hand hat mich getroffen. (Ruth 1,8-13)1

Es hat keinen Sinn, sich einer alten Witwe anzuschließen, deren Schoß »leer« ist, gesteht sich Noomi unerbittlich ein. Die Söhne, die sie geboren hat, sind tot, und für einen Neuanfang ist sie zu alt. Einen Augenblick lang lässt sie ihrer Phantasie freien Lauf und stellt sich vor, noch in der gleichen Nacht einen neuen Mann zu finden und neue Söhne zu gebären. Aber dann zerstört sie das Traumbild und fragt ihre Schwiegertöchter, ob sie wirklich so absurd lange warten würden, bis diese imaginären Söhne erwachsen wären. Sie bereut, dass sie sich anfangs die Begleitung der jungen Frauen gewünscht hatte, und dankt ihnen jetzt für ihre Barmherzigkeit, die chesed, und bittet sie dringend, wieder nach Moab, in die Heimat ihrer Mütter, zurückzukehren. Sie ist physisch und psychisch am Ende und hat nichts mehr zu bieten. Ihre schonungslosen rhetorischen Fragen sollen alle Hoffnungen auf eine bessere Zukunft am Ziel dieser Reise zerschlagen. Noomi macht deutlich, dass die Migration in ein unbekanntes Land das Elend nur vergrößern und die Aussichten, dort heimisch zu werden und neue Familien zu gründen, verringern würde.

Die emotionale Intensität dieser Szene nimmt zu, als Ruth und Orpa laut weinen (Ruth 1,14). Sie weinen wohl über die Verluste und die Not, die sie teilen, aber sie weinen auch bei dem Gedanken, dass ihnen noch einmal eine Trennung bevorsteht. Orpa befolgt am Ende Noomis Rat und kehrt nach Moab zurück. Ihr Name orpa (in dem das Wort oref, »Nacken« mitschwingt) scheint auf ihren Entschluss zur Rückkehr hinzudeuten. Aber Orpa ist durchaus nicht herzlos, sie entscheidet sich nur für den Weg, der in einer Männerwelt üblich und vernünftig ist, denn in dieser Welt gehört eine Witwe zu den hilflosesten der unterprivilegierten Menschen; sie steht auf einer Stufe mit den Fremden und den Waisen.2 Auch heute mag das Leben als Witwe schmerzlich sein, schließt aber nicht notwendig den Verlust von Einkommen und Status ein. Im Kontext der Bibel ist eine Witwe jedoch per definitionem sozial und ökonomisch schutzlos. Witwe und Ausländerin zu sein, ist ohne Zweifel noch schlimmer.

Anders als Orpa lässt Ruth sich nicht abschrecken von der Aussicht auf das doppelte Unglück, das nach der Migration ins Land Juda womöglich auf sie wartet. Sie wählt den »weniger begangenen Pfad« und bleibt bei ihrer notleidenden Schwiegermutter. Ihre chesed ist offenbar mehr als die Barmherzigkeit und die Güte, die wir gewöhnlich mit dem Begriff verbinden. Die Bedeutung des Namens Ruth - hebräisch Rut - ist nicht ganz geklärt. Möglich ist eine Verbindung zum Begriff re´ut, »Freund« oder, genauer, »Gefährtin«, sodass der Name auf Ruths einzigartigen Charakter hinweist.3


Der Treueschwur auf dem Weg zwischen Moab und Bethlehem


In diesem spannungsreichen Augenblick auf der Straße, als die beiden Schwägerinnen in entgegengesetzten Richtungen weitergehen, wird Ruth als individuelle Persönlichkeit präsentiert und spricht zum ersten Mal in eigener Sache. Ihre Worte sind so voller Leidenschaft und unbeugsamer Kühnheit wie keine andere Zeile der Erzählung:

Bedränge mich nicht, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte. Wo du hingehst, da will auch ich hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der HERR tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden. (Ruth 1,16-17)

Ruths bewegender Treueschwur, sehr bekannt und reichlich zitiert, ist inzwischen womöglich so abgegriffen, dass seine Schönheit und Kraft kaum noch bemerkt werden. Vorher hatten Ruth und Orpa mit einer Stimme gesprochen (Ruth 1,10), aber jetzt, da ihre Schwägerin gegangen ist, klingt Ruth anders - sie wechselt von Prosa zu Dichtung und verwendet parallel gebaute Sätze (Parallelismus ist die häufigste Form biblischer Poesie). Das Einfügen kurzer poetischer Passagen in eine Bibelerzählung unterstreicht oft einen herausragenden Moment, eine dramatische Szene, die besondere Aufmerksamkeit verlangt.4 Ruths Gelöbnis ist ein solcher Moment. Der feierliche Parallelismus zu Beginn »Wo du hingehst, da will auch ich hingehen« bestimmt mit seiner rhythmischen Kraft und emphatischen Wiederholung den Ton der Rede. Ruths Entschluss, Noomi zu begleiten, ist bedingungslos. Das heißt, sie wird bei Noomi bleiben, auch wenn die Schwiegermutter keine rechte Unterkunft in Bethlehem findet, sie wird sich sogar dem Volk und dem Gott ihrer Schwiegermutter anschließen. Nur der Tod wird die beiden scheiden, in gewisser Weise nicht einmal er, denn Ruth ist entschlossen, selbst im Grab ihrer Schwiegermutter nahe zu sein.

Ohne ein Bekenntnis zu Noomis Gott und Volk hätte Ruths außergewöhnlicher Schwur ihr das Tor zu Bethlehem jedoch nicht geöffnet. In heutigen Migrations-Szenarien werden potenzielle Immigranten von Beamten ihres Gastlandes peinlich genau befragt, bis sichergestellt ist, dass sie die geforderten Bedingungen erfüllen. Die Heirat mit einem Bürger des Gastlandes gilt häufig als gangbarer Weg. Im Bibeltext ist die Aussicht auf Einbürgerung durch Heirat eher fragwürdig. Mischehen werden gewöhnlich verurteilt, vielleicht gibt es deshalb keine offiziellen Richtlinien. In der Praxis gilt eine Mischehe allerdings oft als zulässig - etwa Moses Ehe mit der Midianiterin Zippora oder gar Davids Tross fremdländischer Ehefrauen. Die implizite Voraussetzung dafür ist offenbar, dass ausländische Ehefrauen die monotheistische Basis des Lebens akzeptieren und bereit sind, ihre kulturelle Vergangenheit aufzugeben.

Die Töchter der Moabiter haben in dieser Hinsicht einen zweifelhaften Ruf. Als die Israeliten auf ihrer Wanderschaft endlich die Hochebenen Moabs erreichten und an der Schwelle zum Gelobten Land standen, »fing das Volk an zu huren«, mit Moabiterinnen, von denen sie verführt wurden, an...


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Autor

Ilana Pardes ist Katharine-Cornell-Professorin für Vergleichende Literaturwissenschaft und Direktorin des Zentrums für literarische Studien an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Zuletzt erschienen von ihr das vielbeachtete Buch Countertraditions in the Bible. A Feminist Approach und The Song of Songs. A Biography.