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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
170 Seiten
Deutsch
StudienVerlagerschienen am29.07.2022
Die Berechtigung des Begriffes 'Nation' wird glücklicherweise zunehmend infrage gestellt, allerdings gibt es nach wie vor ein Konstrukt, das wir 'Österreich' nennen und dem wir eine bestimmte Geschichte und - zunehmend diverse - kulturelle Identität zuschreiben. Das vorliegende Heft möchte keine Festschreibung, wohl aber eine aktuelle Befragung dieser 'Imagination Österreich' durchführen, auch wenn das ein fragmentarisches und kontingentes Unterfangen sein wird, das notwendigerweise auch immer wieder in ironischer Distanzierung zu sich selbst betrieben werden muss. Was dieses Heft dennoch leisten kann, sind Einblicke in das kulturelle Leben in Österreich, deshalb werden hier aktuelle Entwicklungen in den Bereichen Literatur, Tanz, Film und Musik gezeigt und auch in didaktischen bzw. bildungspolitischen Kontexten betrachtet. Zudem eröffnet das Heft vielfältige Perspektiven auf das Themenfeld Sprache - Identität - Zugehörigkeit und stellt damit nicht zuletzt die Frage nach der (historischen und gegenwärtigen) Konstituierung eines 'Wir'.

ide ist die Zeitschrift für den Deutschunterricht. ide hält den Dialog zwischen der Praxis in der Schule und didaktischer Forschung aufrecht. ide ist das Podium für den ständigen Erfahrungsaustausch zwischen Deutschlehrer*innen in der Praxis. ide öffnet Klassenzimmer und Konferenzräume: Informationen und Kommunikation über Praxis und Projekte, über Erfahrungen, Reaktionen, über Wünsche und Horizonte. Für alle Schultypen. Für alle Schulstufen. ide - informationen zur deutschdidaktik erscheint viermal im Jahr.
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Produkt

KlappentextDie Berechtigung des Begriffes 'Nation' wird glücklicherweise zunehmend infrage gestellt, allerdings gibt es nach wie vor ein Konstrukt, das wir 'Österreich' nennen und dem wir eine bestimmte Geschichte und - zunehmend diverse - kulturelle Identität zuschreiben. Das vorliegende Heft möchte keine Festschreibung, wohl aber eine aktuelle Befragung dieser 'Imagination Österreich' durchführen, auch wenn das ein fragmentarisches und kontingentes Unterfangen sein wird, das notwendigerweise auch immer wieder in ironischer Distanzierung zu sich selbst betrieben werden muss. Was dieses Heft dennoch leisten kann, sind Einblicke in das kulturelle Leben in Österreich, deshalb werden hier aktuelle Entwicklungen in den Bereichen Literatur, Tanz, Film und Musik gezeigt und auch in didaktischen bzw. bildungspolitischen Kontexten betrachtet. Zudem eröffnet das Heft vielfältige Perspektiven auf das Themenfeld Sprache - Identität - Zugehörigkeit und stellt damit nicht zuletzt die Frage nach der (historischen und gegenwärtigen) Konstituierung eines 'Wir'.

ide ist die Zeitschrift für den Deutschunterricht. ide hält den Dialog zwischen der Praxis in der Schule und didaktischer Forschung aufrecht. ide ist das Podium für den ständigen Erfahrungsaustausch zwischen Deutschlehrer*innen in der Praxis. ide öffnet Klassenzimmer und Konferenzräume: Informationen und Kommunikation über Praxis und Projekte, über Erfahrungen, Reaktionen, über Wünsche und Horizonte. Für alle Schultypen. Für alle Schulstufen. ide - informationen zur deutschdidaktik erscheint viermal im Jahr.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783706562706
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2022
Erscheinungsdatum29.07.2022
Seiten170 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3924 Kbytes
Artikel-Nr.9722025
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
Editorial
Ursula Esterl, Nicola Mitterer, Hannes Schweiger: Zumindest einige Fundstücke aus Österreich

Österreichische Identitäten: Einführung und Überblick
Rudolf de Cillia: Sprachen und Identitäten in Österreich
Hajnalka Nagy: Erzähl mir Österreich! Neue Fragen an ein altes Konstrukt aus literaturdidaktischer und gedächtnistheoretischer Perspektive

Literatur in und aus Österreich
Manfred Mittermayer, Ines Schütz: Themen, Bücher, Autorinnen, Autoren. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Rauriser Literaturtage zwischen 2013 und 2019
Sandra Vlasta: Mehrsprachige Gegenwartsliteratur in/aus Österreich
Hannes Schweiger im Gespräch mit Katja Gasser: mea ois wia mia. Der Auftritt Österreichs als Gastland der Leipziger Buchmesse 2023
Georg Huemer: Zur aktuellen Kinderliteratur aus Österreich. Entwicklungslinien, Herausforderungen und Chancen
Ulli Titelbach im Gespräch mit dem Schriftsteller und Literaturvermittler Michael Stavaric: "Literatur muss Verbindungen herstellen"

Film in und aus Österreich
Tina Welke, Klaus Redl: Kurzfilme in/aus Österreich. Unterschätztes Format und ambitionierte Nische für kulturelle und sprachliche Begegnungen
Volker Pietsch: Von Wärmedämmungen, Isolierungen und Verschalungen bei Häusern und Menschen. Die österreichischen Dokumentarfilme Was uns bindet (2017) und Im Keller (2014)

Stimmen in und aus Österreich
Ursula Mauric, Anja Thielmann: Global Citizenship Education (GCE) & Philosophy for Children (p4c) als methodischer Ansatz für voXmi-Schulen: Mehrsprachigkeit in p4c-Dialogues zu globalen Themen
Anna Jandrisevits: Die Chefredaktion. Medienkompetenz auf Instagram

Zum Nachhören (online)
Hannes Schweiger im Gespräch mit Renate Faistauer und Wolfgang Hackl: Das IDT-Kulturprogramm mit Blick auf seine Entwicklung in den letzten vier Jahrzehnten

Außer der Reihe
Max Brinnich: Die Praxis der Aufzeichnung. Peter Handkes Die Geschichte des Bleistifts im Literaturunterricht

Service
Stefan de Wilde: Blicke auf und aus Österreich. Bibliographische Notizen

Magazin
ide empfiehlt
Ursula Esterl: K. Gümüsay (2021): Sprache und Sein
Neu im Regal
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Leseprobe


Rudolf de Cillia
Sprachen und Identitäten in Österreich

Der Beitrag erörtert die Rolle der in Österreich gesprochenen Sprachen für Identitätskonstruktionen. Dazu werden zunächst die Sprachensituation in Österreich und die sprachgesetzlichen Bestimmungen skizziert, bevor darauf eingegangen wird, welche Bedeutung die deutsche Staatssprache, welche die österreichische Varietät des Deutschen für die in Österreich lebenden Menschen hat, welche Rollen die anerkannten Minderheitensprachen, welche die der Neuen Minderheiten spielen. Zur Beantwortung dieser Fragen werden in der Analyse sowohl die sprachenpolitischen Rahmenbedingungen als auch Befunde aus dem öffentlichen, medialen sowie halböffentlichen Diskurs herangezogen. Dabei werden Ergebnisse von Forschungsprojekten zur diskursiven Konstruktion österreichischer Identitäten und zum österreichischen Deutsch, die in den Jahren 1995 bis 2020 durchgeführt wurden, berücksichtigt.
1. Sprachen in Österreich

Die überwiegende Mehrheit der in Österreich lebenden Menschen (16,7 % davon besitzen nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, in Wien sind es sogar 30,8 %; Statistik Austria 2020) verwendet Deutsch (im Sinn der im Alltag vorwiegend verwendeten Sprache) als »Umgangssprache«.1 Aber Österreich ist wie alle europäischen Länder ein mehrsprachiges Land, einerseits durch anerkannte autochthone, gesetzlich und verfassungsmäßig anerkannte Minderheitensprachen (Slowenisch, Burgenlandkroatisch, Ungarisch, Tschechisch, Slowakisch, Romanes und die Österreichische Gebärdensprache; vgl. Bundesverfassungsgesetz [BVG] Art. 8 Abs. 2 und 3)2. Andererseits durch die nicht anerkannten neuen Minderheitensprachen wie - um nur die größten Gruppen zu nennen - die Sprachen des ehemaligen Jugoslawiens (Bosnisch, Kroatisch, Mazedonisch, Serbisch), Türkisch und Kurdisch, Polnisch, Albanisch, Rumänisch, Arabisch, Persisch und Chinesisch (vgl. dazu de Cillia u. a. 2020). Bei der letzten Volkszählung 2001 gaben ca. 88,6 Prozent der Wohnbevölkerung in Österreich an, ausschließlich Deutsch als Umgangssprache zu sprechen, 8,6 Prozent gaben Deutsch und eine andere Sprache als Umgangssprache an, 2,8 Prozent ausschließlich eine andere Sprache. Alle offiziell anerkannten autochthonen Minderheitensprachen Österreichs zusammengenommen wurden von ungefähr 1,5 Prozent genannt, ca. 4,3 Prozent der Wohnbevölkerung gaben Sprachen des ehemaligen Jugoslawiens an, ca. 2,3 Prozent Türkisch und Kurdisch. Die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) - geschätzt ca. 10.000 Sprecher*innen - scheint nicht auf, sie wurde erst 2005 anerkannt. Deutlich »deutschsprachiger« fällt das Bild aus, wenn man nur die österreichischen Staatsbürger*innen betrachtet: 2001 machten die Deutschsprachigen 95,5 Prozent aus.

RUDOLF DE CILLIA ist Professor i. R. für Angewandte Linguistik und Sprachlehrforschung am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien (https://linguistik.univie.ac.at/ueber-uns/im-ruhestand/rudolf-de-cillia/). E-Mail: rudolf.de-cillia@univie.ac.at

Grundlegend für die sprachenrechtlichen Rahmenbedingungen ist der Artikel 8 der Bundesverfassung von 1920:

Art. 8. (1) Die deutsche Sprache ist, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik.

(2) Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern.

(3) Die Österreichische Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt. Das Nähere bestimmen die Gesetze.3

Das sichert der deutschen Sprache eine besondere Stellung zu. Und Deutsch ist (mit Ausnahme von Regelungen für die autochthonen Minderheiten) Unterrichtssprache in den Schulen. Eine Bestimmung zum österreichischen Deutsch schließlich findet sich im österreichischen Beitrittsvertrag zur EU, das »Protokoll Nr. 10 über die Verwendung spezifisch österreichischer Ausdrücke der deutschen Sprache im Rahmen der Europäischen Union«. Danach sind 23 Austriazismen den entsprechenden bundesdeutschen Ausdrücken hinsichtlich Status und Rechtswirkung gleichgestellt, also zum Beispiel der Kren dem Meerrettich, das Obers der Sahne oder die Ribisel den Johannisbeeren4 (vgl. dazu de Cillia 1997, 1998, 2006).

Für die autochthonen Minderheitensprachen gibt es eine Reihe von gesetzlichen Schutzbestimmungen, von denen für die Lautsprachen neben dem oben erwähnten Paragraphen des Bundesverfassungsgesetzes vor allem der Staatsvertrag von 1955, Artikel 7, und das Volksgruppengesetz zu erwähnen sind. Der Artikel 7 sichert u. a. den »Anspruch auf Elementarunterricht5 in slowenischer oder kroatischer6 Sprache und auf eine verhältnismäßige Anzahl eigener Mittelschulen« zu (Abs. 2), die Zulassung der slowenischen und kroatischen Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache im gemischtsprachigen Gebiet und zweisprachige topographische Aufschriften (Abs. 3). Der Staatsvertrag vermeidet die Einführung des numerischen Prinzips. Das Volksgruppengesetz (VGG) vom 7. Juli 1976 allerdings führte - gegen den Willen der Angehörigen der Minderheiten - u. a. dieses numerische Prinzip ein, d. h. die Bindung der Rechte an die Zahl der Sprecher*innen. In der Schulsprachenpolitik existieren eigene Minderheiten-Schulgesetze für Kärnten und für das Burgenland, die u. a. zweisprachigen Unterricht in der Volksschule garantieren. Für die Österreichische Gebärdensprache existieren über die verfassungsmäßige Anerkennung hinaus (s. o.) (noch) keine weitergehenden bundesrechtlichen Schutzbestimmungen.

Zur Sprachenpolitik gegenüber den offiziell nicht anerkannten, in den letzten Jahrzehnten im Zuge von Arbeitsmigration und Fluchtmigration zugewanderten Minderheiten gibt es keine gesetzlichen Regelungen, die sprachliche Rechte (etwa vor Ämtern und Behörden) in der jeweiligen Minderheitensprache garantieren würden.7 Allerdings gibt es im Aufenthaltsrecht und Staatsbürgerschaftsrecht Bestimmungen, die von Anderssprachigen den Nachweis von Deutschkenntnissen mit standardisierten Tests verlangen, die nur für Angehörige von Drittstaaten (also nicht EU und EWR) gelten und die in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend verschärft wurden: Gab es 1995 noch keinerlei Bestimmungen die Staatssprache betreffend im Staatsbürgerschaftsrecht und Aufenthaltsrecht, so wurden 1998 das erste Mal Kenntnisse der deutschen Sprache als Voraussetzung für den Erwerb der Staatsbürgerschaft gesetzlich verankert (den »Lebensumständen [â¦] entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache«), ab 2006 mussten Deutschkenntnisse mit standardisierten Tests nachgewiesen werden, zunächst auf dem Niveau A2 des GER (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen), B1 seit 2011. Und im Aufenthaltsrecht müssen seit 1. Jänner 2003 Zuwandernde aus Drittstaaten eine so genannte Integrationsvereinbarung eingehen, die den Nachweis von Deutschkenntnissen für einen längerfristigen Aufenthalt verlangt. 2003 waren das Kenntnisse auf dem Niveau A1 des GER, ab 1. Jänner 2006 auf A2. Die derzeit (2022) gültige Regelung geht zurück auf das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 und verlangt A1 vor Zuzug, A2 innerhalb von zwei Jahren und B1 für dauerhaften Aufenthalt, mit dem wesentliche Rechte und Sozialleistungen verknüpft sind, innerhalb von fünf Jahren. Seit 2017 schließlich müssen Werte- und Orientierungskurse in die Curricula der Deutschkurse integriert werden.

Im Bildungssystem existieren ausführliche gesetzliche Regelungen für Schüler*innen mit anderen Erstsprachen als Deutsch - auch hier steht die Förderung der deutschen Unterrichtssprache im Vordergrund, gleichzeitig gibt es so genannten Muttersprachlichen Unterricht und ein Unterrichtsprinzip »Interkulturelle Bildung« (BMB 2017), das dafür sorgen soll, dass alle Sprachen und Kulturen in allen Unterrichtsfächern berücksichtigt werden.
2. Zur diskursiven Konstruktion von Identitäten

Das Konzept der Identität/en, das hier zugrunde gelegt wird, ist das in den eingangs angeführten großen Forschungsprojekten der Wiener Schule der Kritischen Diskursanalyse entwickelte. Öffentliche Diskurse (Politikerreden, Medientexte etc.) und halböffentliche Diskurse (Gruppendiskussionen, Interviews) aus den Gedenkund Jubiläumsjahren 1995 (50 Jahre Zweite Republik, 40 Jahre Staatsvertrag) und 2005 (60- bzw. 50-Jahr-Jubiläum) und 2015 (70- bzw. 60-Jahr-Jubiläum) wurden dabei daraufhin analysiert, wie österreichische Identitäten konstruiert werden (vgl. Wodak u. a. 1998; de Cillia/Wodak 2006; de Cillia/Wodak 2009, de Cillia u. a. 2020). Dabei gehen wir davon aus, dass es die eine österreichische nationale Identität nicht gibt, sondern dass vielmehr je nach Individuum, je nach Öffentlichkeit, nach Kontext unterschiedliche Identitäten konstruiert werden. Daher ist hier von Identität/en die Rede. Und wir gehen davon aus, dass Nationen...
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Autor

ide ist die Zeitschrift für den Deutschunterricht. ide hält den Dialog zwischen der Praxis in der Schule und didaktischer Forschung aufrecht. ide ist das Podium für den ständigen Erfahrungsaustausch zwischen Deutschlehrer*innen in der Praxis. ide öffnet Klassenzimmer und Konferenzräume: Informationen und Kommunikation über Praxis und Projekte, über Erfahrungen, Reaktionen, über Wünsche und Horizonte. Für alle Schultypen. Für alle Schulstufen.
ide - informationen zur deutschdidaktik erscheint viermal im Jahr.