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Dieser Sommer mit Jente

von
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Gerstenberg Verlag GmbH & Co. KGerschienen am01.02.20231. Auflage
Marie ist wütend: Ihre Eltern ziehen in ein Neubaugebiet. Viel lieber wäre sie in ihrem alten Zuhause in der Nähe ihrer besten Freundin Zoe geblieben. Aber schon am zweiten Tag lernt sie Jente kennen, die in ihrer neuen Straße wohnt. Von da an sind die Mädchen unzertrennlich. Eine Kuhle in einer Wiese wird zu ihrem geheimen Ort, wo sie Comics lesen, Süßigkeiten essen und in den Himmel schauen. Die beiden verbringen einen unvergesslichen Sommer. Jente hat die tollsten Ideen, oft ein wenig zu toll, bisweilen sind sie auch gefährlich ... Eine Geschichte von Freundschaft und Verrat und darüber, wie wichtig es ist, manchmal Nein zu sagen.

Enne Koens, geb. 1974 in Amsterdam, lebt heute in Utrecht. Sie schreibt Bücher für Kinder und Erwachsene, außerdem Theaterstücke, Lieder und Drehbücher. Ihr Kinderroman Ich bin Vincent und ich habe keine Angst war 2020 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und erhielt den Leipziger Lesekompass
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextMarie ist wütend: Ihre Eltern ziehen in ein Neubaugebiet. Viel lieber wäre sie in ihrem alten Zuhause in der Nähe ihrer besten Freundin Zoe geblieben. Aber schon am zweiten Tag lernt sie Jente kennen, die in ihrer neuen Straße wohnt. Von da an sind die Mädchen unzertrennlich. Eine Kuhle in einer Wiese wird zu ihrem geheimen Ort, wo sie Comics lesen, Süßigkeiten essen und in den Himmel schauen. Die beiden verbringen einen unvergesslichen Sommer. Jente hat die tollsten Ideen, oft ein wenig zu toll, bisweilen sind sie auch gefährlich ... Eine Geschichte von Freundschaft und Verrat und darüber, wie wichtig es ist, manchmal Nein zu sagen.

Enne Koens, geb. 1974 in Amsterdam, lebt heute in Utrecht. Sie schreibt Bücher für Kinder und Erwachsene, außerdem Theaterstücke, Lieder und Drehbücher. Ihr Kinderroman Ich bin Vincent und ich habe keine Angst war 2020 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und erhielt den Leipziger Lesekompass
Details
Weitere ISBN/GTIN9783836992022
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum01.02.2023
Auflage1. Auflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1389 Kbytes
Illustrationendurchgehend illustriert
Artikel-Nr.11912424
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Ich schaute hinauf zu dem Haus. Das war er also: der Ort, an dem mein neues Leben anfangen sollte. Es gab noch keinen Vorgarten. Bretter führten von der Straße bis zur Haustür. Ein Haus, so groß, dass bestimmt drei Familien darin wohnen könnten, aber niemand zum Spielen. Niemand, bei dem ich vorbeigehen und klingeln konnte. Ich hasste meine Eltern, und das Gefühl machte mir Angst. Nie zuvor war ich jemals so wütend gewesen, auf niemanden.

»Kommst du mit, Marie? Mal schauen, wie es drinnen ist«, sagte meine Mutter und sie stieg aus dem Auto.

Widerwillig öffnete ich die Tür und folgte ihr.

Vor unserem Haus stand ein riesiger Umzugswagen, seine großen Räder tief im Schlamm versunken. Die Möbelpacker hatten schon mit dem Ausladen angefangen. Einen Karton nach dem anderen schoben sie aus dem Wagen, lasen das Etikett, riefen einander Anweisungen zu und trugen alles hinein, nach hinten, nach oben, und stellten die Kartons irgendwo vor die weißen Wände.

Bis jetzt hatte ich mich geweigert, hierherzukommen. Ich hatte alle Ausflüge, die Papa und Mama vorgeschlagen hatten, abgelehnt. Wenn ich das Haus nicht sehen würde, wäre es, als sei es gar nicht da. Als sei es irgendeine Erfindung. Etwas, was Mama sich ausgedacht hatte. Wie sie manchmal auch aus dem Nichts heraus vorschlug: Wollen wir nächstes Jahr Urlaub in Florida machen? Und darüber verlor danach auch nie mehr jemand ein Wort. So konnte es auch mit diesem Haus an der Bananenstraße laufen.

Ich ging durch das Haus und sah mir nacheinander alle Zimmer an. Alles war weiß und gerade und groß. Und alles war noch ganz.

»Kann ich unters Dach ziehen?«, fragte ich Papa, als ich wieder nach unten kam.

Wir hatten abgemacht, dass ich das Zimmer vorne bekommen würde, aber das Dachzimmer war schöner.

»Nein. Das wird das Arbeitszimmer«, sagte mein Vater. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Bitte, bitte?«, bettelte ich.

Er schaute auf, zögerte. Ich wusste sofort, dass ich meinen Willen bekommen würde. Er wollte mich so gern wieder froh sehen. Alles war besser als die Szenen der letzten Monate. Ich wollte das hier nicht. Ich wollte auf meiner alten Schule, in meiner alten Stadt bleiben. Aber die furchtbar wichtige Arbeit meiner Mutter war hier in der Nähe, und nur weil sie dann abends öfter mit mir und meinem Vater zusammen essen konnte, statt sich um acht Uhr die Reste aufzuwärmen, waren wir umgezogen. Ich hatte gar nicht aufhören können zu weinen, als sie mir erzählten, was sie vorhatten. Ich hatte meine Sachen quer durchs Wohnzimmer geworfen. Ich hatte fast eine Woche nicht mit ihnen gesprochen. Bloß »Ja« und »Nein«. Und danach hatte ich versucht zu erklären, warum ein Umzug unmöglich war: Ich konnte nicht ohne Zoë sein. Mein liebstes Nachbarmädchen und meine Fast-Schwester.

Ich bin in Afrika geboren, aber seit meine Eltern wieder in die Niederlande gezogen waren, wohnte ich neben Zoë. Wir gingen in dieselbe Kita. Wir klauten einander die Schnuller, sobald wir das konnten, wir steckten uns gegenseitig an unserem Schnodder an und zogen einander an unseren ersten Haaren. Und danach gingen wir in dieselbe Schule. Jeden Morgen liefen wir zusammen hin, wählten uns gegenseitig, wenn wir Gruppen bilden mussten, und machten immer dieselben Fehler im Erdkundetest (aber das lag daran, dass wir nebeneinander saßen und sehr gute Augen hatten). Ich konnte nicht ohne sie.

»Gefällt dir das Zimmer sehr?«, fragte mein Vater.

Das Dachgeschoss war groß und leer. Man konnte dort Fußball spielen. Man konnte eine Hängematte aufhängen. Man konnte das Bett unter das Fenster stellen und die Sterne betrachten, wenn man keinen Schlaf fand.

»Da oben ist das beste Zimmer«, sagte ich.

»Einverstanden, dann bitte die Möbelpacker, deine Sachen dahin zu bringen«, beschloss mein Vater.

Papa baute mein Bett auf und schraubte mein Regal an die Wand. Ich packte meine Sachen aus, legte meine Kleider in den Schrank und stellte die Bücher in mein Bücherregal. Danach klebte ich fünf Buchstaben auf meine Tür. Ein M, ein A, ein R, ein I und ein E. MARIE. Die Fotorahmen mit Fotos von mir auf Papas Schoß, im Schwimmbad mit Mama und Wange an Wange mit Zoë schlug ich mit kleinen Nägeln an die Wand.

»Zufrieden, Arie?«, fragte mein Vater. Er nannte mich immer Arie, weil er fand, dass das schön klingt.

Als ich nach unten kam, machte meine Mutter auf dem Campingkocher, den wir immer mit in die Ferien nahmen, etwas zu essen. Sie hatte ihn auf den alten Kühlschrank gestellt.

»Ich musste mit dem Auto zum Supermarkt«, sagte sie lachend. »Also habe ich gleich für drei Tage eingekauft.«

Ich warf einen Blick in den Topf. Couscous und Kohl. Ich öffnete den Kühlschrank, um zu schauen, was da war. Möhren, Käse und Schwarzbrot. Meine Mutter kaufte nie leckere Sachen; sie lebte von Kapern und Quinoa. Eklig. Erst wenn mein Vater im Laufe der Woche wieder einkaufen würde, bekäme ich Chips und Schokocreme.

»Der Supermarkt ist nicht mal ein echter Supermarkt«, erzählte sie. »Er ist im grünen Viertel, an den Bahngleisen. In Containern, nur vorübergehend.«

»Wie weit von hier?«, fragte ich.

»Zu Fuß eine Viertelstunde, schätze ich.« Sie zeigte aus dem Fenster nach rechts.

Ich nickte.

»Ich gehe raus.«

»In einer Viertelstunde essen wir!«, rief sie.

Sie hatte nicht Nein gesagt, also zog ich die Tür hinter mir zu und überlegte mir, dass ich immer noch sagen könnte, ich hätte sie nicht gehört.

Draußen schaute ich in alle Richtungen. Ein unangenehmes Gefühl überkam mich. Hier gehörte ich nicht hin, ich wollte nach Hause.

Aber das hier war mein Zuhause. Ich schaute über die Schulter: graue Dachpfannen, gelbe Ziegelsteine, weiße Fensterrahmen. Genau wie bei den Nachbarn und den Nachbarn der Nachbarn und den Nachbarn der Nachbarn der Nachbarn.

Es gab vier Viertel, hatte mir mein Vater erklärt, als er mir die Bauzeichnungen zeigte: ein gelbes, ein rotes, ein grünes und ein blaues. Er zeigte auf unser Haus am Rand des Neubaugebiets; dahinter fingen die Wiesen an. Vom Dachboden aus hatte ich das gerade auch gesehen: Wiesen, und ganz hinten in der Ferne die Stadt. Zu weit, um zu Fuß dorthin zu gehen. Gelangweilt schlenderte ich durch die Straße und kickte Steinchen weg, die mir vor die Füße sprangen. Was sollte ich hier? Fast alle Häuser standen noch leer und es war sonnenklar, dass hier überhaupt nichts los war. Es gab nichts außer trauriger Langeweile in ödem Grau und Grün.

Wenn Zoë hier wäre, würden wir Blumen pflücken und Ketten daraus machen. Aber Zoë war nicht hier, also war das Einzige, was ich wollte, wie ein Hund zurück nach Hause laufen. Die gesamten 105 Kilometer mit der Nase auf dem Boden, der Fährte der Autoreifen folgend, zurück zur Kirchgasse. Heimweh war überall. Es färbte die Gehwegplatten und die Dachpfannen, kroch durch meine Arme, drückte mir den Hals zu und füllte meinen Magen. Ich hatte schon den ganzen Tag keinen Appetit.

Plötzlich hörte ich eine Tür knallen. Ein Mädchen mit roten Locken rannte auf die Straße. Ich schaute sie an. Sie war so mager wie ein Straßenhund und zu wütend, um mich wahrzunehmen. Mit geballten Fäusten stand sie vor ihrem Haus.

»Ihr seid so gemein!«, rief sie und setzte sich auf den Boden.

Ich konnte nicht gut sehen, wie alt sie war, aber ich schätzte, nicht viel älter als ich. Sie warf Steinchen gegen ein Auto, das auf der anderen Straßenseite parkte.

Die Haustür hinter ihr ging auf.

»Lass das!«, schrie ihre Mutter.

Das Mädchen griff nach neuen Steinchen und warf sie fest gegen das glänzende Metall. Ich stand nah genug dran, um zu sehen, dass sich im Lack kleine Dellen bildeten.

Ihre Mutter kam nach draußen gerannt, griff sie am Arm und zerrte sie ins Haus. Das Mädchen wehrte sich wütend.

»Nein!«, rief sie schrill.

Die Tür schlug hinter ihnen zu. Ich drehte mich um und ging zurück.

Als ich wieder ins Haus kam, saß mein Vater mit einem Bier auf der Trittleiter.

»Hast du die neue Nachbarschaft ein wenig ausgekundschaftet, Arie?«

»Ja.«

»Und?«, fragte er hoffnungsvoll.

»Öde.«

»Wieso öde?«

»Die Hälfte der Häuser steht leer und in der anderen Hälfte wohnen keine...
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Autor

Enne Koens, geb. 1974 in Amsterdam, lebt heute in Utrecht. Sie schreibt Bücher für Kinder und Erwachsene, außerdem Theaterstücke, Lieder und Drehbücher. Ihr Kinderroman Ich bin Vincent und ich habe keine Angst war 2020 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und erhielt den Leipziger Lesekompass