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Kanalfeuer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am16.07.2012Auflage
Belächelt wird der alte Mann, als er von seltsam flackernden Lichtern am Nord-Ostsee-Kanal erzählt, doch wenig später ist er tot. Bald darauf wird am Ufer des Flemhuder Sees ein dunkelhäutiger Mann wie vom Erdboden verschluckt. Ermittlerin Olga Island glaubt, der Lösung des Falls ganz nahe zu sein, als plötzlich ihre kranke Kollegin spurlos verschwindet und eine Jagd auf Leben und Tod beginnt ...

Kirstin Warschau, geboren 1965 in Kiel, arbeitete lange als Diplomarchivarin in verschiedenen norddeutschen Archiven, ehe sie Pädagogik und Psychologie studierte und nach Berlin ging. Sie verfasste zahlreiche Kurzgeschichten, die in Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht wurden, und schreibt die erfolgreichen Kiel-Krimis um ihre Ermittlerin Olga Island. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Kiel.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextBelächelt wird der alte Mann, als er von seltsam flackernden Lichtern am Nord-Ostsee-Kanal erzählt, doch wenig später ist er tot. Bald darauf wird am Ufer des Flemhuder Sees ein dunkelhäutiger Mann wie vom Erdboden verschluckt. Ermittlerin Olga Island glaubt, der Lösung des Falls ganz nahe zu sein, als plötzlich ihre kranke Kollegin spurlos verschwindet und eine Jagd auf Leben und Tod beginnt ...

Kirstin Warschau, geboren 1965 in Kiel, arbeitete lange als Diplomarchivarin in verschiedenen norddeutschen Archiven, ehe sie Pädagogik und Psychologie studierte und nach Berlin ging. Sie verfasste zahlreiche Kurzgeschichten, die in Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht wurden, und schreibt die erfolgreichen Kiel-Krimis um ihre Ermittlerin Olga Island. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Kiel.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492954891
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum16.07.2012
AuflageAuflage
Reihen-Nr.03
SpracheDeutsch
Dateigrösse1787 Kbytes
Artikel-Nr.1041784
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


5

Kriminalhauptkommissarin Olga Island knallte die Autotür zu und atmete erleichtert aus. Noch während sie den Wagen über den holprigen Parkplatz oberhalb des Falckensteiner Strandes gelenkt hatte, war ihr der Schweiß in feinen Rinnsalen den Rücken hinuntergelaufen. Als sie nun im Schatten der Bäume den Kofferraum öffnete, kühlte die leichte Brise vom Meer ihre verschwitzte Haut. Den ganzen Tag schon hatte sie vor sich hin transpiriert, und ihr blaues T-Shirt über dem drallen Bauch zierte eine feine, helle Salzkruste.

Das Thermometer in ihrem Büro hatte bereits um acht Uhr morgens achtundzwanzig Grad Celsius angezeigt. Und obwohl die meisten Fenster den ganzen Tag offen standen, war es unter dem Dach der Bezirkskriminalin­spektion in der Blumenstraße von Stunde zu Stunde heißer geworden. Wären sie Schüler gewesen und keine Kriminalbeamten, hätten sie hitzefrei bekommen. So aber mussten alle Mitarbeiter der Mordkommission, mit Ausnahme von Karen Nissen und Falk Taulow, die mit ihren Familien im Urlaub waren, an diesem Tag mehr oder weniger klaglos dem Feierabend entgegenschwitzen.

Olga Island, die erst im vergangenen Jahr von Berlin in die Stadt ihrer Jugendzeit zurückgekehrt war, hatte den Eindruck, dass der Sommer für die Polizei in Kiel eine eher ruhige Zeit war. Es gab mehr freie Parkplätze in der Innenstadt und weniger alkoholbedingte Exzesse. Die Kieler Woche, auf der sich die Einheimischen und ihre Gäste traditionell ein wenig austobten, war vorbei, und Stadt und Land schienen in eine träumerische Schläfrigkeit verfallen zu sein.

Diesen Montag hatte es allerdings einen noch unge­klärten Todesfall im Stadtteil Holtenau gegeben. Ein alter Mann war morgens tot auf einer Bank am Kanalufer sitzend aufgefunden worden. Auf dem Boden neben der Bank hatte ein altmodischer, mit Wappen besetzter Wanderstock gelegen, zwischen seinen Knien ein kleines Fernglas. Der Kriminaldauerdienst hatte einen Arzt verständigt, der bestätigte, dass der Tod wahrscheinlich in den frühen Morgenstunden durch Herzversagen eingetreten war. Der Mann war mit einem Bademantel bekleidet gewesen, in dessen Tasche die Chipkarte einer Krankenversicherung gesteckt hatte. Auf diese Weise hatten sie seine Identität schnell ermittelt. Es handelte sich um einen gewissen Hans Hinrichs aus einem Haus in der Kanalstraße. Ein Polizist hatte sich dort umgehört und von einer Bewohnerin erfahren, dass Hinrichs seit Jahren allein lebte und seine Wohnung schon seit vielen Monaten nicht mehr ohne Begleitung verlassen hatte. Das war dem jungen Beamten seltsam erschienen, und er hatte die Mordkommission informiert.

Die Leiche war daraufhin in die Gerichtsmedizin geschafft worden, aber die Untersuchungen hatten die Vermutungen des Arztes bestätigt, dass Fremdeinwirkung weitgehend ausgeschlossen war. Der Leiter der Mordkommission, der Erste Hauptkommissar Thoralf Bruns, hatte sich zusammen mit Kriminaloberkommissar Jan Dutzen die Wohnung des Toten angesehen, aber sie hatten nichts Auffälliges entdecken können. Island hatte mit dem Hausarzt und der Mitarbeiterin des mobilen Pflegedienstes gesprochen, die den Verstorbenen in den vergangenen Jahren betreut hatten. Beide hatten sich vom Ableben des Rentners wenig überrascht gezeigt.

Hans Hinrichs hatte seit Jahren an einer Angina Pectoris gelitten, einer schweren Herzinsuffizienz, und an einem sich fortentwickelnden Lungenemphysem, erfuhr Olga Island von Hinrichs' Hausarzt. Die Angestellte der Pflege­engel GmbH aus Friedrichsort, an die Island verwiesen worden war, hatte kaum Zeit für ein Gespräch gehabt. Die Frau hatte bei laufendem Motor in dem kleinen Fiat ihrer Firma gesessen und durch das heruntergekurbelte Fenster energisch den Kopf geschüttelt.

»Herr Hinrichs ist nie allein rausgegangen. Schon lange nicht mehr. Aber den schönen Ausblick auf den Kanal von seiner Veranda aus, den hat er immer sehr genossen.«

»Ist Ihnen an ihm in der letzten Zeit irgendeine Veränderung aufgefallen?«, hatte Island gefragt.

Der Pflegeengel hatte nicht lange nachdenken müssen. »Ich würde sagen, er war wie immer. Obwohl, wenn Sie mich so fragen, fällt mir gerade doch noch etwas ein. Herr Hinrichs war morgens in der letzten Zeit immer besonders verschlafen. Wenn ich zwischen sieben und halb acht bei ihm war, schlief er immer tief und fest und war kaum wach zu bekommen. Wenn ich ihn deswegen neckte, sagte er immer, er habe nachts den Kanal und die Schleusen beobachten müssen.«

»Hat er auch gesagt, warum?«

»Er musste irgendwas aufschreiben. Keine Ahnung, die werden manchmal etwas tüdelig, die alten Leute.«

»Haben Sie denn mal gesehen, was er aufgeschrieben hat?«

»Auf der Fensterbank zwischen den Blumentöpfen lag immer so ein Ringbuch. Eine Art Liste war das. Er hat sich Uhrzeiten notiert und von irgendwelchen Lichtzeichen oder Lichtern gesprochen. Keine Ahnung, was das sollte. Ich habe leider nicht so viel Zeit, dass ich mich auch noch mit solchen Sachen beschäftigen kann. Ich muss meine eigenen Listen abarbeiten.«

Bei der Teambesprechung am nächsten Morgen hatte Olga Island ihre Kollegen Bruns und Dutzen gefragt, ob sie Aufzeichnungen in der Wohnung des Rentners gefunden hatten. Dutzen war in sein Zimmer gegangen, hatte die Ringbuchkladde geholt und sie herumgereicht. Die Handschrift war krakelig gewesen, aber es war wirklich kaum mehr als eine dürre Liste mit Datumsangaben, Uhrzeiten, Namen von Schiffen und einigen merkwürdig unbehol­fenen Ausdrücken.

Gemeinsam hatten sie den Fall noch einmal diskutiert, waren dann aber übereinstimmend zu dem Schluss gekommen, dass hier wohl nichts weiter zu tun war. Wäre der Mann zu Hause in seiner Wohnung gestorben, hätte man die Polizei vermutlich gar nicht erst hinzugezogen. Warum der Rentner das Haus verlassen hatte, würde sich wohl nicht mehr feststellen lassen.

Island wühlte im Kofferraum ihres Mazda und nahm ihren Rucksack heraus. Darin befand sich alles, was sie für einen Feierabend am Strand brauchte: ein Badelaken, der neue Badeanzug in XL, eine Literflasche Mineral­wasser, ein Reiseführer über die Abruzzen und eine große Plastikdose mit geschmierten Broten und Apfelstücken. Seit Beginn ihrer Schwangerschaft war ihr ständig schlecht, oder sie hatte Hunger, oder beides gleichzeitig. Auf jeden Fall besserte sich ihre Laune stets, wenn sie etwas essen konnte. Am allerbesten schmeckten ihr zurzeit gutbürgerliche Gerichte, die sonst nicht gerade weit oben auf ihrem Speiseplan gestanden hatten. Sie konnte sich begeistern für Dinge wie Eisbein mit Sauerkraut, in Speck gebratene Scholle mit Bratkartoffeln oder Rinderrouladen mit Rotkohl. Aus diesem Grund hatte sie schon fünfzehn Kilo zugenommen, obwohl sie erst im sechsten Monat war. Der Bauch, den sie vor sich herschob, war nicht mehr zu übersehen, aber sie hatte beschlossen, an ihre Figur keinen Gedanken zu verschwenden. Wozu sollte sie sich Sorgen über ihr Äußeres machen? Männer interessierten sie gerade nicht besonders, und was Frauen dachten, war ihr auch egal.

Ihr Freund Lorenz, der angehende Vater des Kindes, war wieder einmal den Sommer über in Italien, diesmal, um an einer anthroposophischen Sommerakademie einen mehrmonatigen Holzbildhauerkurs zu leiten. Sie hoffte, dass er wie versprochen im September zurückkehren würde, ohne allzu sehr von den Ideen Rudolf Steiners beseelt zu sein. Er hatte ihr versichert, er würde nach seiner Rückkehr aus Italien Wohnung und Atelier in Berlin-Kreuzberg aufgeben, um zu ihr und dem Kind nach Kiel zu ziehen. Aber sie war sich nicht sicher, ob er das tatsächlich tun würde.

Irgendwie war Lorenz nicht gerade der Vater, den man sich für ein Kind wünschte. Zwar hatte er das gewinnendste Lächeln der Welt, und sie konnte sich mit ihm stundenlang auf das Wunderbarste unterhalten. Allerdings war er auch ein Künstler, wie er im Buche stand, ruhelos und hyperaktiv, was seine Ausstellungsbemühungen und Vernissagebesuche anging, aber depressiv, wenn es mal wieder nicht klappte mit der Karriere. Vor allem liebte er es, seine Freiheit in vollen Zügen zu genießen. Immerhin rief er sie jetzt ungefähr alle drei Tage an und erkundigte sich nach ihrem Befinden. Das war eigentlich die größte Veränderung, die sie an ihm feststellen konnte, seit sie ihm vor vier Monaten am Telefon die freudige Botschaft eröffnet hatte, dass sie ein Kind erwartete.

In dem nicht abreißenden Strom von Badegästen wiegte sie gemächlichen Schrittes den Asphaltweg zum Strand hinunter. Es war einer der wirklich heißen Sommertage in Kiel, und der Strand von Falckenstein war auch jetzt, um sieben Uhr abends, noch proppenvoll. Sie ging über den Holzbohlenweg bis ans Wasser, zwängte ihren Bauch in den ansonsten viel zu großen Badeanzug, breitete das Handtuch aus und streckte sich rücklings darauf aus. Der Sand war weich und warm. Für eine Weile schloss sie die Augen und lauschte den Wellen, die durch den Lärm der Badegäste hindurch an den Strand schlugen. Der Geruch von Grillanzündern, Bratwurst und Sonnenmilch verschmolz mit dem Duft von Tang und Meerwasser zu einer sommerlichen Komposition. Sie seufzte. Genau so sollte ein Feierabend im Hochsommer sein.

Schon wieder knurrte ihr Magen. Um sich vom Essen noch ein wenig abzulenken, stützte sie die Ellenbogen auf und blickte aufs Meer. Segeljachten zogen vorüber. Ein Speedboot kam von Schilksee herüber und verbreitete ein monotones, alles übertönendes Motorengeräusch. Drüben auf der anderen Seite der Förde erkannte sie den Mastenwald der Boote im alten Hafen und in der neuen Marina, die Windmühle auf dem Berg und das Laboer Ehrenmal. Sie versuchte die Stelle an der...


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Kirstin Warschau, geboren 1965 in Kiel, arbeitete lange als Diplomarchivarin in verschiedenen norddeutschen Archiven, ehe sie Pädagogik und Psychologie studierte und nach Berlin ging. Sie verfasste zahlreiche Kurzgeschichten, die in Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht wurden, und schreibt die erfolgreichen Kiel-Krimis um ihre Ermittlerin Olga Island. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Kiel.