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Solea

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am06.11.20151. Auflage
In Total Cheops kämpft Fabio Montale noch mit den Widersprüchen seiner Arbeit als Polizist, in Chourmo steigt er aus. In Solea, dem dritten Band der Marseille-Trilogie, kommt er wider Willen einer befreundeten Journalistin zu Hilfe, die monatelang über die südfranzösische Mafia recherchiert hat und jetzt von Killern verfolgt wird. In einem atemberaubenden Finale stößt er an seine Grenzen und geht den Weg, der ihm schon so lange vorgezeichnet ist.

Jean-Claude Izzo, geboren 1945 in Marseille, war lange Journalist. Nach Veröffentlichung von mehreren Gedichtbänden pubilzierte er mit fünfzig seinen ersten Roman Total Cheops. Dieser wurde sofort zum Bestseller, seine Marseille-Trilogie zählt inzwischen zu den großen Werken der internationalen Kriminalliteratur. Der zweite Teil, Chourmo, wurde 2001 mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Jean-Claude Izzo starb 2000 in Marseille.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextIn Total Cheops kämpft Fabio Montale noch mit den Widersprüchen seiner Arbeit als Polizist, in Chourmo steigt er aus. In Solea, dem dritten Band der Marseille-Trilogie, kommt er wider Willen einer befreundeten Journalistin zu Hilfe, die monatelang über die südfranzösische Mafia recherchiert hat und jetzt von Killern verfolgt wird. In einem atemberaubenden Finale stößt er an seine Grenzen und geht den Weg, der ihm schon so lange vorgezeichnet ist.

Jean-Claude Izzo, geboren 1945 in Marseille, war lange Journalist. Nach Veröffentlichung von mehreren Gedichtbänden pubilzierte er mit fünfzig seinen ersten Roman Total Cheops. Dieser wurde sofort zum Bestseller, seine Marseille-Trilogie zählt inzwischen zu den großen Werken der internationalen Kriminalliteratur. Der zweite Teil, Chourmo, wurde 2001 mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Jean-Claude Izzo starb 2000 in Marseille.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293304062
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum06.11.2015
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2572 Kbytes
Artikel-Nr.3421118
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Prolog

Fern den Augen, nah dem Herzen, Marseille, immer


Ihr Leben war dort, in Marseille. Dort drüben hinter den Bergen, die heute Abend im glühenden Rot der untergehenden Sonne leuchteten. Morgen wird Wind aufkommen, dachte Babette.

Seit sie vor vierzehn Tagen nach Le Castellas, in ein kleines Nest in den Cevennen, gekommen war, stieg sie jeden Abend zum Bergkamm hinauf. Auf Brunos Ziegenpfad.

Hier bleibt alles gleich, hatte sie am Morgen ihrer Ankunft gedacht. Alles stirbt und erwacht zu neuem Leben. Auch wenn mehr Dörfer absterben als wiederaufleben. Früher oder später erfindet ein Mensch die alten Gepflogenheiten wieder. Und alles beginnt von neuem. Überwucherte Pfade bekommen erneut ihre Daseinsberechtigung.

»Die Berge bewahren unsere Erinnerung«, meinte Bruno und reichte ihr einen Becher schwarzen Kaffee.

Babette hatte Bruno 1988 kennen gelernt. Während ihrer ersten großen Reportage für die Zeitung: Zwanzig Jahre nach dem Mai 68: Was ist aus den Aufständischen geworden?

Bruno war als junger Philosoph und Anarchist im Quartier Latin in Paris auf die Barrikaden gegangen. Lauf, Genosse, die alte Ordnung ist hinter dir her. Das war seine einzige Parole gewesen. Er war gelaufen, hatte Pflastersteine und Molotowcocktails auf die Bereitschaftspolizei geworfen. Er war gerannt, mit Tränengas in den Augen und den Ordnungshütern im Nacken. Den ganzen Mai und Juni war er kreuz und quer gelaufen, nur um der Biederkeit, den Hirngespinsten, der Moral der alten Ordnung zu entkommen. Ihrer Verbohrtheit und Verkommenheit.

Als die Gewerkschaften die Übereinkünfte von Grenelle unterschrieben, die Arbeiter in die Fabrik und die Studenten in die Uni zurückkehrten, wusste Bruno, dass er nicht schnell genug gelaufen war. Er nicht und seine ganze Generation nicht. Die alte Ordnung hatte sie eingeholt. Im Mittelpunkt der Träume und der Moral stand wieder die Knete. Das einzige Lebensglück. Die alte Ordnung schuf sich eine neue Ära: das menschliche Elend.

So hatte Bruno Babette die Ereignisse geschildert. Er redet wie Rimbaud, hatte sie gedacht, gerührt und auch hingerissen von diesem gut aussehenden Mann um die vierzig.

Wie viele andere war er damals aus Paris geflohen. Richtung Ariège, Ardèche und Cevennen. In verlassene Dörfer. Lo Païs, das Land, wie sie gern auf Provenzalisch sagten. Aus den Scherben ihrer Illusionen entstand eine neue Welt. Naturverbunden und brüderlich. Gemeinschaftlich. Sie erfanden für sich ein neues Land. La France sauvage, das wilde Frankreich. Viele gingen nach ein oder zwei Jahren wieder zurück. Die Ausdauernderen hielten fünf oder sechs Jahre durch. Bruno hing an diesem Nest, das er wieder aufgebaut hatte. Allein, mit seiner Ziegenherde.

An jenem Abend hatte Babette nach dem Interview mit Bruno geschlafen.

»Bleib«, hatte er sie gebeten.

Aber sie war nicht geblieben. Das war nicht ihr Leben.

Im Laufe der Jahre hatte sie ihn immer wieder besucht. Jedes Mal, wenn sie in die Nähe kam. Bruno hatte mittlerweile eine Lebensgefährtin und zwei Kinder, Strom, Fernsehen, einen Computer und stellte Ziegenkäse und Honig her.

»Wenn du mal Probleme hast«, hatte er zu Babette gesagt, »komm her. Mach dir keine Sorgen. Bis da unten ins Tal leben nur Leute von uns.«

Heute Abend vermisste Babette Marseille besonders. Aber sie wusste nicht, wann sie dorthin zurückkehren konnte. Und selbst dann. Wenn sie eines Tages zurückkehrte, würde nichts, aber auch gar nichts mehr so sein wie früher. Was Babette quälte, waren keine Probleme, es war weit schlimmer. Der blanke Horror hatte sich in ihrem Kopf festgesetzt. Wenn sie die Augen schloss, sah sie Giannis Leichnam wieder vor sich. Und dahinter die toten Körper von Francesco und Beppe, die sie zwar nicht gesehen hatte, sich aber vorstellen konnte. Gefolterte, verstümmelte Leichen. In einer Lache aus schwarzem, geronnenem Blut. Und noch mehr Leichen. Hinter ihr. Vor ihr, überall. Zwangsläufig.

Als sie Rom Hals über Kopf und mit Angst im Nacken verlassen hatte, wusste sie nicht, wohin. Wo sie sicher wäre. Um in aller Ruhe über all das nachzudenken. Um ihre Papiere in Ordnung zu bringen, auszumisten, Informationen einzuordnen, aufeinander abzustimmen, zu sortieren, zu überprüfen. Die Reportage ihres Lebens abzuschließen. Über die Mafia in Frankreich und im Süden. Noch nie war jemand so weit gegangen. Zu weit, wie sie jetzt erkannte. Da hatte sie sich an Brunos Worte erinnert.

»Ich stecke in Schwierigkeiten. Bis zum Hals.«

Sie rief ihn aus einer Telefonzelle in La Spezia an. Es war fast ein Uhr morgens. Bruno schlief bereits. Er stand früh auf, wegen der Tiere. Babette zitterte. Wie vom Wahnsinn getrieben war sie in einem Rutsch von Orvieto nach Manarola gefahren. Vor zwei Stunden war sie in dem kleinen, auf einem Felsvorsprung gelegenen Dorf in Cinque Terre angekommen. Beppe, ein alter Freund von Gianni, lebte hier. Sie hatte ihn vorsichtshalber erst mal angerufen, wie er ihr geraten hatte. Das ist sicherer, hatte er noch am selben Morgen hinzugefügt.

»Pronto.«

Babette hatte aufgelegt. Das war nicht Beppes Stimme. Dann hatte sie die beiden Wagen der Carabinieri auf der Hauptstraße stehen sehen. Sie zweifelte nicht eine Sekunde. Die Killer waren ihr zuvorgekommen.

Sie war die ganze Strecke zurückgefahren, eine schmale, kurvenreiche Gebirgsstraße. Erschöpft klammerte sie sich ans Lenkrad, achtete jedoch aufmerksam auf die wenigen entgegenkommenden oder überholenden Wagen.

»Komm«, hatte Bruno gesagt.

Sie hatte ein armseliges Zimmer im Albergo Firenze e Continentale nicht weit vom Bahnhof gefunden. In der Nacht hatte sie kein Auge zugetan. Die Züge. Die greifbare Nähe des Todes. Alles kam ihr in Erinnerung, bis ins kleinste Detail. Ein Taxi hatte sie an der Piazza Campo dei Fiori abgesetzt. Gianni war aus Palermo zurückgekehrt. Er erwartete sie bei sich zu Haus. »Zehn Tage sind eine lange Zeit«, hatte er am Telefon gesagt. Auch für sie war es eine lange Zeit gewesen. Sie wusste nicht, ob sie Gianni liebte, aber ihr ganzer Körper sehnte sich nach ihm.

»Gianni! Gianni!«

Die Tür stand offen, aber sie hatte sich keine Gedanken darüber gemacht.

»Gianni!«

Er war da. An einen Stuhl gefesselt. Nackt. Tot. Sie schloss die Augen, aber zu spät. Sie wusste, dass sie von nun an mit diesem Bild leben musste.

Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie die Brandwunden an seinem Oberkörper, auf dem Bauch und an den Schenkeln. Nein, sie wollte nicht mehr sehen. Sie wandte den Blick ab von Giannis verstümmeltem Glied. Sie schrie. Sie sah sich schreiend, stocksteif mit hängenden Armen und weit aufgerissenem Mund. Ihr Schrei erstickte im Gestank von Blut, Scheiße und Pisse, der den Raum erfüllte. Die Luft blieb ihr weg, und sie musste kotzen. Zu Giannis Füßen. Dort, wo mit Kreide auf das Parkett geschrieben stand: »Geschenk für Mademoiselle Bellini. Bis später.«

Francesco, Giannis älterer Bruder, war am Morgen ihrer Abreise aus Orvieto ermordet worden. Beppe vor ihrer Ankunft.

Die Treibjagd hatte begonnen.

Bruno hatte sie an der Bushaltestelle in Saint-Jean-du-Gard abgeholt. Sie hatte nach jeder Etappe das Verkehrsmittel gewechselt: im Zug von La Spezia nach Ventimiglia, mit dem Leihwagen über den kleinen Grenzposten bei Menton, per Bahn bis Nîmes und schließlich mit dem Bus. Eine reine Vorsichtsmaßnahme. Denn sie glaubte nicht, dass sie ihr folgten. Sie würden bei ihr zu Hause in Marseille auf sie warten. Das war logisch. Und die Logik der Mafia war unerbittlich. In den zwei Jahren ihrer Recherche hatte sie das immer wieder feststellen können.

Kurz vor Le Castellas, dort wo die Straße am oberen Rand des Tals verlief, hatte Bruno seinen alten Jeep angehalten.

»Komm, gehen wir ein Stück.«

Sie waren zum Gipfel hinaufgestiegen. Le Castellas war kaum zu erkennen, drei Kilometer weiter am Ende eines Feldwegs. Weiter ging es nicht.

»Hier bist du sicher. Wenn jemand hochkommt, ruft Michel, der Förster, mich an. Und wenn es jemand über einen der Bergkämme versuchen sollte, sagt Daniel uns Bescheid. Wir haben unsere Gewohnheiten nicht geändert, ich rufe viermal täglich an, er ruft viermal an. Wenn einer von uns sich nicht zur verabredeten Zeit meldet, ist was passiert. Als Daniel mit seinem Traktor umgekippt war, haben wir es auf die Weise erfahren.«

Babette hatte ihn sprachlos angesehen. Sie brachte nicht einmal ein »Danke« heraus.

»Und: Du brauchst mir nichts zu erklären.«

Bruno hatte sie in die Arme genommen, und sie hatte losgeheult.

Babette fröstelte. Die Sonne war untergegangen, und die Berge vor ihr stachen lila vom Himmel ab. Sie drückte ihre Kippe sorgfältig mit der Fußspitze aus, stand auf und stieg wieder nach Le Castellas hinunter. Beruhigt durch das täglich wiederkehrende Wunder des Sonnenuntergangs.

In ihrem Zimmer las sie noch einmal den langen Brief an Fabio durch. Sie berichtete alles seit ihrer Ankunft in Rom vor zwei Jahren. Bis zum grausamen Ende. Ihre Verzweiflung. Aber auch ihre Entschlossenheit. Sie würde nicht aufgeben. Sie würde ihre Nachforschungen veröffentlichen. In einer Zeitung oder in einem Buch....


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Autor

Jean-Claude Izzo, geboren 1945 in Marseille, war lange Journalist. Nach Veröffentlichung von mehreren Gedichtbänden pubilzierte er mit fünfzig seinen ersten Roman Total Cheops. Dieser wurde sofort zum Bestseller, seine Marseille-Trilogie zählt inzwischen zu den großen Werken der internationalen Kriminalliteratur. Der zweite Teil, Chourmo, wurde 2001 mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Jean-Claude Izzo starb 2000 in Marseille.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt