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Was kann und darf Künstliche Intelligenz?

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am02.11.2023Auflage
Autonomer Individualverkehr und Pflege-Roboter, softwaregesteuerte Kundenkorrespondenz und Social Media, Big-Data-Ökonomie und Clever-Bots, Industrie 4.0: Die Digitalisierung hat gewaltige ökonomische, aber auch kulturelle und ethische Wirkungen. In Form eines Brückenschlags zwischen Philosophie und Science-Fiction entwickelt dieses Buch die philosophischen Grundlagen eines Digitalen Humanismus, für den die Unterscheidung zwischen menschlichem Denken, Empfinden und Handeln einerseits und softwaregesteuerten, algorithmischen Prozessen andererseits zentral ist. Eine Alternative zur Silicon-Valley-Ideologie, für die künstliche Intelligenz zum Religionsersatz zu werden droht.

Julian Nida-Rümelin gehört zu den renommiertesten deutschen Philosophen und Public Intellectuals. Er ist Rektor der Humanistischen Hochschule Berlin und Direktor am bayerischen Forschungsinstitut für digitale Transformation. Bis 2020 hatte er den Lehrstuhl für Philosophie und politische Theorie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München inne. Er lehrte in Tübingen, Göttingen, München und Berlin sowie als Gastprofessor in den USA, Italien und China. Er war Kulturstaatsminister in der ersten rot-grünen Bundesregierung, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextAutonomer Individualverkehr und Pflege-Roboter, softwaregesteuerte Kundenkorrespondenz und Social Media, Big-Data-Ökonomie und Clever-Bots, Industrie 4.0: Die Digitalisierung hat gewaltige ökonomische, aber auch kulturelle und ethische Wirkungen. In Form eines Brückenschlags zwischen Philosophie und Science-Fiction entwickelt dieses Buch die philosophischen Grundlagen eines Digitalen Humanismus, für den die Unterscheidung zwischen menschlichem Denken, Empfinden und Handeln einerseits und softwaregesteuerten, algorithmischen Prozessen andererseits zentral ist. Eine Alternative zur Silicon-Valley-Ideologie, für die künstliche Intelligenz zum Religionsersatz zu werden droht.

Julian Nida-Rümelin gehört zu den renommiertesten deutschen Philosophen und Public Intellectuals. Er ist Rektor der Humanistischen Hochschule Berlin und Direktor am bayerischen Forschungsinstitut für digitale Transformation. Bis 2020 hatte er den Lehrstuhl für Philosophie und politische Theorie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München inne. Er lehrte in Tübingen, Göttingen, München und Berlin sowie als Gastprofessor in den USA, Italien und China. Er war Kulturstaatsminister in der ersten rot-grünen Bundesregierung, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492605748
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2023
Erscheinungsdatum02.11.2023
AuflageAuflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse10172 Kbytes
Artikel-Nr.12250558
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Warum es den digitalen Humanismus braucht - Einführung zur aktualisierten und erweiterten Neuausgabe

Als 2018 die ursprüngliche Ausgabe unseres Digitalen Humanismus erschien, ahnten wir nicht, dass dieser Begriff in den nächsten Jahren international so stark aufgegriffen werden würde[1]. Das gilt besonders für Österreich, Italien und die USA. Auch wenn unterschiedliche Akteure damit unterschiedliche Akzente setzen, ist den Anhängern eines »digitalen Humanismus« gemein, dass sie den Menschen und nicht die Maschinen zum Ausgangspunkt und zum Zentrum der digitalen Entwicklung machen wollen.

Unterdessen ist die digitale Entwicklung weiter vorangeschritten. Wir haben ChatGPT, die Diskussion um Metaversen hat wieder an Dynamik gewonnen, der Einsatz digitaler Medien in den Schulen hat zugenommen und nachdem KI Beethovens 10. Sinfonie »fertigkomponiert« hat, gibt es intensive Diskussionen darüber, ob wir KI nicht auch ein kreatives Potential zuschreiben müssen.

Man könnte glauben, dass sich die Menschheit an digitale Tools soweit gewöhnt hat, dass sie sie nicht mehr verteufelt oder heiligspricht - doch das Gegenteil ist der Fall. Die überzogenen Erwartungen und apokalyptischen Ängste im Bezug auf KI haben nach wie vor Hochjunktur. Mehr denn je werden Softwaresysteme mystifiziert. Viele Menschen interpretieren ihre beachtliche Leistungsfähigkeit als Ausdruck von Urteilskraft, Empathie, Einsicht, wie etwa Kognitionswissenschaftler Eric Schulz, der in seinem Intreview mit dem SPIEGEL im Frühjahr 2023 die These vertrat, Programmierer könnten Chatbots wie ChatGPT Angst oder Paranoia beibringen. Andere wiederum geraten angesichts dieser Perspektiven in Panik, erwarten eine Machtübernahme durch KI und halten - von Unternehmern wie Elon Musk über Wissenschaftler wie Hawkin bis hin zu Künstlern wie dem deutschen Digital-Künstler Ulf Langheinrich[2] - das Ende der Menschheit für möglich.

Anlässlich der Markteinführung von ChatGPT im November 2022 hat sich das Future of Life Institute, prominent unterstützt durch Elon Musk und Yuval Harari, für ein Moratoriun digitaler Innovationen ausgesprochen. Die Angst, dass uns Künstliche Intelligenzen als unkontrollierte Entitäten schaden könnten, greift immer mehr um sich.

Auch unsere damalige Beschreibung des Phänomens der Verknüpfung heilsgeschichtlicher Erwartungen mit digitalen Technologien sowie der animistischen Aufladung der Figur des Roboters ist zu einer kulturellen Kraft mit problematischen Nebenwirkungen geworden. Darunter schlummert die Gefahr eines Menschenbilds, nach dem wir - in Analogie zu software-gesteuerten Systemen - als deterministische Maschinen gelten. Auch der Begriff von digitalen »neuronalen Netzen« ist Ausdruck für eine mechanistische Analogisierung von Mensch und Maschine. Es steht viel auf dem Spiel in der Diskussion um KI und Digitalisierung: Es geht um nichts geringeres als um unsere menschliche Würde, unser Selbstverständnis als fühlende, kreative und humane Wesen.

Neue Technologien wurden in der Menschheitsgeschichte oft von großen Erwartungen im Hinblick auf eine radikal neue gesellschaftliche und spirituelle Transformation begleitet. Vor allem im 19. und 20.â¯Jahrhundert ist eine heilsgeschichtliche Aufladung der neuen Technologien zu beobachten. Wenn Henry Ford von einem »kommenden Paradies« spricht, das mit seinem Kraftwagen entstehen wird, in dem Menschen eine »neue Welt schaffen, einen neuen Himmel und eine neue Erde, wie sie die Propheten seit unvordenklichen Zeiten ersehnt haben«[3], oder wenn der deutsche Chemie Nobelpreisträger Emil Fischer davon überzeugt ist, dass die synthetische Chemie in der Lage sein werde, »den Geschlechtern das goldene Zeitalter zu bescheren, wo nur noch Glück und Freude auf unserem Planeten existiert«[4], dann wird deutlich, wie sich uralte, in den abrahamitischen Religionen wurzelnde Visionen, herausgefordert und inspiriert durch neue Technologien, rhetorisch wiederholen. Angesichts neuer digitaler Technologien versprechen uns CEOs aus dem Silicon Valley in uralter Rhetorik und Bildersprache die Erlösung der Welt und den Übergang zu einem neuen Zeitalter.

In fast allen Stock-Images zum Thema »Digitalisierung« rekurriert das Thema einer blauen Welt, die von weißen mathematischen Symbolen durchzogen ist. Der darin abgebildete Mensch ist Teil dieser durchdigitalisierten Welt. Er streckt seine Hände aus, als könne er das Ungreifbare begreifen. Die Durchsichtigkeit ist hier Programm. Die Welt soll sich dem Menschen durch der Digitalisierung offenbaren. Das digitale Paradies hat nicht nur in ästhetischer Hinsicht eine protestantische Schlagseite: Es ist von Klarheit und Transparenz geprägt und legt nahe, dass die Gläubigen in der Lage sein werden, alles zu durchleuchten, alles aufzuklären. Illu KI

Das Digitale wird als Modus der Erkenntnis verkauft, die Welt- und Innenschau zugleich für jeden Einzelnen ermöglicht.[5]

 

Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Apple-Stores weltweit nach dem Vorbild protestantischer Kirchen konstruiert sind: mit klaren Linien und Formen, wenig Dekoration, und der Konzentration auf das Wichtigste: das digitale Produkt als göttliches Versprechen bzw. Verbindung zwischen Mensch und Gott. Auch die Welt der sozialen Medien entbehrt nicht eines gewissen Anteils am Paradies, existiert in der Welt von Instagram oder Facebook doch eine Art unsterbliche und auf ewig wiederholbare Präsenz, die selbst den Tod ihrer User übersteht. Das Versprechen, das ansonsten nur die Kirche gegeben hat, wird also nun von Software-Produzenten gegeben, so etwa von der Firma Somnium Life, welche ihren Usern einen Avatar verspricht, der auch nach deren Tod angeblich selbstständig im Metaversum agieren kann.

Das digitale Paradies - wie es uns US-Produkte versprechen - referiert in seiner Bildsprache deutlich auf die puritanischen Tugenden wie Klarheit, Nüchternheit, Reinheit und Nicht-Ambiguität. In der digitalen Sprache lässt sich alles auf »0« oder »1« zurückführen. Es gibt keine Zwischentöne. Dass sich die User im Metaversum nicht real sinnlich begegnen müssen, ist aus puritanischer Sicht reizvoll, schließlich haben ausgelebte sinnliche Gelüste schon so Manchen ins Verderben gestürzt.

Ob die Verprechen aus dem Silicon Valley ein bewusster Marketing-Trick sind oder von den Beteiligten tatsächlich so geglaubt werden, kann hier offenbleiben. Interessanterweise agiert Hollywood in dieser Hinsicht als eine Art fiktives Korrektiv. Verspricht Silicon Valley das Paradies, warnt uns Hollywood vor der digitalen Hölle. In Filmen wie Blade Runner, Minority Report oder Thron werden dem Zuschauer Welten gezeigt, in denen die Digitalisierung entweder zu einer unmenschlichen Militarisierung, umfassender Ökonomisierung oder zu diktatorischen Herschaftsstrukturen missbraucht wird. Auch wenn Hollywood auf die reelle Gefahr des Missbrauchs digitaler Strukturen hinweist, überwiegen in seinen Darstellungen die fiktiven Konstruktionen personalisierter digitaler Dämonen: sei es der »böse« Bordcomputer Hal aus Space Odysee 2001 (USA, Stanley Kubrik, 1968) oder in seiner weiblichen Version, die böse Femme fatale Ava aus Ex Machina (GB, Alex Garland, 2014). Dass Software-Systeme wie ChatGPT so programmiert sind, dass sie ihren Nutzern eine Identität vorgaukeln, da sie in »Ich-Form« mit ihnen kommunizieren, verstärkt die begriffliche Konfusion. Wenn man zu diesen Diskussion die imaginären Projektionen auf die Figur des Roboters hinzufügt, mit denen wir in Filmen oder unserer Vorstellung operieren, ist das Chaos komplett.

Dennoch personalisieren nicht nur Hollywood-Regisseure, sondern auch einzelne Forscher und Massenmedien Softwaresysteme, indem sie ihnen Intentionen und andere personale Eigenschaften zuschreiben. Immer wieder taucht dabei die Idee der sich selbst programmierenden Roboter auf, die ihre Schöpfer längst überholt haben und nun darüber bestimmen, was mit der Menschheit geschehen soll. Ob dabei eine Art psychologischer Kompensationsmechanismus am Werk ist, der uns über manche kollektiv unterdrückte Schuldgefühle hinwegtrösten soll, kann hier offenbleiben.

Viel ist darüber spekuliert worden, ob wir in Zeiten von Selfies und Selbstdarstellungen nicht eine Verstärkung des Narzissmus erleben. Wie Freud in seinem Werk Totem und...
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Julian Nida-Rümelin gehört zu den renommiertesten deutschen Philosophen und public intellectuals. Er lehrte Philosophie und politische Theorie in Tübingen, Göttingen, Berlin und München, sowie als Gastprofessor in den USA, Italien und China. Er war Kulturstaatsminister in der ersten rot-grünen Bundesregierung. Er ist Gründungsrektor der Humanistischen Hochschule Berlin, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates und Direktor am bayerischen Forschungsinstitut für digitale Transformation.