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Numbers - Den Tod im Blick (Numbers 1)

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
368 Seiten
Deutsch
Carlsen Verlag GmbHerschienen am25.03.2010Auflage
Wenn Jem in fremde Augen blickt, sieht sie eine Zahl. Genauer gesagt: ein Datum. Das Datum, an dem ihr Gegenüber sterben wird. Seit Jem das weiß, ist sie am liebsten allein. Bis sie Spinne kennenlernt - und mit ihm das Leben. Sie ist glücklich, zum ersten Mal. Doch als die beiden zum London Eye, dem Riesenrad, fahren, passiert es: Um sie herum tragen alle dieselbe Zahl. Jem weiß: Etwas Furchtbares wird passieren. Heute. Hier. Fluchtartig verlassen Spinne und sie das Gelände - und werden zu Gejagten ... Ein atemberaubender Thriller mit Tiefgang, nominiert für den Jugendliteraturpreis

Rachel Ward, 1964 geboren, wuchs in der Grafschaft Surrey südlich von London auf und studierte in Durham Geografie. Erst mit 40 Jahren widmete sie sich dem Schreiben. Ihr Debüt Numbers - Den Tod im Blick ist international vielfach ausgezeichnet und 2011 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert worden. Die daraus entstandene Numbers-Trilogie wurde weltweit zum Bestseller. Rachel Ward lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Bath, England. Weitere Informationen unter: www.rachelwardbooks.com
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR8,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextWenn Jem in fremde Augen blickt, sieht sie eine Zahl. Genauer gesagt: ein Datum. Das Datum, an dem ihr Gegenüber sterben wird. Seit Jem das weiß, ist sie am liebsten allein. Bis sie Spinne kennenlernt - und mit ihm das Leben. Sie ist glücklich, zum ersten Mal. Doch als die beiden zum London Eye, dem Riesenrad, fahren, passiert es: Um sie herum tragen alle dieselbe Zahl. Jem weiß: Etwas Furchtbares wird passieren. Heute. Hier. Fluchtartig verlassen Spinne und sie das Gelände - und werden zu Gejagten ... Ein atemberaubender Thriller mit Tiefgang, nominiert für den Jugendliteraturpreis

Rachel Ward, 1964 geboren, wuchs in der Grafschaft Surrey südlich von London auf und studierte in Durham Geografie. Erst mit 40 Jahren widmete sie sich dem Schreiben. Ihr Debüt Numbers - Den Tod im Blick ist international vielfach ausgezeichnet und 2011 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert worden. Die daraus entstandene Numbers-Trilogie wurde weltweit zum Bestseller. Rachel Ward lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Bath, England. Weitere Informationen unter: www.rachelwardbooks.com
Details
Weitere ISBN/GTIN9783646920062
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2010
Erscheinungsdatum25.03.2010
AuflageAuflage
ReiheNumbers
Reihen-Nr.1
Seiten368 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse917 Kbytes
Artikel-Nr.1012812
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



KAPITEL 01

Es gibt bestimmte Orte, wo wir uns rumtreiben. Traurige Jugendliche, schäbige Jugendliche, gelangweilte Jugendliche, einsame Jugendliche; Jugendliche, die anders sind. Wenn du weißt, wo du suchen musst, kannst du uns dort an jedem Tag der Woche finden: auf der Rückseite von Geschäften, in irgendwelchen Hintergassen, unter Brücken an Kanälen und Flüssen, in der Nähe von Tankstellen, in Bretterschuppen und Schrebergärten. Es gibt Tausende von uns. Das heißt, wenn du uns finden willst - die meisten Menschen wollen das ja gar nicht. Wenn die uns sehen, schauen sie weg, tun so, als ob wir nicht da wären. Das ist leichter. Vergiss die ganze Scheiße von wegen, jeder bekommt seine Chance - wenn sie uns sehen, sind sie froh, dass wir nicht mit ihren Kindern auf dieselbe Schule gehen, den Unterricht stören und ihnen das Leben zur Hölle machen. Genau das denken auch die Lehrer. Glaubst du, die sind enttäuscht, wenn wir morgens nicht im Unterricht erscheinen? Einen größeren Gefallen können die mir doch gar nicht tun, sagen die Lehrer - sie wollen uns nicht in ihren Klassen haben und wir wollen auch gar nicht hin.

Die meisten hängen in kleinen Gruppen zusammen, zu zweit oder dritt, und vertreiben sich die Zeit. Ich, ich bin lieber allein. Ich mag das, Orte zu finden, wo niemand ist - wo ich niemanden anschauen und seine Zahl sehen muss.

Deshalb war ich sauer, als ich zu meinem Lieblingsplatz unten am Kanal kam und feststellen musste, dass da schon jemand war. Wenn es bloß irgendein Fremder gewesen wär, irgendein alter Penner oder Junkie, wär ich woanders hingegangen, kein Problem, aber leider war es einer aus Mr McNultys »Spezialklasse«: der ruhelose, schlaksige, großmäulige Typ, den alle Spinne nannten.

Er lachte, als er mich sah, kam sofort auf mich zu und fuchtelte mir mit dem Finger vor dem Gesicht rum: »Schlimmes Mädchen! Was machst du denn hier?«

Ich zuckte die Schultern und sah auf den Boden.

Er redete weiter auf mich ein. »Konntest wohl den Nuller keinen Tag länger ertragen. Mach dir nichts draus, Jem - der ist ein Psycho. Der dürfte gar nicht frei rumlaufen, dieser Typ, stimmt´s?«

Spinne ist groß, riesig. So einer, der dir zu dicht auf die Pelle rückt und nicht merkt, wann es besser ist, sich zurückzuziehen. Ich nehm an, deshalb ist er auch in der Schule ständig in irgendwelche Schlägereien verwickelt. Die ganze Zeit hängt er dir vorm Gesicht rum und du riechst ihn. Selbst wenn du dich wegduckst und umdrehst, ist er noch da - er versteht keine Andeutungen, nimmt keine Zeichen wahr. Die Kapuze schränkte meine Sicht ein, doch als er direkt vor mir auftauchte und ich instinktiv den Kopf von ihm wegdrehte, trafen sich einen Moment lang unsere Blicke und da war sie. Seine Zahl. 15122010. Das war der zweite Grund, warum ich mich in seiner Nähe unwohl fühlte. Arme Sau - damit hat er doch null Chancen.

Jeder hat eine Zahl, ich glaub nur, dass ich die Einzige bin, die sie sieht. Na ja, richtig »sehen« kann ich sie eigentlich nicht; die Zahlen tauchen irgendwie in meinem Kopf auf. Ich fühl sie, irgendwo hinter den Augen. Doch sie sind wahr. Ist mir egal, ob du´s glaubst oder nicht - mach, was du willst, aber ich weiß, dass sie stimmen. Und ich weiß, was sie bedeuten. Der Groschen fiel, als meine Mutter starb.

Die Zahlen hatte ich schon immer gesehen, solange ich mich erinnern kann. Ich hatte gedacht, jeder würde sie sehen. Wenn ich die Straße entlangging und jemandem in die Augen sah, tauchte sie plötzlich auf, seine Zahl. Ich plapperte die Zahlen vor mich hin, als meine Ma mich im Buggy durch die Gegend schob. Ich dachte, es würde ihr gefallen. Sie würde mich für klug halten. Ja, echt.

Wir waren also auf der High Street unterwegs zum Sozialamt, um die wöchentliche Stütze abzuholen. Donnerstag war gewöhnlich ein guter Tag. Bald würde sie in dem verbarrikadierten Haus bei uns in der Straße einkaufen und dann für ein paar Stunden glücklich sein. Sämtliche verkrampften Muskeln in ihrem Körper würden sich entspannen, sie würde mit mir reden, mir vielleicht sogar vorlesen. Ich rief also, während wir die Straße entlangliefen, fröhlich die Zahlen der Leute aus. »Zwei, eins, null, vier, zwei, null, eins, neun! Null, sieben, null, zwei, zwei, null, vier, sechs!«

Plötzlich hielt sie den Buggy abrupt an und schwang ihn herum in ihre Richtung. Sie ging in die Hocke, hielt beide Seiten des Rahmens mit ihren Händen umklammert und bildete mit ihrem Körper einen Käfig, der mich so eng umschloss, dass ihre Adern stärker hervorstachen und ich die blauen Flecken und Einstiche deutlicher erkennen konnte als je zuvor. Sie schaute mir scharf in die Augen, die Wut stand ihr klar ins Gesicht geschrieben. »Hör zu, Jem«, sie spuckte die Worte aus. »Ich weiß nicht, was du da brabbelst. Aber hör auf. Es macht mich wahnsinnig, ich kann das heute nicht brauchen. Kapiert? Ich kann es nicht brauchen, also verdammt noch mal ... halt ... die ... Klappe.« Ihre Silben stachen wie wild gewordene Wespen, das Gift sprühte nur so. Und die ganze Zeit, die wir uns Auge in Auge anstarrten, war ihre Zahl da, eingeprägt auf der Innenseite meines Schädels: 10102002.

Vier Jahre später sah ich, wie ein Mann in schmuddeligem Anzug auf ein Blatt Papier schrieb: Datum des Todes: 10. 10. 2002. Ich hatte Ma morgens gefunden. Ich war aufgestanden wie jeden Morgen, hatte mein Schulzeug angezogen und mir ein bisschen Müsli zurechtgemacht. Ohne Milch, denn die stank, als ich sie aus dem Kühlschrank nahm. Ich ließ den Karton draußen stehen, setzte den Kessel auf und aß meine Kokosflocken, während das Wasser heiß wurde. Dann machte ich Ma einen schwarzen Kaffee und trug ihn vorsichtig zu ihr ins Zimmer. Sie lag noch im Bett, hing aber irgendwie halb raus. Die Augen standen offen, ihr Körper und die Decke waren voll Zeug - Erbrochenem. Ich stellte den Kaffee auf den Boden, direkt neben die Spritze.

»Ma?«, fragte ich, obwohl ich wusste, dass sie nicht antworten würde. Es war niemand mehr da. Sie war tot. Und ihre Zahl war auch weg. Ich erinnerte mich an die Zahl, aber sehen konnte ich sie nicht mehr, wenn ich in Mas trübe, leere Augen blickte.

Ich stand ein paar Minuten da, ein paar Stunden - keine Ahnung -, dann ging ich runter und sagte der Frau in der Wohnung einen Stock tiefer Bescheid. Sie ging nach oben, um nachzuschauen. Ließ mich draußen vor der Wohnung warten, als ob ich es nicht längst gesehen hätte, dumme Kuh. Sie war höchstens dreißig Sekunden verschwunden, dann spurtete sie an mir vorbei und übergab sich im Hausflur. Als sie fertig war, wischte sie sich mit ihrem Taschentuch den Mund ab, nahm mich mit in ihre Wohnung und rief einen Krankenwagen. Danach kamen all diese Menschen: Leute in Uniform - Polizei, Sanitäter; Leute in Anzügen - wie der Mann mit dem Klemmbrett und dem Blatt Papier und eine Frau, die mit mir sprach, als wär ich dämlich, und mich wegbrachte, einfach so, von dem einzigen Ort, den ich bis dahin kannte.

In ihrem Wagen, als wir wer weiß wohin fuhren, musste ich immer wieder dran denken. Diesmal nicht an die Zahlen, sondern an die Wörter. Drei Wörter. Datum des Todes. Datum des Todes. Wenn ich die Bedeutung doch bloß gekannt hätte, vielleicht hätte ich es ihr ja sagen, sie dazu bringen können, aufzuhören, was weiß ich. Was hätte es genützt? Wenn sie gewusst hätte, dass wir bloß sieben gemeinsame Jahre hatten? Hätte es was gebracht? Scheiße, verdammt - sie war ein Junkie. Es gab nichts auf der Welt, was sie dazu hätte bringen können, aufzuhören. Sie war süchtig.

Es gefiel mir nicht, mit Spinne da unter der Brücke zu sein. Klar, wir waren draußen, trotzdem fühlte ich mich irgendwie eingeschlossen, gefangen mit ihm. Er füllte alles mit seinen schlaksigen Armen und Beinen, die dauernd - fast zuckend - in Bewegung waren, und mit seinem Gestank. Ich duckte mich an ihm vorbei und lief auf den Treidelpfad.

»Wo willste denn hin?«, rief er mir nach und seine Stimme hallte von den Betonwänden zurück.

»Einfach rumlaufen«, murmelte ich.

»Genau«, sagte er, während er aufholte. »Rumlaufen und quatschen. Rumlaufen und quatschen.« Und rückte heran, dicht an meine Schulter, berührte mich. Ich ging weiter, den Kopf gesenkt, die Kapuze über dem Kopf, mit eingeschränkter Sicht auf Kieselsteine und Müll, die sich unter den Turnschuhen bemerkbar machten. Er ging neben mir. Wir müssen total bescheuert ausgesehen haben, ich ziemlich klein für meine fünfzehn Jahre und er wie eine schwarze Giraffe auf Speed. Er versuchte ein bisschen zu reden, ich ignorierte ihn. Hoffte, er würde aufgeben und verschwinden. Aber keine Chance. Ich hätte vermutlich sagen müssen: »Verpiss dich!«, um ihn loszuwerden, doch selbst dann wär er wahrscheinlich nicht abgehauen.

»Du bist also neu hier in der Gegend, ja?«

Ich zuckte die Schultern.

»Von deiner alten Schule geflogen?

Böses Mädchen gewesen, was?«

Von der Schule geflogen, aus meinem letzten »Zuhause« geflogen, genau wie aus dem davor und aus dem davor auch. Die Leute scheinen nicht zu begreifen, was mit mir los ist. Nicht zu verstehen, dass ich ein bisschen Platz brauche. Ständig sagen sie mir, was ich tun soll. Sie glauben, wenn du die Regeln befolgst, saubere Finger hast und dich anständig benimmst, wird alles gut. Die haben doch keine Ahnung.

Er griff in seine Tasche. »Willste ´ne Kippe? Ich hab welche, hier.«

Ich blieb stehen und schaute...


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Autor

Uwe-Michael Gutzschhahn, geboren 1952, lebt als Übersetzer, Autor, Herausgeber und freier Lektor in München. Für seine Übersetzungen wurde er mehrfach mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.Rachel Ward, 1964 geboren, wuchs in der Grafschaft Surrey südlich von London auf und studierte in Durham Geografie. Erst mit 40 Jahren widmete sie sich dem Schreiben. Ihr Debüt Numbers - Den Tod im Blick ist international vielfach ausgezeichnet und 2011 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert worden. Die daraus entstandene Numbers-Trilogie wurde weltweit zum Bestseller. Rachel Ward lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern in Bath, England.Weitere Informationen unter: rachelwardbooks.com