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Die lange Welle hinterm Kiel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
306 Seiten
Deutsch
Insel Verlag GmbHerschienen am16.11.20111. Auflage
Zwei Paare auf einem Kreuzfahrtschiff im Pazifik: Die junge Psychologin Sylva wird von ihrem Schwiegervater Martin Burian begleitet; die verwitwete Fabrikantin Margarete Kämmerer hat ihren Neffen Siegfried zu dieser Fahrt eingeladen. Die zufällige Begegnung der beiden Paare hat ungeahnte Folgen. Während sich Sylva und Siegfried ineinander verlieben, werden ihre Begleiter von der Vergangenheit eingeholt: Margarete und Burian lebten einst Tür an Tür im Sudentenland, waren Freunde, bis sie durch die politischen Ereignisse im Zweiten Weltkrieg zu Todfeinden wurden ...


Pavel Kohout, 1928 in Prag geboren, ist als Schriftsteller und Dramatiker international bekannt geworden. Als einer der Wortführer des »Prager Frühlings« von 1968 wurde er aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen und über zwanzig Jahre totgeschwiegen. Er war Mitverfasser der »Charta 77«, 1979 wurde er ausgebürgert. Kohout lebt heute in Wien und Prag.
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Produkt

KlappentextZwei Paare auf einem Kreuzfahrtschiff im Pazifik: Die junge Psychologin Sylva wird von ihrem Schwiegervater Martin Burian begleitet; die verwitwete Fabrikantin Margarete Kämmerer hat ihren Neffen Siegfried zu dieser Fahrt eingeladen. Die zufällige Begegnung der beiden Paare hat ungeahnte Folgen. Während sich Sylva und Siegfried ineinander verlieben, werden ihre Begleiter von der Vergangenheit eingeholt: Margarete und Burian lebten einst Tür an Tür im Sudentenland, waren Freunde, bis sie durch die politischen Ereignisse im Zweiten Weltkrieg zu Todfeinden wurden ...


Pavel Kohout, 1928 in Prag geboren, ist als Schriftsteller und Dramatiker international bekannt geworden. Als einer der Wortführer des »Prager Frühlings« von 1968 wurde er aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen und über zwanzig Jahre totgeschwiegen. Er war Mitverfasser der »Charta 77«, 1979 wurde er ausgebürgert. Kohout lebt heute in Wien und Prag.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783458770206
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2011
Erscheinungsdatum16.11.2011
Auflage1. Auflage
Seiten306 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1038051
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1;Inhalt;8
2;Die Kunst des Krieges;10
2.1;I. Die Bewertung der Lage;12
2.2;II. Die Kriegführung;15
2.3;III. Die Planung des Angriffs;18
2.4;IV. Die Formation;22
2.5;V. Die Schlagkraft;25
2.6;VI. Die Leere und die Fülle;28
2.7;VII. Das Gefecht;32
2.8;VIII. Die neun Wechselfälle;38
2.9;IX. Der Marsch;40
2.10;X. Die Beschaffenheit des Geländes;46
2.11;XI. Die neun Geländearten;50
2.12;XII. Der Angriff mit Feuer;57
2.13;XIII. Der Einsatz von Spionen;60
3;Anhang;64
3.1;Sima Qian Biographie des Sunzi;66
3.1.1;Anmerkungen;72
3.1.1.1;I.;72
3.1.1.2;II.;73
3.1.1.3;III.;73
3.1.1.4;IV.;74
3.1.1.5;V.;75
3.1.1.6;VI.;77
3.1.1.7;VII.;78
3.1.1.8;VIII.;79
3.1.1.9;IX.;79
3.1.1.10;X.;80
3.1.1.11;XI.;81
3.1.1.12;XII.;83
3.1.1.13;XIII.;83
3.1.1.13.1;Anhang;85
3.2;Nachwort;86
3.2.1;Die Zeit;89
3.2.2;Der Autor;105
3.2.3;Das Werk;110
3.2.4;Zur Text- und Wirkungsgeschichte;120
3.2.5;Zur Übersetzung;126
3.3;Zeittafel;132
3.4;Aussprachehinweise;133
3.4.1;Konsonantische Anlaute;133
3.4.2;Weitere Vokale;134
3.5;Literaturangaben;135
3.5.1;Allgemeine Literatur;135
3.5.2;Textausgaben;136
3.5.3;Übersetzungen;137
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Leseprobe




Zweites Kapitel




Was ihm in den nächsten vier Wochen bevorstand, hatte Siegfried Gross schon in Frankfurt zu spüren bekommen, wo er den Instruktionen gemäß in einer als Meeting Point gekennzeichneten Ecke der Abflughalle ausharrte. Nach einer Stunde war ihm klar, daß er ruhig hätte ausschlafen und mit einer späteren Maschine herfliegen können. Während der nächsten halben Stunde überlegte er bereits, ob er nicht doch lieber auf dieses ganze Unternehmen, das ihm trotz aller Vorteile von Anfang an wenig zugesagt hatte, pfeifen und nach Berlin zurückkehren sollte.

Da stürzte auch schon schweißgebadet ein Mann auf ihn zu. Er habe ihn seit neunzig Minuten schon mehrmals vergeblich über die Flughafendurchsage ausrufen lassen, er sei der Direktor einer der Holding-Gesellschaften der Frankfurter Kämmerer Beton AG, den die gnädige Frau angewiesen habe, ihre durch eine unerwartete Verhandlung verzögerte Abreise aus München zu entschuldigen.

Er überreichte Siegfried das Flugticket sowie einen Voucher für unbegrenzten Verzehr im besten Restaurant des Flughafens, unternahm immer neue erfolglose Anstrengungen, Siegfrieds gewaltiges Gepäck zu tragen, und ließ sich nicht eher abschütteln, bis er der simplen Check-in-Prozedur beigewohnt hatte. Als ihm Siegfrieds wachsender Mißmut nicht entging, setzte er mit einer devoten Entschuldigung hinzu: »Frau Kämmerer hat mir präzise Anweisungen erteilt. Sie ist gewohnt, daß sie ebenso präzise ausgeführt werden. Meine Verspätung, falls sie davon erfährt, wird sie sowieso verärgern …«

Zum Essen blieb keine Zeit mehr. Er gab den Gutschein einer Lumpengestalt, die wohl aus dem Balkan kam. Er hatte sie in einem Abfallkorb wühlen sehen, und stellte sich nun belustigt vor, wie der Penner den relativ edlen Freßtempel betrat. Dabei kam ihm der Gedanke, dieser ausgemergelte Mensch sei vielleicht ein Fixer, und ihn fröstelte, als ihm mit einem Schlag Harry einfiel.

Im Warteraum vor dem Einstiegsschlauch bekam er seine künftige Befehlshaberin nicht zu Gesicht; eine dichte Menge harrte hier, den Flieger betreten zu dürfen. Drinnen wurde er dann fast bis ans Ende des Rumpfes getrieben und fand seinen unbequemen Platz zu allem Überfluß auf dem zweiten der vier mittleren Sitze. Als beide Nachbarsitze besetzt waren und er sich vergebens um etwas Ellbogenfreiheit mühte, ging ihm auf, daß seine Mäzenin sicherlich vorn in der Businessclass reiste; logisch. Und so brachte sie ihn mit dieser Deklassierung zum zweiten Mal gegen sich auf.

Er mußte sich korrigieren: Er war doch durch seine Achtlosigkeit selber schuld, daß ihm ein Eins-a-Mittagessen entgangen war, ein T-Bone-Steak von einem halben Kilo vermutlich, wie er es über alles liebte. Aber auch der scheinbar zweite Fauxpas sollte sich alsbald als ein Irrtum erweisen. Kurz vor dem Start forderte eine Stewardeß ihn auf, seine Bundjacke vom Gepäckbord zu nehmen und ihr zu folgen. In ihrem Schlepptau ging er unzählige vollgepferchte Sitzreihen entlang, passierte den Einstieg und dann eine Tür mit der Aufschrift Senator Club. In der Luxuskabine mit ihren zwei Dutzend breiten Fauteuils war es halb leer.

»Hierher!« befahl eine klare Stimme.

Die Sprecherin blickte sich nicht zu ihm um, hielt aber immerhin die Hand über die hohe Rücklehne, um ihm so die Richtung zu weisen. Nach fünfundsiebzig sah sie nun keinesfalls aus. Auch schien ihre Haut an der Hand und im Gesicht ihre natürliche Straffheit bewahrt zu haben, kein Lifting. Und ihre scharf blickenden Augen hatten bestimmt keine Brille nötig. »So siehst du also aus!« blaffte sie ihn an, als habe er sich erst einmal auszuweisen.

»Ja …« antwortete er wachsam. Doch da bedachte sie ihn schon mit einem festen Druck ihrer rundlichen Hand und einem unerwartet herzlichen Lächeln. »Bist groß nicht nur dem Namen nach! Setz dich!«

Sie deutete auf den Platz neben sich, er aber warf einen Blick in Richtung Stewardeß, die darauf zu warten schien, ihn wieder zurückzubringen, aber warum, zum Teufel, hatte er dann seine Jacke mitnehmen sollen? Damit sie ihm dort inzwischen nicht geklaut würde?

»Was möchtest du trinken?« fragte die Sitzende.

Er sah, daß sie in der Haltevorrichtung ihrer Armlehne einen Drink abgestellt hatte. Ihm fiel kein Getränk ein. »Was trinken Sie …?«

»Also auch einen Manhattan!« entschied sie für ihn und wiederholte, »nun setz dich schon, du wirst hier doch wohl nicht bis morgen wie in der Straßenbahn stehen wollen!«

Die Stewardeß war bereits davongeeilt.

»Ich habe ein paar Aktien dieser Fluglinie«, erklärte ihm die alte Dame, »da schmeiß ich nicht auch noch für meine Begleitung einen Haufen Geld raus, wo ich weiß, daß hier immer was frei ist!«

Dann war er schon dabei, Dutzende von Fragen über sein Leben und über seine Familie in Berlin zu beantworten, Fragen, die sie salvenweise abfeuerte, wobei sie auf vollständiger Information bestand. Nach vier Stunden und fünf Manhattans hatte die Nacht sie schließlich eingeholt, doch ihre Aufmerksamkeit erlahmte nicht, bis er irgendwann plötzlich einschlief.

Als er die Augen aufmachte und ihm der Duft von starkem Kaffee in die Nase schlug, war wieder Tag, und er erfuhr, daß er das Frühstück verschlafen hatte und seine Nachbarin gerade mit dem Lunch fertig war.

»Du bist mir mitten im Satz weggepennt«, eröffnete sie ihm, »aber bevor du jetzt dein Essen kriegst, erzähl mir wenigstens diese schreckliche Geschichte zu Ende.«

Sie mußte ihn daran erinnern, daß er zuletzt von dem armen Harry berichtete, obwohl er es sich eigentlich untersagt hatte, an die Zeit mit ihm auch nur zu denken. Ja, sie zwang ihn, Schubladen in seinem Innern zu öffnen, die er ein für allemal geschlossen zu haben glaubte. Doch zu seinem Erstaunen empfand er deswegen keine Wut auf sie, eher sogar Erleichterung, als würde dieses scheußliche Erlebnis erst jetzt von ihm abfallen und sich in dem Kondensstreifen auflösen, den die Maschine hinter sich herzog.

Dabei hatte er ihr nur das gesagt, was sie seiner Meinung nach auch ertragen konnte.

Auf Tapeete landeten sie erst gegen Abend, doch die alte Dame war noch genauso frisch wie gestern mittag in Frankfurt; er hoffte, sie habe sich ausgeschlafen, während er schlief, denn sonst müßte er es mit der Angst zu tun kriegen. Zumal er mittlerweile erlebte, wie sie den Toast zurückgehen ließ, weil er ihr zu blaß erschien, den Tee, weil er nicht heiß genug war, und dann auch den letzten Manhattan, angeblich war er viel zu schwach. Obwohl sie nie die Stimme erhob, genügte allein ihr Ton, daß die Stewardeß im Laufschritt für Abhilfe sorgte.

Auf dem Airport lehnte sie das erste Taxi als zu dreckig ab, das zweite, weil das nicht schließbare Fenster die Klimaanlage außer Gefecht setzte, und das dritte, weil der Fahrer ihr zu schmutzig war. Mit dem vierten verhandelte sie erst einmal vergebens in einer Sprache, die Siegfried erst nach einer Weile als Deutsch mit versuchtem englischen Akzent erkannte. Er bot sich als Dolmetscher an und erlebte, wie diese Multimillionärin um den Fahrpreis feilschte, als könne sie sich dann kein Stück Brot mehr leisten.

Selbst mit dem ausgehandelten Preis war sie noch unzufrieden und tat, als wäre ihr ein Unrecht geschehen. Sie warnte Siegfried während der Fahrt, im ganzen Pazifik vor jedem dieser lächelnden Gnome auf der Hut zu sein, die nichts anderes als eine üble Diebesbrut seien.

»Wenn ich dich so vor mir sehe«, schloß sie mit hörbarer Verachtung, »gehörst du wohl zu denen, die an die Gleichheit der Rassen glauben. Ich denke, davon wirst du hier geheilt werden.«

Danach verschwieg er ihr lieber, daß sie vorher den Bus übersehen hatte, der die Schiffsreisenden zweifellos gratis zum Hafen beförderte.

Die Litanei ging in einem tropischen Regenguß unter, der Anlauf zu einer Weltsintflut nahm, hinter dessen Wasservorhang aber schon wenig später die strahlende Szenerie einer farbenprächtigen Natur wieder auftauchte.

Da faßte diese harte Frau unversehens weich nach Siegfrieds Hand. »Ich bin froh, daß du um mich sein wirst. Eine Kreuzfahrt ist ein herrliches Erlebnis, doch fehlte mir schon ein männliches Wesen dabei.«

Er spürte, wie seine Hand in der ihren erschlaffte, getraute sich aber nicht, sie während der verbliebenen Minuten zu befreien, in denen sein Nebenan ungewöhnlich schweigsam wurde und auch die Landschaft nicht zu beachten schien; als sei sie in sich selbst zurückgekehrt und habe der Welt eben nur noch diese Hand dagelassen, welche die seine festhielt.

Er war froh, als er sich aus ihrem Griff befreien durfte, um ihr beim Aussteigen zu helfen, und weidete sich an der offenkundigen Nervosität des Schiffsoffiziers mit dem griechisch-römischen Profil, der sich beflissen um ihre Gunst bemühte. Er weiß Bescheid! Das begriff Siegfried sofort. Obwohl sie, wie sie ihm sagte, noch nie mit diesem Schiff eine Kreuzfahrt unternommen hatte, waren die Warnsignale offensichtlich bis hierher gedrungen.

Er begleitete seine Gebieterin auf Zeit bis zu ihrem Appartement - es mußte ein Heidengeld kosten -, wo sie ihn gnädig entließ.

»Richte dich häuslich ein, Siegfried! Sobald ich damit fertig bin, schau ich mir deine Kabine an. Ich hoffe, man hat sie so gewienert, als wäre sie für mich gedacht!«

Das war auf den Steward gemünzt, der sie begleitete und sich ebenfalls vor lauter Höflichkeit in Stücke zu reißen schien.

»Si, Signora!« entfuhr es ihm.

Von soviel Aufmerksamkeit überrascht, wartete Siegfried nur noch auf seinen gewaltigen Seesack. Dabei begegnete er ihrem fragenden Blick...

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Autor

Pavel Kohout, 1928 in Prag geboren, ist als Schriftsteller und Dramatiker international bekannt geworden. Als einer der Wortführer des »Prager Frühlings« von 1968 wurde er aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen und über zwanzig Jahre totgeschwiegen. Er war Mitverfasser der »Charta 77«, 1979 wurde er ausgebürgert. Kohout lebt heute in Wien und Prag.