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ISBN/GTIN

Ich schneie

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
382 Seiten
Deutsch
SAGA Egmonterschienen am01.02.2016
Nach der 'sanften Revolution' kehrt der Ökonomieprofessor Viktor Král aus dem Exil im fernen Kanada ins heimatliche Prag zurück, wo Ich-Erzählerin Petra Márová die große Liebe ihres Lebens bereits sehnlich erwartet und nun beide wieder zueinanderfinden. Doch das, womit andere Romane aufhören, ist hier erst der Anfang, denn jetzt scheint Viktor seine Vergangenheit einzuholen: Sein Name taucht in einem Agentenregister des untergegangenen kommunistischen Regimes auf. Als sich herausstellt, dass ein ehemaliger Major der Staatssicherheit, der ebenfalls in Petra verliebt ist, hinter dem Eintrag steckt, wirft das nur neue Fragen auf. Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? In ihrer Suche nach der 'wahren' Wahrheit dringt Petra immer tiefer in die Vergangenheit ein - eine Wahrheitssuche, die zugleich eine spannende Aufarbeitung der jüngeren politischen Geschichte Mitteleuropas und ihres beklemmenden Fortwirkens bis in die Gegenwart ist.-

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KlappentextNach der 'sanften Revolution' kehrt der Ökonomieprofessor Viktor Král aus dem Exil im fernen Kanada ins heimatliche Prag zurück, wo Ich-Erzählerin Petra Márová die große Liebe ihres Lebens bereits sehnlich erwartet und nun beide wieder zueinanderfinden. Doch das, womit andere Romane aufhören, ist hier erst der Anfang, denn jetzt scheint Viktor seine Vergangenheit einzuholen: Sein Name taucht in einem Agentenregister des untergegangenen kommunistischen Regimes auf. Als sich herausstellt, dass ein ehemaliger Major der Staatssicherheit, der ebenfalls in Petra verliebt ist, hinter dem Eintrag steckt, wirft das nur neue Fragen auf. Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? In ihrer Suche nach der 'wahren' Wahrheit dringt Petra immer tiefer in die Vergangenheit ein - eine Wahrheitssuche, die zugleich eine spannende Aufarbeitung der jüngeren politischen Geschichte Mitteleuropas und ihres beklemmenden Fortwirkens bis in die Gegenwart ist.-

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Details
Weitere ISBN/GTIN9788711461402
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum01.02.2016
Seiten382 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.11965677
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Mea culpa. Mea maxima culpa!

Aber warum so hochgestochen? Blöd bin ich, blöd hoch zwei!

Allerdings, allerdings: Habe ich das voraussetzen können? Als ich meiner Gábina bei der Torte, die ich zu ihrem Fünfzehnten gebacken hatte, knieschlotternd über zehn Ecken klarmachen wollte, warum sie bald ihre erste Blutung kriegen würde (ich unaufgeklärtes Kind verschämter Katholiken hatte einst verzweifelt geglaubt, ich hätte eine schwere innere Verletzung), teilte sie mir fast beleidigt mit, ohne ihre Schafsmiene zu verändern, sie sei doch keine Jungfrau mehr.

Dieser Junge maß an die zwei Meter und machte den Eindruck eines umschwärmten Beglückers anspruchsvoller Frauen. Ich hatte ihn zuweilen in der Betriebskantine bemerkt (er war nicht zu übersehen) und mit der Zeit jene angenehme Schwingung verspürt, die mir sagte, daß er sehr wohl von mir wußte. Nicht im Traum wäre ich aber auf die Idee gekommen, mich mit einer Person männlichen Geschlechts einzulassen, soviel jünger als ich.

Als ich ihn jetzt an Bord erblickte (die noch unter den Totalitären geplanten Gelder für Transparente beim Maiumzug hatte unser Betrieb in diesem Mai 91 für eine festliche Dampferpartie springen lassen), kam mir aus heiterem Himmel der Gedanke, wie aufregend es wäre, von ihm umarmt zu werden. Ich war sogleich entsetzt (mein erster Hase? verdammt früh!), drehte ihm den Rücken zu und plauderte krampfhaft mit den Kollegen von der Anzeigenabteilung. Nach zwei Vierteln waren sie nicht minder fad, dafür aber um so aufdringlicher, die Zielscheibe ihrer peinlichen Komplimente waren wieder einmal meine Brüste. (Bei der Arbeit schnürte ich mich wie ein Ulanenoffizier, für das Schiff hatte ich natürlich einen recht enganliegenden Pullover angezogen.)

Vorübergehend machte mir das Aufflammen unseres Chefreporters Spaß. Ohne Zweifel hatte auch ihn mein Busensignal (Zitat: Olin, früher verbotener Bildhauer, jetzt nach dem großen Knall Spektabilis oder so was) angelockt, doch er bemühte sich wenigstens, sein Gelüst kultiviert zu tarnen, indem er von seiner Art Journalismus erzählte, die ihm den Ruf eines Kommunistenfressers einbrachte und dem Blatt die Auflage erhöhte. Doch er spielte sich ungehemmt auf, was mich in Rage brachte.

«Wie lang machen Sie schon diesen Job?» fragte ich unschuldig.

«Fünf Jahre.» (Er tappte mir arglos in die Falle.)

«Schade, daß Sie nicht auch früher so schreiben durften, dann hätten die hier nicht bis voriges Jahr ihren Mist gebaut.»

«Na logisch, das ging nicht!»

«Na logisch, jetzt geht doch alles!»

Er stürzte das halbe Glas auf einmal hinunter, um sich an die Bar begeben zu können. Im Windschatten der Brücke nahm ich danach eine unaufschiebbare Operation vor: Ich erklärte dem sterbenslangweiligen, mir allerdings nicht unsympathischen Redakteur der Persönlichen Nachrichten (als einziger der Staatskatholiken im ganzen Betrieb war er auch vor der Revolution in die Kirche gegangen), daß mich allein die Existenz von Julien daran hindere, auf sein Eheangebot einzugehen. (Mein erdachter französischer Verlobter aus Amiens half mir, mein Privatleben zu bewahren und zu verschleiern; den Nachnamen Sorel verriet ich ausschließlich jenen Anbetern, die mit Sicherheit nicht Stendhal kannten.)

Später, als der Moldaudämpfling hinter der Vranover Schleuse wendete und über uns in der Dämmerung Girlanden aus bunten Glühbirnen aufflammten, kam Wehmut in mir auf. Es war Erster Mai, der Liebe Zeit, doch Viktor hatte sich nach einmonatigem Schweigen auch heute nicht gerührt, so daß ich, einem bewährten Aberglauben zufolge, bis zum nächsten Mai keinen Liebeskuß empfangen würde ...

Ich ging an die Theke zurück, um mir noch ein Viertel Roten zu holen. Das weckte die Lust zum Rauchen in mir. Also mußte ich beim Trinken zulegen, um den Nikotin- und Alkoholspiegel auszupendeln (andernfalls drohten mir Kopfschmerz oder Sodbrennen). Eine Weile ließ ich es zu, daß mein dicklicher Chef mit dem dürren Vertriebsleiter trunken um mich wetteiferte, einer wie der andere bot mir, sobald wir anlegten, einen Schlaftrunk in seinem Büro an, ein jedes mit einer (Altnomenklatura-) Couch ausgestattet (pfui, nie wieder!), bis ich dieser Groteske scheinheilig mit dem Hinweis Schluß machte, daß sie beide verheiratet und jetzt bereits offiziell Christen seien.

Ich, die ich seit über einem Jahr in der Todsünde lebe!

Bevor unser Maikahn anlegte, postierte ich mich an der richtigen Stelle und stürzte als erste an Land. Erst oben am Kai mäßigte ich das Tempo und schlenderte wehmütig durch die laue Nacht zur Straßenbahn, immer die menschenleere Uferpromenade entlang (als gäbs im nachrevolutionären Prag nicht alle naslang Überfälle), bis ein hinter mir auftauchender Schatten mich erschreckte. Es war aber der lange Jüngling, und er bestätigte mein Urteil: Ohne alle Schüchternheit stellte er sich vor (Václav, Lektor für irgendwas) und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte auf ein letztes Gläschen in einem besseren Lokal.

Die kleine Weinstube war allerdings weit von dieser Vorstellung entfernt. Die Tischtücher fleckig, und selbst der im voraus spendierte Zwanziger versetzte den Ober nicht in bessere Laune. (Ihr wollt hier über Nacht Kapitalisten sein, lebenslang aber sozialistisch faulenzen! Zitat: Viktor. Ach Liebster, warum bist du nicht bei mir? Was suche ich hier mit diesem Zufalls-Don Juan? Ich weiß: die Freiheit von dir. So kann das nicht bleiben!)

Er langweilte mich nicht gerade, bewies ein gewisses Niveau (respektierte den Altersunterschied und kehrte ihn nicht hervor), hatte allerlei gelesen und gesehen, er hatte sogar eine Meinung darüber. Dann glänzte ich, als wir auf die moderne Musik zu sprechen kamen, ohne Scham schnatterte ich daher, was ich mit einem Ohr von Gábinka und ihren Diskoboys aufgeschnappt hatte, hol sie der Teufel! Jetzt kamen mir diese Hohlheiten zupaß, das Jüngelchen staunte, man sah ihm regelrecht an, wie er mir verfiel. Mein Herzeleid reifte unterdessen zu meiner gefährlichsten Stimmung heran: Trotz.

Also gut, du mein allerteuerster Liebling, dein Wille geschehe! Ich gehe dir fremd, und basta.

Trotzdem bezahlte ich ordentlich meinen Teil und ließ mir ein Taxi für die Heimfahrt kommen. Herr mein Gott, du siehst, daß ich den Dingen ihren Lauf lasse, heißt du solch eine Heilkur nicht gut, dann mach, daß er mich nicht einlädt! (Zu allem bin ich ein elender Feigling.) Zwischen Lokal- und Droschkentür hatte er gerade noch Zeit, mich zu fragen, ob er mich zu sich einladen dürfe, auf einen Kaffee und Musik, versteht sich! er habe ein paar Superplatten von Joan Baez, die ich so schätze (haha). Er war dabei ein bißchen zittrig, was mir (in meiner Gehirnverfinsterung) gefiel, er ehrt das Alter! spottete ich für mich, doch dabei wollte ich ihn (zu meinem Erstaunen) wirklich schon. Alles drängte zur historischen Tat ...

Trotz aller Sinnlichkeit (ach, und daß ich mit den Jahren immer sinnlicher werde!) war ich, o Welt, bis auf den heutigen Tag altmodisch treu, ich schlief immer nur mit einem, und entschied ich mich für einen anderen, war es mit dem ersten aus (ob das nun mein schöner junger Gatte war oder, nicht wahr, Viktor, du selbst ... heute werde ich zum erstenmal jemanden echt betrügen, und das wirst wiederum du sein).

Der hochansehnliche Junge hatte von alle dem keine Ahnung, ich war auch auf der Höhe, er sollte glauben, das sei für mich so selbstverständlich wie das tägliche Brot, sonst blieb er mir womöglich noch am Halse hängen. (Wenn er mich nächstens in der Kantine grüßt, schneide ich ihn, soll er doch das Gefühl haben, daß er alles nur geträumt hat, er war der Mohr, der mich unbewußt von einer Folterliebe erlöst hat.)

In meiner Weinseligkeit nahm ich weder die Straße, das Haus, das Stockwerk noch die Wohnung wahr, erst sein Zimmer, dessen Einrichtung und chaotischer Zustand mich an das von Gábina erinnerten (auch das hätte mich warnen sollen). Doch ich war entschlossen, ja, ich bezähmte mich, um nicht den Anfang zu machen (als wollte ich es schnellstens hinter mich gebracht haben). Er stellte den Plattenspieler an (und verkratzte dabei die Platte), knipste das große Licht aus (den Kaffee hatte er vergessen), kniete neben meinem Sessel nieder (so daß es unmöglich war, sich nicht zu küssen) und traf die Nase.

Schon jetzt hätte ich den Fehler erkennen müssen, aber es war zu spät, seine Ungeschicklichkeit rührte mich geradezu, so daß ich ihm vormachte, wie man küßt, wenn man will, und mein erster Eindruck von ihm wurde bestätigt, als er unfehlbar den Schlüssel zu mir fand: Er streichelte mit beiden Händen zart meine Brüste. (Darauf waren nur zwei meiner Geliebten von allein gekommen, die übrigen fingen an, sie besinnungslos zu traktieren.)

Gleich darauf die nächste vergebliche Warnung, als er unangebracht Darf ich? fragte. Ja! sagte ich, vom totalem Verlust an Urteilsvermögen betroffen, und um uns beiden peinliches Herumtasten zu ersparen, entledigte ich mich selbst des schwarzen Body; ich war sogar noch stolz, als er seine Entdeckung bestaunte.

Viktor, mein Liebster, der du diese üppige Landschaft meines Körpers immer so vergöttert hast, bis ans Lebensende hättest du schon ihr ausschließlicher Besitzer sein können, wenn du mir noch einmal vertraut hättest!

Nach einem Jahr wirkungsloser Treue kam jetzt also auf billige Art irgendein Bursche Václav in ihren Besitz, der eine unbehaarte Hühnerbrust hatte und schmale Hüften (wie männliche Schaufensterpuppen), ohne viel Federlesens zog ich ihn einfach an mich, bring mir rasch in Erinnerung, wie mans in diesem Alter macht, befrei mich von den alternden Langweilern und gib mich...
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