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Der Tote vom Strand

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am31.05.2012
Was geschah mit Mikaela Lijphart? Welches Geheimnis umgibt ihren Vater? Das junge Mädchen ist wie vom Erdboden verschluckt - kurz nachdem sie ihren Erzeuger zum ersten Mal seit sechzehn Jahren wieder getroffen hat. Ewa Moreno, Kriminalinspektorin aus Van Veeterens Maardamer Polizeiteam, wird während ihrer Ferien mit einem mysteriösen Fall konfrontiert, dessen Ursprünge bis weit in die Vergangenheit reichen.

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt in Stockholm und auf Gotland.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWas geschah mit Mikaela Lijphart? Welches Geheimnis umgibt ihren Vater? Das junge Mädchen ist wie vom Erdboden verschluckt - kurz nachdem sie ihren Erzeuger zum ersten Mal seit sechzehn Jahren wieder getroffen hat. Ewa Moreno, Kriminalinspektorin aus Van Veeterens Maardamer Polizeiteam, wird während ihrer Ferien mit einem mysteriösen Fall konfrontiert, dessen Ursprünge bis weit in die Vergangenheit reichen.

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt in Stockholm und auf Gotland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641090494
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum31.05.2012
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1416 Kbytes
Artikel-Nr.1176260
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

21. Juli 1983

 


Winnie Maas musste sterben, weil sie ihre Pläne geändert hatte.

Später meldeten sich auch Stimmen zu Wort, die behaupteten, sie habe sterben müssen, weil sie schön und dumm gewesen sei. Was anerkanntermaßen eine riskante Kombination ist.

Oder weil sie zu gutgläubig war und sich den falschen Menschen anvertraute.

Oder weil ihr Vater ein Mistkerl war, der die Familie bereits im Stich gelassen hatte, als Winnie noch ein Wickelkind war.

Es war auch die Ansicht zu hören, Winnie Maas habe ein wenig zu kurze Kleider und ein wenig zu enge Blusen getragen und sei deshalb im Grunde an allem selber schuld.

Keine dieser Erklärungen ließ sich wohl ganz und gar von der Hand weisen, aber der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war doch dieser: dass sie ihre Pläne geändert hatte.

In der Sekunde, bevor sie auf den Boden auftraf und die erbarmungslose Stahlschiene ihren Schädel zerteilte, ging ihr das sogar selber auf.

 


Sie wischte sich ein wenig überflüssigen Lippenstift ab und betrachtete ihr Spiegelbild. Riss die Augen auf und spielte mit dem Gedanken, etwas mehr Kajal aufzutragen. Es war so anstrengend, die ganze Zeit die Augen aufzureißen. Viel einfacher wäre es doch, unten mehr Farbe zu haben. Das hatte den gleichen Effekt. Sie zog mit dem Stift eine dünne Linie, beugte sich zum Spiegel vor und überprüfte das Ergebnis.

Klasse, dachte sie und richtete ihre Aufmerksamkeit dann auf ihren Mund. Zeigte die Zähne. Die waren ebenmäßig und weiß, und das Zahnfleisch saß zum Glück ziemlich hoch - nicht wie bei Lisa Paaske, die mit ihren schräg stehenden grünen Augen und ihren hohen Wangenknochen zwar sehr gut aussah, ansonsten aber immer ein ernstes Gesicht machen musste oder höchstens ganz leicht und rätselhaft lachen durfte. Eben, weil ihr Zahnfleisch so weit nach unten reichte. Igitt, dachte Winnie Maas. Wirklich ungeil.

Sie schaute auf die Uhr. Viertel vor neun. Höchste Zeit, sich auf den Weg zu machen. Sie stand auf, öffnete ihre Kleiderschranktür und musterte sich von oben bis unten. Testete einige Posen aus und schob mal die Brüste und mal den Unterleib vor. Es sah gut aus, oben wie unten. Sie hatte eben erst vier Haare ausgezupft, die sich in gefährlicher Nähe der Bikinizone breit gemacht hatten. Helle Haare zwar, aber trotzdem.

Perfekt, hatte Jürgen gesagt. Verdammt, du besitzt einen perfekten Körper, Winnie.

Umwerfend, das war Janos' Meinung gewesen. Du bist einfach umwerfend, Winnie, ich krieg schon einen Ständer, wenn ich nur an deinem Haus vorbeigehe.

Sie lächelte, als sie an Janos dachte. Von allen, mit denen sie zusammen gewesen war, war Janos sicher der Beste gewesen. Er hatte alles genau richtig gemacht. Hatte Gefühl und Zärtlichkeit gezeigt, auf diese Weise, von der so oft in »Flash« und »Girl-Zone« die Rede war.

Janos. Ja, eigentlich war es schon ein bisschen traurig, dass sie nicht mit Janos zusammengeblieben war.

Aber egal, dachte sie und schlug sich auf die Hinterbacken. Bringt nichts, über vergossene Milch zu jammern. Sie fischte einen String-Tanga aus der Schublade, konnte aber keinen sauberen BH finden und verzichtete deshalb darauf. Sie brauchte ja auch keinen. Ihre Brüste waren ziemlich klein und straff genug, um sich aus eigener Kraft oben zu halten. Wenn sie an ihrem Körper überhaupt etwas auszusetzen hatte, dann hätte sie sich größere Brüste gewünscht. Nicht viel größer, nur eine Spur. Dick hatte zwar behauptet, sie habe die tollsten Titten der Welt, und er hatte so energisch daran gelutscht und herumgespielt, dass es noch Tage später wehgetan hatte - aber ein paar Gramm mehr hätten eben doch nicht geschadet.

Aber das kommt schon noch, dachte sie. Zog das T-Shirt über den Kopf und zwängte sich in den engen Rock. Ja, bald würden die Gramme gleich dutzendweise angetanzt kommen, das war nur noch eine Frage der Zeit. Falls sie nicht ...

Falls sie nicht.

Verdammt, dachte sie und nahm sich eine Zigarette. Ich bin doch erst sechzehn. Mama war damals siebzehn, und was ist aus der bloß geworden!

Sie warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, leckte sich vorsichtig die Lippen und ging los.

 


Halb zehn, Frieders Pier, hatte er gesagt. Er kam mit dem Zug um halb neun und wollte zuerst zum Duschen nach Hause. Wogegen sie natürlich nichts hatte, sie mochte Typen, die sich sauber hielten. Saubere Haare und kein Dreck unter den Nägeln, das brachte es einfach. Und sie trafen sich zum ersten Mal seit drei Wochen. Er war oben in Saaren bei einem Onkel gewesen. Hatte gejobbt und Ferien gemacht; sie hatten einige Male miteinander telefoniert, hatten den »Fall« diskutiert, aber sie hatte ihm noch nicht gesagt, dass sie ihre Pläne geändert hatte. Das hatte sie sich für diesen Abend aufgehoben. Besser, wir machen das von Angesicht zu Angesicht, hatte sie gedacht.

Es war ein warmer Abend. Als sie zum Strand kam, war sie schon leicht verschwitzt, obwohl es doch nur ein kurzer Spaziergang gewesen war. Aber hier unten war es kühler. Eine leichte, angenehme Brise wehte vom Meer her, sie streifte ihre Stoffschuhe ab und ging barfuß durch den Sand. Es war ein angenehmes Gefühl, die kleinen Sandkörner zwischen den Zehen zu spüren. Sie kam sich fast wieder vor wie ein Kind. Für den Nagellack war das natürlich gar nicht gut, am Pier würde sie die Schuhe sofort wieder anziehen müssen. Ehe sie IHN traf. Sie dachte an ihn immer in Großbuchstaben. Das war er wert. Aber wenn er danach mit ihr schlafen wollte, wollte er sie sicher barfuß haben. Was aber vielleicht keine Rolle spielte, er war bei solchen Gelegenheiten eher weniger an ihren Zehennägeln interessiert.

Und warum sollte er nicht mit ihr schlafen wollen? Sie hatten sich doch ewig nicht gesehen, zum Henker!

Sie blieb stehen und nahm sich eine neue Zigarette. Ging dann ein wenig näher zum Wasser, wo der Boden fester war, was das Gehen erleichterte. Der Strand war um diese Zeit nicht überlaufen, aber noch lange nicht menschenleer. Ab und zu tauchte ein Jogger oder ein Hundehalter auf, und sie wusste, dass oben zwischen den Dünen Jugendliche auf ihren Decken lagen, das war im Sommer immer so. Sie machte das bisweilen auch, und vielleicht würde sie in einer Stunde ebenfalls dort liegen.

Vielleicht, vielleicht auch nicht.

Es kam sicher auf seine Reaktion an. Sie versuchte, sie sich vorzustellen. Ob er wütend werden würde? Würde er sie packen und schütteln, wie damals in Horsens, als sie high vom Hasch erklärt hatte, wie toll sie Matti Freges Muskeln fand?

Oder würde er sie verstehen und ihr Recht geben?

Vielleicht würde er versuchen, sie zu überreden. Das war natürlich denkbar. Vielleicht würde seine gewaltige Liebe sie dazu bringen, ihre Meinung noch einmal zu ändern. Was das Geld betraf, natürlich. Wäre das denkbar?

Nein, das glaubte sie nicht. Sie fühlte sich stark und sicher in ihrem Entschluss, wo immer der herstammen mochte. Vielleicht lag es einfach daran, dass sie einige Wochen allein und in Ruhe hatte nachdenken können.

Aber sie wusste, dass seine Liebe riesengroß war. Das sagte er oft, ja fast bei jeder Begegnung. Irgendwann würden sie zusammenziehen, das wussten sie schon seit langer Zeit. Zweifel gab es keine mehr. Sie brauchten nichts zu überstürzen.

Was sie dagegen brauchten, war Geld.

Geld für Essen. Für Zigaretten und Klamotten und eine Wohnung. Vor allem in der Zukunft würden sie natürlich Geld brauchen, und deshalb hatten sie doch ursprünglich ihren Entschluss gefasst ...

Ihre Gedanken wanderten in ihrem Kopf hin und her, und sie spürte, dass sie sie nur schwer unter Kontrolle brachte. Oder darin Ordnung schaffen konnte. Sie musste auf so vieles Rücksicht nehmen, und am Ende wusste sie dann nicht mehr ein noch aus. Das war fast immer so. Es wäre schön gewesen, wenn ihr jemand die Entscheidungen abgenommen hätte. Das dachte sie oft. Wenn sich jemand um die wichtigen Angelegenheiten gekümmert hätte, damit sie über das nachdenken konnte, worüber sie gern nachdachte.

Vielleicht ist auch das ein Grund, warum ich mich in ihn verliebt habe, überlegte sie jetzt. In IHN. Er traf gern die Entscheidungen, wenn es sich um Zusammenhänge handelte, die ein bisschen größer und komplizierter waren. Wie in diesem Fall, um den es jetzt ging. Ja, sicher war das auch ein Grund, warum sie ihn liebte und mit ihm zusammen sein wollte. Wirklich. Obwohl der letzte Entschluss wohl doch nicht so gut gewesen war, weshalb sie sich gezwungen gefühlt hatte, ihre Pläne zu ändern. Wie gesagt.

Sie hatte jetzt den Pier erreicht und schaute sich im letzten Abendlicht um. Noch war er nicht gekommen, sie war einige Minuten zu früh. Sie könnte weiter über den Strand gehen, ihm entgegen, er kam von der anderen Seite, wohnte draußen in Klimmerstoft, aber sie tat es dann doch nicht. Sie setzte sich auf einen der niedrigen Steinpfeiler, die zu beiden Seiten des Piers aufragten. Steckte sich noch eine Zigarette an, obwohl sie im Grunde gar keine wollte, und versuchte, an etwas Schönes zu denken.

 


Er traf eine Viertelstunde später ein. Ein wenig verspätet, aber nicht sehr. Sie sah sein weißes Hemd in der klaren Dunkelheit schon aus der Ferne, blieb aber sitzen, bis er sie erreicht hatte. Dann sprang sie auf. Legte ihm die Arme um den Hals und drückte ihn an sich. Küsste ihn.

Merkte, dass er ein wenig nach Schnaps schmeckte, aber wirklich nur ein wenig.

»Da bist du wieder.«

»Ja.«

»War es schön?«

»Toll.«

Sie schwiegen einen Moment. Er umklammerte ihre beiden Oberarme.

»Ich muss dir etwas sagen«, sagte sie...

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Autor

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt in Stockholm und auf Gotland.