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Der unglückliche Mörder

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am31.05.2012
Kommissar Van Veeteren schwört Rache: Sein Sohn Erich, seit Jahren das Sorgenkind der Familie, wird ermordet aufgefunden, gerade als er wieder anfing, im bürgerlichen Leben Fuß zu fassen. Hat er sich auf kriminelle Geschäfte eingelassen? Wenig später wird die Leiche einer jungen, unbescholtenen Frau entdeckt - von derselben Waffe erschlagen wie Erich Van Veeteren. Was verband die beiden jungen Leute? Wer hatte ein Interesse, sie aus dem Weg zu räumen?

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt in Stockholm und auf Gotland.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextKommissar Van Veeteren schwört Rache: Sein Sohn Erich, seit Jahren das Sorgenkind der Familie, wird ermordet aufgefunden, gerade als er wieder anfing, im bürgerlichen Leben Fuß zu fassen. Hat er sich auf kriminelle Geschäfte eingelassen? Wenig später wird die Leiche einer jungen, unbescholtenen Frau entdeckt - von derselben Waffe erschlagen wie Erich Van Veeteren. Was verband die beiden jungen Leute? Wer hatte ein Interesse, sie aus dem Weg zu räumen?

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt in Stockholm und auf Gotland.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641090500
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum31.05.2012
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2104 Kbytes
Artikel-Nr.1176274
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

Er erwachte und spürte als Erstes eine unbeschreibliche Erleichterung.

Die hielt drei Sekunden an, dann ging ihm auf, dass es kein böser Traum gewesen war.

Sondern Wirklichkeit.

Der prasselnde Regen, das plötzliche leichte Rucken des Rades, der glitschige Straßengraben; all das war Wirklichkeit. Das Gewicht des Jungen in seinen Armen und das in die Kapuze tropfende Blut.

Zwanzig Minuten lang lag er wie gelähmt im Bett. Das Einzige, was in dieser Zeit passierte, war, dass ihn ab und zu ein Schauder durchfuhr. Es begann ganz unten unter der Fußsohle, wanderte dann durch seinen Körper nach oben, um schließlich in seinem Kopf wie ein einziger weißer Blitz zu detonieren, und jedes Mal hatte er das Gefühl, als werde dabei ein wichtiger Teil seines Gehirns und seines Bewusstseins zerschossen. Zu Eissplittern gefroren oder verbrannt, um niemals wieder repariert und wieder in Gebrauch genommen werden zu können.

Lobotomie, dachte er. Ich werde einer Lobotomie unterzogen.

Als die starrköpfig roten Ziffern auf seinem Radiowecker sich bis zu 07.45 Uhr vorgearbeitet hatten, griff er zum Telefon und rief an seinem Arbeitsplatz an. Erklärte mit einer Stimme, die so brüchig war wie Eis, das nur eine Nacht alt ist, die aber doch trug, dass er eine Grippe erwischt habe und einige Tage zu Hause bleiben müsse.

Grippe, ja.

Ja, wirklich Pech, aber nun einmal nicht zu ändern.

Doch, sie könnten natürlich anrufen, wenn sie eine Auskunft brauchten.

Nein, er würde im Bett bleiben. Ein paar Tabletten nehmen und so viel trinken wie möglich.

Ja. Doch. Nein.

Eine halbe Stunde später stand er auf. Trat ans Küchenfenster und schaute hinaus auf die triste Vorortstraße, wo der Regen sich zufälligerweise zurückgezogen und einem schweren, grauen Morgennebel Platz gemacht hatte. Und während er noch dastand, stellte sich nach und nach langsam ein Gedanke ein, der, wie er sich erinnerte, schon am vergangenen Abend zur Stelle gewesen war - und später, in den verzweifelten, durchwachten Stunden, nach denen er dann endlich doch hatte einschlafen können.

Nichts war passiert. Rein gar nichts.

Er ging hinaus in die Küche. In der Speisekammer stand eine ungeöffnete Whiskyflasche. Glenalmond, von einer Sommerreise. Er drehte den Verschluss ab und nahm zwei große Schlucke. Konnte sich nicht daran erinnern, das in seinem Leben schon einmal getan zu haben. Whisky direkt aus der Flasche getrunken, nein, niemals.

Er setzte sich an den Küchentisch, stützte den Kopf in die Hände und wartete darauf, dass der Alkohol sich in seinem Körper verteilte.

Nichts ist passiert, dachte er.

Danach stellte er Kaffeewasser auf und machte sich an die Analyse seiner Lage.

 


In den Morgenzeitungen stand keine Zeile. Weder im Telegraaf, den er abonniert hatte, noch im Neuwe Blatt, das er am Kiosk kaufte. Für einige glückliche Augenblicke konnte er sich fast einreden, dass er doch nur geträumt habe, doch sobald er sich an Regen und Graben und Blut erinnerte, wusste er, dass er sich täuschte. Es war wirklich. So wirklich wie der Whisky auf dem Tisch. Wie die Krümel neben dem Toaster. Wie seine eigenen Hände, die ohnmächtig und mechanisch in den Zeitungen blätterten, sie auf den Boden fegten und zur Flasche zurückkehrten.

Er hatte einen Jungen getötet.

War in angetrunkenem Zustand Auto gefahren und hatte einen halbwüchsigen Jungen von fünfzehn oder sechzehn Jahren umgebracht. Hatte im Regen im Straßengraben gestanden, mit dem Leichnam im Arm, und hatte ihn dann liegen lassen und war nach Hause gefahren.

So war das. Nichts daran zu ändern. Unwiderruflich.

Erst um einige Minuten vor zehn schaltete er das Radio ein, und die Zehn-Uhr-Nachrichten brachten dann die Bestätigung.

Ein Junge. Vermutlich auf dem Heimweg nach Boorkheim. Name noch nicht bekannt.

Der Unfallort dafür umso mehr.

Irgendwann in der Nacht. Zwischen elf und ein Uhr, vermutlich. Der Leichnam war erst am frühen Morgen gefunden worden.

Aller Wahrscheinlichkeit nach sofort tot.

Keine Zeugen.

Von einem Auto angefahren; auch dies aller Wahrscheinlichkeit nach. Der Fahrer musste den Zusammenstoß bemerkt haben. Aufruf an alle, die während der Nacht die Unfallstätte passiert hatten, und an alle, die glaubten, irgendwelche Auskünfte erteilen zu können. Die Polizei wollte gern Kontakt aufnehmen zu allen, die ...

Unfallort abgesperrt, der Regen hatte die Arbeiten erschwert, gewisse Hinweise sichergestellt ... Fahndung nach dem Fahrer, der Fahrerflucht begangen hatte ... abermaliger Aufruf an alle, die ...

Er schaltete das Radio aus. Trichterte sich noch zwei Schluck Whisky ein und kehrte ins Bett zurück. Lag dort eine ganze Weile, in einem Chaos von Gedanken, doch als er an diesem grauen, nebligen Donnerstagmorgen zum zweiten Mal aufstand, hatten sich drei davon herauskristallisiert.

Drei schwer wiegende Gedanken. Minutiös herausgearbeitete Schlussfolgerungen, an denen er nicht mehr rütteln wollte. Von denen er sich nicht entfernen würde, mochte kommen, was da wollte. Sein Entschluss stand fest, ganz einfach.

Zum Ersten: Der Junge im Straßengraben war tot, und er trug daran die Schuld.

Zum Zweiten: Egal, was er auch machte, der Junge würde davon nicht wieder zum Leben erweckt.

Zum Dritten: Nichts wäre damit gewonnen, dass er sich der Polizei stellte. Rein gar nichts.

Im Gegenteil, dachte er, was den dritten Punkt betraf. Warum ein zerstörtes Leben durch ein weiteres ersetzen? Sein eigenes?

Wenn er sich das auf diese Weise überlegte, wusste er endlich, dass er auf dem richtigen Weg war. Endlich kannte er sich wieder. Endlich. Er musste einfach nur stark bleiben. Durfte sich nicht zerbrechen lassen.

Mehr nicht.

 


Während des Nachmittags ging er praktisch vor.

Wusch in der Garage das Auto, von innen und von außen. Doch so genau er auch den rechten Teil von Front und Kotflügel unter die Lupe nahm, er konnte doch keine Schäden oder Spuren entdecken: Er nahm an, dass er den Jungen ziemlich weit unten getroffen hatte, vermutlich in Kniehöhe mit der Stoßstange, einfach ein ganz leichter Stoß. Als er noch einmal versuchte, sich die Szene in dem nassen Straßengraben vorzustellen, hatte er den Eindruck, als sei der fatale Ausgang dieser Begegnung eher der Kollision mit der Zementröhre zuzuschreiben als dem Zusammenstoß auf der Fahrbahn. Was - auf eine seltsame, perverse Art - auch sein Schuldbewusstsein erleichterte. So kam es ihm zumindest vor. Er wollte, dass es ihm so vorkam.

Im Auto, auf dem Vordersitz, fand er einen einzigen Grund zur Besorgnis: einen dunkleren ovalen Flecken, ungefähr eigroß, weit rechts, auf dem beigen Bezug. Er hatte guten Grund zu der Annahme, dass es sich hierbei um Blut handelte, und er verbrachte eine halbe Stunde bei dem Versuch es wegzuschrubben. Das gelang ihm nicht, der Fleck ließ sich nicht beeindrucken, er war offenbar tief in den Stoff eingedrungen, und er beschloss, sich in nächster Zeit einen Schonbezug zuzulegen. Nicht sofort ... in einigen Wochen wohl besser, wenn der Fall ein wenig in Vergessenheit geraten war.

Das Blut des Jungen hatte auch noch andere Spuren hinterlassen, auf Rad und Gangschaltung, aber es war kein Problem, die loszuwerden. Die Kleidungsstücke, die er am vergangenen Abend getragen hatte, suchte er sorgfältig zusammen und verbrannte sie unter einer gewissen Rauchentwicklung im offenen Kamin des Wohnzimmers. Danach überkam ihn für einen Moment die Panik, bei dem Gedanken, was er machen sollte, wenn er nach dieser Kleidung gefragt würde. Rasch beruhigte er sich jedoch wieder; es war doch höchst unwahrscheinlich, dass ihm jemand auf die Spur kommen und von ihm Rechenschaft für solche Belanglosigkeiten verlangen würde. Für eine schnöde Cordhose? Eine alte Jacke und ein blaugraues Baumwollhemd? Er hätte sich ihrer auf tausend legitime Weisen entledigen, hätte sie wegwerfen oder in die Altkleidersammlung geben können, was auch immer.

Doch vor allem: Niemand würde ihm auf die Spur kommen.

 


Später an diesem Nachmittag, als die Dämmerung sich gesenkt und ein Nieselregen eingesetzt hatte, ging er zur Kirche. Zur alten Vroonsbasilika, die zwanzig Gehminuten von seinem Haus entfernt lag. Dort saß er eine halbe Stunde lang mit gefalteten Händen in einem Seitenschiff und versuchte sich für Stimmen aus seinem Inneren - oder von irgendwo weiter oben - zu öffnen, aber nichts machte sich bemerkbar und nichts tauchte auf, was ihn hätte beunruhigen müssen.

Als er die menschenleere Kirche verließ, sah er ein, wie wichtig es war, dass er sich diesen Besuch gegönnt hatte: dass er sich die Zeit genommen hatte, einfach so im Seitenschiff zu sitzen. Ohne weitere Absichten oder Hoffnungen. Ohne falsche Vorspiegelungen und Beweggründe.

Sah ein, dass es eine Art Probe gewesen war und dass er sie bestanden hatte.

Es war seltsam, aber dieses Gefühl war stark und unzweideutig, als er das dunkle Gewölbe verließ. Es ähnelte einer Katharsis. Auf dem Heimweg kaufte er zwei Abendzeitungen, beide brachten auf der Titelseite das Bild des toten Jungen. Dasselbe Bild übrigens, mit unterschiedlichem Vergrößerungsgrad; ein fröhlich lächelnder Junge mit Lachgrübchen, leicht schräg stehenden Augen und dunklen, nach vorn gekämmten Haaren. Keine Kapuze, kein Blut. Er erkannte ihn nicht wieder.

Zu Hause konnte er dann feststellen, dass der Junge Wim Felders geheißen hatte, dass er in wenigen Tagen sechzehn geworden wäre und dass er das Weger-Gymnasium besucht hatte.

Beide Zeitungen brachten Details, Informationen und Spekulationen, und die allgemeine Sicht der Ereignisse wurde in...

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Autor

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt in Stockholm und auf Gotland.