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Die Totenglocke

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am06.12.2012Auflage
Blutrot stehen die Espen und Ahornbäume gegen den kaltblauen Himmel. Morgen würde die alljährliche Jagd beginnen. Das üppige Abendessen gehörte genauso dazu wie die alten Geschichten und der Whisky-Soda. Diesmal müssen sie noch Klas Bodin vom Zug abholen. Die angeheiterte Jagdgesellschaft nimmt den Weg durch den Wald - und überfährt versehentlich eine Frau. Die Männer versuchen, das Geschehen zu vertuschen, doch es gibt einen Mitwisser: Klas Bodin. Die Jagd bietet Gelegenheit, sich Bodins zu entledigen. Aber der ist clever und skrupellos ...

Kerstin Ekman, 1933 in Risinge (Östergötland) geboren, zählt zu den wichtigsten schwedischen Autorinnen unserer Zeit. Ihr umfangreiches literarisches Werk ist vielfach preisgekrönt, es wurde verfilmt und in 28 Sprachen übersetzt. Mit Wolfslichter kehrt Ekman nach über zehn Jahren zur Romanform zurück. Das Buch stieg in Schweden mit Erscheinen auf Platz 1 der Bestsellerliste ein und wurde u.a. mit dem Norrlands litteraturpris 2022 sowie dem Kulturpreis der Stiftung Natur & Kultur 2023 ausgezeichnet. Am 27. August 2023 feiert Kerstin Ekman ihren 90. Geburtstag.
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Produkt

KlappentextBlutrot stehen die Espen und Ahornbäume gegen den kaltblauen Himmel. Morgen würde die alljährliche Jagd beginnen. Das üppige Abendessen gehörte genauso dazu wie die alten Geschichten und der Whisky-Soda. Diesmal müssen sie noch Klas Bodin vom Zug abholen. Die angeheiterte Jagdgesellschaft nimmt den Weg durch den Wald - und überfährt versehentlich eine Frau. Die Männer versuchen, das Geschehen zu vertuschen, doch es gibt einen Mitwisser: Klas Bodin. Die Jagd bietet Gelegenheit, sich Bodins zu entledigen. Aber der ist clever und skrupellos ...

Kerstin Ekman, 1933 in Risinge (Östergötland) geboren, zählt zu den wichtigsten schwedischen Autorinnen unserer Zeit. Ihr umfangreiches literarisches Werk ist vielfach preisgekrönt, es wurde verfilmt und in 28 Sprachen übersetzt. Mit Wolfslichter kehrt Ekman nach über zehn Jahren zur Romanform zurück. Das Buch stieg in Schweden mit Erscheinen auf Platz 1 der Bestsellerliste ein und wurde u.a. mit dem Norrlands litteraturpris 2022 sowie dem Kulturpreis der Stiftung Natur & Kultur 2023 ausgezeichnet. Am 27. August 2023 feiert Kerstin Ekman ihren 90. Geburtstag.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492957670
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum06.12.2012
AuflageAuflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3221 Kbytes
Artikel-Nr.1225684
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1
Montag, 14. Oktober

Es herrschte noch nicht einmal Schußlicht draußen. Gleichwohl nahm er die Büchse vom Haken an der Wand und hängte sie sich über die Schulter. Die Achttageuhr in der Stube schlug vier, und im Küchenflur hörte er die Hunde erwartungsvoll winseln. Sie hatten ihn auf der Treppe gehört, obwohl er ganz vorsichtig auf Strumpfsocken hinuntergetappt war. Er mußte in dem Flur seine Stiefel holen, und sowohl Sjunga als auch Skott meinten, es sei soweit, als sie ihn mit dem Gewehr sahen. Die Gråhündin legte den Kopf zwischen die Pfoten und wandte ihren gelben Blick nicht von ihm, während er in die Stiefel schlüpfte. Der Dackel begann wild herumzutollen und warf im Eifer seinen Wassernapf um. Måns hätte ihn beinahe eingeklemmt, als er die Tür schloß. Er hörte, wie Sjunga mit einem langen, winselnden Seufzer die Hoffnung aufgab, wohingegen Skott zu bellen anfing.

Måns rannte schier über den Hof, um außer Hörweite der Hunde zu kommen. Wenn sie das Haus aufweckten, wüßte er nicht, wie er erklären sollte, warum er um diese Zeit wegging. Wenn Eva aufwachte, wollte er sagen, daß er vor der Elchjagd, die an diesem Morgen beginnen sollte, zu aufgeregt sei, um noch länger schlafen zu können. Sie würde ihm wahrscheinlich nicht glauben.

Er war hinter dem Viehstall abgebogen und ging nun über das sumpfige Weideland. In der Senke zum Wald knirschte froststarr das Gras unter den Stiefeln. Es war nahezu windstill, und er durchquerte ein paar kalte, reglose Nebelstreifen, bevor er zum Gatter am Waldrand gelangte. Der Wald schwieg in dem fahlen Vormorgenlicht. Måns sah nicht viel, doch kannte er den Pfad so gut, daß er trotzdem relativ schnell und geräuschlos vorankam. Gut einen halben Kilometer wand sich der Weg am Rand des Moores entlang, ehe man zu einem Kahlschlag kam, der zu Vinterrönningen gehörte. Von dort schwenkte er wieder direkt in urzeitdunklen Wald ab. Die Stämme der Rottannen erhoben sich aufrecht wie Schiffsmasten, und hoch über seinem Kopf strich in einer langen, säuselnden Dünung, die hier unten gar nicht zu merken war, ein sanfter Wind durch die Wipfel. Der Boden war nadelglatt, dabei leise zu begehen und weich. Nach ein paar hundert Metern lichtete sich der Wald, und zwischen den Bäumen schimmerte gelb abgefallenes Birkenlaub. Der Pfad gabelte sich. Links führte er weiter zum Flymyran, dem großen Moor, das allmählich in den See Spjuten überging. Rechts führte er direkt nach Gökkällan hinunter, der Kate, die Vinterrönningen zum Wald hin am nächsten lag.

Diesem folgte er bis zum Gatter der Weide von Gökkällan und blieb dort instinktiv stehen, ohne sagen zu können, ob er ein Geräusch gehört oder ob seine Augen am Waldrand auf der anderen Seite eine Bewegung wahrgenommen hatten. Von hier aus konnte er eine Ecke von Gustaf Åkermans Häuschen und die große Espe sehen, die blutrot in einem leichten Lüftchen schwelgte. Er lehnte sich an das Gatter und ließ den Blick an den Laubschößlingen am Waldrand entlangschweifen. Es war schummrig und neblig und schwer zu sagen, was es sein mochte, gleichwohl war er überzeugt, daß sich dort etwas regte. Nach ein paar Minuten erschauderte er vor Kälte und wollte schon weitergehen. Da entdeckte er sie. Es waren keine Elche. Es war ein Sprung Rehe, der im Laubgehölz auf der anderen Seite geäst hatte und jetzt mit lautloser Würde auf seine Seite der Wiese zog. Noch lag die Weide zwischen den Tieren und ihm, und mehr als Konturen und fließende Bewegungen, die in den Nebel und die Dämmerung glitten, waren kaum zu erkennen, doch glaubte er, fünf Stück zählen zu können.

Geschepper von Blech auf Stein und ein kräftiges Wasserplatschen zerrissen die Stille. Die Tiere setzten sich augenblicklich in Bewegung und entschwanden in Richtung Wald. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er ihre Hinterteile im Dunkel der Bäume aufblitzen, dann waren sie fort. Von Gökkällan her hörte er den Bleicheimer gegen die Brunneneinfassung scheppern.

Gustaf war am ersten Tag der Elchjagd offensichtlich frühzeitig auf den Beinen. An jedem anderen Morgen wäre Måns quer über die Weide zu dem Haus gegangen und hätte Gustaf besucht. Er hätte Kaffee bekommen, und sie hätten die Taktik und die Aussichten durchdiskutiert, bevor sie sich auf den Weg gemacht hätten, um sich mit den anderen zu treffen. Heute überraschte Måns sich selbst damit, daß er das tat, was die Tiere soeben getan hatten. Er bog in den Wald ein.

Er fror, als er mit langen und nicht sonderlich leisen Schritten den Pfad entlangging. Dies war schon seine dritte schlaflose Nacht. Bereits am Samstag morgen hatte er Kopfschmerzen bekommen, und sie ließen noch immer nicht nach. Er hatte keine Ahnung, wie er sechs lange Tage im Wald durchstehen sollte, wenn er nicht schlafen konnte. Am liebsten hätte er geheult, aber in der Einsamkeit brachte er das nicht fertig. Statt dessen lief er dahin und versuchte, die Angst und Reue zu unterdrücken, indem er sich damit befaßte, wie sehr er fror, wie hungrig er war und wie beharrlich die Kopfschmerzen pochten. Måns Westling waren im Alter von zweiunddreißig Jahren Gefühle wie Angst und Schrecken eigentlich unbekannt. Von Nerven hatte er bisher nicht viel gemerkt. Möglicherweise hatte er sie ein bißchen kribbeln fühlen, wenn er auf Hasen angesessen und eine Stunde lang denselben Fleck im Harsch fixiert hatte. Nun aber war er dieser Angst, die seinen Schlaf fraß und ihm jegliche Freude an der Jagd verleidete, wie ein Kind ausgeliefert. Er war im Augenblick zu müde, um seine Gedanken zu entwirren. Zwar war er sich nach wie vor im klaren darüber, daß er an der Lage, in die er geraten war, selbst schuld hatte, aber es war trostlos, mit Eva nicht darüber sprechen zu können. Etwas Derartiges hatte er sich noch nie eingebrockt.

Måns sah auf die Uhr. Er war jetzt schon mehr als eine Stunde unterwegs und, ohne es zu merken, auf dem Pfad, der zwischen den frostbraunen Farnstauden zunehmend schwieriger zu erkennen war, weit in Richtung Flymyran gegangen. Er verlangsamte sein Tempo und hatte sich schon fast entschlossen, umzukehren und nach Hause zu gehen, als er über eine Elchlosung stolperte. Er erstarrte, als er merkte, daß sie noch warm war. Mit einem Mal hatte er seine Kopfschmerzen und die beharrlich nagenden Gedanken vergessen. In seiner Nähe war ein Elch, und er hatte seine Büchse geschultert. In einer Stunde wäre es wahrscheinlich hell genug zum Schießen. Er bereute jetzt, Sjunga nicht mitgenommen zu haben. Auf dem trockenen Boden nach Elchfährten zu suchen, war ein hoffnungsloses Unterfangen. Er war in einen lichten Kiefernwald gelangt, wo bei der geringsten Bewegung unter seinen Füßen Zweige knackten. Er beschloß, noch etwa hundert Meter dem Pfad zu folgen, bis dieser oberhalb des Moores um einen kleinen Felsen bog. Flymyran war ein beliebter Elcheinstand, und auf der Südseite der Felskuppe hatte er einen Ansitz, wo er in früheren Jahren leicht fröstelnd viele Stunden zugebracht hatte.

Der Boden war sumpfiger geworden, und es war schwierig, mit den Gummistiefeln lautlos zu gehen. Es roch kräftig nach Gagelsträuchern und Sumpfporst, und aus den Moorlöchern stieg direkt in die windlose Luft Modergestank auf. Als Måns um den Fuß des Felsens zum Flymyran hinuntergegangen war, sah er praktisch nichts mehr. Das frühe Morgenlicht schwand, es war unzuverlässig, und der Nebel umgab ihn in großen, schmutziggrauen Fetzen. Inmitten der Trostlosigkeit und Müdigkeit aber verfolgte ihn das Glück. Vorsichtig sank er in der Nässe auf die Knie und besah sich die Fährte, die seinen Weg kreuzte.

Es war die größte Elchfährte, die er je gesehen hatte. Er maß sie mit der Hand und traute seinen Augen zunächst nicht. Schon oft hatte er in dem weichen Boden hier regelrechte Elchtrampelpfade gesehen. Niemals aber eine Fährte, die dieser gleichgekommen wäre. Vor lauter Aufregung hatte er vergessen, daß er fror, vergessen, warum er am Morgen planlos das Haus verlassen hatte. Das mußte dieser unvergleichliche Hirsch sein, von dem Gustaf aus Gökkällan schon früh im Herbst geschwafelt hatte. Måns hatte bei Gustafs Ausführungen über einen gigantischen Urzeithirsch gelacht, der zur Brunftzeit hier unten im Flymyran herumgeistere und von dem Gustaf erstmals an einem schummrigen Septemberabend auf dem Heimweg vom Preiselbeerensammeln einen flüchtigen Blick erhascht habe.

Måns kniete noch immer und sah sich um. Vorsichtig zog er die Gummistiefel aus, um auf dem heillos saugenden Moorboden leise voranzukommen. Er beschloß, ein Stück in Richtung des Felsens zu gehen und im Schutz eines jungen Rottannenbestands auf die Helligkeit zu warten. Es war gut möglich, daß er da unten im Moor etwas zu sehen bekäme, wenn er sich ruhig verhielte. Behutsam setzte er die Füße auf und wechselte auf trockeneren Boden über. Bis zu den Tannenschossen kam er jedoch nicht. Wie von einer Gewehrsalve krachte es durch die nebelweiche Stille, er zuckte zusammen und blieb stehen. Zwischen den Stämmen nahm er einen flatternden schwarzen Schatten wahr, und erst als sich seine Aufregung gelegt hatte, begriff er, daß ein Stück Auerwild aufgestrichen war.

Er beschloß, sich gar nicht die Mühe zu machen, noch weiterzugehen, auch wenn er nicht glaubte, daß das Auerhuhn von ihm aufgescheucht worden war. In unmittelbarer Nähe war ein übermannshoher Stein, an dem sank er nieder und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Sogar ein entwurzelter Baum befand sich in Reichweite, auf den er seine Füße in den durchnäßten Socken hochlegen konnte.

Leicht fröstelnd begann er nun auf die Helligkeit zu warten. Gustaf erzählte gern, daß er einen Elch in der Nähe »spüren« könne. Man durfte all sein Gerede und seine Ausführungen über die Jagd natürlich nicht zu wörtlich nehmen, Tatsache aber war,...
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