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Die drei Sprünge des Wang-lun

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
528 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am17.01.20131. Auflage
Mit einem Nachwort von Gabriele Sander. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk. Alfred Döblins erster großer Roman Terror und politische Verfolgung, Religion und Gewaltlosigkeit sind die zentralen Themen des erstmals 1915/16 im S. Fischer Verlag erschienenen ?Wang-lun?. Mit seiner modernen Erzähltechnik und den beeindruckenden Massenszenen begeisterte das Buch die zeitgenössische Kritik. »Nimmt man es in der heutigen Zeit des Terrorismus in die Hand«, so Günter Grass, »wirkt das Werk ungeheuer aktuell.«

Alfred Döblin, 1878 in Stettin geboren, arbeitete zunächst als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Döblins erster großer Roman erschien im Jahr 1915/16 bei S. Fischer. Sein größter Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman ?Berlin Alexanderplatz?. 1933 emigrierte Döblin nach Frankreich und schließlich in die USA. Nach 1945 lebte er zunächst wieder in Deutschland, zog dann aber 1953 mit seiner Familie nach Paris. Alfred Döblin starb am 26. Juni 1957.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR18,90
BuchKartoniert, Paperback
EUR34,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextMit einem Nachwort von Gabriele Sander. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk. Alfred Döblins erster großer Roman Terror und politische Verfolgung, Religion und Gewaltlosigkeit sind die zentralen Themen des erstmals 1915/16 im S. Fischer Verlag erschienenen ?Wang-lun?. Mit seiner modernen Erzähltechnik und den beeindruckenden Massenszenen begeisterte das Buch die zeitgenössische Kritik. »Nimmt man es in der heutigen Zeit des Terrorismus in die Hand«, so Günter Grass, »wirkt das Werk ungeheuer aktuell.«

Alfred Döblin, 1878 in Stettin geboren, arbeitete zunächst als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Döblins erster großer Roman erschien im Jahr 1915/16 bei S. Fischer. Sein größter Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman ?Berlin Alexanderplatz?. 1933 emigrierte Döblin nach Frankreich und schließlich in die USA. Nach 1945 lebte er zunächst wieder in Deutschland, zog dann aber 1953 mit seiner Familie nach Paris. Alfred Döblin starb am 26. Juni 1957.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104022895
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum17.01.2013
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.10
Seiten528 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1616 Kbytes
Artikel-Nr.1249452
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Zweites Buch

Die Gebrochene Melone


DURCH DAS westliche Tschi-li puffte der Name Wu-wei sanft wie ein Schwärmer; Schwirren, Verhallen zwischen Bergtälern.

Durch das westliche und südliche Tschi-li ging ein Ziehen, ein rheumatisches Unbehagen, im Arm, in der Schulter, über den Fußrücken, schmerzhaftes Zucken in einem Zahn, Nervenstechen über dem linken Auge.

Das westliche und südliche Tschi-li fühlte in diesem Frühjahr den warmen beunruhigenden Dampf um die Nan-kubettler.

Aus den Hundert, die das Dörfchen Pa-ta-ling verließen, waren nach ein paar Wochen mehrere Tausend geworden. Was man Vagabunden, Straßendieben, Verunglückten zutrug, war nichts als das Eingeständnis der Not. Es hieß nicht mehr wie in den Nan-kubergen: Wang-lun, der lange gefährliche Kerl aus Hun-kang-tsun in Schan-tung, hat sonderbare Sachen von den goldenen Fos erzählt; er hilft uns, er kann zaubern, wir wollen mit ihm zusammengehen. Die Menge predigte für sich. Entfernter wohnende Dorfleute, Pilger bis in die Ebene hinein hörten von den vielen Menschen, die Pa-ta-ling nach dem strengen Frost verlassen hätten und sich bettelnd, arbeitend, betend nach Süden vorschoben. Zuerst wurde behauptet, es handle sich um die Vagabunden und Strolche, welche die Pässe zum Wu-tai-schan unsicher machten; rasch verschwand dieses Gerede. Von Wang-lun erzählte man, er sei nach dem Kun-lungebirge auf einem blauen Pferde geritten, um der Kaiserin des Westlichen Paradieses die Gründung ihres Bundes anzuzeigen. Er sei nach Schan-tung gewandert, um das Goldwasser und die Perlen des ewigen Lebens zu holen. Diese Meinung erhielt sich am längsten. Man entwarf nach den Erzählungen der älteren ein sonderbares Bild von ihm. Man stellte ihn sich vor als einen sanftmütigen Mann, der mit ungeheurer Körperkraft begabt war, mit der er nichts anzufangen wußte. Von Zeit zu Zeit befielen ihn starke Dämonen, die er zu bezwingen gelernt hatte, da er eine furchtbare Zauberformel brauchte. Er hatte ein gutes Herz für die armen Chingyin, sie sollten alle an seinen fabelhaften Gaben teilhaben.

Wang-lun hatte seinen Schatten hinterlassen, in dessen Dunkel der Bund lag. Ganz von selbst wurden ein paar Männer in den Vordergrund geschoben, an die sich die Menge hielt. Zwar schwang sich einer und der andere auf, aber dies geschah nebenbei. Jeder empfing seine Rolle.

Ngoh, aus Ta-ku in Tschi-li gebürtig, war durch seine Geschicklichkeit im Reiten und Bogenschießen und ein feines Wesen trotz seiner dreißig Jahre schon zum Jo-ki einer oberen Bannerschaft aufgerückt. Er trug mit Stolz, ohne zu prunken, den Mondstein auf der Mütze, die Tigerkatze im Brustschild; wenn er beim Schachspiel die weiche rechte Hand hob und der Perlmutterring am Daumen matt schimmerte, so wußten seine Mitspieler nicht, welche starke Seele ihnen gegenüber saß. Er hielt jahrelange Freundschaft mit einem weibisch geschminkten Schauspielerknaben, einem jungen Herrchen, wie man sich ausdrückte. Der Kaiser schätzte Ngoh sehr, wie Khien-lung überhaupt eine Vorliebe an den Tag legte für feine elegante Männer, die nicht widersprachen, gut turnen und schießen konnten, Sprödigkeit und Härte besaßen.

Infolge der Unerschrockenheit, die Ngoh bei einem damals vielbesprochenen Vorfall zeigte, kam er in den inneren Höflingsbetrieb der Roten Stadt zu Pe-king hinein. Er war mit seiner Abteilung gegenüber dem oberen Stadttor stationiert, wo auf den breiten Wassergraben, der die Kaiserstadt umzieht, das Tor des Wu-ti führt. Dicht an diesem Teil der Mauer, so daß Ngoh und seine Mannschaften von ihren Wachtürmen herüberblicken konnten, lagen die Paläste der kaiserlichen Frauen und der Nebenfrauen. Es verbreitete sich einmal im Herbst, zu einer Zeit, wo das Wasser des Grabens mit Fröschen, Fliegen bedeckt ist, das Gerücht, daß das kleine Kind einer Nebenfrau an Krämpfen gestorben sei, und ihr anderes Kind, ein junger Säugling schon krank liege. Ärzte und Priester bemühten sich, den Fieberdämon aus dem Kind zu bannen, das viel weinte, aber nicht den Namen des Dämons verriet.

Durch ein lautes Geschrei mehrerer Frauen wurde eines Nachts die Wache Ngohs alarmiert; in die Gärten eindringend bis vor den Pavillon der Nebenfrau, hörte Ngoh, daß man im Pavillon eben den Dämon des kranken Kindes gesehen hätte in Gestalt einer kleinen Fledermaus, welche der Mutter ins Haar schoß, dann über das hitzige Gesicht des Kindchens flatterte und zur Tür hinausfuhr. Ngoh erkannte aus der Beschreibung, an der Größe des Tiers, der weißlichen Bauchfärbung und aus der Richtung des Fluges, daß es sich um einen Schatten handele, den er selbst öfter an dem Wassergraben beobachtet hatte, in Gesellschaft einer Libelle und zweier brauner Kröten. Er postierte vor das Tor des Wu-ti zu Einbruch der nächsten Nacht sechs beherzte Männer seiner Truppe, die er mit Schilden, Pfeil und Bogen bewaffnete; er selbst stellte sich vor den Eingang des bedrohten Pavillons mit einem nackten Schwert.

Am Ende der ersten Nachtwache sahen die sechs Männer etwas aus dem Wasser aufschwirren; sie schossen ihre Bogen ab; die Frauen, durch den Lärm geängstigt, ließen Brander auf Brander los, um das Gespenst zu verscheuchen; weiß und grün strahlten die Raketen durch die finsteren Gärten. Der Dämon, nur geblendet, drang durch, umflog die Zypressen; Ngoh sah ihn in dem Licht eines Branders wie betäubt heranflattern. Er hieb auf ihn zu; man hörte ein Quaken und Kreischen. Die Bestie wandte sich, flog zurück. Ngoh verfolgte sie brüllend, mit dem Schwert fechtend; sie kamen vor das Haus des kaiserlichen Musikmeisters, eines Eunuchen; im Nu war die Bestie über der Mauer des Hauses verschwunden. Als noch die Frauen angelaufen kamen und das Licht der zitternden Lampions zunahm, erwachte drin der Beamte, trat im Nachtgewand erstaunt vor die Tür, fragte, was geschehen wäre. Ngoh schrie: »Der graue Fledermausdämon ist hinter deine Mauer geflogen.« Entsetzt lief der schwerfällige Mann mit Ngoh und anderen in das Haus hinein; als sie schon in alle Winkel geleuchtet hatten, schlug sich der Musikmeister vor die Stirn, flüsterte, sie sollten einmal rasch neben dem Ofen im Wohnzimmer suchen.

Und da saß ein kleines Weib mit grünen Augen, der das Blut aus der Brust tropfte, mit dem Gesicht eines Affen. Sie war grau und sagte, sie wüßte nicht wie alt sie wäre. Man fragte sie näher aus, hielt sie an den Händen fest. Tu-schi, der berühmte Beschwörer der Roten Stadt, der sich diese Nacht bei dem bedrohten Pavillon aufgehalten hatte und mit in das Haus gedrungen war, gab ein Warnzeichen den Leuten, welche die graue Hexe hielten; aber es war zu spät. Sie hatte sich in eine schwarze Katze verwandelt, zerkratzte den Männern Hände und Arme. Tu-schi warf sich über sie; im Augenblick, als er über sie fiel, hatte er sich durch einen Blick in seinen achteckigen Handspiegel in einen weißen Tiger verwandelt, zerriß die Katze. Blutend schlugen und bissen sie sich am Boden unter dem Geheul der Weiber; da schlug Ngoh der Hexe den Kopf ab.

Er stand lachend da, freute sich blutrünstig über die schmale rote Lache am Boden, während die andern durch die finstern Gänge liefen, sich zu waschen und von dem Anblick des toten Dämons zu befreien.

Das Kind der Nebenfrau war gerettet. Ngoh erhielt vom Kaiser ein Pfefferminzsäckchen geschenkt.

Bei seiner nun folgenden Tätigkeit im inneren Hofdienst wurde Ngoh den Waffen rasch entfremdet; er mußte sich in die Intrigen, die Klatschträgerei, die Eunuchenatmosphäre einfügen. Er hatte schon eine gewisse spielerische und leidenschaftliche Richtung in sich, der er nun ausgeliefert wurde. Er verliebte sich in den vierzehnjährigen Jungen einer armen Gärtnerswitwe, namens King-tsung, stattete den Jungen völlig aus, nahm ihn zu sich in seine Wohnung, machte viele und feine Gedichte auf ihn. In den Zimmern des ehemaligen Soldaten lagen Schminktöpfe, Parfümflaschen, gestickte Überwürfe herum; der eitle Knabe, der ein weibisches Wesen hatte und nicht ohne gewisse Grazie war, lag auf den Knien des Dämonenbezwingers und ließ sich lächelnd von dessen demütigen Lippen küssen und Konfekt reichen.

Sie liebten sich, bis der Junge, der in seidenen Kleidern wie ein Prinz stolzierte, behauptete, Ngoh schenke einem andern Knaben mehr als ihm und davonlief. Tagelang weinte Ngoh fassungslos auf seinen Zimmern; die Gärtnersfrau brachte den Knaben zurück, der böse Streiche bei ihr gemacht hatte. Ngoh verzieh ihm, auch als er gestand, daß ein Eunuch ihm nachstelle und daß er schon Geschenke von ihm angenommen habe. Nach und nach erfuhr Ngoh Einzelheiten von dieser Freundschaft, erfuhr, um wen es sich handle und wurde darüber so betrübt und angeekelt, daß er wieder anfing, zu bitten, man möchte ihn zum Wachdienst auf der Mauer zulassen. Er war dabei keineswegs böse über den Jungen; aber der merkte eine Veränderung in der Art seines Freundes.

Und ob er nun durch den längeren Umgang mit Ngoh feiner und empfindsamer geworden war, er wurde zusehends stiller, verfiel in Schwermut, aß wochenlang kaum, lag in dauernder Abwesenheit. Der Hauptmann verzehrte sich an dem Bett seines Lieblings vor Schmerz, verließ die langen Wochen der Krankheit die Wohnung nicht. Endlich genas der Knabe. Ihre Freundschaft glühte, sie waren sich zugetan wie nicht zuvor. Man übersah zwar in diesem eigentümlichen Kreis die Merkwürdigkeiten der Menschen, aber über die Verliebtheit des tapferen ernsten Ngoh lachte man allgemein. King-tsung war ein großer verzärtelter Bursche; der Hauptmann behandelte ihn, als wäre er empfindlich gegen einen Windstoß, fuhr ängstlich bei dem bitteren Blick des Knaben auf.

Nicht dem Hauptmann, der zu sehr in seine Empfindungen versunken war, fiel das Naserümpfen der Umgebung auf. Der Knabe, noch von...
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Autor

Alfred Döblin, 1878 in Stettin geboren, arbeitete zunächst als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Döblins erster großer Roman erschien im Jahr 1915/16 bei S. Fischer. Sein größter Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman >Berlin Alexanderplatz