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Wallenstein

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
944 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am27.03.20141. Auflage
Ein sprachgewaltiges Panorama des Dreißigjährigen Krieges Gewalt, Machtgier und Leidenschaft - wie kein anderer Erzähler der literarischen Moderne versteht es Alfred Döblin, die Unmenschlichkeit des Krieges anschaulich und konkret zu machen. Mit seiner überbordenden »Tatsachenphantasie« ist Döblins ?Wallenstein?, entstanden während des Ersten Weltkriegs, einer der bedeutendsten historischen Romane des 20. Jahrhunderts. Mit einem Nachwort von Steffan Davies

Alfred Döblin, 1878 in Stettin geboren, arbeitete zunächst als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Döblins erster großer Roman erschien im Jahr 1915/16 bei S. Fischer. Sein größter Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman ?Berlin Alexanderplatz?. 1933 emigrierte Döblin nach Frankreich und schließlich in die USA. Nach 1945 lebte er zunächst wieder in Deutschland, zog dann aber 1953 mit seiner Familie nach Paris. Alfred Döblin starb am 26. Juni 1957.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR19,90
BuchKartoniert, Paperback
EUR22,99
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR28,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextEin sprachgewaltiges Panorama des Dreißigjährigen Krieges Gewalt, Machtgier und Leidenschaft - wie kein anderer Erzähler der literarischen Moderne versteht es Alfred Döblin, die Unmenschlichkeit des Krieges anschaulich und konkret zu machen. Mit seiner überbordenden »Tatsachenphantasie« ist Döblins ?Wallenstein?, entstanden während des Ersten Weltkriegs, einer der bedeutendsten historischen Romane des 20. Jahrhunderts. Mit einem Nachwort von Steffan Davies

Alfred Döblin, 1878 in Stettin geboren, arbeitete zunächst als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Döblins erster großer Roman erschien im Jahr 1915/16 bei S. Fischer. Sein größter Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman ?Berlin Alexanderplatz?. 1933 emigrierte Döblin nach Frankreich und schließlich in die USA. Nach 1945 lebte er zunächst wieder in Deutschland, zog dann aber 1953 mit seiner Familie nach Paris. Alfred Döblin starb am 26. Juni 1957.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104029153
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum27.03.2014
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.9
Seiten944 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1965 Kbytes
Artikel-Nr.1332251
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


 

DAS AUDIENZGESUCH der fünf Herren lag vor. In den Kaiser aber war der Zorn gedrungen, nicht über die Herren, sondern über die Knechtung, die diese Sache über seine Seele ausübte. Seine Augen Porzellanschälchen mit blaßblauen Rundungen bemalt, hell, fast weißlich. Wenn die kleinen Pupillen sich verengerten, gaben die Augen noch mehr Licht ab. In dunklen Gängen, auf Treppen nachts schwebten sie wie zwei Kelche nebeneinander.

Seine glashellen Augen belehrten den alten Frey rasch: der Kaiser heischte die Herren zu sprechen.

»Was begehrt Ihr von mir?« schrie er sie ohne Form an.

- Sie wollten als berufene Ratgeber der Krone ihre Stimme erheben.

- Wenn der Kaiser ihren Rat wünsche, werde er ihn einfordern; er vermöge zu denken; man möge nicht glauben, er brauche das Gängelband.

- Das Vertrauen des Kaisers zu seinem Geheimkolleg hätte sich zu ihrem tiefen Gram getrübt.

- Der Kaiser bete zu Gott und den Heiligen; er sei nicht mehr unbeschützt; er würdige die Herren nach Verdienst.

- Das Geheimkolleg fühle schmerzlich, aber doch mit einer gewissen Befriedigung, daß die Majestät ihrer nicht mehr bedürfe.

- Er werde sie gehen heißen, wenn es ihm beliebe. Sie möchten sich des nicht gewünschten aufsässigen Tones entschlagen. Ob man nicht wisse, wer Kaiser sei, er, Ferdinand der Andere von Habsburg, oder Hans Ulrich von Eggenberg oder der kleine Trautmannsdorf.

Zu Boden neigte sich Trautmannsdorf; sie hätten den Spott nicht verdient; der bayrische Herzog reibe sich an Habsburg; sie wollten ihm das wehren; sie hätten den Spott nicht verdient.

Lippenbeißend stand Ferdinand da: »Ich werde mit Euch reden, Graf Trautmannsdorf, wenn wir zu zweit allein sind. Jetzt muß Euer Kopf sehr heiß sein.«

Dem glühten die Augen im Kopf; unwillkürlich machte er einen Schritt vorwärts.

»Blickt zur Tür«, brüllte der Kaiser, »blickt zur Decke, wagt nicht, mich so anzugaffen. Ich rufe die Wache und lasse Euch in Eisen werfen. - Ich will Euch nicht hören, Euch allesamt nicht. Ihr seid meine Feinde; wie wagt Ihr es, über Max zu reden? Geht hinaus! Thonradl! Zum zweitenmal! Habt Ihr nicht etwas in der Tasche, ein Schriftstück, das ich unterschreiben soll? Seht Ihr nicht die Kette an meinem Hals, mit der Ihr mich erwürgen wollt. Ich will Euch nicht sehen.«

Tiefblaß, zähnebeißend, gab Trautmannsdorf den andern einen Wink mit den Augen.

Vom Schreibtisch zurückkehrend fragte Ferdinand, wer von den Herren zu dieser Audienz geraten habe. Als Fürst Eggenberg sich nannte, bedachte sich der Kaiser lang: »Ich will den Herrn anhören. Der Herr erwäge aber, mit wem er spricht, und erwäge jedes Wörtlein.«

Der sprach. Als er geredet, hatte er keinen Satz gesprochen, der nicht klug und vorsichtig schattiert gewesen wäre und dem Kaiser nicht jeden Weg zum Nachgeben geöffnet hätte.

Ferdinand trank seinen Wein; eine Zeitlang drehte er den Herren den Rücken halb, scheinbar ins Glas blickend. Er war tief beschämt. Er war von namenlosem Grimm auf Maximilian erfüllt.

Die Herren boten ihm ihre Hilfe gegen den Bayern an; sie durchschauten ihn; er war nicht mehr ihr Kaiser; er mußte ihre Hilfe annehmen.

Er sagte, wer von den Herren noch etwas hinzusetzen wolle, möge sprechen. Er ging auf und ab, um eine grüne Marmorsäule. Als er sie mit der schlaffen Hand berührte, sah er in der blanken Fläche sein langes, hochgezogenes Spiegelbild. Er erschrak, das Bild taumelte seitlich herunter, er ging weiter.

Eggenberg erklärte, Rat und Kammer würden unverzüglich das Nötige zur Übertragung der Kur an Bayern bereitstellen. In Verwirrung, zermahlen und zerfasert, konnte Ferdinand nur lächeln. Er reichte jedem die Hand. Sie wußten angesichts seines zerstreuten Gebarens nicht, ob sie entlassen waren.

Bis er aufblickte und ihnen zunickte, die Arme über die Brust verschränkend.

 

WAS FERDINAND tags drauf nach langem Sinnieren und Seufzen begann, war ein überstürztes Briefschreiben und Kuriersenden nach der Stadt, deren Namen vor seinen Augen brannte. Hatte er einen Brief beendet und verschlossen, so war er für Stunden ruhig, in denen er sich labte, um die Auseinandersetzung wieder zu beginnen. Es mußte leise alles vor sich gehen, weder Obersthofmeister noch Beichtvater noch Geheime Räte durften etwas erfahren, geräuschlos rasch ohne Pausen sollte alles hinter ihrem Rücken vollendet werden. Er trug eine kleine Schreibtafel am Gürtel, die er nicht einmal seinem Leibkammerdiener abtrat; und während der Tafel ereignete es sich bisweilen, daß er in tiefer Umwölkung Notizen aufmalte. Seine Stimmung war heiterer als vorher, aber leicht erregt und gespannt. Wie viele Briefe er an Digby schrieb, allmählich, von Tag und Nacht zu Tag, wußte er nicht. Es war ein Schwall, während er glaubte, eben begonnen zu haben. Zuerst war es Digby, der Graf von Bristol, ein vor kurzem neu eingetroffener britischer Sondergesandter, mit einem rauhen Wesen, blutrotem Gesicht, häßlichen aufdringlichen Blicken, einer Ischias, dem er schrieb. Bald setzte er sich mit einem andern auseinander, der für ihn in München im geheimen wirkte, sein eigner vertrauter Sondergesandter, sein intimer, unausgesprochen ihm anheimgegebener Freund, sein Glückswunder. Von Tag zu Tag war diesem mehr zu sagen. Er mußte die Briten aufklären und doch nicht aufklären, ein Brief sagte zu viel, einer zu wenig. In München mußte Digby gehört haben, was geschehen war; aber es war nicht so geschehen, er hatte mit ihm kein Doppelspiel getrieben, indem er ihn zur Vermittlung ermutigte, und doch war alles schon gebunden und nicht mehr auflösbar und neu zu knüpfen. Er mußte ihm zu verstehen geben, zwischen den Zeilen, daß es ganz anders war, daß er sich nicht gebunden hatte, sondern daß er einmal gefesselt worden war, in einem verwirrten betäubten Augenblick, in dem er nicht rechnen konnte oder wie es sonst gewesen war. Daß er damals sonderbar eingeschüchtert worden war vom Bayern, nachgab, seine junge Kaiserwürde schon verloren glaubte, sich aus Scham nicht hatte offenbaren können. Das mußte schmeichelnd in halber Abbitte zwischen den Zeilen geseufzt werden. Und gebeten werden um Befreiung - jedoch nicht zu deutlich, denn man war Römische Majestät und jener Brite, und ein Ungläubiger. Mit Politik mußte alles versteckt und maskiert werden; welches lebhafte Interesse mußte nicht England haben, den Bayern zum Nachgeben zu zwingen, um des pfälzischen Kurfürsten, des englischen Schwiegersohnes und seiner Kinder willen; ja Ferdinand ging so weit, durchscheinen zu lassen, daß er appellieren möchte an das Interesse Englands, eine starke protestantische Partei auf dem Festlande zu haben; schmerzlich und grausam weh tat ihm diese Bemerkung. Er hielt diesen Brief, vor dem er sich selbst entsetzte, lange zurück, trug ihn bei sich, mußte ihn von sich reißen, um ihn seinem alten Frey in die Hand zu drücken. Jeder Brief erklärte neu, kühner. Und er erwartete keine Antwort, dachte nie daran, was Digby meinen würde, glaubte jahrelang mit ihm umgegangen zu sein.

Eggenberg, dessen Haus durch einen Geheimgang mit der Burg verbunden war, staunte, als der Kaiser öfter unversehens mit geröteten Wangen freudig und müde bei ihm erschien, gedankenlos plauderte, sich an sein Bett setzte, eine große Zärtlichkeit gegen ihn und andre an den Tag legte, daß er Gnadengeschenke verteilte, ohne sich um Gurlands Bedenken zu kümmern; er beschenkte Gurland selbst noch.

Die Briefe aber liefen alle durch die Hände des feinen gewissenhaften und automatischen Gelehrten Kaspar Frey. Dieser hatte keine Neigung, sich zu lebhaft in die Geschäfte seines Herrn zu mischen; sein Respekt war zugleich Bequemlichkeit; ein Schutz vor übermäßiger Inanspruchnahme. Ihm fehlte die Herzlichkeit; sein scharfes Urteil war im Laufe der Jahrzehnte eingerostet im humanistischen Spintisieren über Vergil und Sueton. Für Ferdinand war das Geheimnis des Briefes vollendet mit dem Binden des Fadens, gelegentlich siegelte er. Das übrige vertraute er Frey an. So kamen ein zwei ungesiegelte Briefe den üblichen Weg in die Hände des Obersthofmeisters, der bei der Auffälligkeit der Situation, der Häufigkeit von Briefen an diesen englischen Empfänger, Verdacht schöpfte, heimlich einen las, ihren Inhalt auf der Stelle dem verblüfften Eggenberg mitteilte, bevor er das kaiserliche Siegel beifügte. Eggenberg wagte angesichts des unglaublichen Vorfalls nur noch den höchst verschwiegenen Abt Anton ins Geheimnis zu ziehen; Behutsamkeit schien ihm das Wichtigste für den Augenblick. Sie kamen, in der stillen Behausung des Abtes umeinandergehend, überein, nunmehr planmäßig jeden Brief zu öffnen, aufzufangen und entsprechend seinem Inhalt zu handeln. Der Obersthofmeister hatte schon unabhängig von ihnen die Öffnung der letzten Briefe vorgenommen; jetzt erfolgte dies im verschlossenen Dienstzimmer des Meggau in der Burg vor den beiden Geheimen Räten. Es schien einmal, als hätte Ferdinand Verdacht geschöpft, sein Kurier lief unprotokolliert durch; da ließ ihn Meggau auf der Straße hinter Wien niederwerfen von gedungenen Zigeunern; dieser Brief enthielt den erschreckenden Hinweis auf das evangelische Interesse des Königs Jakob. Es schlug dem Faß den Boden aus. Man konnte nicht ohne Trautmannsdorf weiter. Erstaunlicherweise zeigte der sich gar nicht verwundert, schien etwas Ähnliches vermutet zu haben. Nach seinem Rat wurden alle Briefe durchgelassen, aber dauernd die Kuriere auf den Straßen niedergeworfen und beraubt; dem Kaiser sollte Mitteilung werden von der Unsicherheit der Wege durch malkontente Ungarn und entlassene Söldner.

Furchtbar, unerwartet schwer traf dieser Bericht den versunkenen, ja zärtlich ausgeglichenen,...
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Autor

Alfred Döblin, 1878 in Stettin geboren, arbeitete zunächst als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Döblins erster großer Roman erschien im Jahr 1915/16 bei S. Fischer. Sein größter Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman >Berlin Alexanderplatz