Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

November 1918

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
512 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am23.10.20131. Auflage
Alfred Döblins monumentales Erzählwerk über die Novemberrevolution Wie sieht ein wirklicher Neuanfang aus? Nach dem 9. November nehmen die Spannungen in Berlin immer mehr zu. Die Generäle wollen die Monarchie zurück. Der Spartakusbund unter Karl Liebknecht setzt auf eine sozialistische Revolution. Und die Sozialdemokraten unter Friedrich Ebert paktieren mit den Vertretern der alten Ordnung ... Mit einem Nachwort von Helmuth Kiesel

Alfred Döblin, 1878 in Stettin geboren, arbeitete zunächst als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Döblins erster großer Roman erschien im Jahr 1915/16 bei S. Fischer. Sein größter Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman ?Berlin Alexanderplatz?. 1933 emigrierte Döblin nach Frankreich und schließlich in die USA. Nach 1945 lebte er zunächst wieder in Deutschland, zog dann aber 1953 mit seiner Familie nach Paris. Alfred Döblin starb am 26. Juni 1957.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR18,90
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextAlfred Döblins monumentales Erzählwerk über die Novemberrevolution Wie sieht ein wirklicher Neuanfang aus? Nach dem 9. November nehmen die Spannungen in Berlin immer mehr zu. Die Generäle wollen die Monarchie zurück. Der Spartakusbund unter Karl Liebknecht setzt auf eine sozialistische Revolution. Und die Sozialdemokraten unter Friedrich Ebert paktieren mit den Vertretern der alten Ordnung ... Mit einem Nachwort von Helmuth Kiesel

Alfred Döblin, 1878 in Stettin geboren, arbeitete zunächst als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Döblins erster großer Roman erschien im Jahr 1915/16 bei S. Fischer. Sein größter Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman ?Berlin Alexanderplatz?. 1933 emigrierte Döblin nach Frankreich und schließlich in die USA. Nach 1945 lebte er zunächst wieder in Deutschland, zog dann aber 1953 mit seiner Familie nach Paris. Alfred Döblin starb am 26. Juni 1957.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104027791
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2013
Erscheinungsdatum23.10.2013
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.5
Seiten512 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1614 Kbytes
Artikel-Nr.1287945
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Sturm auf das Polizeipräsidium


Ein junger Mensch kehrt aus dem Krieg zurück, gewinnt dem Leben in Berlin keinen Reiz ab und trifft andere, denen es ebenso geht. Einige aufgeregte Leute stürmen das Polizeipräsidium und können danach besser schlafen. Es ist der 22. November 1918.


Berlin war eine Häuserwucherung, die sich flach und düster in der sandigen Mark ausbreitete. Ein armseliges Rinnsal, die Spree, durchzog sie. Das Flüßchen nahm schwarze und schillernde Farben an von den Abwässern, die man hineinleitete, die Häuser wandten ihm den Rücken zu, Schuppen und Kohlenlager bedeckten seine Ufer. Im Hansaviertel, im Tiergarten öffnete sich die Welt ein wenig um das trübe, proletarische Gewässer; es sah Bäume und Boote und war glücklich, die Steinmassen verlassen zu können, aus denen der Unrat troff. Aber noch lange draußen in der Ebene stellten sich Fabriken um das Flüßchen, Anlagen groß wie eine Stadt, und darin abermals Menschen, die arbeiteten.

Die Stadt Berlin wucherte auf Sand, der in Urzeiten Meeresboden war. Wo früher Fische schwammen, lebten jetzt Menschen, und in so großer Zahl und auf so karger Erde, daß der größte Teil von ihnen entbehrte und schwer fronden mußte, um am Leben zu bleiben. Im Norden, Süden und Osten der Stadt, im ganzen weiten Umkreis standen die Fabriken, die man für entfernte Städte und Länder errichtet hatte. Viele von ihnen waren im Krieg entstanden, in dem nun verlorenen Krieg von 1914 bis 1918, und viele hatten sich auf Kriegsbedarf umgestellt. Aber da war kein Krieg mehr. Was sollte man mit den Fabriken? Die Besitzer und der Staat hatten kein Geld, um wieder Friedensfabriken aus ihnen zu machen. Es fehlten auch die Rohstoffe. Es gab hungrige Abnehmer, aber keinen, der bezahlen konnte, und das Ausland war verschlossen.

Da brachen Streiks aus. Der Haß der Arbeiter gegen die Fabrikherren machte sich Luft. Es bestand die Gefahr von Fabrikbesetzungen.

Im Osten und Norden der Stadt drängten sich die Menschen, die aus dem Krieg kamen, es kamen immer neue, die Demobilmachung war noch im Gange. Schreckliche Wohnungsnot herrschte. Wer eine Wohnung wollte, mußte Hunderte Mark bezahlen, das nannte man Abstandsgeld.

Im Westen, wo der Reichtum und der Luxus saß, waren die prächtigen und vornehmen Kaufläden zwar geöffnet, aber Kostüme, Schuhe und Hüte in diesen Läden kosteten viel, dazu war ihr Glanz nur scheinbar: die Kostüme bestanden aus Kriegsstoffen, die sich rasch auflösten, wie das Papier der Zeitungen und Bücher, das nach kurzer Zeit gelb wurde.

Der abendliche Glanz der Straßen und Plätze hatte nachgelassen; man sparte Kohlen, jede dritte Laterne brannte. Über einen großen Teil der Stadt breitete sich ein ängstlich unsicheres Halbdunkel, als ob man Fliegerüberfälle erwartete.

An diesen Novembertagen, wo sich die Finsternis von Niederlage und Zusammenbruch auf die wimmelnde Stadt niederließ, fühlten viele in ihr das Verhängnis, die nahende Gefahr. Und wie im Krieg, bei Epidemien sich in den Dörfern die Zettel an den Mauern und Scheunen verbreiteten: »Achtung! Cholera«, »Warnung! Flecktyphus«, so zeigten sich mehr und mehr an Häusern und Villen Schilder: »Sechszimmerwohnung, Achtzimmerwohnung, Zehnzimmerwohnung, mit Garten, Balkon, mit Mobiliar, ohne Mobiliar, ganz und geteilt zu vermieten, zu verkaufen.« In manche dieser Villen und Wohnungen zogen schon die speckigen Götter ein, die der Krieg hervorgebracht hatte, die sich von der neuen Not der Menschen nährten, die Götter mit den Köpfen von Aasgeiern - die Spekulanten und ihr Anhang.

 

Verdrossen irrt an diesem Freitag, dem 22. November, der ehemalige Leutnant Maus in den Berliner Straßen herum. Sein Vater ist Legationsrat, einer von der alten Sorte, der ihn täglich nach Heldentaten ausfragt, um damit im Amt zu prunken; die Mutter macht es nicht besser. Er hat ein halbes Jahr in einem elsässischen Lazarett gelegen, seine linke Schulter ist steif und noch nicht ganz geheilt, über Naumburg ist er nach Hause gekommen, und nun ist er da und weiß in der Stadt mit sich so wenig anzufangen, wie die Zehntausende, die noch anmarschieren. Wie dünner Schlamm werden sie alle, diese unbeschäftigten Massen, abends von ihren Häusern aufgesogen und bleiben nachts unsichtbar, aber morgens werden sie wie von einem Riesenschlauch auf die Straße gespült und rieseln da lange Stunden.

Maus mit seinem jungen rotbäckigen Gesicht ist ein unauffälliger, freundlicher Mensch, der es noch zu nichts gebracht hat. Er hat kräftige Glieder, die sich regen wollen, seine graublauen Augen blicken offen, seine Hoffnungen sind nicht mehr auf Karriere gerichtet. Er möchte nur wissen, ob er auf der Welt noch irgendwie von Nutzen ist.

Man hat im ehemaligen »Lunacafé« am Kurfürstendamm eine Stelle für »behelfsmäßige Entlassung von Heeresangehörigen« eingerichtet. Maus gerät mittags hinein. Im Gedränge tappt ihm jemand auf den Rücken und steckt den Kopf von hinten über seine Schulter. Es ist Karl Ding, genannt das Große Ding, ein ehemaliger Schul- und Studienkamerad, der im Krieg Hilfsdienst tat und auch nicht weiterweiß. Er sieht sich hier wie Maus um. Sie schütteln sich die Hände. Maus denkt: den gibt es also auch noch. Das Große Ding lächelt gewinnend von oben herunter, ein sanftes Känguruh, aber Maus ist es nicht zum Lachen, die andern blicken auch trübe, man ist hier wie in einem Trauerhaus, bei der Beerdigung eines Mannes, der viele Schulden hinterlassen hat. Das Ding tritt Maus auf den Fuß und flüstert: »Wenn du glaubst, hier etwas zu finden, völlig aussichtslos.«

Er selbst ist auch nur hier, weil man bei ihm zu Hause nicht heizt, hier zwar auch nicht, aber man bewegt sich, und die vielen Menschen. Die beiden drängen hinaus.

Das Ding schiebt einen Arm unter Maus´ rechten. Er beschnüffelt Maus und fragt plötzlich: »Was machst du eigentlich, Maus? Wo stehst du?«

Maus bittet, ihn mit solchen Fragen zu verschonen. Das Ding ist außer sich, aber nicht beleidigt. Daß sich dieser Kerl an mich hängt, denkt Maus. Schwatzend trabt die lange herzliche Gestalt, zuletzt Armierungssoldat, neben ihm bis zur Uhlandstraße. Da stellt sich an der Haltestelle der Elektrischen ein jüngeres ernstes Weib gegenüber. Nicht uneben, denkt Maus, obwohl sie eine Stahlbrille trägt. Sie nähert sich dem überraschten Ding. Sie küssen und umarmen sich. Maus vermutet, es ist seine Schwester, er hat sie seit seiner Einberufung nicht gesehen. Aber glückselig und als wenn sie ein Geschenk wäre, präsentiert ihm der lange Bursche dieses Fräulein als Grete Gries, seine Verlobte, von der er sich gestern abend verabschiedet hat - sie können sich vor Glück nicht fassen, daß diese schmerzliche Trennung zu Ende ist.

Maus zieht seinen Hut und will gehen. Aber da hat er nicht mit dem Großen Ding gerechnet, der über zu viel Seligkeit verfügt, um sie allein genießen zu können. Der Lange flüstert mit seinem Fräulein, und dann hängt sich schonend an Maus´ kranken linken Arm das Fräulein, das Ding geht rechts, und so wird der traurige Soldat eskortiert von einem jungen Brautpaar. Er muß mit ihnen marschieren und hat gedacht, heute wie immer trübe seines Wegs zu ziehen.

Man dirigiert ihn in seine eigene Wohnung, von der man, wie man strahlend gesteht, voraussieht, daß sie geheizt ist. Maus nimmt daran keinen Anstoß. Er hat nichts dagegen, mit dem Großen Ding und seiner Flamme bei sich zu Hause zu sitzen und eine Stunde totzuschlagen.

Es war bei ihm wirklich geheizt. Die Mutter schlief, so blieben sie von Bewunderung und Mitleid verschont. Die beiden Gäste begannen abzulegen und sich in der Wohnung umzusehen. Darauf überschütteten sie sich mit Beweisen ihrer unersättlichen Zärtlichkeit. Schließlich machten sie es sich in den beiden Polstersesseln von Maus´ Zimmer bequem und saßen nun da, wie seit Urzeiten, umschlungen. Maus ließ es mit einem Gemüt, das sich immerhin mehr verhärtete, geschehen. Er mußte sich mit einem einfachen Rohrstuhl begnügen.

Bald spann sich ein Gespräch an. Das Fräulein beliebte ihn nach seiner Schulter und seiner Rente auszufragen. »Wieviel Geld bringt Ihnen eigentlich Ihre steife Schulter ein?«

Er erwiderte, ohne sich etwas merken zu lassen: das Verfahren schwebe noch, die Rente richte sich nach dem Grad der Versteifung. - Ob er vor dem Krieg einen körperlichen Beruf ausgeübt habe? - Er hätte die Absicht gehabt, Offizier zu werden, aber damit sei es natürlich aus, wegen des Arms und überhaupt.

»Und Sie machen es also wie die andern«, schloß das Fräulein, welches dieses Verhör leitete, »Sie laufen herum, haben schlechte Stimmung, verbreiten schlechte Stimmung und warten ab.«

Maus zuckte die Achseln.

»Ich glaube«, verkündete das Große Ding, »du wirst noch lange so laufen können.«

»Das glaube ich auch«, sekundierte ernst und ohne Mitleid Fräulein Gries, »es kommen immer mehr Leute, für Anfang Dezember wird das ganze Frontheer erwartet.«

»Dann wird sich einiges ändern«, meinte hoffnungsvoll Maus.

Das Fräulein stimmte zu: »Dann wird das ganze Heer auf dem Kurfürstendamm, in Tempelhof, in der General-Pape-Straße stehen, und überall werden sie Karten bekommen, und man wird ihnen einen schönen Stempel aufdrücken.«

»Es wird ein mächtiges Gedrängel geben«, dröhnte das Große Ding.

»Und wie soll es auch anders werden, von wo? Die reichen Herren werden sich einen Schwung geben und sich samt der gnädigen Frau und den Jören in die Autos verladen und mit ihren Geldmappen in die windstille Schweiz fahren, und dann werden wir hier unter uns sein und an den Knöpfen abzählen, wer die...
mehr

Autor

Alfred Döblin, 1878 in Stettin geboren, arbeitete zunächst als Assistenzarzt und eröffnete 1911 in Berlin eine eigene Praxis. Döblins erster großer Roman erschien im Jahr 1915/16 bei S. Fischer. Sein größter Erfolg war der 1929 ebenfalls bei S. Fischer publizierte Roman >Berlin Alexanderplatz