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Die schweigenden Frauen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am22.05.20141. Auflage
Die abgeschnittenen Beine einer Prostituierten. Ein Schmetterlingstattoo. Ein Pfarrer. Eine Mordserie. Und Frauen, die beharrlich schweigen. Gabriel Tretjak ist der REGLER. Für die, die es sich leisten können, regelt er Karriere, Liebe, Geld. Da wird in sein Berliner Apartment ein Paket geliefert. Zwei eingeschweißte Frauenbeine, abgetrennt an der Hüfte. Mit einem Tattoo, das nur einer so gut kennt wie der REGLER selbst: sein Bruder. Zur gleichen Zeit findet in Niederbayern ein Pfarrer einen abgeschnittenen Frauenkopf vor dem Altar. Und in Südfrankreich wartet eine Frau in einem Cape unter einem Kirchturm. Jede Nacht. Seit Jahren ... Coole Action, rasantes Tempo und die ungewöhnlichste Figur im deutschen Thriller: der REGLER.

Max Landorff ist ein Pseudonym. Seine REGLER-Thriller sind Bestseller und in mehrere Sprachen übersetzt.
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Produkt

KlappentextDie abgeschnittenen Beine einer Prostituierten. Ein Schmetterlingstattoo. Ein Pfarrer. Eine Mordserie. Und Frauen, die beharrlich schweigen. Gabriel Tretjak ist der REGLER. Für die, die es sich leisten können, regelt er Karriere, Liebe, Geld. Da wird in sein Berliner Apartment ein Paket geliefert. Zwei eingeschweißte Frauenbeine, abgetrennt an der Hüfte. Mit einem Tattoo, das nur einer so gut kennt wie der REGLER selbst: sein Bruder. Zur gleichen Zeit findet in Niederbayern ein Pfarrer einen abgeschnittenen Frauenkopf vor dem Altar. Und in Südfrankreich wartet eine Frau in einem Cape unter einem Kirchturm. Jede Nacht. Seit Jahren ... Coole Action, rasantes Tempo und die ungewöhnlichste Figur im deutschen Thriller: der REGLER.

Max Landorff ist ein Pseudonym. Seine REGLER-Thriller sind Bestseller und in mehrere Sprachen übersetzt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104017631
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum22.05.2014
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.3
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1014 Kbytes
Artikel-Nr.1332288
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Zweiter Tag

Donnerstag, 10 Uhr
Amsterdam


Marko hatte die blonde Perücke aufgesetzt, die schwarze Lederjacke angezogen und das kurze Netzhemd, das durchsichtige. Als er auf seinen hohen Schuhen durch Amsterdams Rotlichtviertel lief, fragte er sich, ob die ersten Huren in den Häuserfenstern ihn vielleicht für eine Konkurrenz hielten. Die Vorstellung, als Frau gesehen zu werden, gefiel ihm. Er mochte es, wenn Männer dann an Sex mit einer Frau dachten und nicht merkten, dass er eben keine Frau war. Und dass auch die Frauen irgendwelche Sachen dachten, wenn sie ihn sahen.

Das Studio lag in einer schmalen Seitengasse, und man sah ihm seine Exklusivität nicht an. Eine schwarze Eingangstür, keine Fenster. Das war eines der Prinzipien der Chefin. Sie wollte keinerlei Tageslicht. Hier herrschte die Dunkelheit und - wo es darauf ankam - künstliches Licht, weiß, klar, scharf. Aus der ganzen Welt kamen die Leute hierher, oft warteten sie monatelang auf einen Termin bei ihr, der Tattoo-Meisterin. Oft hatten die Kunden eine genaue Vorstellung, welches Tattoo sie wollten, aber wenn sie den Laden wieder verließen, hatten sie ein anderes auf ihrem Körper. Die Chefin war berühmt dafür, dass sie einen Menschen nur anschauen musste, um zu wissen, welche Tätowierung er brauchte. Und dann gab es keine Widerrede. Gelegentlich setzte sie eines ihrer Lieblings-Tattoos, ein besonders großes, auf den gesamten Arm einer Kundin, wenn sie spürte, dass die Frau in Not war. Es zeigte ein Schiff im Meeressturm und an Deck eine schöne, starke Frau. Das Tattoo hatte eine einfache Bedeutung: Diese Frau mochte im Sturm des Lebens stecken - untergehen würde sie nie.

Mary hieß sie, für alle nur Mary. Die alte Mary. Keiner konnte ihr Alter schätzen, außer: sehr alt, biblisch alt. Sie stammte aus Südafrika und war vor langer Zeit nach Amsterdam gekommen. Die Legende sagte, sie habe einmal eine Affäre mit dem jungen Nelson Mandela gehabt. Ihr Körper war übersät mit Tattoos, es gab angeblich schon lange keine freie Stelle mehr. Die Frau auf dem Schiff hatte am linken Arm ihren Platz gefunden.

»Ich muss Mary sprechen«, sagte Marko.

Die junge Frau am engen Eingangstresen teilte ihm mit, Mary habe heute keine Sprechstunde. Und ohne Termin könne man mit Mary nicht sprechen.

»Schmetterling«, sagte Marko. »126. Sagen Sie ihr das.« Schmetterling. 126. Das waren die Zauberworte, die ihm Luca mitgegeben hatte. Luca liebte Zauberworte, die einem Eingang verschafften - zu welcher Welt auch immer. Marko hatte noch nicht erlebt, dass ein solches Zauberwort von Luca nicht funktionierte. Vor einiger Zeit hatte er Luca einmal gefragt, welches Zauberwort bei ihm, Marko, funktioniere. Da hatte Luca sofort geantwortet, mit seiner unglaublichen Stimme: »Bei dir ist der Zaubercode einfach. Er heißt: Ich liebe dich. «

Luca, der die meiste Zeit stumm war, hatte geantwortet. Luca, bei dem die Ärzte nicht wussten, woher diese Sprachstörung kam und warum sie gelegentlich für kurze Augenblicke verschwand, dieser Luca, der sich sonst nur schriftlich äußerte, hatte gesprochen. Es war ein wunderbarer Augenblick gewesen. »Ich liebe dich.« Er hatte es einfach so gesagt. Und doch war es nicht einfach eine Liebeserklärung, sondern auch Teil eines Spiels. Bei Luca war nie etwas »nur so«. Marko wusste schon lange, dass dieser Mann für ihn die Liebe seines Lebens war. Schwere Liebe. Wunderbare Liebe. Komplizierter ging es nicht. Also genau so, wie es Marko sich immer erträumt hatte.

Die Frau am Tresen verschwand, und ein paar Minuten später war Mary da.

»Was kann ich für Sie tun?«

Sie trug ein schwarzes Kleid, jede ihrer Bewegungen wirkte in dem düsteren Raum wie ein Schattenspiel. Marko zog den Ausdruck eines Fotos aus seiner Handtasche. Darauf war sehr gut sichtbar ein Tattoo abgebildet, ein blauer Schmetterling.

»Ich soll fragen«, sagte Marko, »ob das ein Schmetterling 126 ist.«

Luca hatte das Foto irgendwann in der Nacht per Mail erhalten. Es kam von seinem Bruder, von Gabriel. Luca Tretjak. Gabriel Tretjak. Zwei Brüder, die sich nie sahen, die nie miteinander kommunizierten. Marko war diese Beziehung schon immer unheimlich gewesen. Luca wollte nie etwas von seinem Bruder berichten. Marko hatte irgendwann aufgehört zu fragen. Er wunderte sich, wie ruhig Luca auf die Mail des Bruders reagiert hatte. Als wäre die plötzliche Nachricht von Gabriel gar nichts Besonderes gewesen. Er hatte Marko die Mail nicht lesen lassen. Auf den Weg zu Mary hatte er ihm nur das Foto mitgegeben - und ein paar Informationen, die er noch in den Laptop getippt hatte. Es sei ein ganz besonderer Schmetterling, der Schmetterling 126. Er habe ein doppeltes Flügelpaar, und die zweiten Flügel bestünden aus reinem Gold. Was bedeutete, dass flüssiges Gold direkt in die Haut injiziert wurde. Der Schmetterling 126 sei äußerst selten. Nur sehr wenige Tätowierer seien überhaupt in der Lage, dieses Tattoo anzufertigen.

Mary schaltete eine winzige Taschenlampe an, die ein grelles weißes Licht warf, und richtete sie auf das Foto. Mit einer Lupe setzte sie die Prüfung fort.

»Ja«, sagte sie, »das ist ein Schmetterling 126, ohne Zweifel. Aber da stimmt was nicht.«

»Was meinen Sie?«, fragte Marko.

»Wo befindet sich dieses Tattoo? In welches Material ist es injiziert? Leder?«

»Soweit ich weiß«, sagte Marko, »gehört es einer Frau, die gestorben ist.«

»Nein.« Mary schüttelte den Kopf. »Das ist keine Haut, auf keinen Fall.«

Marko ging kurz auf die Straße und schickte Luca eine SMS: Du musst kommen. Du musst das selbst klären.

 

Es dauerte nur ein paar Minuten, bis Luca da war; er hatte wie verabredet in einem Café um die Ecke gewartet. Marko gab ihm einen Kuss auf den mit schwarzem Lippenstift umrandeten Mund. Als Luca das Studio betrat, wirkte seine weiße Haut noch weißer als sonst. Und als Mary die Taschenlampe kurz einschaltete, wirkte es, als würden Lucas kurze rote Haare phosphoreszieren.

Luca holte sein iPad hervor. Mary redete, und er tippte. Sie brauchten nicht lange, dann hatten sie die Lösung gefunden.

»Kann es sein«, schrieb Luca, »dass das Tattoo erst nach dem Tod der Frau aufgetragen wurde? Dass das tote Haut ist, auf der der Schmetterling sitzt?«

»Ja«, sagte Mary, »tote Haut. Haut ohne Blut. Verweste Haut, gelbe Haut. Schreckliche Haut. Das ist es. Aber was soll das? Ein so schönes, so teures Tattoo auf eine Leiche? Das verstehe ich nicht.«

 

Aber Luca hatte es verstanden. Das spürte Marko ganz genau, als sie das Studio verließen. Luca zog ihn neben sich auf die erste Bank an der Straße und tippte eine Mail an seinen Bruder Gabriel. Er machte keine Anstalten zu verbergen, was er schrieb: »Die Spur führt nach Mutzenkreuz. Wir brauchen einen Plan. Schnell.«

Donnerstag, 11 Uhr
Fecharn am See

Wenn er hätte sagen müssen, was seinen Alltag bestimmt hatte, hier in dem kleinen Zimmer in dem großen Landsitz am schönen See, dann waren es vor allem zwei Dinge: die Tabletten und sein Handy. Die kleinen weißen Tabletten, die große gelbe, die vier roten und die Handvoll blauen. Jeden Tag musste er sie nehmen, verteilt auf morgens, mittags und abends. Wenn er die große gelbe schluckte, musste er jedes Mal würgen. Die roten hatten einen leichten Nachgeschmack, es schmeckte ein klein wenig verfault, nach Moder, fand er, obwohl er nicht sagen konnte, dass er jemals Moder geschmeckt hätte. Die anderen Tabletten waren in Ordnung, die schluckte er einfach runter. Bei den kleinen weißen hatte er mal den Beipackzettel gelesen. Es stand eine Warnung drin: Wenn ein Gesunder aus Versehen eine dieser Tabletten nahm, musste er augenblicklich die Notaufnahme eines Krankenhauses aufsuchen.

Die Schwester gab ihm die Tabletten immer mit den identischen Worten: »So, jetzt bringe ich noch etwas Süßes, Herr Kommissar.« Es war immer dieser Satz, sie variierte nie ein einziges Wort.

Herr Kommissar. Alle sprachen ihn hier so an, die Ärzte, der Psychologe, die Physiotherapeutin. Als seien sie alle froh, ihm etwas zurufen zu können aus seinem alten Leben, in der Hoffnung, es könnte ihm Selbstbewusstsein bringen. Allzu viele Berufsbezeichnungen eigneten sich gar nicht für diese Ansprache, Herr Doktor, Herr Professor, das ging, Herr Ingenieur auch, aber Herr Metzger, Herr Schaffner, Herr Architekt? Der »Kommissar« hörte sich seltsam für ihn an, jedes Mal wieder, aber auch nicht seltsamer als alles andere.

 

Der Herr Kommissar. Jetzt an diesem Vormittag stellte August Maler seine zwei gepackten Taschen auf sein Bett. Heute war sein letzter Tag. Inge würde ihn am Nachmittag abholen, dann ging es wieder nach Hause. Acht Wochen war er hier auf diesem Landsitz gewesen, der kein Landsitz war, sondern eine Rehaklinik für Herzkranke. Welcher Tag, welche Woche, nichts spielte eine Rolle. Zuerst war das Wetter schlecht gewesen, inzwischen war der Frühling da. Am Anfang hatte er ihn nur aus den Fenstern gesehen, doch irgendwann war er auch draußen im Park spazieren gegangen. Das Knirschen der Kieswege hatte anders geklungen unter den schwachen Füßen als später unter dem stärker werdenden Tritt.

Heute war Donnerstag, das wusste er, weil der Doktor irgendwann zu ihm gesagt hatte, am Donnerstag könne er nach Hause gehen: »Das Leben wartet.« Maler hatte daraufhin geantwortet: »Sie meinen, endgültig verrückt kann ich auch zu Hause werden.« Der Doktor hatte gelacht. Sülze hieß er, Doktor Sülze. Ein guter Name, fand Maler. Vor...
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