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Die Siedlung der Toten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am22.09.20161. Auflage
Sie liegt idyllisch, doch sie atmet das Böse: die Siedlung. Mit einem Kopfschuss hingerichtet sitzt die Frau in ihrem Rollstuhl, aufrecht wie eine Mumie in ihrem Chanel-Kostüm - die letzte Bewohnerin der Siedlung. Idyllisch war es hier einst in den Bungalows an der Isar. Bis man die Leichen fand: 18 Tote, im Kreis angeordnet um eine Feuerstelle. Alle waren sie Bewohner der ersten Stunde. Welches Grauen verbirgt sich bis heute in der Siedlung? ?Die Siedlung der Toten?: der beklemmende neue Thriller des Bestseller-Autors Max Landorff - hochatmosphärische deutsche Spannung mit raffinierten Wendungen und verstörendem Blick in menschliche Abgründe. »Ich trage die Siedlung in mir wie einen Nagel aus Titan, der in einen gebrochenen Knochen getrieben wurde. Ein Fremdkörper, der sich nur durch Schmerz bemerkbar macht. Doch nun ist die Zeit gekommen für die Operation. Jetzt muss der Nagel aus dem Knochen entfernt werden.«

Max Landorff ist ein Pseudonym. Seine REGLER-Thriller sind Bestseller und in mehrere Sprachen übersetzt.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextSie liegt idyllisch, doch sie atmet das Böse: die Siedlung. Mit einem Kopfschuss hingerichtet sitzt die Frau in ihrem Rollstuhl, aufrecht wie eine Mumie in ihrem Chanel-Kostüm - die letzte Bewohnerin der Siedlung. Idyllisch war es hier einst in den Bungalows an der Isar. Bis man die Leichen fand: 18 Tote, im Kreis angeordnet um eine Feuerstelle. Alle waren sie Bewohner der ersten Stunde. Welches Grauen verbirgt sich bis heute in der Siedlung? ?Die Siedlung der Toten?: der beklemmende neue Thriller des Bestseller-Autors Max Landorff - hochatmosphärische deutsche Spannung mit raffinierten Wendungen und verstörendem Blick in menschliche Abgründe. »Ich trage die Siedlung in mir wie einen Nagel aus Titan, der in einen gebrochenen Knochen getrieben wurde. Ein Fremdkörper, der sich nur durch Schmerz bemerkbar macht. Doch nun ist die Zeit gekommen für die Operation. Jetzt muss der Nagel aus dem Knochen entfernt werden.«

Max Landorff ist ein Pseudonym. Seine REGLER-Thriller sind Bestseller und in mehrere Sprachen übersetzt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104027937
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum22.09.2016
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.4
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1198 Kbytes
Artikel-Nr.1923222
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Teil 1 Die Morde



Heute


03. September


Manchmal träume ich, dass ich in die Siedlung zurückkehre. Zurück zu den weißen Bungalows, zu den Kieswegen, den gebeizten Garagentoren. Und den Bäumen, die dort herumstanden wie alte Männer, gekrümmt und dürr.

Ich trage diesen Ort in mir, aber nicht so wie andere Menschen ihre Heimat in sich tragen, wie eine Flüssigkeit, die sich ins Blut gemischt hat und plötzlich warm werden kann - beim Anblick eines Handrasenmähers zum Beispiel oder beim Duft der Nadeln einer Latschenkiefer. Ich wünschte, es wäre so, und ich denke oft daran, dass die Siedlung so ein Gefühl hätte sein können. Wenn nicht ... ja, wenn nicht ...

Handrasenmäher hat es genug gegeben, mit gusseisernen Scherenwalzen, die in allen Gärten rasselten. Und die Kiefern ließen ihr Harz aus der Rinde fließen wie Honig. Es roch scharf und verklebte die Hände beim Klettern in den Ästen und beim Annageln gestohlener Bretter für ein Baumhaus. Das Zeug zu einer großartigen Heimat hätte sie gehabt, diese Siedlung. Der wilde Fluss, der wilde Wald, die sorglosen Eltern, die sagten: Komm nach Hause, wenn es dunkel wird.

Es sind nicht die Gedanken oder Gefühle, die unsere Biographie formen. Es sind die Ereignisse. Das, was geschehen ist. Auch wenn wir manchmal ein Leben lang nicht verstehen, was genau geschehen ist.

Ich trage diesen Ort wie ein Stück Metall in mir: wie einen Nagel aus Titan, der in einen gebrochenen Knochen getrieben wurde. Ein Fremdkörper, der sich nur durch Schmerz bemerkbar macht - bei bestimmten Bewegungen und bei manchen Wetterlagen.

 

Meine Träume von der Rückkehr in die Siedlung sind nie gleich. Aber es gibt nur zwei Varianten für den Ausgangspunkt der Handlung. In der einen überwinde ich im Traum die Zeit, und ich bin wieder der sechsjährige Junge, der ich damals war, als ich mit meinen Eltern und meinem noch ganz kleinen Bruder in die neue Bungalowsiedlung einzog: »Unter den Kiefern«, Hausnummer 3. Ich hatte mit den Möbelpackern vorn im Lastwagen mitfahren dürfen, die ganze Strecke von München an der Isar entlang hinaus aufs Land. Die Bundesstraße war damals noch eine Schotterstraße, geteert sollte sie erst Jahre später werden. Sicherheitsgurte gab es noch nicht.

Die Männer, die sagten: Komm, setz dich zwischen uns. Die Eltern, die sagten: Halt dich gut fest, wenn die bremsen müssen.

In diesen Träumen ist alles genauso, wie es damals wirklich gewesen ist, es gibt nur einen Unterschied in meinem Kopf: Ich kenne die Geschichte schon, nichts ist neu für mich. In diesen Träumen bin ich ein weiser Junge, der schon weiß, dass Herr Müller böse zu Kindern ist - lange bevor er es erleben soll. Der Herr Müller, der das Nachbarhaus bewohnte und seine weißen Haare mit Frisiercreme der Marke »Brisk« auf den Kopf klebte.

In der anderen Variante meiner Träume komme ich als alter Mann, sehr alt. Ich habe Gicht in Händen und Füßen, ich atme schwer und muss langsam gehen. Ich komme, um eine Antwort zu suchen, das stellt mein Gehirn im Schlaf klar. Und im Schlaf ist es ganz selbstverständlich, dass ich die zugehörige Frage noch nicht kenne, nur spüre, dass sie sehr wichtig ist. Die Siedlung in diesen Träumen ist verlassen. Die Häuser sind leere Hüllen, die Fenster ohne Scheiben. Immer schlägt eine Haustür im Wind und liefert den Rhythmus zu den Bildern. Das Gras ist hüfthoch und überwuchert die Gärten, verschmilzt die einst akribisch voneinander getrennten Reiche der Öhlers, Börnes, Rügemers und wie die Leute alle hießen. Die Kiefern senken ihre Äste tief auf die Dächer, viele Ziegel sind gebrochen. Die Steinplatten der Terrassen versinken im Boden.

Meine Träume von der Siedlung beginnen immer mit einem melancholischen Gefühl, nicht unangenehm, nicht beunruhigend. Doch sie enden stets damit, dass ich hochschrecke in meinem Bett. Ich weiß dann, dass ich geschrien habe. Der Schrei, der mich geweckt hat, hängt noch in der Dunkelheit des Zimmers, klirrt in meinem Kopf. Dann höre ich die Stimme meiner Frau: »Du hast schlecht geträumt, schlaf weiter, alles ist gut.« Sie weiß nichts von der Siedlung. Ein einziges Mal sind wir dort spazieren gegangen. Schau mal, hier habe ich als Junge Fußball gespielt. Solch ein Spaziergang ist das gewesen. Nichts weiß sie.

 

Heute Morgen konnte ich mich nicht erinnern, etwas geträumt zu haben. Ich stand in der Küche, drückte einen Kaffee aus meiner neuen, chromglänzenden Giulia-Espressomaschine, und mein iPad lud die neue Ausgabe der Süddeutschen Zeitung. Als ich vor zwei Jahren das Abonnement abgeschlossen habe, hat man mich gefragt, welche der Regionalausgaben ich mir wünschte. Und kurz bevor ich »keine« anklicken wollte, sah ich die Option »Landkreis Rupertshausen« und entschied mich anders. Forstham, das Dorf, an dessen Rand die Siedlung liegt, befindet sich in diesem Landkreis. Seither überfliege ich täglich diese Seiten, finde gelegentlich einen Namen unter den Todesanzeigen, der mir bekannt vorkommt, lese von der Eröffnung einer Turnhalle, der Abstimmung über eine Umgehungsstraße oder von einem Badeunfall in der Isar, die in dieser Gegend noch reißend ist und laut rauscht.

Es hat zum ersten Mal nach Herbst gerochen heute Morgen, das ist mir gleich nach dem Aufstehen aufgefallen, als ich das Küchenfenster geöffnet habe. Eigentlich noch ein Sommertag, der 3. September, und die Sonne hat tatsächlich den ganzen Tag geschienen, aber dieser Geruch hat dem Sommer seinen ersten Schlag versetzt. So einfach geht das: Die Nase nimmt ein paar Luftmoleküle auf, das Gehirn verknüpft die Information mit ein paar Erinnerungen ... und schon ist der Sommer am Ende.

Ich habe auf den Regionalseiten heute Morgen die Überschrift gelesen: »Ein Hai nähert sich der Isar.« Und die Unterzeile: »Unbekannter Investor kauft berüchtigte Bungalowsiedlung Unter den Kiefern .«

 

Ich saß am Küchentisch mit meinem Espresso, und ich wusste sofort: Jetzt ist die Zeit gekommen für die Operation. Jetzt muss der Nagel aus dem Knochen entfernt werden.



 

 


Sie steuerte den Wagen schnell und sicher durch die Nacht. In den Lautsprechern entfaltete sich Schuberts Fantasie für Violine und Piano. Eva Schnee verstand nichts von klassischer Musik, aber beim Autofahren stellte sie meistens Klassik Radio ein. Es war kurz nach Mitternacht. Die Straße war trocken und leer, nur selten musste sie abblenden, weil ein Wagen entgegenkam. Sie war auf dem Weg nach Hause, zu ihrer Wohnung im Münchener Stadtteil Lehel. Sie hatte eine alte Schulfreundin besucht, die immer noch da draußen im Süden lebte, in dem Städtchen Rupertshausen, und die sich wahrscheinlich nie von dort wegbewegen würde. Sie hatte inzwischen zwei langweilige kleine Kinder, einen langweiligen Mann, und sie selbst war eigentlich auch schon immer langweilig gewesen. Aber sie hatte den größten Busen der Schule gehabt - und einen sich träge vorwärtsschiebenden Arsch, der früher die Jungs und später die Männer um sich scharte, als hätte er etwas zu verschenken. Über Männer mit ihr zu reden war immer noch sehr amüsant. Auch bei Mineralwasser und Tee.

Eva Schnee war Kriminalkommissarin, und sie hatte sich geschworen, nichts mehr zu trinken, wenn sie fahren musste. Gar nichts mehr, wirklich nichts. Vor drei Wochen war sie in eine nächtliche Kontrolle geraten, und der Streifenpolizist, dem sie ihren Dienstausweis gezeigt hatte, hatte verdammt lang gezögert und sehr genau ihr Sommerkleidchen und ihr Gesicht studiert, ehe er sie mit steinerner Miene durchgewinkt hatte.

Der viele Tee heute Abend zeigte seine Wirkung: Sie war hellwach, und sie überlegte, ob sie noch in einer Kneipe ein Glas Rotwein trinken sollte, wenn sie angekommen war. Sie kannte die Bundesstraße 11 nach München sehr gut, sie musste an nichts denken. Das Fernlicht fraß die weißen Mittelstreifen, die angeflogen kamen. Der Motor des BMW kratzte angenehm an der Geigenmelodie. Der schwarze Wald rechts und links hielt den Rest der Welt davon ab, näher zu kommen.

Als das Gesicht im Rückspiegel auftauchte, erschrak sie zuerst nicht. Es war ja ein sehr vertrautes Gesicht, und es war ein lächelndes Gesicht. Sie sah im Spiegel plötzlich die Augen ihres Vaters, und sein Gesicht war sehr nah, nahm die Fläche des Spiegels ganz ein. Genauso hatte er sie angesehen, bevor er starb. Genau dieses Gesicht hatte sie gespeichert. Neun Jahre alt war sie damals gewesen.

Eva Schnee wandte den Blick vom Rückspiegel ab, schaute auf die leuchtenden Instrumente am Armaturenbrett, sah ein Verkehrsschild vorbeiflitzen, 80 bei Nässe, drehte das Radio etwas lauter. Aber als sie den Blick wieder anhob, war das Gesicht ihres Vaters immer noch da, und es war kein eingefrorenes Bild - sie sah, wie seine Augenlider blinzelten, die Grübchen um seinen Mund sich bewegten, die Lippen sich öffneten.

»Du musst vorsichtig sein, mein Hündchen«, sagte ihr Vater.

Und jetzt gab es keine anderen Geräusche mehr, keine Musik, keinen Motor, nur noch diese Stimme, die sie so furchtbar vermisst hatte. Mein Hündchen, so hatte er sie immer genannt.

»Nichts ist so, wie es scheint«, sagte ihr Vater.

Dann fiel plötzlich ein Schatten auf sein Gesicht, die Gesichtszüge lösten sich auf im Dunkeln, bis nur noch die Augen blieben. Sie bohrten sich förmlich ins Glas des...


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