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Jeansgröße 0

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Arena Verlag GmbHerschienen am17.03.2014
Neidisch betrachtet sie die Hose. Diese dünnen Beinchen, dieser winzige Bund! Wie wenig Stoff das ist! Jeansgröße 0, denkt sie. Seit Katharina ihre neue Mitbewohnerin Lilja kennengelernt hat, gibt es nur noch eins: genauso hip zu sein wie sie. Angesagt zu sein. Und das zu tragen, was alle wollen: Jeansgröße 0. Katharina hat keine Ahnung, in welche Gefahr sie sich damit bringt.

Brigitte Blobel wurde 1942 in Hamburg geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie in Ahrensburg (Schleswig-Holstein). Nach dem Abitur studierte sie englische und französische Literatur, Theaterwissenschaften sowie Politik und Zeitungs-Wissenschaften. Sie arbeitete in Frankfurt als Redakteurin für Associated Press und hat zwei Kinder großgezogen. Brigitte Blobel lebte mit ihrem Ehemann auf Mallorca und in Hamburg. Neben ihrer Tätigkeit als freie Journalistin und Drehbuchautorin schrieb sie Bücher für Jugendliche und Erwachsene, die mehrfach ausgezeichnet wurden. Brigitte Blobel verstarb nach schwerer Krankheit im August 2024.
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Produkt

KlappentextNeidisch betrachtet sie die Hose. Diese dünnen Beinchen, dieser winzige Bund! Wie wenig Stoff das ist! Jeansgröße 0, denkt sie. Seit Katharina ihre neue Mitbewohnerin Lilja kennengelernt hat, gibt es nur noch eins: genauso hip zu sein wie sie. Angesagt zu sein. Und das zu tragen, was alle wollen: Jeansgröße 0. Katharina hat keine Ahnung, in welche Gefahr sie sich damit bringt.

Brigitte Blobel wurde 1942 in Hamburg geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie in Ahrensburg (Schleswig-Holstein). Nach dem Abitur studierte sie englische und französische Literatur, Theaterwissenschaften sowie Politik und Zeitungs-Wissenschaften. Sie arbeitete in Frankfurt als Redakteurin für Associated Press und hat zwei Kinder großgezogen. Brigitte Blobel lebte mit ihrem Ehemann auf Mallorca und in Hamburg. Neben ihrer Tätigkeit als freie Journalistin und Drehbuchautorin schrieb sie Bücher für Jugendliche und Erwachsene, die mehrfach ausgezeichnet wurden. Brigitte Blobel verstarb nach schwerer Krankheit im August 2024.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783401803630
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum17.03.2014
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.1395274
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Kapitel

Morgen kommt sie. Ich bin echt gespannt, wie sie so ist. Mama hat gesagt, guck sie dir doch erst mal an. Nicht, dass du wieder so reinfällst wie das letzte Mal. Aber ich hab keinen Bock auf den Stress.

Vielleicht ist sie ja ganz nett. Vielleicht kann man mit ihr reden. Wäre schön, endlich eine Freundin zu haben - jemanden, dem man alles anvertrauen kann, ohne dass sie es gleich weitererzählt. Jemanden, der mich mag.

Ansonsten werde ich sie mir einfach vom Hals halten. Nicht ranlassen. Das hab ich mittlerweile ganz gut drauf. Aber jemanden zum Reden zu haben, das wäre wirklich schön.

Katharina sitzt im Wagen 31, auf dem Platz Nummer 63 des ICE von Würzburg nach Hamburg. Ein bequemer Sitz, auf dem man es gut drei Stunden lang aushält. Sie hat die Rückenlehne ganz nach hinten gestellt, ihre Füße liegen auf dem prall gefüllten Koffer. Ihren Kleiderschrank zu Hause hat sie fast komplett ausgeräumt. Und ihren Schreibtisch. Und die zwei Kartons unter ihrem Bett. Am liebsten hätte sie alles mitgenommen, denn es ist nicht sicher, ob sie vor Winteranfang noch mal nach Hause fährt. Wer wegfährt, denkt nicht gleich ans Zurückkommen.

Und sie schon gar nicht. Dafür hat sie viel zu lange auf diesen Augenblick gewartet.

»Du bist noch so jung!«, hat ihre Mutter immer wieder gesagt.

Katharina hat gelacht. »Du doch auch«, hat sie erwidert und ihre Mutter hat genickt und ihre Tochter mit dieser besonderen Mischung aus Besorgtheit und unbändigem Stolz angesehen.

In zwei Wochen wird Katharina siebzehn - genauso alt wie ihre Mutter damals, als sie mit Katharina schwanger war. Vielleicht begreift sie es dann, denkt Katharina. Vielleicht begreift sie an meinem Geburtstag, dass ich erwachsen geworden bin.

Eigentlich hatte sie zu Hause feiern wollen, aber sie muss das Zimmer in der WG schon ab dem ersten Oktober bezahlen. Aber traurig ist sie deswegen trotzdem nicht - eine Party mit ihrer neuen WG, das stellt sie sich richtig cool vor.

Mit Zoe und Lilja, ihren Mitbewohnerinnen. Auf die freut sie sich wahnsinnig. Sie kennt die beiden zwar noch nicht persönlich, aber die Mails von Lilja waren auf jeden Fall supernett.

Zoe und Lilja. Allein schon die Namen!

Katharina ist, solange sie denken kann, immer Kathi genannt worden. Im Dorf sagen sie »die Kathi«. Noch schlimmer. Sie wird in der WG gar nicht erst erwähnen, wie man sie zu Hause genannt hat. Katharina ist besser. Katharina die Große hat ihren Ehemann, den russischen Zaren, von seiner eigenen Leibgarde stürzen lassen und sich selber auf den Thron gesetzt.

So möchte sie sein. Stark und selbstbewusst.

Katharina die Große. Nicht »die Kathi«.

Ihre ehemaligen Schulfreunde sind fast ausgerastet vor Neid, als sie hörten, dass Kathi - die Kleine, das Küken - nach Hamburg ziehen wird. Die meisten aus ihrer Klasse haben noch keinen Studienplatz, warten auf eine Zusage oder bleiben sowieso in der Gegend.

Das wäre nichts für sie.

Katharina liebt ihre Eltern, sie haben ein gutes Verhältnis; aber dass sie wegwill, fort von zu Hause, steht für sie schon lange fest. Vielleicht liegt es daran, dass sie immer überall die Jüngste war. Jeder hat sich Sorgen um sie gemacht, alle haben aufgepasst. Sogar auf der Abifahrt war das so, Katharina hatte als Einzige die Erlaubnis ihrer Eltern mitbringen müssen.

In Hamburg schert sich keiner um mein Alter, denkt sie zufrieden. In Hamburg wird alles anders.

Ihr Koffer blockiert den halben Gang. Zwischen die Sitze passt er nicht, er ist einfach zu groß. Fast ein Schrankkoffer. Und schwer wie Blei. Ein neuer roter Schalenkoffer. Die alten Koffer, die auf dem Dachboden vor sich hin staubten, waren alle morsch, das Innenfutter von Motten oder Mäusen zerfressen, die Schlösser verrostet vom Nichtstun.

In ihrer Familie reiste man nicht. Das war schon immer so. In ihrer Familie blieb man dort, wo man hingehörte, auf dem eigenen Grund und Boden. Seit Generationen.

Ihr Vater hat zwar studiert, aber weggezogen ist er deswegen nicht. Wäre gar nicht gegangen, Katharina war ja noch so klein. Nach dem Examen hat er gemeinsam mit Katharinas Mutter den elterlichen Hof umgekrempelt. Jetzt ist es ein Biohof. Biotomaten und Biomilch.

Das ganze Frühjahr und den Sommer über hat Katharina auf dem Feld geholfen. Ihre Haut ist immer noch schön braun, als habe sie den Sommer in Italien verbracht, und die Sommersprossen auf der Nase haben sich für immer eingebrannt.

Justus mochte ihre Sommersprossen. Er hat sie manchmal »Sprosse« genannt. Er hat immer gesagt: »Ich kenne nur zwei Frauen mit Sommersprossen: Pippi Langstrumpf und dich - und ihr seid beide klasse.« Das fand er lustig, das hat er sogar noch auf der Abifeier gesagt, in großer Runde.

Katharina spürt, wie sich etwas in ihr zusammenzieht, als sie an Justus denkt. Sie starrt aus dem Fenster in die buntbraune Septemberlandschaft.

Sie hat sich fest vorgenommen, Justus hinter sich zu lassen, ein für alle Mal. Verdammt, sie ist auf dem Weg nach Hamburg. Mit jedem Kilometer, den der Zug nach Norden rast, lässt sie ihr altes Leben weiter zurück. Warum muss er sich trotzdem in ihre Gedanken schleichen?

Jedes Wort seiner letzten E-Mail kennt sie auswendig.

»Hi, Sprosse. Ich bin kein Typ für romantische Abschiede, deshalb mach ich es kurz: Wir sollten jetzt aufhören, wo es am schönsten ist. So eine Beziehung auf Distanz bringt doch eh nix. Das wissen wir beide. Wollten es nur nicht wahrhaben. Aber im Urlaub ist mir das endgültig klar geworden . . .«

Katharina hatte sofort den Verdacht gehabt, dass er sich am Gardasee in eine andere verliebt hat, aber die Clique, die mit ihm im Urlaub war, hat geschworen, dass nichts gewesen sei. Na ja, dann ist er eben ein Feigling. Wenigstens hätte er es ihr direkt sagen können, bei einem Abschiedsessen oder an ihrem See oder so. Aber eine Mail schicken! Nach all den Monaten, die sie fast unzertrennlich gewesen waren!

Sie haben sich am ersten Advent ineinander verliebt, auf dem Würzburger Weihnachtsmarkt, weil das so ein superromantischer Tag war, mit Schneeflocken weich und groß wie Wattebällchen. Katharina hatte zu viel Glühwein getrunken und Justus auch und das war gut so, denn ohne den Glühwein hätten sie es niemals geschafft, sich nach einem tiefen Blick in die Augen zu küssen. Und dann auch noch, wie aus einem Mund, zu sagen: »Das wollte ich schon lange.«

Da hat Katharina ihn wieder geküsst und geflüstert: »Merkst du was? Wir bleiben ewig zusammen.«

Aber nun sind es nur neun Monate geworden. Justus hat einer Fernbeziehung ja noch nicht einmal eine Chance gegeben. Männer sind eben feige. Oder bequem. Oder was auch immer.

Jedenfalls ging es ihr nach der Mail ziemlich dreckig. Eigentlich so richtig dreckig. Sie wollte gar nicht aus dem Bett. Hat gekotzt, geheult und einen Berg gebrauchter Papiertaschentücher auf dem Bettvorleger angehäuft.

Wollte schon fast nicht mehr losfahren, weil sie sich Hamburg ohne Liebesmails, SMS oder Anrufe von Justus nicht wirklich vorstellen konnte.

Aber nach fünf Tagen Dauerheulen hat sie ihren Verstand, der ja eigentlich gut funktionierte, wieder eingeschaltet. Einen Plan gemacht. Das Gesicht mit Eiswürfeln abgerieben, Gurkenschalen auf die geschwollenen Augenlider gelegt, vor dem offenen Fenster Kniebeugen gemacht und anschließend zwei Tafeln Vollmilchschokolade gegessen.

Danach hat sie beschlossen, sich einfach auf ihr neues Leben zu freuen. Hamburg, das weiß sie genau - Hamburg wird sie über Justus hinwegtrösten. Da wimmelt es bestimmt von gut aussehenden, supersympathischen Männern. Und Justus kann sich ihretwegen eine dieser blöden Schnecken suchen, die nichts im Kopf haben und hübsch brav an seiner Seite bleiben.

Draußen fliegt Deutschland vorbei. Hügel, Wälder und Seen, Windräder. Ohne die Geschwindigkeit zu verringern, rast der Zug durch die Bahnhöfe kleiner Städte, so schnell, dass Katharina nicht einmal die Ortsnamen lesen kann. Die Leute, die auf den Bahnsteigen auf einen Nahverkehrszug warten, tragen sommerliche Kleider. Dabei ist es Ende September. Katharina sieht nackte Beine, nackte Arme, einen Blumenkübel, eine Litfaßsäule, einen Fabrikschornstein, ein Möbelhaus. Dann ein Tunnel - draußen ist plötzlich nur Schwärze, nur Dunkelheit und ihr Gesicht in der Scheibe. Die großen Augen, die Justus manchmal Scheinwerfer genannt hat.

Der dicke rote Zopf in ihrem Nacken löst sich auf, die Naturlocken kringeln sich um ihre Stirn. Sie zupft ein bisschen an ihrer Bluse herum, an der Strickjacke, die sie um die Taille geschlungen hat. Auch auf ihrem Handrücken hat sie mehr Sommersprossen, als Sterne am Himmel sind.

Nicht an Justus denken!

Sie schiebt die Hände unter ihren Po und bleibt so sitzen, bis der Zug aus dem Tunnel ans Licht rast, immer weiter in ihr neues Leben.

Ihr Zimmer hat sie im Internet gefunden - über die Mitwohnzentrale. Katharina kann ihr Glück noch immer nicht fassen. Sie weiß, wie schwer es ist, eine einigermaßen bezahlbare Unterkunft in Hamburg zu finden - und dass die meisten wochenlang suchen.

Sie hat zwar die komplette Miete für das erste Semester im Voraus überweisen...
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Autor

Brigitte Blobel wurde 1942 in Hamburg geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie in Ahrensburg (Schleswig-Holstein). Nach dem Abitur studierte sie englische und französische Literatur, Theaterwissenschaften sowie Politik und Zeitungs-Wissenschaften. Sie arbeitete in Frankfurt als Redakteurin für Associated Press und hat zwei Kinder großgezogen. Brigitte Blobel lebte mit ihrem Ehemann auf Mallorca und in Hamburg.Neben ihrer Tätigkeit als freie Journalistin und Drehbuchautorin schrieb sie Bücher für Jugendliche und Erwachsene, die mehrfach ausgezeichnet wurden.Brigitte Blobel verstarb nach schwerer Krankheit im August 2024.